Fälle Reissner PDF

Title Fälle Reissner
Course Arbeits- und Sozialrecht
Institution Universität Graz
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Summary

Fälle+Lösungen aus dem Buch von Reissner...


Description

Fakultätsstudienvertretung Rechtswissenschaften

Erdgeschoss, Raum 103 Christoph Probst-Platz 1 6020 Innsbruck

Ein Stu Stude de dent nt hat uns dies dieses es Dokum Dokume ent üb überm erm ermitt itt ittelt, elt, um an ander der deren en Stud tudieieren rende de den n als Hilfe beim Lern Lernen en zu di die enen nen.. Die Ric Richt ht htigk igk igkei ei eitt der Lösu Lösung ng ngen en kan kann n also ni nicht cht ga gara ra rantie ntie ntiert rt we werde rde rden n! Fälle Arbeitsrecht für die Diplomprüfung bei Prof. Reissner Im Folgenden handelt es sich um eine Ausarbeitung der 90 Fälle des Arbeitsrechts aus dem Buch Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht6 (2020). In den Fußzeilen wird auf die jeweilige Seite des Buches verwiesen, falls zur Lösung andere Quellen verwendet wurden (OGH-Urteile, Fachzeitschriften) werden diese ebenso zitiert. Da die meisten Fälle ohne Lösungshilfen im Buch angegeben werden, kann ich für die Richtigkeit der Lösungen nicht garantieren. Aus meiner Sicht unklare Fälle wurden mit Kommentaren „[RR:…]“ gekennzeichnet. Ich hoffe, dass dieses Dokument einigen Studierenden eine Hilfe sein wird und würde mich freuen, wenn Fehler ausgebessert werden und daran weitergearbeitet wird. Innsbruck, im Mai 2020

Fälle Arbeitsrecht in Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht6 (2020)

Fall 1: Sk Skisch isch ischul ul ule e Sa Sach ch chver ver verhal hal haltt1 Der Kl, ein Sportstudent, ist in einer Skischule „für die Saison 2018/19“ als Ski- und Snowboardlehrer tätig. Über das zwischen dem Kl und der Schischule bestehende Rechtsverhältnis werden keinerlei schriftliche Aufzeichnungen geführt, der Skischulleiter bezeichnet es zuweilen als „Werkvertrag“. Der Kl muss sich außer Samstag täglich am Skischulsammelplatz vor der Skischulhütte einfinden, wo die Gruppenzuteilung erfolgt. Die Skikurse dauern von 9 bis 12 sowie von 14 bis 16 Uhr, zwei Mal pro Woche wird der Kl auch zur Betreuung der Skischulkinder während der Mittagszeit herangezogen. Der Kl erhält einen Tageslohn von € 120,−, wovon ihm die Kosten der Unterkunft im „Skilehrer-Selbstversorgerhaus“ abgezogen werden; seine Einnahmen hat er laut Skischule selbst zu versteuern. Zusätzliche Einkünfte Ergeben sich für den Kl durch die Vermittlung sog Privatstunden (das sind Stunden für Einzelpersonen bzw Kleingruppen, die besser bezahlt werden) durch die Skischule, die er, sofern er Interesse hat, während seiner Freizeit übernehmen kann. Die Skischule hat auch nichts dagegen, wenn der Kl sich selbst für seine Freizeit Aufträge beschafft; er darf diese auch selbst abrechnen. Die Skischule stellt dem Kl den Skilehreranzug sowie auf Wunsch auch Skier bzw Snowboards zur Verfügung. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, Sportgeräte über die Skischule stark verbilligt zu beziehen. Am 15.03.2019 erkrankt der Kl an einer schweren Lungenentzündung, die ihn bis Ende April ans Bett fesselt. Er verlangt die Weiterzahlung des Tageslohnes für die Zeit seiner Krankheit. Die Skischule lehnt dies ab; der Kl hätte „sich selbst versichern sollen“, außerdem sei der Skibetrieb wegen Schneemangels ohnehin schon am 31.03.2019 eingestellt worden. Wie ist die Rechtslage?

