PT Klausur - Note: 1,7 PDF

Title PT Klausur - Note: 1,7
Course Politische Theorie 1
Institution Ludwig-Maximilians-Universität München
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Take Home Exam 1. Semester
Der Paradigmenwechsel zwischen Aristoteles und Hobbes und dessen Konsequenzen auf moderne demokratische Gesellschaften...


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Ludwig-Maximilians-Universität München Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft Erstes Fachsemester

Modul: Einführung in die Politische Theorie Grundkurs Politische Theorie M.A. Nicolas Lippert

Take Home Exam Der Paradigmenwechsel zwischen Aristoteles und Hobbes und dessen Konsequenzen auf moderne demokratische Gesellschaften

I.

Einleitung

Knapp zwei Jahrtausende, nachdem Aristoteles die Wissenschaft der Politik als autonome Fachrichtung gründet1 führt Thomas Hobbes, welcher als „eigentlicher Begründer der politischen Philosophie der Neuzeit“ 2 gilt, einen neuzeitlichen Paradigmenwechsel durch, indem er die für Aristoteles entscheidende, auf Erfahrung basierte Tugend der Klugheit durch die dominierende Wissenschaft3 ersetzt. Im Folgenden wird auf Basis der Vertragstheorie und dem Aristotelismus auf jenen Paradigmenwechsel näher eingegangen und dessen Konsequenzen für die Moderne diskutiert. II.

Aristoteles

Politik, nach der philosophischen Auffassung Aristoteles‘, umspannt „institutionelle Ordnungen, Verfassungsformen und gesellschaftliche Realisierungsbedingungen des guten Lebens“ 4 und ist die Theorie der Polis, anders als die politische Auffassung heutzutage, welche darüber hinaus den modernen Flächenstaat in Anbetracht zieht5. Er beantwortet die Frage nach der bestmöglichen Staatsform basierend auf seiner Hauptthese, dass der Mensch als naturgemäß politisches Wesen „von Natur ein staatenbildendes Wesen ist“6. Als wichtigstes Ziel der Staatsgemeinschaft gilt das Gute und das Gerechte für den Menschen, wobei der Fokus auf der Gemeinschaft liegt, nicht auf dem Individuum. Der griechische Philosoph baut Schritt für Schritt auf unterschiedlichen Gemeinschaften auf und führt sie schließlich in der „vollkommenen Gesellschaft“, dem Staat, zusammen. Jene Gemeinschaften umfassen zunächst die Gruppierung der Familie innerhalb eines Hauses (oikos), die sich dann auf der nächsten Stufe mit den anderen Häusern zu der Gemeinschaft des Dorfes zusammenschließt (kome) und schließlich in die polis, 1 Vgl. Schwaabe, Christian: Politische Theorie: Von Platon bis zur Postmoderne (Grundzüge der Politikwissenschaft), 4. aktual. u. überarb. Aufl., Stuttgart, Deutschland: utb GmbH, 2018 2 Vgl. Schwaabe, 2018.

3 Vgl. Weiß, Ulrich: Von der Klugheit zur Wissenschaft: Aspekte des Paradigmenwechsels praktischer Rationalität zwischen Aristoteles und Hobbes: Theo Stammen zum 65. Geburtstag, in: Zeitschrift für Politik, Jg. 45, Nr. 2, 1998, [online] https://www.jstor.org/stable/24227871, S. 125. 4 Vgl. Münkler, Herfried/Grit Straßenberger/Vincent Rzepka/Felix Wassermann: Politische Theorie und Ideengeschichte: Eine Einführung, 1. Aufl., München, Deutschland: C.H.Beck, 2016, Seite 11.

5 Vgl. Schwaabe, 2018. 6 2

Vgl. Aristoteles; Gigon, Olof (Hrsg.): Aristoteles: Politik, 1. Aufl., Nördlingen, Deutschland: C.H. Beck’sche Buchdruckerei, 1973, S. 23.

die „politische Gemeinschaft der Stadt“ 6 übergeht.7. Die Gemeinschaft des Staates beruht auf dem Wohlergehen aller und liegt somit auch keiner Rationalität zugrunde 8. Wo gewisse rationale Abwägungen in Hinsicht auf eigene Bereicherung und Nutzenmaximierung jedoch auftauchen können, ist im privaten Bereich, in dem das Haus als solches als ökonomische Einheit ausgelegt wird. Aristoteles umschreibt eine Gemeinschaft, die jenes Ziel erreicht, als eine „Gemeinschaft, in der das zoon politikon seiner Natur gemäß leben kann“9. Welche Verfassung jedoch sinnvoll ist, ist abhängig von den aktuellen Rahmenbedingungen, und er unterscheidet zwischen guten Verfassungen, wo vom Herrscher dem allgemeinen Interesse des Volkes nachgegangen wird, und schlechten Verfassungen, innerhalb derer der Herrscher nur seine Eigennützigkeit zu sättigen sucht. Hinzu kommt das Quantum der Herrschenden: Aristoteles betrachtet das Königtum, die Aristokratie sowie die Politie als gute Verfassungen; wertet allerdings die Tyrannis, der Oligarchie und der Demokratie ab10. III.

