Rückmeldung Seminar Anime Forum 1 Filmgeschichte 21 PDF

Title Rückmeldung Seminar Anime Forum 1 Filmgeschichte 21
Course Anime und Japanisches Kino
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Sommersemester 2021 (Herbert Schwaab)

28.4.2021 Ästhetik und Geschichte des klassischen japanischen Films (Forum) Komatsu, Hiroshi (1996) Japan vor dem großen Kanto-Erdbeben. In: Nowell-Smith, Geoffrey (Hg.) Geschichte des internationalen Films. Stuttgart: J.B. Metzler, 166-171. Komatsu, Hiroshi (1996) Japan: Das klassische Kino. In: Nowell-Smith, Geoffrey (Hg.) Geschichte des internationalen Films. Stuttgart: J.B. Metzler, 376-384. Komatsu, Hiroshi (1996) Die Modernisierung des japanischen Films. In: Nowell-Smith, Geoffrey (Hg.) Geschichte des internationalen Films. Stuttgart: J.B. Metzler, 675-682. Kirihara, Donald (1996) Reconstructing Japanese Film. In: Bordwell, David/ Carroll, Noël (Hg.) Posttheory. Reconstructing Film Studies. Madison: The University of Wisconsin Press, 501-519. Thompson, Kristin & Bordwell, David (1976) Space and Narrative in the Films of Ozu. In: Screen 17:2, 41-73. Kommentar zu Tokyo Story Tokyo Story ist eigentlich nicht originell, orientiert sich wahrscheinlich an dem Hollywoodfilm Make Way for Tomorrow. Kevin Nam-Massa betont daher, dass das nicht der Grund dafür sein könne, warum der Film als so gelungen betrachtet wird. Die Geschichte ist einfach, ohne Verwicklungen und Handlung und Dramatik, wie im Kommentar angemerkt wird. Was den Film außergewöhnlich, aber auch etwas anstrengend mache, finde sich daher eher auf der visuellen und auditiven Ebene. Der Kommentar stellt hier vor allem eine ‚irritierende‘ Frontalität der Einstellungen heraus, und die Tatamimatteneinstellung mit einer niedrig platzierten Kamera, die Menschen, Räume und Objekte aus einer Untersicht (die Kamera ist immer etwas gekippt) zeigt. Es ist interessant, dass Kevin Nam-Massa hier davon spricht, dass dies die Illusion bricht, genauso wie eine Musik, die nur in den verbindenden Teilen zu hören sei und daher die sonstige Abwesenheit von Musik noch auffälliger mache. Interessant finde ich diese Bemerkung deswegen, weil der Text von Karsten Visarius in dieser Frontalität auch eine Besonderheit des Kinos von Ozu verortet, nicht nur der Bruch mit einer Hollywoodkonvention, Gesichter immer nur leicht angeschrägt von der Seite zu zeigen, so dass Zuschauende keinen Augenkontakt herstellen müssen und so die Welt der filmischen Erzählung als autonom von unserer Welt wahrgenommen werden kann (das ist eine gängige Interpretation), sondern dass damit auch die 180 Grad Line gebrochen wird, die sicherstellt, dass es immer ein Außen gibt, von dem aus wir die Welt der Geschichte sehen. Visarius aber, meint aber, dass dies keinen Bruch mit der Illusion bedeutet, sondern eher eine stärkere Immersion in der Welt des Films selbst, die damit auch kein außen mehr kennt. Das ist ebenfalls eine mögliche Interpretation, die aber diskutiert werden kann. Die Antwort auf die Frage, ob der Film als Meisterwerk zu betrachten ist, ist ebenfalls sehr interessant. Ich muss sagen, dass ich im ersten Moment 1