Lös Lösun un ungg2 Der Skilehrer ist Arbeitnehmer und kein Werkunternehmer! Stichwort Persönliche Abhängigkeit: - Bindung an Arbeitszeit, Arbeitsort, Arbeitsabfolge - Weisungen der Skischule - Betriebsmittel vom Vertragspartner Die dagegensprechenden Punkte sind wesentlich schwächer ausgeprägt -

Lockerung ggü den üblichen Treuepflichten Kein Abzug von Lohnsteuer und SV-Beiträgen

Die falsche Bezeichnung schadet nicht, sie wäre, wenn überhaupt, nur im Zweifel relevant. Das Arbeitsverhältnis ist objektiv bestimmbar befristet („Ende der Saison“) – 31.03.2019. Skilehrer sind Arbeiter (Rsp), da es um die Vermittlung „körperlicher Geschicklichkeit“ geht. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall richtet sich daher nach § 2 Abs 1 EFZG: -

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Es gebührt das fiktive Entgelt, welches der AN bei Wegdenken der Arbeitsverhinderung bezogen hätte (6 Wochen, da das Arbeitsverhältnis lt SV kein volles Jahr dauerte). Allerdings nur bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses (31.03.2019) – Eine Verlängerung nach § 5 EFZG kommt nicht in Frage, da die Beendigung durch Fristablauf nicht in § 5 erwähnt wird.

Reissner, Arbeitsrecht6 [S. 12-13]. vgl. vorgegebene Lösung in Reissner, Arbeitsrecht 6 [S. 13].

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Fälle Arbeitsrecht in Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht6 (2020)

Fall 2: Ga Gasth sth sthau au auss Sa Sach ch chver ver verhal hal haltt3 Der Kl und der Bekl arbeiten gemeinsam in der familieneigenen Gastwirtschaft. Der Bekl ist „formell“ als Gastwirt und Unternehmer tätig; sein Bruder, der Kl, ist als Hilfskraft angemeldet. Diese Regelung war von der Mutter der Parteien vor allem aus familiären Gründen getroffen worden. Der Kl ist nämlich krank und will sozialversichert sein. Ein Arbeitsvertrag wird zwischen den Parteien „formell“ nicht abgeschlossen. Beide Parteien sowie deren Eltern hatten im Gasthaus Kost und Quartier. Intern besteht folgende Aufgabenteilung: der Bekl ist für die Küche zuständig, der Kl für den Gastraum, die Getränke und die gemeinsame Kasse. Die unternehmerischen Funktionen werden gemeinsam ausgeübt. Der Kl nimmt die notwendigen Einkäufe vor, ohne den Bekl zu fragen und ohne von diesem bevollmächtigt zu sein. Wichtige Betriebsentscheidungen werden gemeinsam getroffen. Eine Entgeltvereinbarung ist nicht zustande gekommen; es wird nie eine Lohnabrechnung erstellt. Der Kl verwaltet die gemeinsame Kasse, in die das von ihm im Betrieb eingenommene Geld gegeben wird und aus der alle betrieblichen Ausgaben bestritten werden. Beide Parteien entnehmen der Kasse auch die für ihren persönlichen Bedarf benötigten Beträge. Der Kl begehrt vom Bekl mit der Behauptung, er sei als Hilfskraft beschäftigt gewesen, den rückständigen kollektivvertraglichen Lohn für die letzten drei Jahre. Zu Recht?

Lös Lösun un ungg4 Arbeitsverhältnis  Subordinationsprinzip (Über- bzw Unterordnung) Gesellschaftsvertrag  Kooperatives Prinzip (Gleichordnung) Im vorliegenden Fall liegt zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis vor, sondern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist über die ausdrücklich oder schlüssig vereinbarten Vertragsinhalte zu beurteilen. So ist wurde der Kl zwar bei der Sozialversicherung angemeldet, doch dies stellt nur ein Indiz dar und spricht nicht zwangsläufig für ein bestehendes Arbeitsverhältnis. Im Gegenteil, die Punkte, die dagegensprechen überwiegen. -

Der Kläger verrichtete seine Tätigkeit für den Gasthausbetrieb nicht in persönlicher Abhängigkeit vom Beklagten, diesem stand kein Weisungsrecht zu. Der wirtschaftliche Erfolg kam nicht allein dem Beklagten zu. Die Parteien waren im Wesentlichen gleichberechtigt, führten den Betrieb gemeinsam und übten gemeinsam unternehmerische Funktionen aus (Kooperatives Prinzip).