Hobbes

Thomas Hobbes ist ein politischer Philosoph des 17. Jahrhunderts, der unter den Umständen des englischen Bürgerkrieges und somit dem ihn umgebenden Zustand der Furcht heranwächst. Mit seiner innovativen Vertragstheorie und seinem Verständnis für den damaligen Stand der Wissenschaft schafft er die moderne politische Philosophie, die sich an die modifizierten Verhältnisse nicht nur des Lebens, sondern auch der Denkweise sowie dem modernen Weltverständnis anpasst11 12. Den sogenannten Kontraktualismus baut Hobbes auf der fiktiven Basis des vorpolitischen Naturzustandes des Menschen auf, denn er geht – konträr zu Aristoteles – davon aus, dass nicht jedes Wesen gleich ein politisches ist und, dass 6

7 Vgl. Schwaabe, 2018, Seite 60. 8 Vgl. Thal, Selina: Aristoteles versus Hobbes. Der Begriff politischer Herrschaft in Abgrenzung zur vertragstheoretischen Legitimation, München, Deutschland: GRIN Verlag, 2007, S. 23. 9 Vgl. Schwaabe, 2018, Seite 62. 10 Vgl. Aristoteles, 1973. 11 Vgl. Schwaabe, 2018. 12 Vgl. Hobbes, Thomas; Euchner, Walter/Iring Fetscher (Hrsg.): Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates (suhrkamp taschenbuch wissenschaft), 16. Aufl., Berlin, Deutschland: Suhrkamp Verlag, 1984. 3

die politische Gemeinschaft nicht von selbst entsteht. Stattdessen muss ein demokratisches Entscheidungsverfahren durchgeführt werden. Den Naturzustand beschreibt der Staatstheoretiker als einen Zustand der Eigennützigkeit und des Egoismus13. Ohne staatliche Herrschaft herrscht ein Bürgerkrieg aller Menschen gegen alle aus dem einfachen Grund, dass die Homogenität der Menschen zu keiner Zeit die Stabilität einer Herrschaft hervorrufen kann und, dass ohne eine solche Herrschaft, der Mensch um knappe Güter konkurriert, den Konkurrenten gegenüber argwöhnisch und nicht zuletzt, machtstrebend ist14. Davon ausgehend siegt schließlich die rationale Vernunft des Menschen und führt dazu, dass er die Notwendigkeit der Machtübertragung auf einen Menschen oder einen Konvent mehrerer Menschen erkennt. Diese Übertragung des Einzelwillens findet durch Abschluss eines Vertrages statt, durch den jener gewählte Leviathan autorisiert wird, die Wähler zu regieren und führt schließlich zur Bildung eines Staates 15. Hierbei ist der Herrschaftszweck auf das Überleben ausgerichtet. IV.

Bedingungen moderner demokratischer Gesellschaften

Veranschaulicht wird die Moderne aufgrund der Knappheit dieser Arbeit anhand der demokratietheoretischen Sichtweise der Bundesrepublik Deutschland 16. Zumeist werden vier Dimensionen von Demokratien beschrieben, welche miteinander interagieren. Diese sind das Prinzip der Volkssouveränität, das der Gewaltenteilung, die Zivilgesellschaft sowie die „wirtschaftsdemokratische Partizipation und Kontrolle“17. Volkssouveränität wird (in der BRD) im Grundgesetz festgehalten: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ 18. Man betrachtet Volkssouveränität oftmals als „die einzige Legitimationsquelle der politischen Gewalt“ 19

. Der charakteristische Zweck der Gewaltenteilung besteht darin, durch die

13 Vgl. Thal, 2007, S. 23. 14 Vgl. Schwaabe, 2018, Seite 116. 15 Vgl. Hobbes, 1984, S. 23. 16 Vgl. Bieling, Hans-Jürgen: Demokratie, Macht und Einflussnahme: theoretische Perspektiven und Kontroversen | bpb, in: bpb.de, 13.03.2019, [online] https://www.bpb.de/politik/wirtschaft/lobbyismus/276194/demokratie-macht-und-einflussnahme [21.02.2021].