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enttäuscht war, dass der Kommentar nicht erkennt, dass dies ein Meisterwerk ist. Andererseits stimmt das Argument, dass ein Bruch mit Konventionen der Filmsprache nicht automatisch bedeutet, dass ein Film gut ist (das wird wirklich viel zu häufig behauptet) und ich muss akzeptieren, dass Kevin Nam-Massa den Film für ihn als ‚heutigen‘ Betrachter irritierend empfindet. Andererseits erfasst die Beschreibung dessen, was den Film dann doch irgendwie interessant mache und eine ‚gewisse Schönheit‘ offenbare – Zeit, der langsame Rhythmus, Alltäglichkeit, Enttäuschung, der Blick auf die Wirklichkeit - genau das, was das Kino von Ozu ‚besonders‘ besonders macht: Es ist ein unspektakuläres, einfaches Kino, aber dennoch eines der wenigen Beispiele für ein Kino, das versucht, der Wirklichkeit und bestimmten Gefühlten nachzuspüren, was auch der Grund war, warum der Drehbuchautor Paul Schrader (Taxi Driver) im Zusammenhang mit Ozu auch von einer ‚transcendental beauty‘ gesprochen hat. Ozu hat mit diesen Filmen, die ganz normal und erfolgreich im Kino dieser Zeit gelaufen sind, versucht, die unspektakuläre Welt von Angestellten und der Mittelklasse darzustellen und dabei mit seinem subtilen Formwillen etwas geschaffen, was sich tatsächlich massiv von vielen anderen Filmen und vom Kino unterscheidet und daher bis heute viele Filmemachende intensiv inspiriert (Wenders, Kore-eda) hat. Interessant ist für uns, auch darüber nachzudenken und darauf zu achten, ob und wie es Verbindungen zum Anime geben kann (meine These ist, dass es da sehr viele Verbindungen gibt und dies sehr gut zu dem Alltagsbezug von vielen Anime wie zum Beispiel Totoro sehr gut passt). Präsentation zu Tokyo Monogatari Sehr interessant ist die Einführung einer neuen Form der Analyse von Filmen mit Google Maps. Das ist aber gar nicht so abwegig, weil es auf den Realitätsgehalt des Films hinweist, der ja vielleicht Frau Kahl dazu gebracht hat, zu recherchieren, was das für eine Reise war. Versuchen sie mal einen Film wie Casablanca (1942) mit Google Maps zu analysieren und sie werden merken, dass sie da nicht besonders weit kommen werden. Nur realistische Filme machen es möglich, die Geografie ihrer Welt erforschen zu wollen. Was mir bei den Versuch aufgefallen ist, diesen Film in die japanischen Gesellschaft und die Veränderung ihres Familienbildes durch die Modernisierung einzuordnen, ist auch eine gewisse Zeitlosigkeit der Figur der Shige, ihrem mangelnden Feingefühl und ihrem Egoismus, die vielleicht einige von ihnen auch an Verwandte und Bekannte erinnern mögen, die es heute noch gibt. Das ließe sich als Hinweis verstehen, dass Ozu auch ein guter Beobachter ist. Die kulturgeschichtlichen Erkundungen in dieser Präsentation machen deutlich, wie sich das Thema der Enttäuschung von Erwartungen der Eltern gegenüber ihren Kindern im Film wiederspiegelt und in welchem Kontext das Thema einzuordnen ist (es ist produktiv, zu versuchen, einen Film in seine Zeit einzuordnen, aber es macht nicht unbedingt bei jedem Film Sinn, dies zu tun). Der dritte Aspekt dieser Betrachtung des Familienbildes und der Motive des Films betont vielleicht etwas, was als überzeitlich angesehen werden kann, dass die Entfremdung auch das 2

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Ergebnis eines unvermeidlichen Emanzipationsprozesses der Kinder von den Eltern bedeutet. Auf jeden Fall sind alle die Motive, die hier genannt und eingeordnet werden, realistische, alltagspsychologische Aspekte und Gefühle, die sich gut nachvollziehen lassen. Die Präsentation findet sehr stimmige Parallelitäten zwischen der verwitweten Schwiegertochter Noriko und ihrem verwitweten Schwiegervater Shukichi, die beide scheinbar neutral und geduldig alle Zumutungen ertragen und nicht offen ihre Kritik an undankbaren Verwandten äußern. Die Parallelität ist eine sehr interessante Beobachtung, ich würde hier aber betonen, dass die Enttäuschung über die Kinder und Verwandte durchaus auch offen auftritt (darauf weist auch Karsten Visarius hin). Noriko wirkt auch etwas verachtend gleichgültig über die undankbaren Schwager und Schwägerinnen, sie verbirgt ihre Enttäuschung hinter dem duldsamen Lächeln, bricht aber dafür umso ‚spektakulärer‘ in Tränen aus, als sie diese Gefühle nicht mehr verstecken kann (sie gibt ja sogar zu, dass ihr Mann auch kein Heiliger war). Das ist eine Dramaturgie, die solche langsamen Filme erzeugen können, dass dann Momente des Gefühlsausbruchs oder Ähnliches noch spektakulärer wirken. Bei Shukichi gibt es immer wieder Momente, in denen er seine Enttäuschung über seine Kinder nicht verbergen kann, auch wenn er sie nicht offen ausspricht, aber auch das fällt ja umso mehr auf, so neutral und scheinbar unaufgeregt die Figuren während des ganzen Films sind. Im Fazit wird betont, dass eine der Lehren des Films sein kann, dass wir uns bewusst darüber sein sollten, dass die Zeit, die wir mit unseren Familien verbringen, kostbar ist. Sie mögen das vielleicht für trivial halten, aber stellen sie sich einmal die Frage, wieviele Filme, die sie kennen, das thematisieren, was bei Ozu angesprochen wird? (Das wäre dann auch eine Diskussionsfrage für die kommende Sitzung)

