06 Balkonsturz - Lösungsskizze PDF

Title 06 Balkonsturz - Lösungsskizze
Course Strafrecht / Konversationsübung
Institution Universität Regensburg
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Summary

Wintersemester...


Description

Konversationsübung Strafrecht Allgemeiner Teil II

WS 2014/15

Modifiziert von S. Soßna Balkonsturz (Versuch)

A. §§ 212 I, 22, 23 I StGB I.

Vorprüfung

- keine Vollendung, E ist nicht tot - Strafbarkeit des Versuchs, §§ 12 I, 23 I StGB II. Tatbestand 1.

Tatentschluss

A wollte E, einen anderen Menschen, töten.  (+) 2. Unmittelbares Ansetzen Der Taterfolg sollte in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe zum Wurf der E über das Geländer und aus Sicht des A war das Angriffsobjekt zu diesem Zeitpunkt unmittelbar gefährdet. Unmittelbares Ansetzen mit Ansetzen zum Wurf über das Balkongeländer (+) III. Rechtswidrigkeit und Schuld Keine Rechtfertigungs- / Entschuldigungsgründe ersichtlich. IV. Strafbefreiender Rücktritt, § 24 I StGB? 1.

Fehlschlag

Der Rücktritt wäre ausgeschlossen, wenn der Versuch aus Sicht des Täters fehlgeschlagen wäre. P: Anfängliche Einzelakte (Sturz vom Balkon, Würgen und Mit-Kopf-auf-SteinpflasterSchlagen) führten nicht zum Erfolg! Konnte A danach noch zurücktreten? a) Einzelakttheorie Fehlschlag (+) b) Gesamtbetrachtungslehre: Der Versuch ist fehlgeschlagen, wenn dem Täter die Vollendung nach seiner Meinung gar nicht oder nicht ohne zeitlich relevanten Einschnitt möglich ist. Es ist unbeachtlich, dass A zwischendurch die Tatmittel wechselt, da einheitliches Geschehen dadurch nicht auseinandergerissen wird. Laut Sachverhalt hatte A noch die Möglichkeit gesehen, E mit seinem Gürtel zu drosseln. 1/3

Konversationsübung Strafrecht Allgemeiner Teil II

WS 2014/15

Modifiziert von S. Soßna Anmerkung: Im Originalfall zweifelte der BGH an der Einlassung des Täters, er habe tatsächlich noch die Möglichkeit des Würgens mit dem Gürtel als zielführend in Betracht gezogen; der BGH merkt hier an, dass gut möglich sei, dass der Versuch zu diesem Zeitpunkt subjektiv für den Täter gescheitert gewesen (=fehlgeschlagen) sei, weil ihn die Kräfte verließen und die Nachbarn auf ihn aufmerksam geworden seien. In der Klausur stellt der Sachverhalt unmissverständlich die Gedanken des Täters dar. Sie sind nicht anzuzweifeln! Nur wenn man aus den Umständen des Falls auf die Vorstellungen des Täters schließen muss, sind diese in Rechnung zu stellen.  Fehlschlag (–) c)

Stellungnahme

Tatplantheorie begünstigt den skrupellosen Täter; Einzelakttheorie reißt natürliches Geschehen auseinander  Gesamtbetrachtungslehre am besten  Fehlschlag (–) d)

„Fehlschlag“ aufgrund subjektiver Sinnlosigkeit

Rücktritt ausgeschlossen aufgrund des Erreichens des vorrangigen außertatbestandlichen Ziels? A erreicht sein vorrangiges Ziel, E zu bestrafen und die eigene Machtposition wiederherzustellen. Anmerkung: Die Problematik der außertatbestandlichen Zielerreichung ist in diesem Sachverhalt sehr schwer zu erkennen; das liegt daran, dass es sich um die originalen Sachverhaltsfeststellungen des Gerichts handelt. In einer Klausur wäre das Problem deutlicher angesprochen und leichter zu erkennen! h. L.: keine honorierbare Verzichtsleistung nach Zielerreichung mehr möglich.  Fehlschlag (+) Rspr: Nur Aufgabe des tatbestandlichen Ziels gem. § 24 I StGB entscheidend, nicht das Erreichen eines außertatbestandlichen.  Fehlschlag (–) Fraglich ist hier zunächst die Auslegung des Begriffs der „Tat“, die im Rahmen von § 24 StGB „aufzugeben“ ist. Der Begriff der „Tat“ steckt im AT des StGB u.a. in der „Begehung der Tat“ in den §§ 16, 17 StGB, sowie im Begriff des „Tatbestands“. An allen diesen Stellen bezieht sich der Begriff „Tat“ direkt auf diejenigen Merkmale, die den Erfolg des Delikts beschreiben. So ist „Begehung der Tat“ das Ansetzen zur Verwirklichung des Erfolgs, des „Tatbestands“, auf den sich auch der Vorsatz beziehen muss. Systematisch verlangt der Rücktritt also nur die Aufgabe des tatbestandlichen Erfolgs. Hierfür sprechen auch weitere Überlegungen. Zum einen führt die Ansicht der Lehre dazu, dass Täter, die mit dolus eventualis handeln ein zusätzliches Risiko des „Fehlschlags“ tragen, da hier die Verwirklichung des Tatbestandes nicht Hauptziel des Täters ist. Zum Andern bedeutet die Einbezihung außertatbestandlicher Ziele die Bewertung der Motivationslage des Täters als „honorierbar“/“nicht honorierbar“. Hierbei wird die Einstellung des Täters zu Rechtsordnung und Opfer Gegenstand strafrechtlicher Betrachtung, die klare Grenze zwischen rechtlichen und moralischen Forderungen verschwimmt. Nach alledem ist der Rechtsprechungsansicht zu folgen. 2/3