17 Vgl. Demirovic, Alex: Demokratie in der Wirtschaft: Positionen - Probleme - Perspektiven, 1. Aufl., Münster, Deutschland: Westfälisches Dampfboot, 2007.

18 § 20 Abs. 1 S.1 GG 19 Vgl. de Matos, Saulo: Zum normativen Begriff der Volkssouveränität, in: Erstes Kapitel. Die Frage nach der Legitimität des politischen Handelns im Recht und die Möglichkeit der Volkssouveränität als

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Kontrolle der Gewalten untereinander das Risiko der Violation von politischer Macht abzuwehren. Die Dimension der Zivilgesellschaft umfasst das Konstrukt der öffentlichen Kommunikation, welche eine kritische Befassung mit der Politik fördern soll. Schlussendlich soll die wirtschaftsdemokratische Teilnahme und Kontrolle die Entwicklung von wohlfahrtstaatlichen Komponenten fördern, wird jedoch – wie die anderen Dimensionen auch – in unterschiedlichen Staaten unterschiedlich stark oder eben nur schwach ausgeführt20. V.

Konsequenzen des Paradigmenwechsels mit Blick auf das Verhältnis von Staat und Bürger

Oftmals wird vor allen Dingen Hobbes als Wegbereiter des modernen Staates, wie wir ihn heute kennen, bezeichnet21. Nun sind seine staatstheoretischen Ansätze auch mit denen seiner Vorgänger in Verbindung zu setzen, denn basierend auf solchen Paradigmenwechseln ist es schlussendlich möglich, daraus die Konsequenzen auf die modernen demokratischen Gesellschaften zu ziehen. Bereits der Aristotelismus setzte einige prägende Grundsteine für die Entwicklung der politischen Wissenschaft bis hinein in die Moderne. Schwierig wird es aber, wenn es darum geht, seine Gedankengänge in die moderne Politik zu übersetzen – so wird den Bürgern und ihren Tugenden, besonders Gerechtigkeit und Klugheit, eine starke Bedeutung zugeschrieben, wie man es in der heutigen, stark wissenschaftlich geprägten Zeit, zumindest in der Politik, nicht so kennt. Hinzu kommt die Verknüpfung der ethischen Fragen nach dem Glück mit der politischen Gemeinschaft, welche heutzutage nur allzu schwer miteinander vereinbar scheint 22. Um näher auf das Verhältnis zwischen Staat und Bürger einzugehen, ist es bei Aristoteles unmöglich, das Individuum von der Gemeinschaft zu separieren, was in der modernen Staatstheorie von Hobbes ganz anders aufgegriffen wird und auch heutzutage so nicht denkbar wäre. Zwar sind das Gute und das Glück, auch gegenwärtig nicht minder wichtige Vorstellungen, jedoch ist es schwierig, diese als Voraussetzungen für eine funktionsfähige, demokratische Gerechtigkeit festzulegen Legitimationsformel, 1. Aufl., Baden-Baden, Deutschland: Nomos Verlagsgesellschaft, 2015, Seite 37

20 Vgl. Bieling, 2019. 21 Vgl. Ahrens, Martin: Thomas Hobbes - Wegbereiter des modernen Staates?, 2., Potsdam, Deutschland: GRIN Verlag, 2010. 22 Vgl. Schwaabe, 2018. 5

