Nerdinger+2014 Vor-+und+Nachteile+der+Teamarbeit PDF

Title Nerdinger+2014 Vor-+und+Nachteile+der+Teamarbeit
Author Nurullah Gürbüz
Course Investition und Finanzierung
Institution Hochschule Koblenz
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Teamarbeit Friedemann W. Nerdinger

8.1

Merkmale von Gruppen – 104

8.2

Mögliche Vorteile der Teamarbeit – 107

8.2.1

Vorteile in der Informationsverarbeitung – 107

8.2.2

Motivationsgewinne im Team – 107

8.3

Mögliche Probleme der Teamarbeit – 109

8.3.1

Probleme der Informationsverarbeitung: Groupthink – 109

8.3.2

Motivationsverluste im Team – 111

8.4

Optimierung von Gruppen: Teamdesign und Teambuilding – 112

8.4.1

Teamdesign: Homogene vs. heterogene Gruppen? – 112

8.4.2

Teambuilding durch Teamentwicklung – 114

Literatur – 116

F. W. Nerdinger, G. Blickle, N. Schaper, Arbeits- und Organisationspsychologie, Springer-Lehrbuch, DOI 10.1007/978-3-642-41130-4_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

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Kapitel 8 • Teamarbeit

Organisationen lassen sich als soziale Systeme betrachten, die wiederum aus miteinander verzahnten Subsystemen bestehen ( ▶ Kap. 4). Solche Subsysteme werden gewöhnlich als Gruppen oder Teams bezeichnet, wobei sich die beiden Begriffe inhaltlich kaum unterscheiden lassen. Die Zusammenarbeit in Gruppen bildet gewissermaßen den „Normalfall“ des Verhaltens in Organisationen. Gruppen- bzw. Teamarbeit wurde bislang bevorzugt in der Arbeitspsychologie am Beispiel der Arbeit in der Produktion untersucht ( ▶ Kap. 23). Daneben findet sich auch in der Verwaltung, im Management und in anderen Bereichen zunehmend Gruppenarbeit. Hier existieren Entscheidungsgruppen, zu denen alle formalen Gremien zählen, Projekt- und Entwicklungsgruppen, aber auch Arbeitsgruppen, die z. B. gemeinsam Dienstleistungen erbringen. Auf diese Formen der Team- oder Gruppenarbeit beschränken sich die folgenden Ausführungen. Zunächst wird etwas genauer untersucht, was überhaupt eine Gruppe ausmacht. Anschließend werden wissenschaftlich belegte Vor- und Nachteile der Arbeit in Teams dargestellt. Einige der möglichen Nachteile lassen sich durch eine sorgfältige Zusammensetzung bzw. durch gezielte Entwicklung des Teams vermeiden, daher wird abschließend auf diese Fragen eingegangen.

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8.1

Merkmale von Gruppen

Gruppen und Gruppenarbeit werden in Organisationen immer wichtiger (West, 2001; van Dick & West, 2005; Kozlowski & Bell, 2013). Das hat verschiedene Gründe. Zum einen erhoffen sich die Verantwortlichen in Organisationen von Gruppen bessere Leistungen als von Einzelnen: Die steigende Komplexität von Problemen führt dazu, dass der Einzelne immer häufiger überfordert ist, Wissen und Fähigkeiten verschiedener Spezialisten müssen deshalb zur Bewältigung anstehender Probleme in Gruppen zusammengeführt werden. Zum anderen erfüllen Gruppen wichtige Funktionen in Unternehmen: Hier ist die Koordinationsfunktion zu nennen: Gruppen koordinieren die Arbeit verschiedener Teilbereiche und tragen dadurch zur reibungslosen Zusammenarbeit bei. Häufig haben Gruppen auch Repräsentationsfunktion : Zum Beispiel werden Projektgruppen gewöhnlich so zusammengestellt, dass alle wichtigen Interessengruppen des Unternehmens vertreten sind (Fisch, Beck & Englich, 2001). Schließlich haben manche Gruppen auch wichtige Verantwortungsfunktionen : Stehen kritische Entscheidungen an – z. B. über die Restrukturierung eines Unternehmens, die mit Personalabbau verbunden sein kann –, werden gerne Gruppen gebildet, die Entscheidungsvorschläge präsentieren sollen. Damit kann die Verantwortung für die gravierenden Folgen auf mehrere Schultern verlagert werden. Bei diesen vielfältigen Formen und Funktionen von Gruppen stellt sich zunächst die Frage, was überhaupt