Dies zeigte sich insbesondere in folgenden Punkten: -

Es wurde eine gemeinsame Kasse geführt, aus der jeder Geld für den persönlichen Bedarf entnehmen durfte. Eine Genehmigung war im Einzelfall prinzipiell nicht von Nöten. Der Kl konnte Entscheidungen wie Wareneinkauf o.ä. treffen, ohne den Bekl zu fragen. Wichtige Unternehmensentscheidungen wurden gemeinsam getroffen Der Kl war also keine Hilfskraft, sondern gleichberechtigter Gesellschafter

Nachdem kein Arbeitsverhältnis bestand, besteht der Anspruch auf den kollektivvertraglichen Lohn nicht.

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Reissner, Arbeitsrecht6 [S. 14]. vgl. 14 Ob 79/86.

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Fälle Arbeitsrecht in Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht6 (2020)

Fall 3: Blu Blume me menv nv nverk erk erkäu äu äufer fer ferin in Sa Sach ch chver ver verhal hal haltt5 Die Hauptbeschäftigung der Kl besteht einerseits im Verkauf von Blumen samt Inkasso, andererseits in der Warenbetreuung und -besorgung (Auspacken und Reinigen der gelieferten Ware, Aufstellen und Verteilen auf Vasen, Pflanzenschalen udgl, Ergänzen des Wassers, Schneiden der Stängel, Aussortieren usw). Jeweils am Montag wird von den gerade anwesenden AN das Geschäft samt Nebenräumen, jedoch ohne Auslagen und Fenster, gründlich gereinigt (Dauer drei bis vier Stunden); an den anderen Wochentagen wird je nach Notwendigkeit einmal oder mehrmals, insb nach dem Ende der Geschäftszeit, aufgewaschen. Die Kundenberatung spielt keine große Rolle. Die Preise aller im Geschäftslokal vorhandenen Schnittblumen und Blumenstöcke sind ausgezeichnet. Es wird nur manchmal nach den Namen der Blumen und nach ihrer Pflege und Haltbarkeit gefragt; bei Blumenstöcken wird den Kunden ein Kärtchen mit einer Pflegeanleitung ausgefolgt. Im Geschäftslokal gibt es nur eine Kassenlade, in welche das eingenommene Geld hineingelegt wird. Ein Teil der Schnittblumen wird von der nahen Stiftsgärtnerei bezogen, deren Fahrverkäufer jeweils montags, mittwochs und freitags die Blumenhandlung besucht. In diesen Fällen bestellt die Kl oder eine ihrer zwei Kolleginnen jene Mengen, die seit dem letzten Besuch des Fahrverkäufers umgesetzt worden sind. Die Kl wird Ende Mai zum 30.06 gekündigt. Sie begehrt ua Kündigungsentschädigung bis zum 30.09 mit der Behauptung, in einem Angestelltenverhältnis zu stehen. Zu Recht?

Lös Lösun un ungg6 In erster Linie ist zu prüfen, ob die Kl Angestellte iSd § 1 AngG ist. Nur in diesem Fall hätte die Kl den Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung gem § 29 AngG, da die Kündigungsfrist gem § 20 Abs 2 AngG zumindest 6 Wochen beträgt (je nach Dauer des Dienstverhältnisses auch mehr, wobei hierzu dem SV keine näheren Angaben zu entnehmen sind). Die Bekl hat mit Ende Mai zum 30.06 gekündigt und damit die notwendige Kündigungsfrist des AngG nicht eingehalten. Die Kl ist aber nicht als Angestellte iSd § 1 AngG anzusehen. Sie verrichtet vorwiegend keine kaufmännischen Dienste (die anderen Fälle sind ohnehin nicht einschlägig). Für die Bewertung dieses Sachverhaltes sind mehrere Punkte einschlägig: -

