Bachelorarbeit ,,Ziemlich beste Freunde\'\' PDF

Title Bachelorarbeit ,,Ziemlich beste Freunde\'\'
Author Julia Brandt
Course Religion und Lebenswelt: Leben mit Krankheit im Film
Institution Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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Summary

Bachelorarbeit zum Film ,,Ziemlich beste Freunde''
Lebenspraktische und theologische Implikationen des Begriffs Behinderung in der Gesellschaft.
Eine Studie am Beispiel des Filmes ,,Ziemlich beste Freunde‘‘
...


Description

Westfälische Wilhelms-Universität Münster Evangelisch-Theologische Fakultät Religion und Lebenswelt: Leben mit Krankheit im Film Sommersemester 2017 Leitung: Prof. Dr. Traugott Roser

Bachelorarbeit zum Thema: Lebenspraktische und theologische Implikationen des Begriffs Behinderung in der Gesellschaft. Eine Studie am Beispiel des Filmes ,,Ziemlich beste Freunde‘‘

Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkungen

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2. Der Film ,,Ziemlich beste Freunde‘‘

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2.1 Überblick

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2.2 Szenenanalyse

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3. Behinderung

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3.1 Begriffsbestimmung

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3.2.1Die Gesellschaft als Herausforderung

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3.2.2 Behindert ist man nicht – behindert wird man!

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4. Das Verhältnis von Krankheit und Gesundheit

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4.1 Definition des Krankheitsbegriffes

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4.2 Definition des Gesundheitsbegriffes

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4.3 Gesundheit trotz Krankheit

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5. Der Umgang mit Behinderung

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5.1 Witze ja oder nein?

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5.2 Normalisierungsprinzip

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5.3 Respektvolle Begegnung

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6. Theologische Herausforderungen

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6.1 Allmacht Gottes

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6.2 Trost

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6.3 Seelsorge

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7. Schlussbemerkungen Anhang Literaturverzeichnis Plagiatserklärung

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1. Vorbemerkungen ,,Das sind auch nur ganz normale Menschen‘‘ war die Aussage meiner Mutter, nachdem ich ihr von meiner Nervosität bezüglich meines Praktikums bei den Freckenhorster Werkstätten erzählte. Im März des Jahres 2017 absolvierte ich in einer Einrichtung für behinderte Menschen mein vierwöchiges Berufsfeldpraktikum. In dieser Einrichtung geht es darum, benachteiligten Menschen den Einstieg in die Arbeitswelt zu erleichtern und sie darauf vorzubereiten. Ich war im Berufsbildungsbereich der Werkstätten tätig und arbeitete dort mit geistig behinderten Menschen. Da ich zuvor noch nie mit Menschen mit Behinderungen in Kontakt gekommen bin, habe ich mir vor Beginn meines Praktikums darüber Sorgen gemacht, ob ich mich richtig verhalten und richtig mit ihnen umgehen könnte. Aber wer sagt denn, dass man sich anders verhalten muss? Sind sie anders als man selbst? Ich habe schon nach dem ersten Tag in

meiner Arbeitsgruppe

gemerkt,

dass

meine

Sorgen unberechtigt und

diskriminierend waren. Heute schäme ich mich sogar dafür, denn jetzt weiß ich es besser. In dieser Arbeit werde ich folglich der Frage nachgehen, was der Begriff Behinderung lebenspraktisch und theologisch für die Gesellschaft bedeutet. Nach einer kurzen Erläuterung des Begriffes wird es um die Einstellung der Gesellschaft zu Menschen mit Behinderungen gehen. Unter Berücksichtigung dessen stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft das Recht dazu hat, zwischen Krankheit und Gesundheit zu entscheiden, oder ob dies jeder individuell entscheiden sollte. Darauf aufbauend wird der Umgang mit Behinderung das nächste große Thema sein, sprich wie man sich respektvoll und angemessen verhält. Der Behinderte ist normal, wenn man ihn normal behandelt, wird hier das Leitmotiv sein. Als Theologiestudentin interessiere ich mich besonders für die theologischen Herausforderungen, die der Begriff mit sich bringt. Schließlich ist es nachvollziehbar, dass derleidende Mensch sich fragt, warum gerade er betroffen ist, wenn schlimme Ereignisse geschehen. Warum diese überhaupt passieren, wenn Gott doch allmächtig ist, ist die Frage die sich hier als erstes stellt.Esist ebenso eine christliche Einsicht, dass wir Menschen nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurden, was die voran gestellte Frage nur weiter unterstützt. Da auch mir in meinem späteren Berufsleben seelsorgerische Eigenschaften zugeschrieben werden, möchte ich mit diesen Fragen umgehen 1