eine Gruppe ist. Bis heute gibt es dafür keine allgemein akzeptierte Definition. Gewöhnlich wird dieses Problem umgangen, indem lediglich die wesentlichen Merkmale aufgezählt werden, die vorliegen müssen, damit man von einer Gruppe sprechen kann (Antoni & Bungard, 2004; von Rosenstiel & Nerdinger, 2011). Folgende Aufzählung zentraler Merkmale ist dafür exemplarisch: Definition Eine Gruppe ist 1. eine Mehrzahl von Personen, 2. die über längere Zeit 3. in direktem Kontakt stehen, 4. wobei sich Rollen ausdifferenzieren, 5. gemeinsame Normen entwickelt werden und 6. Kohäsion, d. h. ein Wir-Gefühl, besteht (von Rosenstiel & Nerdinger, 2011).

Diese Merkmale definieren auch Teams, weshalb eine sinnvolle begriffliche Unterscheidung zwischen Gruppe und Team kaum möglich ist. Im Folgenden werden daher beide Begriffe synonym verwendet. Ihre zentralen Merkmale müssen noch genauer erläutert werden (vgl. zum Folgenden Nerdinger, 2012). z

Mehrzahl

Eine Mehrzahl von Personen ist natürlich Grundvoraussetzung für eine Gruppe. Die Frage ist allerdings, was „Mehrzahl“ genau bedeutet, d. h., wo die Unter- und die Obergrenze liegt. Gewöhnlich werden mindestens dreiPersonen gefordert, da sich erst ab dieser Zahl wichtige Gruppenphänomene wie Mehrheitsbildungen, Koalitionen und Wechsel von Koalitionen beobachten lassen. Schwieriger ist die Obergrenze zu bestimmen, da die Herausbildung von Gruppen von vielen verschiedenen Bedingungen abhängt. In der Praxis wird das Problem der Obergrenze häufig durch die Leitungsspanne gelöst (Schulte-Zurhausen, 2010), d. h. die Zahl von Mitarbeitern, die einem Vorgesetzten unmittelbar unterstellt sind. Die Größe der Leitungsspanne hängt ab von der Tätigkeit der Mitarbeiter: Ein Meister in der Produktion, dessen Mitarbeiter relativ wenig qualifizierte Tätigkeiten verrichten, kann ohne größere Schwierigkeiten bis zu 30Personen führen. Dagegen hat ein Bankmanager, dem Spezialisten für Finanzierungsinstrumente unterstellt sind, schon Probleme, wenn er mehr als fünf oder sechsMitarbeiter führen soll. In den bislang besonders intensiv untersuchten Problemlöse- und Entscheidungsgruppen haben sich fünf Personen als optimal erwiesen (Brandstätter & Brodbeck, 2004). Fünf Personen finden noch relativ leicht Kompromisse zwischen den verschiedenen Meinungen.