und stellt einen vor die Frage, ob es denn anders sein sollte, ob die Politik auch einen Leitfaden für das ethische Befinden der Bürger herstellen sollte? 23 Letztendlich spielt die Staatstheorie Hobbes‘ für moderne demokratische Gesellschaften eine große Rolle. Die Rationalität des „homo oeconomicus“ ist in der gegenwärtigen Zeit unverändert – stattdessen hat sich eine weit mehr ausgeprägte, vielfältigere Gesellschaft entwickelt. Bereits zu Zeiten des Aristoteles herrschten die Staatsformen, die man heute kennt – indes ist es in modernen Zeiten unmöglich, die unterschiedlichen Herrschaftsstrukturen zu positionieren, die damals doch noch recht einfach nachzuvollziehen waren24. Stattdessen ist die Moderne ein komplexes System von politischen Verflechtungen (wie man sie beispielsweise aus der BRD besonders kennt). Ein wichtiger Aspekt, der schließlich erst bei Hobbes auftaucht, ist die Volkssouveränität: Vom Willen des Volkes ausgehend wird eine Regierung gewählt, die den Willen der Bürger repräsentieren soll. Das Verhältnis zwischen Bürger und Staat unterscheidet sich allerdings in der nächsten Dimension, die der Gewaltenteilung, stark von den Ansichten des britischen Staatstheoretikers. Denn heutzutage ist es in der BRD unabdingbar die Politik auf einer stabilen Gewaltenteilung zu basieren, welche eben die Macht, die der Leviathan bei Hobbes hat, auf ein gesundes Niveau zu minimieren versucht. Zwar spielt sich dies besonders gut auf das Beispiel Deutschlands ab, jedoch wird es – zumindest in den westlichen demokratischen Gesellschaften – nirgendwo einen alleinigen Herrscher in der Weise, in der er von Hobbes beschrieben wird, mehr geben. Eine Rechtsordnung, wie letzterer sie beschreibt, wird auch heute noch so umgesetzt; man ist sich im Großen und Ganzen einig, dass der Mensch ohne das Gesetz nicht in einer Gemeinschaft leben kann; allerdings hatte der Bürger bei Hobbes keinerlei politische Partizipationsmöglichkeiten, was in der Bundesrepublik undenkbar wäre. Wie bereits Aristoteles unterscheidet auch Hobbes zwischen einem privaten und einem öffentlichen Bereich; wobei der Bürger sich im privaten Bereich soweit ausleben kann, wie der Erhalt des Staates im öffentlichen nicht gefährdet wird25. Resümierend lässt sich Hannah Arendt gut zitieren, welche den heutigen Herrschaftsbegriff als eine „Niemandsherrschaft“ auslegt: Ihrer Auffassung nach ist es fast unmöglich, klar zu definieren, wer denn schlussendlich die politischen

23 Vgl. Schwaabe 2003. 24 Vgl. Thal, 2007. 25 Vgl. Thal, 2007.

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Entscheidungen trifft26 – der heutige Legitimationsanspruch erweckt den Anschein ausgedient zu sein27.

26 Vgl. Ahrendt, Hannah: Macht und Gewalt, 26. Aufl., München, München: Piper, 1970. 27 Vgl. Thal, 2007. 7

Literaturverzeichnis

Ahrendt, Hannah: Macht und Gewalt, 26. Aufl., München, München: Piper, 1970. Ahrens, Martin: Thomas Hobbes - Wegbereiter des modernen Staates?, 2., Potsdam, Deutschland: GRIN Verlag, 2010. Aristoteles; Gigon, Olof (Hrsg.): Aristoteles: Politik, 1. Aufl., Nördlingen, Deutschland: C.H. Beck’sche Buchdruckerei, 1973. Bieling, Hans-Jürgen: Demokratie, Macht und Einflussnahme: theoretische Perspektiven und Kontroversen | bpb, in: bpb.de, 13.03.2019, [online] https://www.bpb.de/politik/wirtschaft/lobbyismus/276194/demokratie-macht-undeinflussnahme [21.02.2021]. Demirovic, Alex: Demokratie in der Wirtschaft: Positionen - Probleme - Perspektiven, 1. Aufl., Münster, Deutschland: Westfälisches Dampfboot, 2007. Hobbes, Thomas; Euchner, Walter/Iring Fetscher (Hrsg.): Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates (suhrkamp taschenbuch wissenschaft), 16. Aufl., Berlin, Deutschland: Suhrkamp Verlag, 1984. de Matos, Saulo: Zum normativen Begriff der Volkssouveränität, in: Erstes Kapitel. Die Frage nach der Legitimität des politischen Handelns im Recht und die Möglichkeit der Volkssouveränität als Legitimationsformel, 1. Aufl., Baden-Baden, Deutschland: Nomos Verlagsgesellschaft, 2015, S. 36–85. Münkler, Herfried/Grit Straßenberger/Vincent Rzepka/Felix Wassermann: Politische Theorie und Ideengeschichte: Eine Einführung, 1. Aufl., München, Deutschland: C.H.Beck, 2016. Schwaabe, Christian: Politische Theorie: Von Platon bis zur Postmoderne (Grundzüge der Politikwissenschaft), 4. aktual. u. überarb. Aufl., Stuttgart, Deutschland: utb GmbH, 2018. Thal, Selina: Aristoteles versus Hobbes. Der Begriff politischer Herrschaft in Abgrenzung zur vertragstheoretischen Legitimation, München, Deutschland: GRIN Verlag, 2007. Weiß, Ulrich: Von der Klugheit zur Wissenschaft: Aspekte des Paradigmenwechsels praktischer Rationalität zwischen Aristoteles und Hobbes: Theo Stammen zum 65. Geburtstag, in: Zeitschrift für Politik, Jg. 45, Nr. 2, 1998, [online] https://www.jstor.org/stable/24227871, S. 111–134.

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