Willenserklärung Abgabe,Zugang,Widerruf PDF

Title Willenserklärung Abgabe,Zugang,Widerruf
Course Grundkurs Zivilrecht I
Institution Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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Summary

Zusammenfassung zu den Grundlage der Willenserklärung der ersten Vorlesungen im WS 2018/19 ...


Description

Zivilrecht I

30.10.18

Die Willenserklärung: Abgabe, Zugang, Widerruf Wichtige Fragen:   

Wann wird eine Willenserklärung wirksam? Wann – und wie lange – ist der Erklärende daran gebunden? Was geschieht bei Fehlern (Irrtümer etc.)?

Wann wird eine Willenserklärung wirksam? o Unterscheide:  Nicht empfangsbedürftige WE: Werden wirksam, ohne dass ein anderer davon Kenntnis nehmen muss z.B. Vertragsangebot (§ 145 BGB)/Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1 BGB) vs. Testament (§ 1937 BGB)/Auslobung (§ 657 BGB)/Dereliktion (§ 959 BGB). 

Empfangsbedürftige WE: § 130 BGB  unter Abwesenden (zB Fax, Brief, E-Mail)  Wirksam mit Abgabe und Zugang, § 130 BGB (in der Zwischenzeit widerruflich, danach bindend)  unter Anwesenden (auch: telefonisch, Videokonferenz, …, s. § 147 BGB entscheidend ist Möglichkeit unmittelbarer Verständigung)  mündlich: grds. wirksam mit Abgabe und Vernehmung  schriftlich: Analogie zu § 130 BGB



Sonderfall: amtsempfangsbedürftige Willenserklärungen, z.B. Ausschlagung einer Erbschaft (§ 1945 BGB)

Abgabe = wissentliches und willentliches In-den-Verkehr-Bringen der Erklärung (bei empfangsbedürftigen WE: in Richtung auf den Empfänger)  



z.B. Briefentwurf auf dem Schreibtisch (-) bei Weiterleitung wider Willen Problem der sog. abhanden gekommenen Willenserklärung: Handlungswille/Kommunikationswille? Erklärungsbewusstsein? hM: keine Willenserklärung) Tod/Geschäftsunfähigkeit nach Abgabe schadet nicht, § 130 Abs. 2 BGB

Zugang iSv § 130 Abs. 1 S. 1 BGB liegt vor, wenn: 



WE in verkehrsüblicher Weise in den Machtbereich des Empfängers oder eines empfangsberechtigten Dritten gelangt und für den Empfänger unter normalen Umständen die Möglichkeit besteht, vom Inhalt Kenntnis zu nehmen; bei ungewöhnlichen Wegen in den Machtbereich jedenfalls dann, wenn die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis gelangt ist.

Zugang ist weniger als Kenntnisnahme; Zugang aber bei Kenntnisnahme!

Zivilrecht I

30.10.18

 Risiko der Übermittlung bis zum Herrschaftsbereich des Empfängers trägt der Erklärende  Risiko der tatsächlichen Kenntnisnahme trägt der Erklärungsempfänger Ob des Zugangs:    

Briefeinwurf in Briefkasten: Zugang (+) Briefwurf über den Zaun: Zugang (-) Briefwurf über den Zaun + Aufheben des Briefs: Zugang (+) E-Mail-Eingang auf Server: Zugang (+) (s. auch § 312i Abs. 1 S. 2 BGB)

Zeitpunkt des Zugangs: Wann ist eine Kenntnisnahme zu erwarten?    

Nächtlicher Briefeinwurf: nächster Tag Briefeinwurf während Urlaubs: Urlaub unerheblich (kein „normaler Umstand“) E-Mail: abhängig von jeweiligen Kontext (Verkehrskreis) Postfach: idR tägliche Leerung

Willenserklärungen unter Anwesenden: 



Mündliche Erklärungen  Eingeschränkte Vernehmungstheorie: Vernehmung + aus Sicht des Erklärenden keine vernünftige Zweifel daran, dass WE verstanden wurde Schriftliche Erklärungen: Beispiel: RGZ 61, 414 (Bürgschaftsfall) – Analogie zu § 130 Abs. 1 BGB

Beweislast für Wirksamwerden der Erklärung: Erklärender, wenn dieser sich auf Wirksamkeit beruft

Einsatz von Hilfspersonen beim Zugang von Willenserklärungen Empfangsvertreter/Empfangsbevollmächtigter: § 164 Abs. 3 BGB Zugang bei Übergabe an Empfangsboten in dem Zeitpunkt, in dem regelmäßig mit Weitergabe zu rechnen ist  Verzögerungsrisiko liegt beim Empfänger  erwachsene Familienangehörige: idR (konkludent) Empfangsboten (Maßstab: Verkehrsanschauung)  WG-Angehörige: zweifelhaft, abhängig von den Umständen des Einzelfalls  Kinder: idR nicht Empfangsboten (=>hier liegt Verzögerungsrisiko beim Erklärenden), aber uU Erklärungsboten  

Zivilrecht I

30.10.18

Widerruf § 130 Abs. 1 S. 2 BGB: Widerrufsmöglichkeit in der Phase zwischen Abgabe und Zugang  Abgrenzung Risikosphären Erklärender/Empfänger  Hintergrund: fehlende Erforderlichkeit von Vertrauensschutz  Beispiel: sukzessiver abendlicher Einwurf im Briefkasten  Gleichzeitiger Zugang => wirksamer Widerruf  Problem: wenn Kenntnisnahme später als idR erwartbar o Zugang (+) ▪ § 130 Abs. 1 S. 2 BGB analog? (MM) o hM: Zugang entscheidet (Hintergrund: Beweisprobleme)  Problem: wenn Kenntnisnahme früher als idR erwartbar  Zugang (+)



Geschäftsunfähigkeit (§ 104 BGB)/beschränkte Geschäftsfähigkeit (§ 106 BGB) des Adressaten 

§ 131 BGB; s. auch § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB

Zugangsvereitelung – was tun?  

