Flugreisefall PDF

Title Flugreisefall
Course Bürgerliches Vermögensrecht I
Institution Universität des Saarlandes
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Summary

Musterlösung zum Klassiker des Flugreisefalles...


Description

Flugreisefall

Fall: M, 17 Jahre, flog mit einem entsprechendem Flugticket mit einer Linienmaschine der L von München nach Hamburg. Dort gelang es ihm, mit anderen Passagieren, dasselbe Flugzeug wieder zu besteigen und an dem Weiterflug nach New York teilzunehmen, ohne dass er im Besitz eines Flugtickets für diese Strecke gewesen wäre. Im Flugzeug waren noch etliche Plätze frei. In New York wurde M die Einreise in die USA verweigert, da er kein Visum besaß. Die L beförderte ihn daraufhin noch am selben Tag zurück nach München. Sie verlangt nun von M unter anderem Zahlung des tariflichen Flugpreises für die Strecke Hamburg - New York und für die Strecke New York – Hamburg.

Lösung: Teil 1: Hinflug Hamburg – New York A. §§ 631, 632 II BGB 1. Konkludenter Vertragsschluss? Hier: konkludente WE als “ad incertas personas” (-) Argument: Fluggesellschaft will mit einem “blinden Passagier“ erkennbar keinen Vertrag schließen (§§ 133, 157 BGB)  Sie hat nur den Willen einen Fluggast zu befördern, der sich im Besitz eines gültigen Tickets befindet.

2. (P) faktisches Vertragsverhältnis? Hintergrund: Die Lehre des faktischen Vertrages sagt, dass Verträge in der modernen Massengeschäftskultur ohne die Abgabe von Willenserklärungen nur durch sozialtypisches Verhalten, also tatsächliches Verhalten zustande kommen  also: Durch das Bereitstellen des Flugzeuges, käme der Vertrag nur durch Einsteigen der Fluggäste zustande. Voraussetzung: Linienverkehr = Massenverkehr? h.M.: Lehre vom faktischen Vertrag (-) Argumente: -

Lehre vom faktischen Vertrag entspricht nicht dem im BGB niedergelegten Grundprinzip des Zustandekommens eines Vertrages durch WE

-

Sachgerechtes Ergebnis auch ohne Verzicht der Grundsätze, dass Verträge durch WE zustande kommen

(P) Minderjährigenschutz beim faktischen Vertrag?

-

e.A.: Anwendung der §§ 104 ff. (-)  Kritik: Minderjährigenschutz hat Vorrang und darf nicht umgangen werden.

-

h.M.: Genehmigung analog § 107 BGB (-)

Ergebnis: Anspruch (-)

B. §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB -

Vorvertragliches SV i.S.d. § 311 II Nr. 2 (-), da keine Vertragsanbahnung  Argument: M will kein Ticket kaufen, sondern sich heimlich als „blinder Passagier“ in das Flugzeug schleichen

-

Zudem: Minderjährigenschutz geht vor  kein Vertragsschluss möglich

C. §§ 683 S. 1, 670 BGB (-) Kein FGW (vgl. § 687 I)

D. § 823 I (-) Keine RGV  Vermögen ist kein geschütztes Rechtsgut E. § 823 II BGB i.V.m. § 265a StGB 1. § 265a StGB als Schutzgesetz -

Tatbestand des § 265a (+)

-

Verschulden (+) h.M.: Maßstab der Schuldfähigkeit richtet sich nach § 828 III BGB, nicht nach JGG  Grund: Es geht hier um zivilrechtliche Folgen

2. (P) Schaden? a) Differenzhypothese Hier: Fall des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) Aber: Flugzeug nicht vollständig besetzt bzw. ausgebucht  Schaden (-) b) Normative Korrektur? Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm? Hier: Schaden i.H.d. gewöhnlichen Flugpreises? Unter Berücksichtigung des § 106 BGB ist eine solche Korrektur abzulehnen, da hier auch keine gesetzliche Schadensverlagerung erfolgt  Schaden (-)

Ergebnis: Anspruch (-)