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Leistung der Projektgruppen (1-7, Bestnote 7)

8.1 • Merkmale von Gruppen

5,0

4,5

4,0

0

4 6 8 10 12 2 Gruppenzugehörigkeit der Gruppenmitglieder in Jahren

. Abb. 8.1 Dauer der Gruppenzugehörigkeit und Leistungen von Projektgruppen im Bereich Forschung und Entwicklung. (Nach Ulich, 2011)

Da aufgrund der überschaubaren Größe alle Mitglieder die Möglichkeit haben, sich an der Diskussion zu beteiligen, ist auch die Zufriedenheit relativ groß und das Gesamtergebnis wird in der Regel von allen Beteiligten mitgetragen. z

Zeit

Die Entwicklung von Gruppen braucht längere Zeit, da sie in der Regel mehrere Phasen durchläuft. Häufig lassen sich vier solcher Phasen unterscheiden (Tuckman, 1965; vgl. Simon, 2003): 1. Forming: Die Teilnehmer lernen sich kennen und „tasten sich ab“. In dieser Phase ist die Situation noch unklar, man kann die anderen noch nicht richtig einschätzen und hält sich selbst bedeckt. 2. Storming: Nicht selten brechen nach dem Kennenlernen erste Konflikte auf, in deren Rahmen die Teilnehmer Fragen der Macht und des Status klären. Das geschieht gewöhnlich auf der Beziehungsebene der Kommunikation, während man auf der Sachebene scheinbar ernsthaft über Ziele und Vorgehensweisen diskutiert (▶ Kap. 5). Diese Phase kann sehr belastend sein, entsprechend ist das Gefühl der Zusammengehörigkeit noch wenig entwickelt. 3. Norming: Sind Macht- und Statusfragen geklärt, kehrt wieder Ruhe in die Gruppe ein. Die Mitglieder beginnen sich zu akzeptieren und langsam entsteht ein gewisser Teamgeist. Entscheidend dafür ist die Entwicklung von Normen des gemeinsamen Umgangs, der Leistungsansprüche und des akzeptablen Verhaltens. 4. Performing: Erst wenn die internen Koordinationsprobleme weitgehend gelöst sind, kann die Gruppe zu geordneter Arbeitsweise übergehen und beginnen, ihre Aufgaben zu lösen.

Diese Phasen werden nicht immer und von jeder Gruppe durchlaufen, zudem dauert der dafür notwendige Prozess jeweils unterschiedlich lange. In jedem Fall benötigt aber eine Gruppe eine gewisse Zeit, um überhaupt arbeitsfähig zu werden. Bleiben die Mitglieder allerdings zu lange zusammen, so kann das zu Problemen bei der Leistungsfähigkeit führen. Zum Beispiel dauert es bei Projektgruppen im Unternehmensbereich „Forschung und Entwicklung“ im Durchschnitt dreiJahre, bis sie die höchste Leistung entfalten (Katz & Allen, 1982; Ulich, 2011; . Abb. 8.1). Danach fällt die Leistung stark ab: Die Gruppen haben relativ starre Normen entwickelt, bestrafen Abweichungen von ihren Normen immer massiver und sind nicht mehr offen für Argumente von außen. Aufgrund dieser zunehmenden Abkapselung findet Kommunikation vor allem zwischen den Gruppenmitgliedern statt und von außen kommende Anregungen werden abgelehnt. In der Folge kommt die Gruppe seltener zu innovativen Problemlösungen und die Leistungen nehmen ab (vgl. Gebert, 2004; . Abb. 8.1). z

Direkter Kontakt

Direkter Kontakt zwischen allen Mitgliedern einer Gruppe muss zumindest prinzipiell möglich sein. Hat sich eine Gruppe gebildet, finden sehr viel mehr Kontakte der Gruppenmitglieder untereinander statt als mit anderen Personen (Witte & Ardelt, 1989). In der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht entfalten sich die Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern, werden Fragen von Macht und Einfluss ausgehandelt, klären sich Sympathie und Antipathie. Nach einem allgemeinen „Gesetz“ – das der Sozialpsychologe George Homans (1950; vgl. von Rosenstiel & Nerdinger, 2011) formuliert hat und daher auch als Homans Gesetz bezeichnet wird – steigt die Sympathie mit der Zahl der Kontakte. Sympathie entsteht aber auch durch Ähnlichkeit in wichtigen Aspekten, die Menschen verbinden: Im Be-