Die Kl hat so gut wie keinen Einfluss auf die Preisgestaltung und kann nicht auf die aktuelle Marktsituation reagieren, die Preise der Blumen sind im Geschäftslokal ausgezeichnet. Sie erledigt Einkäufe nur in sehr begrenztem Rahmen, nämlich vom Fahrverkäufer der Stiftsgärtnerei und nur in einem, vom AG bestimmten, Volumen. Kundenberatung oder gar die Entwicklung von Verkaufsstrategien spielt gem SV keine große Rolle Kaufmännische Nebentätigkeiten spielen auch keine Rolle, die Kl ist nicht mit Buchführung o.ä. beschäftigt, sondern gibt nur das eingenommene Geld in die gemeinsame Kasse, hat somit auch keine Kontrollbefugnis in Bezug auf Umsatz und/oder Gewinn.

Die Kl ist keine Angestellte, hat demnach auch keinen Anspruch auf Kündigungsentschädigung nach dem AngG. Die einschlägige Kündigungsfrist nach § 77 GewO (14 Tage) wurde eingehalten. Es besteht damit auch nach dieser Grundlage kein Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung.

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Reissner, Arbeitsrecht6 [S. 26] vgl. 4 Ob 157/80, DRdA 1984/3, 43 [Löschnigg].

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Fälle Arbeitsrecht in Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht6 (2020)

Fall 4: Te Techn chn chnisc isc ischer her KKon on ontroll troll trollor or Sa Sach ch chver ver verhal hal haltt7 Der Kl ist in der Abteilung Fertigungskontrolle und Abnahme einer Maschinenfabrik mit technischen Kontrollarbeiten beschäftigt. Er muss technische Zeichnungen lesen und nachvollziehen und technische Skizzen fallweise selbst anfertigen. Im Rahmen der Kontrolle von Fertigteilen muss der Kl über die Eignung des Produkts selbstständig entscheiden; ihm obliegt die Befundaufnahme bei Kontrollbeanstandungen. Er hat weiters die Abnahmemitarbeiter der Kunden zu betreuen und die Abnahme von Werkstücken der Lieferfirmen durchzuführen. Der Kl begehrt die Feststellung, dass auf sein Arbeitsverhältnis das AngG anzuwenden ist. Wie ist die Rechtslage?

Lös Lösun un ungg8 Damit das AngG anwendbar ist, muss der Kl gem § 1 Abs 1 AngG eine der drei Alternativvoraussetzungen erfüllen. Einschlägig sind in diesem Fall die „höheren Dienste“, diese sind näher zu prüfen: Wichtig ist hier insbesondere die Grünberg´sche Formel. Diese besagt, dass (auch wenn kein bestimmter Studiengang vorausgesetzt wird) zumindest eine gewisse fachliche Durchdringung der Arbeitsaufgabe erforderlich ist, und vor allem nicht durch eine zufällige Ersatzkraft geleistet werden kann. Im vorliegenden Fall spricht vieles dafür, dass der Kl Angestellter ist. Er muss technische Zeichnungen lesen, verstehen und ggf verbessern oder gar neu anfertigen. Weiters hat er sehr weitreichende und selbstständige Befugnisse in der Kontrolle, ist ua für die Qualitätssicherung bei Fertigteilen zuständig. All diese Tätigkeiten können von keinem Facharbeiter ohne zusätzliche Schulung bewältigt werden. Der Kl muss keine mechanische, sich immer wiederholende Arbeit verrichten, sondern sich vielmehr jederzeit genau mit den vorgelegten Zeichnungen und Teilen in der Kontrolle beschäftigen. Dafür sind genaue, einschlägige Kenntnisse nötig. Der Kläger verrichtet höhere Dienste gem § 1 Abs 1 AngG, sein Dienstvertrag beruht somit auf einem Angestelltenverhältnis.

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Reissner, Arbeitsrecht6 [S. 27]. vgl. 4 Ob 139/81.