Kommentar zu Tokyo Monogatari Der Kommentar bemerkt zunächst das Ungewohnte für heutige Augen an diesem Film und betont dann die komplexe Behandlung des Motivs der Zeit und der Veränderung, die diesen Film auszeichnet (von vielen Kritiken bemerkt). Wie Zeit behandelt wird, kommt in folgender schöner Passage aus dem Kommentar sehr gut zum Ausdruck: In vielen Szenen, vor allem in den Innenräumen gleicht die erzählte Zeit der Erzählzeit und fängt die Interaktion in der Familie gänzlich ein. Oft werden in diesen Szenen alle sich im Raum befindlichen Personen gezeigt, was einen ungefilterten Blick auf die Familie und ihrem Verhalten ermöglicht. Es sind diese reduzierten Szenen von familiärer Interaktion die den Zuschauer in die Handlung einbinden. Hier ist nicht nur wichtig, wie realistisch der Film dadurch ist, dass die Zeit im Film scheinbar genauso langsam vergeht wie in der Wirklichkeit, sondern dass dies auch eine Einbindung der Zuschauenden in die 3

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familiäre Interaktion bedeutet. Das passt sehr gut zu der Deutung von Visarius (die ich im Zusammenhang mit dem ersten Kommentar angesprochen habe), dass die Frontalität in den Dialogmontagen und der Bruch mit der 180 Grad Linie auch eine Immersion der Zuschauenden in den Film bedeutet kann. Lukas Stempfhuber beschreibt die verzweifelten Versuche, Distanz zu überwinden, etwa wenn die Mutter versucht, Kontakt zu ihren Enkeln herzustellen (eine sehr traurige Szene), aber auch, wie der Film uns nur eine Außenperspektive bietet und das Innenleben der Figuren scheinbar ausklammert: Im Kontrast zum traurig anmutenden Narrativ, das seinen Höhepunkt im Tod der Frau des Seniorenpaars hat, lösen die auf den Gesichtern nur angedeutetem Emotionen eine unwirkliche Atmosphäre aus, welche den ganzen Film im Unterton begleitet. Während dies für den Kommentar auch eine Irritation darstellt, dass der Film so viel andeutet und so wenig ausspricht, erkennt er gerade darin die Besonderheit der Dramaturgie dieses Films: Doch ist es genau dieser skelettartige Aufbau von aufeinander folgenden Szenen, welche den Blick auf die von Ozu präsentierten rohen Emotionen ermöglichen. Ironischer Weise ist es wohl genau dieser Bruch Ozus mit dem westlichen Kino, was ihn damals ein Meisterwerk schaffen und ihn für immer in der Geschichte des Films verewigte. Das ist gut beobachte und beschrieben. Vielleicht sollte hier noch angemerkt werden, dass dies kein offener Bruch mit der Hollywooderzählung ist. Der Film konnte auch nicht so interpretiert werden, weil er erst 20 Jahre später im Westen Beachtung fand und innerhalb des japanischen Kinos nicht als Bruch mit Konventionen wahrgenommen wurde. Aber es ist sehr gut erkannt, dass die Alltagsbindungen, die Andeutungen, der langsame Rhythmus, der andere Bildaufbau und die andere Montage alles Elemente sind, die ein sehr eigenständiges Kino hervorgebracht haben.

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