AB2 Alltagstheorie PDF

Title AB2 Alltagstheorie
Author R. V.
Course Begleitkurs zur Einführung in die Psychologie
Institution Universität Augsburg
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AB2 Alltagstheorie SoSe 2020 Aufgabe a) „Der Klügere gibt nach.“ ist für mich der komplexere und interessantere Spruch, und er ist nicht bereits von vorne herein inhaltlich unlogisch oder als Schwindelei zu erkennen und alleine schon daher fern jeder Theorie. Er birgt zumindest den Anschein eines gehaltvollen und nachvollziehbaren Inhalts, der auf der tatsächlichen Erfahrung anderer beruht und Allgemeingültigkeit haben könnte. Erfahrungen, die in diesem Spruch als Teil einer Alltagspsychologie stecken, kann der eine oder andere aufgrund der eigenen Lebenssituation vielleicht sogar bestätigen. Eine solche Aussage läuft aber genau dann auch besonders große Gefahr als allgemeingültig gesehen und mit nachweisbar richtigem und verlässlichem Wissen verwechselt zu werden. Ein solcher Spruch kann dann, ähnlich wie die wissenschaftliche Psychologie, menschliches Verhalten plausibel begründen (denn man selbst oder der oder die hat es ja schon erlebt, kann es ja beweisen) und den Leser entsprechend beeinflussen. Und welcher Feigling oder Verlierer glaubt nicht gerne, das weisere und noblere Wesen zu sein, wenn schon das ärmere? Der Spruch hat es psychologisch also in sich. Reicht seine inhaltliche Qualität aber an die Qualität einer empirischen Theorie wie der Psychologie heran? Nein. Gemäß Asendorpfs Tabelle muss eine Theorie in einer empirischen Wissenschaft, wie es die Psychologie ist, explizit sein. Begriffe müssen also sehr genau begrenzen, worauf sie sich beziehen, damit jeder, der sie verwendet, auch vom selben spricht. Mehr noch, die Begriffe müssen das Genannte vollständig beschreiben und dürfen keine interpretierbaren Ränder erzeugen. In der Alltagspsychologie sind die Grundbegriffe auf den ersten Blick zwar unkompliziert und folglich für eine breite Masse klar und deutlich in ihrem Bezug. In der Kürze der Form, die auf Allgemeingültigkeit, Auslegbarkeit und die Flexibilität der situationsbezogenen Anwendung abzielt, sind die Begriffe doch sehr einseitig und unvollständig und eben: auslegbar und nicht deutlich in der Reichweite des Bezuges; das Gegenteil von klar definiert und explizit. Die Alltagspsychologie, aus der obiger Spruch entstanden ist, ist auch nicht widerspruchsfrei, wie es für eine empirische Theorie gefordert ist. Ein Beispiel hierfür ist die Aussage von Marie von Ebner Eschenbach: „Der Gescheitere gibt nach! Eine traurige Wahrheit. Sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.“ (Fußnote) Sie widerspricht also genau dem Spruch, der die Grundlage dieser Ausführungen ist, und wer nun für welchen Leser Recht hat, ist rein situationsabhängig. Nicht nur zum Thema Nachgeben, auch zum Thema Streit an sich gibt es unzählige Weisheiten, die sich unter einander widersprechen, und