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Kapitel 8 • Teamarbeit

trieb schließen sich häufig diejenigen zusammen, die jeweils ähnliche, dabei aber von anderen abweichende Arbeiten verrichten. Daher können sich auch „virtuelle Arbeitsgruppen“ (Konradt & Hertel, 2002), in denen die Mitglieder über Computer miteinander kommunizieren und sich selten oder nie von Angesicht zu Angesicht begegnen, zu echten Gruppen entwickeln: Die Vielzahl computervermittelter Kontakte und die gemeinsame Aufgabe lassen Sympathie entstehen. Allerdings dauert die Entwicklung eines Gruppengefühls in diesen Fällen sehr viel länger (Döring, 1999; für einen detaillierten Überblick zur Problematik virtueller Arbeitsgruppen vgl. Axtell, Fleck & Turner, 2004). z

Rollendifferenzierung

-

Stabilisierung: Durch Normen wird das Verhalten

der Gruppenmitglieder stabil, sie sind Voraussetzung dafür, dass man in einer gegebenen Situation auf ein bestimmtes Verhalten der anderen vertrauen kann. Koordination: Durch Normen wird das Handeln der Mitglieder einer Gruppe aufeinander abgestimmt. Prognose: Normen machen Verhalten der anderen Gruppenmitglieder berechenbar. Damit ermöglichen Normen die Vorhersage, welches Verhalten in einer bestimmten Situation am wahrscheinlichsten auftreten wird.

Normen entwickeln sich in Gruppen gewöhnlich aus einem Interessensausgleich der Gruppenmitglieder. Die Gruppe hat insgesamt Nachteile, wenn einzelne von der Norm abweichen. Deshalb wird konsequent darauf geachtet, dass alle Mitglieder sie einhalten. Kommt ein Neuer in die Gruppe und verstößt gegen bestehende Normen, muss er mit mehr oder weniger drastischen Sanktionen rechnen. Diese können von verbalen Aggressionen über körperliche Attacken bis zu völliger Isolation reichen – Normverletzungen sind häufig der Ausgangspunkt für Mobbing, den gezielten „Psychoterror“ gegenüber Kollegen (Zapf, 2004).