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Fälle Arbeitsrecht in Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht6 (2020)

Fall 5: Co Comp mp mpute ute uterar rar rarbeit beit Sa Sach ch chver ver verhal hal haltt9 Der Kl ist bei der Bekl auf Grund eines Inserates, worin ein Mitarbeiter mit PC-Kenntnissen für Operatorentätigkeit gesucht werde, beschäftigt; er wurde von der Bekl als Arbeiter eingstuft. Der Kl ist mit Eingabearbeiten am PC, dem Versand von Computerausdrucken, der Kontrolle von Bestelllisten und Meldungen von etwa 100 Filialen, der Bildung von Gesamtsummen aus den Kassen-PC der Filialen, den Eintragungen in Formulare, der Übertragung von Diktaten, der Entgegennahme von telefonischen Bestellungen sowie dem Ausbau und der Verbesserung eines Computerprogramms befasst. Der Kl verlangt die Behandlung nach Angestelltenrecht. Wie ist die Rechtslage?

Lös Lösun un ungg10 Zu prüfen ist, ob die Tätigkeit des Kl „Kanzleiarbeiten“ iSd § 1 Abs 1 AngG sind und ob er damit als Angestellter zu qualifizieren ist. Kanzleiarbeiten sind ist jede Schreibarbeit, mit der eine gewisse, wenn auch nicht weitgehende geistige Tätigkeit verbunden ist, die also über das bloße Abschreiben hinausgeht. Dazu gehören auch administrative Tätigkeiten. Nur Dienste rein mechanischer Art und untergeordnete Verrichtungen iSd § 1 Abs 2 AngG sind keine Kanzleiarbeiten iSd Abs 1. Der Kl hat neben Schreibarbeiten (die mehr als reines Abschreiben sind), wie zum Beispiel Eingabearbeiten am PC, vor auch Registrierungs- (Verwaltung der Listen aus 100 Filialen usw), Sichtungs- und Kontrolltätigkeiten ausgeführt. In der Gesamtheit ist besteht das Arbeitsverhältnis überwiegend aus Kanzleitätigkeiten. Der Kl ist somit als Angestellter zu qualifizieren.

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Reissner, Arbeitsrecht6 [S. 28]. vgl. 9 ObA/99z, ecolex 2000, 810.

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Fälle Arbeitsrecht in Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht6 (2020)

Fall 6: Ab Abfer fer fertig tig tigun un ungs gs gsver ver verzich zich zichtt Sa Sach ch chver ver verhal hal haltt11 Der Kl ist seit 17 Jahren bei der Bekl als Buchhalter beschäftigt. Er möchte den Sprung in die Selbstständigkeit wagen und sein Arbeitsverhältnis beenden. Um im Notfall leichter in seinen Beruf zurückkehren zu können, will der Kl nicht selbst kündigen, sondern strebt eine einvernehmliche Lösung an. Die Arbeitgeberseite erklärt sich schließlich dazu bereit, sofern der Kl auf seine Abfertigung, die laut Arbeitsvertrag zehn Monatsentgelte ausmacht, verzichtet. Am 30.06 2017 wird eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen. Im Juli 2019 verunfallt der Kl mit dem Auto. Am Kfz tritt ein Totalschaden ein, der Kl benötigt finanzielle Mittel zur Anschaffung eines Ersatzwagens. Er macht gegenüber der Bekl die Abfertigung aus dem seinerzeitigen Arbeitsverhältnis geltend. Wie ist die Rechtslage?

Lös Lösun un ungg12 Für die Abfertigung besteht ein gesetzlicher Anspruch (§ 23 AngG). Dieser ist zudem gem § 40 AngG ein zwingender Anspruch, der auf vertraglicher Ebene nicht beseitigt werden kann. Die gesetzliche Abfertigung beruht allerdings nur im Ausmaß von sechs Monatsentgelten (§ 23 Abs 1 AngG), darüber hinaus liegt eine einzelvertragliche Besserstellung des Kl vor, die durch eine Vertragsänderung verändert werden kann. Auch ein allfälliger Verzichtsvertrag des Kl ändert nichts an der Situation. Ein unabdingbarer Anspruch ist dann unverzichtbar, wenn der AN unter dem typischen Druck der persönlichen Abhängigkeit steht, was jedenfalls bei aufrechtem Arbeitsverhältnis und im Zuge der Beendigung eines solchen der Fall ist (Drucktheorie). Im vorliegenden Fall ist der Verzicht auf die Abfertigung eine Voraussetzung für den Bekl, der einvernehmlichen Lösung zuzustimmen. Der Verzicht auf die gesetzliche Abfertigung iHv 6 Monatsentgelten ist also nicht gültig. Abfertigungen sind Teil des Entgeltanspruchs und verjähren daher gem § 1486 Z 5 ABGB, drei Jahre nach Fälligkeit des Anspruchs. Mit heutigem Datum (24.05.2020) ist der Anspruch noch einklagbar und würde am 30.06.2020 verjähren.