welche davon ist nun richtig? Wer entscheidet das? Wieder die Situation; und der Umgang mit Streit hängt auch nicht unwesentlich von der Philosophie der Streitenden ab. Philosophie wiederum hat viel mit persönlicher Meinung zu tun, die sich auch schnell einmal diametral ändern kann, was wenig verlässlich und schon gar nicht widerspruchsfrei ist. Gerade zum Thema Streiten, Gewinnen und verlieren eignen sich die Sprüche sogar oft zu einer sinnumkehrenden Auslegung und sind so eigentlich in sich schon voller Widersprüche, nicht nur im horizontalen Vergleich zu anderen, sinnverwandten Sprüchen. Beispiele sind: „Es ist selten ein Gewinn ohne des andern Schaden.“ „Gewinn ist nicht Gewinn, er sei denn gerecht.“ Eine empirische Theorie soll vollständig sein und das erklären, was wir schon kennen und wissen, aber noch nicht (alle) verstehen. Sprüche aus der Alltagspsychologie können aufgrund von Erfahrung zwar beschreiben und oftmals auch korrekt vorhersagen, aber sie können nicht erklären, weil sie so widersprüchlich sind und sie sind dem entsprechend nicht verlässlich. Man kann sich zwar darauf verlassen, zu jeder Situation einen passenden Spruch zu finden, die aber seltener eine korrekte und verlässliche Antwort auf eine Frage haben als eine Rechtfertigung, die sich flexibel anpassen lässt. Wissenschaftliche Erklärungen sind immer eindeutig, ohne Widerspruch und allgemeingültige, ohne Wenn und Aber. Eine Theorie erläutert außerdem Grundlagen und benutzt hierfür möglichst wenige Grundbegriffe, ähnlich wie grundlegende Systeme unseres Lebens aus wenigen Grundelementen bestehen. Alltagspsychologie hingegen, zu der jeder etwas beitragen kann, weil sie nicht begründet werden sondern nur grundsätzlich nachvollziehbar sein muss, kann ein sehr breites Erlebnisspektrum beschreiben und bedient sich eines dem entsprechend breiten Begriffsspektrums. Müsste Alltagspsychologie widerspruchsfrei sein, müssten sich die einzelnen Bereiche in eine Wechselbeziehung zu einander stellen, in der sie sich ergänzen und auf einander abstimmen, was zu einer inhaltlichen und begrifflichen Annäherung führen würde. Diese relative Unabhängigkeit von inhaltlichen Zwängen führt, anders als bei einer Theorie, zu einer relativen Freiheit der äußeren Form und dem entsprechend breiter Fächerung der Begrifflichkeiten. Theorie begründet, legt also Gründe dar und ist damit Grundlage und Unterbau für Erkenntnisse, die mit ihr in Zusammenhang stehen und wegen ihr oder neben ihr entstehen. Sie bildet somit den Ausgangspunkt für weitere Fragestellungen und führt zu Produktivität und Vernetzung innerhalb der Wissenschaft. Während Theorien sachlich begründet werden können und zur Klärung von Phänomenen beitragen, ist die Alltagspsychologie hingegen von vorne herein auch ohne breite Vernetzung sehr breit angelegt, da sie nicht kooperieren muss. Sie kann sich von Situation zu Situation immer neu

erfinden und verzweigt sich, muss aber keine Verbindungen zwischen den Bereichen vorweisen oder gar neues Wissen schaffen. Die Produktivität einer Theorie ist idealerweise qualitativ hoch, die einer Alltagspsychologie eher quantitativ. Was die praktische Anwendbarkeit betrifft, so sind sich beide, die empirische Theorie wie auch die Alltagspsychologie sehr ähnlich. Die Theorie lässt sich anwenden, weil sie Wahrheit enthält, die Alltagspsychologie enthält immer auch zumindest ein Fünkchen Wahrheit und ist somit nicht grundsätzlich falsch. Diese praktische Anwendbarkeit der Alltagspsychologie und die Fülle, aus der man schöpfen und für jede Situation etwas Passendes finden kann, verleitet dazu, die Allgemeingültigkeit nicht zu hinterfragen, und es sich auch aus Bequemlichkeit manchmal einfach zu machen, nach dem Motto: Wenn es stimmt, wird es schon passen. In der Alltagspsychologie gibt es für verschiedene Bedingungen verschiedene Feststellungen, die zur oben erwähnten quantitativen Produktivität beitragen. Der sogenannte „Zirkelschluss“, der einmal Erfahrenes als Grundsätzliches wertet, verhindert die Überprüfung von Ereignissen unter immer gleichen Bedingungen und somit die Begründung deren Allgemeingültigkeit. Anders ist das für eine Theorie gefordert, in der man immer wieder dasselbe überprüft und die äußeren Bedingungen dafür möglichst konstant hält. Während in der Theorie erst eine Mehrzahl an vergleichbaren Ergebnissen, die in eine Richtung deuten, als verlässlich angesehen wird, wird in der Alltagspsychologie das, was einmal zutrifft, eben gemäß des „Zirkelschlusses“ als grundsätzlich gültig betrachtet, und die besonderen Bedingungen, die das Ergebnis erst möglich machten, völlig außer Acht gelassen. Diese empirische Verankerung, die immer wieder überprüft und die Ergebnisse mittels Datensammlung belegt und verlässlich macht, fehlt der Alltagspsychologie völlig. Eine empirische Verankerung macht eine empirische Theorie automatisch empirisch überprüfbar, zumindest dann, wenn die Bedingungen, unter denen Daten gesammelt wurden, konstant und vergleichbar waren. Die Alltagspsychologie kommt ohne eine solche Datensammlung aus und Lebensweisheiten in der Form von Sprüchen werden nicht anhand von Datensammlungen bewertet. Dennoch denke ich, dass Sprüche, die nicht zumindest einen Funken Wahrheit enthalten und auf eine bestimmte Menge an Situationen und Erfahrungen anwendbar sind und so auch einer gewissen Anzahl an Menschen ihre Überzeugungen begründen, auf Dauer nicht überleben würden und nicht Bestandteil unserer Alltagspsychologie würden. Überprüfbar ist die Alltagspsychologie also nicht, nachvollziehbar eigentlich immer....


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