§ 132 BGB: förmliche Zustellung (iVm §§ 166 ff. ZPO, im Extremfall: Ersatzzustellung durch Niederlegung beim Amtsgericht, § 181 Abs. 1 ZPO) Zugangsfiktion bei Verhinderung des Zugangs wider Treu und Glauben (Rechtsgedanke des § 162 BGB) (Vorsicht: nicht bloßes Verhindern! S. BGHZ 137, 205)

Sonderfall arglistige Herbeiführung des Zugangs: Rechtsgedanke des § 162 BGB

Auslegung   

Ziel: Ermittlung des „wirklichen erklärten Willens“ des Erklärenden Probleme bei Mehrdeutigkeit, fehlerhafter Begriffsverwendung… Wortlaut allein genügt nicht, auch äußere Umstände (Spracheigentümlichkeiten, Geschäftsgebräuche…) sind heranzuziehen, und den wirklichen Willen zu erforschen

Interesse des Erklärenden  Interesse des Erklärungsempfängers? 



Sog. „natürliche Auslegung“ (§ 133 BGB): Suche nach dem wirklichen Willen ohne Rücksicht auf den Verständnishorizont eines Gegenübers (zB bei Testament) In aller Regel (insb. bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen): Berücksichtigung der Interessen des Gegenübers  „normative“ Auslegung, §§ 133, 157 BGB: Wie ist die Erklärung vom Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der

Zivilrecht I

30.10.18



Verkehrssitte zu verstehen? Auslegung „nach dem Empfängerhorizont“ Unschädlich ist Falschbezeichnung, wenn der Empfänger tatsächlich richtig versteht (falsa demonstratio non nocet, Stichwort: Haakjöringsköd [RGZ 99, 148]).



s. Leipold AT, § 15 I, II; Brox/Walker AT, § 6 I

Fehler und Fehlerfolgen (Vorschau) Willenserklärungen können… … von vornherein nichtig/unwirksam sein (z.B. § 105 BGB) … vernichtbar sein  

mit Rückwirkung (ex tunc), z.B. durch Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB); ohne Rückwirkung (ex nunc), z.B. durch Rücktritt (§ 346 Abs. 1 BGB) oder Widerruf (§ 355 BGB, nach hM ex nunc-Wirkung)

 

Ex tunc = von Anfang an nichtig Ex nunc = zurücktreten => andere Dinge treten ein

Abschließender Fall: E eröffnet bei der Sparkasse S ein Sparbuch für seine Nichte N mit einem Guthaben in Höhe von 10.000 €. Er vereinbart mit d,er Sparkasse, dass diese die N nach seinem Tode benachrichtigt. 



Rechtlicher Rahmen (Vorschau): o Vertragsverhältnis S-E: unregelmäßige Verwahrung (§ 700 BGB) + Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 328, 331 BGB); o mögliches Vertragsverhältnis E-N: Schenkung (§§ 516 ff. BGB); o Behaltendürfen der N hängt von Wirksamkeit der Schenkungsvertrags ab (§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB!) Zentrale Teilfrage: Abgabe und Zugang des Angebots des E zum Abschluss eines Schenkungsvertrags? o Variante 1: Nach dem Erbfall benachrichtigt S die N. o Variante 2: Zwei Tage nach dem Erbfall erhält N von M, dem Erben des E, ein Schreiben, in dem dieser die Schenkung widerruft. Einen Tag später wird sie von S benachrichtigt. o Variante 3: N erfährt von ihrer Mutter F, welcher E von dem Vorgang erzählt hat, von der Angelegenheit, bevor der Widerruf des M sie erreicht.

Variante 1:

 Willenserklärung des E gegenüber N (= Angebot zum Abschluss eines Schenkungsvertrags), überbracht durch S als Botin, wird wirksam mit Zugang bei N; der Tod hindert nicht das Wirksamwerden (§ 130 Abs. 2 BGB), und auch eine Annahme kann noch erfolgen (§ 153 BGB).

Zivilrecht I

30.10.18

• Variante 2: Zwei Tage nach dem Erbfall erhält N von M, dem Erben des E, ein Schreiben, in dem dieser die Schenkung widerruft. Einen Tag später wird sie von S benachrichtigt.  Widerruf vor Zugang, § 130 Abs. 1 S. 2 BGB Angebot des E wird nicht wirksam. • Variante 3: N erfährt von ihrer Mutter F, welcher E von dem Vorgang erzählt hat, von der Angelegenheit, bevor der Widerruf des M sie erreicht.  Die durch F überbrachte Information stellt keine gegenüber N von E abgegebene Willenserklärung dar; die Willenserklärung, die S als Botin überbringen sollte, ist noch nicht zugegangen  wirksamer Widerruf...


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