In jeder Gruppe bestehen Erwartungen an die einzelnen Mitglieder, wie sie sich in bestimmten, für die Gruppe wichtigen Situationen verhalten sollten. Die Summe dieser Erwartungen wird als „Rolle“ bezeichnet (Sluss, van Dick & Thompson, 2011). In einer funktionierenden Gruppe sind die Erwartungen so ausdifferenziert, dass sich die Rollen wechselseitig ergänzen. Bei der Rollendifferenzierung wird eine vertikale von einer horizontalen Dimension unterschieden. Vertikal geht es um Macht und Einfluss, ähnlich wie im Tierreich bilden sich in Gruppen Hackordnungen aus (Witte & Ardelt, 1989): Auf dem Hühnerhof kann z Kohäsion sich das sozial am höchsten stehende Tier – das Alphatier Fühlen sich die Mitglieder in ihrer Gruppe wohl und – allen anderen gegenüber aggressiv verhalten, während identifizieren sie sich mit der Gruppe, dann sprechen sie es selbst von keinem anderen „gehackt“ werden darf. Das voneinander als „Wir“. Dieses „Wir-Gefühl“ wird auch als Alphatier übernimmt z. B. bei der Futtersuche eindeutige Gruppenkohäsion bezeichnet und als Ausmaß wechselseiFührungsfunktionen. Auch in den meisten menschlichen tiger positiver Gefühle definiert (Sader, 2008). Die Höhe Gruppen bildet sich ein Führer heraus, gelegentlich finden der Kohäsion ist von einer Reihe von Faktoren abhängig: sich sogar zwei Führer (Sader, 2008). Gewöhnlich leitet der Den Motiven der Gruppenmitglieder, die eine eine die Gruppe bei der Aufgabenerfüllung, der andere daGruppe für sie attraktiv machen: So wird z. B. in einer gegen sorgt für die Stimmung in der Gruppe. In diesem Projektgruppe zur Einführung eines neuen ControlFall haben sich die beiden Führer also die Arbeit sinnvoll ling-Systems eine hohe Kohäsion bestehen, wenn alle geteilt, daher finden zwischen diesen beiden auch keine Mitglieder der Gruppe mit dem gemeinsamen Erfolg Machtkämpfe statt. Auf der horizontalen Dimension bilder Projektgruppenarbeit die Chance auf eigenes den Gruppen verschiedene Rollen unter den Geführten berufliches Fortkommen verbinden. aus: Spezialisten für bestimmte Aufgaben, Mitläufer, AuDen Anreizen, die eine Gruppe bietet: Im Beispiel der ßenseiter, Sündenböcke etc. (von Rosenstiel, 2007). Projektgruppe sind das vor allem die Anreize, die von einer neuen, herausfordernden Aufgabe ausgehen, z Normen aber auch mit dem erfolgreichen Abschluss verbundene Prämien etc. Gruppen entwickeln im Laufe der Zeit Regeln für Verhaltensweisen, die in bestimmten Situationen (nicht) auftreten Der Erwartung, dass eine Mitgliedschaft tatsächlich günstige Ergebnisse erbringt: So wird sich ein sollen. Solche Regeln werden als Normen bezeichnet. NorInteressent möglicherweise vor der Bewerbung um men erfüllen eine Reihe von Funktionen, die für Gruppen Aufnahme in die Projektgruppe überlegen, ob bei der äußerst wichtig sind (Fischer & Wiswede, 2009): Zusammensetzung der Projektgruppe überhaupt ein Orientierung: Normen geben in unsicheren SituatioErfolg zu erwarten ist. nen Hinweise, wie der Einzelne sich verhalten soll. Selektion: Aus der prinzipiell unendlich großen VielDem Vergleichsniveau der Mitglieder, d. h. den falt von Verhaltensmöglichkeiten wählen Normen Erfahrungen mit anderen Gruppenmitgliedschaften: einige aus, die in bestimmten Situationen als sinnvoll Wer bislang schlechte Erfahrungen mit Projektgruppen gemacht hat, beurteilt den Zusammenhalt in erlebt werden.

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8.2 • Mögliche Vorteile der Teamarbeit

einer „ganz normalen“ Gruppe u. U. sehr viel besser als jemand, der schon Erfahrungen mit mehreren „tollen Projektgruppen“ gemacht hat, die viele Erfolge vorzuweisen hatten. Da eine hohe Kohäsion zur Zufriedenheit der Mitglieder führt, wird ein solcher Zustand häufig als erstrebenswert angesehen. Im Arbeitsleben kann sich aber eine hohe Kohäsion auch negativ auf die Leistung von Teams auswirken. Bestehen in einem Team niedrige Leistungsnormen, führt eine hohe Kohäsion dazu, dass alle Mitglieder weniger leisten und die Leistung insgesamt deutlich sinkt (von Rosenstiel & Nerdinger, 2011). Die bislang dargestellten Merkmale sind allgemeiner (sozialpsychologischer) Natur, sie charakterisieren jede Art von Gruppe – auch Jugendbanden oder Freizeitgruppen. Für Arbeitsgruppen ist darüber hinaus charakteristisch, dass sie eine oder mehrere Aufgaben zu bewältigen haben und dadurch zu den Zielen einer Organisation beitragen. Die Gruppe produziert also Ergebnisse, für die sie gegenüber der Organisation verantwortlich ist. Die Art des Produktes ist nicht entscheidend, es kann sich um eine Dienstleistung, ein materielles Produkt, eine Entscheidung oder Ähnliches handeln (Kauffeld, 2001; Brodbeck & Guillaume, 2010). Wichtig ist nur, dass die Gruppenergebnisse identifiziert und in Bezug zu den organisationalen Aufgaben und Zielen gesetzt werden.