F. § 812 I 1 Alt. 1 BGB

1. Etwas erlangt Eine Ansicht: ersparte Aufwendungen  Kritik: Das ist eine Frage der Entreicherung und nicht auf Tatbestandsseite zu thematisieren h.M.: vermögenswerte Position = Wert der geleisteten Beförderung

2. Durch Leistung (P) (generelles) Leistungsbewusstsein? Dafür: Es wird an alle Personen geleistet, die sich tatsächlich im Flugzeug befinden. Dagegen: -

L wird wohl nicht den Willen haben, auch an „blinde Passagiere“ zu leisten  bei Flugreisen findet grds. – anders als bei Straßenbahnen – eine individuelle Kontrolle statt

-

Das aktive Erschleichen des Gebrauchsvorteils steht im Vordergrund

Zwischenergebnis: generelles Leistungsbewusstsein (-)

Ergebnis: Anspruch (-)

G. § 812 I 1 Alt. 2 BGB 1. Etwas erlangt (s.o.) 2. In sonstiger Weise a) Keine Leistung (egal von wem) b) Eingriff auf Kosten des L (+) 3. Ohne RG (+), da kein Vertrag (s.o.)

4. Rechtsfolge a) Grundsatz Grundsatz: § 818 I § 818 II: Wertersatz  objektiver Wert des Gebrauchsvorteils Hier: übliches Entgelt für den Flug (vgl. § 632 II)

b) Entreicherung (§ 818 III)? (P) Entreicherung bei Inanspruchnahme von Gebrauchsvorteilen möglich? Dagegen: Die Ortsveränderung als solche stellt sich nicht zwangsläufig als Bereicherung dar. Aber: Unterscheidung zwischen Inanspruchnahme des Gebrauchsvorteils und der Entreicherung  Entreicherung nur (+), wenn keine oder nur geringe Ersparnis von Aufwendungen vorliegt.

Dafür: Ist der Bereicherungsschuldner minderjährig und kann dieser das Erlangte nicht mehr herausgeben, besteht die Gefahr dass die Wertersatzpflicht des § 818 II zu einer quasivertraglichen Haftung führen kann.

(P) Fälle in denen der Bereicherungsgegenstand eine Dienstleistung oder ein Gebrauchsvorteil ist Daher: Es wird für die Frage, ob im Vermögen des Minderjährigen noch ein adäquater Vermögensvorteil vorhanden ist, darauf abgestellt, ob sich der Minderjährige Aufwendungen erspart hat, deren Entstehung den Willen seines gesetzlichen Vertreters entsprochen hätte.  Wenn (-), dann Entreicherung

Hier: ersparte Aufwendung (-), da sog. Luxusaufwendungen  Flug entsprach nicht den Willen der Eltern Grds.: Entreicherung (+)

c) Verschärfte Haftung nach §§ 819, 818 IV? (P) auf wessen Kenntnis ist abzustellen? Eine Ansicht: Es kommt stets auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters analog §§ 107, 166 I BGB an. Andere Ansicht: Es kommt auf die Kenntnis des Minderjährigen analog § 828 III BGB an

BGH: Differenzierung zwischen LK und NLK -

Leistungskondiktion: § 166 I analog  Es ist auf die Kenntnis der gesetzlichen Vertreter abzustellen Grund: Der vorrangige Gesichtspunkt des Minderjährigenrechts verbietet es wegen der Rechtsgeschäftsähnlichkeit der LK, auf den Minderjährigen abzustellen

-

Eingriffskondiktion: § 828 III analog  Es ist auf die Kenntnis des Minderjährigen abzustellen Grund: Die EK ähnelt dem Recht der unerlaubten Handlung wegen des deliktsähnlichen Charakters und wegen der mit dem Deliktsrecht vergleichbaren Interessenlage ist es sachgerecht i.R.d. § 819 I auf den Rechtsgedanken der §§ 827 ff. zurück zugreifen.

Hier: EK (s.o.), daher grds. auf Kenntnis des Minderjährigen abzustellen  aber: unerlaubte Handlung ohne Schaden (s.o.)

