Zeitungsartikel PDF

Title Zeitungsartikel
Course Sprachbezogenes Proseminar Englisch
Institution Universität Hildesheim
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Kommentar zu "Zeitungsartikel"...


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Nur die Künstler waren rechtzeitig fertig Johanna Di Blasi über Airport Art am neuen Berliner Flughafen

Die Architektur des Flughafens Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ (BER) wird mit der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe verglichen. Der Vergleich ist nicht unberechtigt. Der zentrale Raum, eine lichtdurchflutete Halle mit gläsernen Wänden und schwebender Decke, ist retromodern. Zum Glück. So ist die Architektur (Meinhard von Gerkan und Hubert Nienhoff) selbst nach zähen Verzögerungen, die sich schließlich eine Dekade hinzogen, kaum gealtert. Sie war schon alt. Nämlich klassisch. Auch dank des Kolonnaden-Motivs. In derart großzügiger Architektur wünscht man sich Kunst. Große Kunst. Aber so große? Rund 1000 Quadratmeter misst eine über den Köpfen der Fluggäste schwebende Metallplastik der kalifornischen Künstlerin Pae White in der zentralen Check-in-Halle des Terminal 1. Ein abstraktes Gewebe aus roten Aluminiumbändern. Auf einem Gutteil der Eröffnungsfotos vom 31. Oktober 2020 ist das Kunstwerk zu sehen. Kein Zweifel: Der energiegeladene „Fliegende Teppich“ ist das Signature Piece des neuen Airports. Der Titel „Magic Carpet Ride“ verweist in die Welt orientalischer Märchen. Die Form ist beschwingt wie ein kalifornischer Wellensurfer. „Die feine Metallstruktur nutzt das Tageslicht, um Formen und Linien an den Himmel zu zeichnen; wie eine Geschichte, die, während sie erzählt wird, immer wieder neu und anders entsteht“, sagt die Künstlerin. Allerdings fliegt der 4,5 Tonnen schwere Teppich nicht wirklich, sondern schwingt nur hie und da im Luftzug. Mit seinem Gewicht und der blutroten Farbe kann man das Gespinst auch bedrohlich finden. Umso diskreter verhalten sich die restlichen Kunst-am-Bau-Werke des BER. Sie drängen sich nicht den Blicken auf, man muss sie vielmehr suchen. Dafür gefallen sie durch Poesie, Hintergründigkeit und Ironie. Der Japaner Takehito Koganezawa lässt Fluggäste im Security-Check-Bereich eine sanfte Lichtdusche durchschreiten. Seine „Open Sky Box“ changiert nach dem Zufallsprinzip in den Farben von blauer Himmel und Federwölkchen und nimmt den Blick aus dem Flugzeugfenster spielerisch vorweg. Der Konzeptkünstler Olaf Nicolai wickelte eine XXL-Lichterkette aus membranbespannten Kugeln mit je 150 Zentimeter Durchmesser („Gadget“) um die Fluggastbrücke von Gate A 17. Und schrumpft optisch ausgerechnet jene Landungsbrücke, bei der die ‚dicken‘ Flieger ankommen, etwa der A380. Nicolai hätte nach eigener Aussage aber auch jede andere Landungsbrücke genommen. Ihm geht es um die Übersetzung von Aktivitäten auf dem Rollfeld und dem Gate in Lichtsignale. Die Lichtsteuerung erfolgt über Flugprotokolle. Coronabedingt tut sich auf dem BER aber erst Mal nicht viel. Auch der in Berlin beheimatete kalifornische Konzeptkünstler Matt Mullican hat im Außenbereich Spuren hinterlassen. Auf zwei gläsernen Eingangskuben zum unterirdischen BER-Bahnhof hat er sandgestrahlte Motive eingraviert: eine ausufernde Enzyklopädie, die irdische und himmlische Sphären verknüpft. Mein Lieblingskunstwerk stammt vom Künstlerduo STOEBO. Das sind Cisca Bogman und Oliver Störmer. Ihr „Sternenhimmel“ besteht aus Tausenden internationalen Münzen, die rechtzeitig zur 2012 geplanten Eröffnung im Flughafenfußboden eingelassen wurden. Die Idee des Duos war es, Globetrottern ein Gefühl von Heimat zu vermitteln. Inzwischen steht das Werk ikonisch für versenkte Steuermilliarden. Die Kosten des überteuerten Flughafens haben sich mit fast sechs Milliarden Euro verdreifacht. In der Regel werden 0,5 bis 1,5 Prozent der Baukosten öffentlicher Gebäude in Kunst investiert.

Die Flughafengesellschaft ist aber ein privates Unternehmen, das sich freiwillig engagiert. Ein Werk hätte für die Realisierung ein technisches Update nötig gehabt: Bjørn Melhus’ AugmentedRealityApp „Gate X“ über eine im Airport virtuell gestrandete Familie. Für die dystopische Geschichte fehlte am Ende angeblich das Geld. Eine Übernahme vom aufgelassenen Flughafen BerlinTegel ist die Bronzeskulptur „Der Fall Daidalos und Ikaros“ (1985) von Rolf Scholz. Sie erinnert an Otto Lilienthal und seinen Absturz mit dem von ihm entworfenen Fluggerät. Im BER ist der Flugpionier in einem Lichtschacht notgelandet. Nicht Kunst am Bau, aber ein künstlerischer Bau im Bau mit hoher Aufenthaltsqualität ist der mit dunklen Backsteinen und mystischer Lichtregie gestaltete Raum der Stille/ Kapellenraum im ersten Stock des Hauptgebäudes, ebenfalls vom Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner. Der neue Berliner Flughafen ist ein überraschend elegantes Gesamtkunstwerk geworden – und dank der Kunst auch ein bisschen selbstironisch....


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