8.2

Mögliche Vorteile der Teamarbeit

Für die Arbeit in Teams werden verschiedene Gründe genannt (vgl. Wegge, 2004). Letztlich entscheidend ist wohl die weitverbreitete Annahme, dass Teamarbeit gegenüber der Einzelarbeit gravierende Vorteile hat, die wiederum bessere Leistungen erwarten lassen. Diese Vorteile lassen sich auf verschiedene Ursachen zurückführen. Für Teams außerhalb der Produktion, d. h. in der Verwaltung bzw. im Management, sind zwei Arten von Ursachen besonders wichtig: solche, die durch spezifische Möglichkeiten der Informationsverarbeitung zustande kommen, und solche, die durch höhere Motivation – sog. Motivationsgewinne der Gruppe – entstehen.

8.2.1

Vorteile in der Informationsverarbeitung

Teams in der Verwaltung bzw. im Management müssen in der Regel Aufgaben und Probleme lösen, bei denen es vor allem auf die Verarbeitung von Informationen ankommt, z. B. die gemeinsame Lösung von Problemen oder die Entwicklung von Ideen (Gebert, 2004). Eine intensive

Forschung zu diesen Fragen zeigt, dass Gruppen – verglichen mit einer gleichen Anzahl von unabhängigen Einzelpersonen, sog. nominale Gruppen – nicht mehr, sondern weniger Ideen produzieren. Auch die nachfolgenden Entscheidungen werden durch Teamarbeit nicht besser, allerdings ist im Team die Zufriedenheit und auch der Beteiligungsgrad der Mitglieder höher als in einer nominalen Gruppe (Zysno, 1998). Beim Lösen von Problemen sind die Ergebnisse von Teams sogar noch fragwürdiger: Wenn es sich um schwierige Probleme handelt, kann eine Person, die eine richtige Lösung kennt, die anderen nur überzeugen, wenn sie dabei von mindestens einer weiteren Person unterstützt wird. In diesen Fällen verhindert also die Gruppe sogar eine Problemlösung. Der größte Vorteil, den Teams gegenüber Einzelpersonen in der Informationsverarbeitung bieten, beruht darauf, dass im Team gleichzeitig mehrere Gedächtnisse genutzt werden (können). Dadurch kann das Team mehr Informationen behalten, außerdem lassen sich individuelle Fehler im Gedächtnisprozess besser korrigieren (Tschan, 2000). Bei einer echten Kooperation entwickelt sich in der Gruppe ein geteiltes Wissen – das sog. transaktive Gedächtnis (Brauner, 2003) –, das eine besonders effiziente Arbeitsteilung ermöglicht. Schließlich verarbeiten Teams auch die Rückmeldungen über Ergebnisse ihrer Arbeit schneller und gründlicher, d. h., sie lernen aus den Rückmeldungen besser als Einzelarbeiter. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass allein die Notwendigkeit, andere Gruppenmitglieder von der eigenen Interpretation der Rückmeldung zu überzeugen, die Einzelnen dazu bringt, systematischer mit den Informationen umzugehen (Brodbeck & Greitemeyer, 2000). In der Frage des Lernens hat das Team in jedem Fall eindeutige Vorteile: Da die Bedingungen für das Lernen durch Beobachtung und Nachahmung anderer in dieser Situation natürlich besonders gut sind (Sader, 2008), können Teams offensichtliche Fehler besser korrigieren. Das ist zweifellos der wichtigste Vorteil in der Informationsverarbeitung, den Gruppen gegenüber Einzelnen aufweisen.

8.2.2

Motivationsgewinne im Team

Arbeit im Team macht gewöhnlich Spaß, in der Gruppe können die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse nach Geselligkeit und Einflussnahme (Macht) befriedigt werden. Daher sollte die Motivation im Team höher s...


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