(P) auf Kenntnis der Eltern dann abstellen, wenn es an der Deliktsähnlichkeit mangels Schadens bei einer EK fehlt? Dafür: -

Geschädigte ist zivilrechtlich weniger schutzbedürftiger als derjenige, dem zwar eine Leistung „abgeschwindelt“, aber dadurch ein Schaden im Rechtssinne zugefügt worden ist

-

Ein eingetretener Schaden vermindert auch die Schutzwürdigkeit des Haftenden, weil dieser i.d.R. die Gefahr seines Eintritts erkennen kann, die etwa bei der Inanspruchnahme eines Platzes in einer nicht ausgebuchten Maschine fehlt

Dagegen: -

Im Recht der unerlaubten Handlung endet der Minderjährigenschutz

-

M hat sich Leistungen erschlichen und daher nicht mehr schutzwürdig

-

Die Deliktsähnlichkeit ergibt sich aus dem Tatbestand der §§ 823 ff., nicht aus der Rechtsfolgenseite  auch ohne Schaden ist Deliktsähnlichkeit gegeben

Ergebnis: Anspruch (+/-)

Teil 2: Rückflug New York – Hamburg

A. Vertragliche Ansprüche (-) B. §§ 677, 683 S. 1, 670 1. Fremdes Geschäft Hier: auch-fremdes Geschäft  Arg.: Ortsveränderung gehört zum Interessenkreis des M einerseits, andererseits ist L verpflichtet, Passagiere ohne gültige Einreisedokumente zurückzutransportieren

2. FGW (+) Wird grds. vermutet

3. Mutmaßlicher Wille des GH Es ist auf den mutmaßlichen Willen der Eltern analog §§ 104 ff. abzustellen.  Argument: Die GoA hat rechtsgeschäftsähnliche Wirkung und kann daher wie eine vertragliche Verpflichtung zu einem Anspruch gegen den GH führen.

Hier: Rückflug erfolgte im Interesse der Eltern (vgl. § 1626)

4. Rechtsfolge Aufwendungsersatz gem. §§ 683, 670 Grundsatz: Aufwendungen = sämtliche willentlich erbrachte Vermögensvorteile Hier: Die durch den Flug erbrachte Leistung grds. nicht erfasst  Argument: Unentgeltlichkeit des Auftrags Aber: § 1835 III analog  Argument: Leistungen fallen in den beruflichen und gewerblichen Bereich der L

Ergebnis: Anspruch (+)

C. § 812 I 1 Alt 1 BGB (-) Berechtigte GoA = Rechtsgrund

Abwandlung: Der Minderjährige M (12 Jahre alt) wird bei einer Straßenbahnschwarzfahrt (Ticket 1 €) erwischt. Nach den allg. Beförderungsbedingungen der Straba AG sind bei einer Schwarzfahrt 60 € zu zahlen. Kann S von M das übliche Entgelt als auch die 60 € verlangen?

Anspruch auf das übliche Beförderungsentgelt A. §§ 631 I, 632 II 1. Vertragsschluss a) Realofferte der S Vorfahren der Straßenbahn = Angebot ad incertas personas b) Annahme konkludent durch Einsteigen (P) Schwarzfahrt -

e.A.: Erklärungsbewusstsein (-), weil M nichts rechtlich Erhebliches erklären wollte, aber Zurechnung als WE, weil er erkennen konnte, dass S das Einsteigen als WE verstehen kann, darf und muss

-

a.A.: § 242 BGB  der entgegenstehende innere Wille bleibt unbeachtlich (protestatio facto contraria)

-

a.A.: § 116 S. 2  insgeheimer Vorbehalt unbeachtlich

Zwischenergebnis: nach allen Ansichten Vertrag (+)

2. Unwirksamkeit gem. §§ 107, 108 BGB? -

Beförderung ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft

-

§ 110 (-), Minderjährige hat nicht „bewirkt“

-

(P) Vertrag von den Eltern konsentiert



Generaleinwilligung zu allen Rechtsgeschäften nicht möglich



Beschränkte Generaleinwilligung zu Fahrten mit der Straßenbahn gem. § 107 bzw. § 110 wäre zwar rechtlich möglich, steht aber unter der Bedingung gem. § 158 I, dass eine Karte tatsächlich gekauft wird, z.B. für Schulfahrt  Einwilligung gilt aber nicht für eine Schwarzfahrt

3. Faktischer Vertrag (-) Hinweis: Zwar gilt die Straßenbahn anders als der Linienflug als Massenverkehr, wonach die Voraussetzung der Lehre des faktischen Vertrages vorliegt. Die Lehre des faktischen Vertrages ist umstritten, dieser Streit kann hier jedoch dahinstehen, da jedenfalls der Minderjährigenschutz vorrangig ist (s.o.)