Konversationsübung Strafrecht Allgemeiner Teil II

WS 2014/15

Modifiziert von S. Soßna Anmerkung: Die Problematik zieht sich auch in den Punkt „Versuch beendet/unbeendet“ weiter, wenn man mit der h. L. davon ausgeht, dass schon mit dem Erreichen des außertatbestandlichen Ziels ein Fehlschlag des Versuchs vorliege. Das beschreibt auch BEULKE W/B41 Rn. 635: Denn nähme man an, dass der Täter ein außertatbestandliches Ziel erreicht hätte, müsste auch bei der Frage nach dem weiteren Vorgehen der Blick auf eben dieses Ziel und nicht auf das tatbestandliche gerichtet werden. Richtigerweise – und dieser Ansicht ist auch BEULKE a. a. O. – handelt es sich aber um keinen Fehlschlag. Und deshalb sind auch nur tatbestandliche Ziele relevant. Siehe zu diesem Problem auch T. WALTER/SCHNEIDER JA 2008, 262 ff. e) Versuch beendet/unbeendet? Ein Versuch ist beendet, wenn der Täter meint, alles seinerseits zur Vollendung Erforderliche getan zu haben. (Macht er sich keine Gedanken, so liegt nach der Rspr. immer ein beendeter Versuch vor.) Entscheidender Zeitpunkt: Einschätzung des Täters unmittelbar nach Abschluss seiner letzten Ausführungshandlung und Kenntnisnahme von deren Ergebnis (sog. korrigierter Rücktrittshorizont). A wusste nach den erfolglosen Versuch, den Kopf der E aufs Straßenpflaster zu schlagen, dass er noch nicht alles seinerseits zur Tötung Erforderliche getan hatte.  Versuch unbeendet. Aufhören gem. § 24 I 1 Alt.1 StGB genügt. f)

Freiwilligkeit

A hat laut Sachverhalt von E abgelassen, weil sich seine Wut auf E durch die vorangegangenen Handlungen entladen hatte. Darin ist entsprechend der herrschenden (psychologischen) Meinung ein autonomes Motiv zu sehen, der Täter befand sich also nicht in einer Zwangslage sondern war noch Herr seiner Entscheidungen. Mit der normativen Lehre kann man sich ebenfalls auf den Standpunkt stellen, der Rücktritt sei freiwillig, wenn man auf das Entladen der Wut abstellt: denn der hartgesottene Delinquent hätte die Tat zu Ende gebracht. Sieht man das außertatbestandliche Ziel der Wiederherstellung der eigenen Machtposition als maßgeblich an, so ist auch eine Unfreiwilligkeit des Rücktritts gut vertretbar, da es der Vernunft eines skrupellosen Verbrechers entspricht, sinnlos gewordene Versuche einzustellen. Hier zeigt sich die Schwäche der normativen Lehre: Die Regeln der Verbrechervernunft sind nicht nur schwer verifizierbar, sondern sie können auch zu willkürlichen Ergebnissen führen. Daher ist eine solche Ansicht auch im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 II GG problematisch. Die psychologische Betrachtungsweise ist daher vorzugswürdig.  Freiwilligkeit (+) 2. Ergebnis A ist strafbefreiend vom Versuch des Totschlags zurückgetreten. Anmerkung: Im Originalfall hat der BGH auch an dieser Stelle die Beweisaufnahme der Vorinstanz kritisiert; er bezweifelte, dass A nicht maßgeblich aufgrund des durch die Beobachtung der Nachbarn gestiegenen Ergreifungsrisikos (= heteronomes Motiv) gehandelt hatte. In der Klausur sind diese bei eindeutigen Angaben nicht in Zweifel zu ziehen.

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