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Reissner, Arbeitsrecht 6 [S. 34]. vgl. vorgegebene Lösung in Reissner, Arbeitsrecht6 [S. 34].

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Fälle Arbeitsrecht in Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht6 (2020)

Fall 7: Fes Festleg tleg tlegun un ungg d des es En Endz dz dzeitp eitp eitpun un unkt kt ktes es b bei ei Kü Künd nd ndig ig igun un ungen gen Fra Frage ge geste ste stellu llu llung ng13 Zu welchem Zeitpunkt kann das Arbeitsverhältnis rechtlich korrekt enden, wenn die Arbeitsvertragsparteien wie in den folgenden Situationen Kündigungserklärungen zugehen lassen wollen (bei Fehlen einer ausdrücklichen Bezugnahme auf KollV, BV oder Arbeitsvertrag sind nur die gesetzlichen Normen maßgeblich): a) Der AG will eine Angestellte mit 18 Dienstjahren am 12.01.2019 kündigen. b) Sachverhalt wie a). Im Arbeitsvertrag ist vereinbart, dass die Kündigungsfrist am Fünfzehnten oder am Letzten des Kalendermonats endigt. c) Sachverhalt wie a) und b). Im Arbeitsvertrag ist vereinbart, dass die Kündigungsfrist zwischen vollendetem 15. Und vollendetem 20. Dienstjahr drei Monate beträgt d) Ein Angestellter mit 16 Dienstjahren möchte am 12.01.2019 kündigen. e) Der AG will einen Bauarbeiter (18 Dienstjahre) in einem Saisonbetrieb am 02.01.2021 kündigen. f) Sachverhalt wie e). Der anzuwendende KollV schließt eine Kündigungsfrist bis zu einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren zur Gänze aus.

Lös Lösun un ungg a) Gem § 20 Abs 2 Satz 1 ist eine Kündigung nur zu Quartalsende möglich. Die Kündigungsfrist für eine Angestellte mit mehr als 15 aber weniger als 20 Dienstjahren beträgt gem § 20 Abs Abs 2 Satz 2 4 Monate. Eine Vereinbarung, dass die Kündigungsfrist am 15. Oder am letzten endet ist nicht ersichtlich. Der AG kann also die Angestellte mit 30.06.2019 kündigen und muss dafür mindestens 4 Monate vorher, also am 28.02.2019 die Kündigung aussprechen. b) Der AG kann die Angestellte mit 15.05.2019 kündigen, diese muss demnach bis spätestens 15.01 ausgesprochen werden. c) Gem § 20 Abs 3 AngG kann die Kündigungsfrist nicht unter die gesetzlich vorgegebene Dauer verkürzt werden. Die Vereinbarung im Arbeitsvertrag ist nichtig, es besteht die normale, 4monatige Frist. Zur Lösung siehe b) d) Gem § 20 Abs 4 AngG besteht für die Kündigung des AN eine Kündigungsfrist von einem Monat und das Dienstverhältnis kann immer mit dem monatsletzten aufgelöst werden. Wenn der AN am 12.01.2019 kündigt, endet das Dienstverhältnis am 28.02.2019. e) Für Arbeiter gelten ab 01.01.2021 weitgehend die gleichen Fristen wie für Angestellte. Diesbezüglich wurde ein neuer § 1159 ABGB geschaffen, der für einen Bauarbeiter mit 18 Dienstjahren eine Kündigungsfrist von 4 Monaten vorsieht. Auch die Kündigung nur zu Quartalsende wurde dem AngG gleichgestellt. Ergo kann der AG den Arbeiter mit 30.06.2021 kündige...


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