B. §§ 280 I, 311 II (P) anwendbar? Jedenfalls (-), da die c.i.c. nicht zu Lasten des Minderjährigen anwendbar ist

C. §§ 677, 683 S. 1, 670, 1835 BGB? -

(-), da kein FGW (vgl. § 687 I)

-

(-), da GoA Recht des altruistisch Handelnden ist und beim fehlgeschlagenen Vertrag Bereicherungsrecht einschlägig ist  Argument: Ansonsten würden §§ 814, 817, 818 III umgangen

D. §§ 987, 990 (-), Nutzung setzt Besitz voraus  M hat anders als ein Dieb eines Autos keinen Besitz an der Straßenbahn

E. § 823 I (-), da keine RGV, sondern nur eine bloße Vermögensbeeinträchtigung vorliegt

F. § 823 II BGB i.V.m. § 265a StGB (P) Schutzgutverletzung? -

§ 265a StGB (+)  Strafbarkeit richtet sich nicht nach § 19 StGB bzw. § 3 JGG, sondern im ZR nach § 828 BGB, hier nach § 828 III BGB Hier: Auch bei einem 12-jährigen ist bei einer Straßenbahn von Einsichtsfähigkeit auszugehen

-

Verschulden (+)  richtet sich ebenfalls nach § 828 III

-

Es fehlt aber (i.d.R.) am Schaden  „kein Schaden bei Nichtauslastung“ (vgl. Flugreisefall)  Nutzungsmöglichkeit stellt auch unter normativen Gesichtspunkten keinen Schaden dar

G. §§ 812 I 1 Alt. 1, 818 II

1. Etwas erlangt (s. Ausgangsfall) 2. Durch Leistung

Unterschied zum Flugreisefall: Leistungsbeziehung (+)  Argument: keine individuelle Kontrolle, d.h. Leistungswille an alle (genereller Leistungswille ad incertas personas) M.M.: Eingriffskondiktion hier, aber i.E. dürfe der Ersatzanspruch nicht im Wertungswiderspruch zum Minderjährigenrecht stehen.  Kritik: Für die LK spricht auch, dass dann bei der verschärften Haftung auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters abzustellen ist, sodass im Regelfall die Haftung des Minderjährigen entfällt. (Minderjährigenschutz)

3. Ohne RG (+)

4. Entreicherung gem. § 818 III (+), wenn keine Aufwendungen erspart, dabei ist auf Interesse und Wille der Eltern abzustellen -

Schulfahrt: Aufwendungen erspart, wenn Fahrt nötig, um Schule zu erreichen

-

Spaßfahrt: reiner Luxus, keine Aufwendungen erspart, dann § 818 III (+)

5. Verschärfte Haftung gem. § 819 I, 818 IV? -

§§ 292. 989 BGB (-), da kein Schaden

-

§§ 292, 987 (-), da kein Besitz

-

§ 276 BGB als allg. Vorschrift i.S.d. § 818 IV

Also: Garantiehaftung bei Geldersatzanspruch  „Geld hat man zu haben“ (P) Auf wessen Kenntnis ist abzustellen Hinweis: Hier sind auf die Ausführungen im Flugreisefall zu verweisen. BGH: § 166 I BGB analog bei LK  Hier ist auf die Kenntnis der gesetzlichen Eltern abzustellen Hier: (-)  Entreicherung (+) Ergebnis: Anspruch (-) Anspruch auf erhöhtes Beförderungsentgelt i.H.v. 60 €? § 339 S. 2 BGB (Vertragsstrafe) aus den AGB? Voraussetzung: wirksamer Vertrag  Hier: (-)...


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