können und neue Erkenntnisse darüber sammeln, wie man ein solches Gespräch am besten führt und worauf man achten sollte. Das Ganze wird bestärkt anhand einer Studie des Filmes ,,Ziemlich beste Freunde‘‘. In diesem wird die Problematik der Einstellung der Gesellschaft gegenüber behinderten Menschen besonders deutlich. Der Zuschauer wird stark zum Nachdenken angeregt, da durch den Protagonisten Philippe klar wird, wie er sich fühlt, wenn er anders behandelt wird. Um diesen Aspekt näher herauszuarbeiten, werde ich eine Schlüsselszene analysieren und sie in den Kontext einbinden. In diesem Schritt wird nicht nur das Augenmerk auf den Inhalt der Szene, sondern auch auf filmtechnische Mittel gerichtet, um zu einer fundierten Meinung zu gelangen. Der Sinn dieser Arbeit wird dementsprechend ebenfalls sein, jedem Leser aufzuzeigen, dass sich eingeschränkte Menschen ebenso gesund fühlen können wie Menschen, die sich der Gesundheit, wie sie die Gesellschaft definiert, erfreuen können. Ich möchte einerseits zum Umdenken anregen aber auch selbst neue Erkenntnisse in diesem Bereich gewinnen. 2. Der Film ,,Ziemlich beste Freunde‘‘ Im Folgenenden werde ich zur Orientierung einen kurzen Überblick über den besagten Film und dessen Inhalt geben und eine Kernszene des Filmes analysieren. Dabei versuche ich anhand filmtechnischer Mittel Aufschluss über die Aussage des Filmes und seinen Nutzen für die Gesellschaft zu gewinnen. 2.1 Überblick Die2012 erschienene Filmkomödie ,,Ziemlich beste Freunde‘‘ erzählt die Geschichte von zwei Männern aus zweiverschiedenen Welten. Sie basiert auf einer wahren Begebenheit, die auf den Mann Philippe Pozzo di Borgo zurückzuführen ist. Der Film spielt in Frankreich und handelt von dem Protagonisten Philippe auf der einen Seite, der aufgrund eines Paragliding-Unfalls ab dem dritten Halswirbel gelähmt ist und nach einer ganztägigen Pflegekraft sucht. Er bewegt sich in einem sehr wohlhabenden Umfeld und scheint auf den ersten Blick das Gegenteil von dem zweiten Protagonisten Driss zu sein, der in die ärmere Schicht der Bevölkerung einzuordnen ist. Driss bewirbt sich trotz seiner kriminellen Vergangenheit um die 2

besagte Stelle, mit der Absicht, eine Absage für das Arbeitsamt zu bekommen und so finanzielle Unterstützung zu erhalten. Trotz fehlendem Interesse an dem Jobangebot fällt er Philippe auf, denn er hebt sich von allen anderen Bewerbern ab. Driss beeindruckt durch seinen Humor, indem er Witze über Philippes Beeinträchtigung macht und ihm so das Gefühl gibt,normal zu sein, welches er bei den studierten und geschulten Bewerbern vermisst. Aus diesem Grund wird Driss der Job auf Probe angeboten. Er nimmt ihn an, da er von seiner Mutter auf die Straße gesetzt wurde und somit heimatlos ist. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten meistert er jede Herausforderung und die beiden bauen eine innige Freundschaft, basierend auf Vertrauen, Humor und gemeinsamen Interessen auf. Sie durchleben Höhen und Tiefen und sorgen dabei stets gegenseitig füreinander. Driss hilft Philippe nicht nur körperlich alltägliche Schwierigkeiten zu meistern, sondern versucht beispielsweise auch, Kontakt zwischen ihm und seiner Brieffreundin Éléonore herzustellen. Er sorgt sich auch um ihn als Person. Driss erleichtert Philippes Leben in seinen Augen dadurch, dass er ihn nicht als körperlich behinderten Menschen sieht, sondern als Freund. Durch kleine Handlungen, wie das Heranreichen des Telefons, weil er seine Beeinträchtigung vergisst, lässt er Philippe spüren, dass er ein normaler Mensch ist. Depressionen und Selbstmordgedanken können so überwunden werden, denn er schenkt ihm neuen Lebensmut. Auch Driss bekommt auf diese Weise eine Chance, neu anzufangen. Er wird von Philippe vorurteilsfrei angestellt. Weder seine dunkle Hautfarbe noch seine kriminelle Vergangenheit oder seine Herkunft sind ausschlaggebend für Philippes Entscheidung. Gemeinsam sind sie stark und zeigen so den Zuschauern, was Freundschaft bedeutet. 2.2 Szenenanalyse Im Folgenden werde ich die Schlüsselszene vom Anfang des Filmes, in der Philippe und Magalie nach einer geeigneten Pflegekraft suchen, nach einem Prinzip von Helmut Korte analysieren. Ich habe mich für diese Szene entschieden, da sie besonders

deutlich

die

Wirkung

der

Gesellschaft

auf

einen

körperlich

beeinträchtigten Mann und die damit verbundene Problematik veranschaulicht. In Kortes Arbeitsbuch ,,Einführung in die Systematische Filmanalyse‘‘ spricht er unteranderem

von

dem

sogenannten

Einstellungsprotokoll,

welches

die

verschiedenen Einstellungen einer Szene bezüglich ihrerKameraaktivitäten, dem 3

Handlungsverlauf und der Audioebene umfasst.1 Nach diesem Muster werde ich ein detailliertes Protokoll erstellen (siehe Anhang). Es scheint mir sehr sinnvoll zu sein, um einen Überblick über die Szene zu erhalten und auf einen Blick zu sehen, was genau in welcher Einstellung geschieht. Auf deren Basis möchte ich dann Aufschluss über die Gefühlswelt Philippes und somit über seine Sicht zum Umgang mit seiner körperlichen Einschränkung gewinnen. Bezüglich der Länge der Einstellungen ist mir zu Beginn direkt aufgefallen, dass diese im Durchschnitt nur eine Länge von zwei bis drei Sekunden haben. Dieser schnelle Bildwechsel und die harten Schnitte verdeutlichen die schnelle Auswechslung der Bewerber für das Jobangebot und drücken Dynamik aus. Insgesamt stellen sich vier Bewerber vor, zwischen denen sekündlich gewechselt wird. Dem Zuschauer wird deshalb besonders klar, dass Philippe von den vorgeführten studierten Bewerbern absolut nicht begeistert ist. Sein gelangweilter Gesichtsausdruck und seine Abwesenheit, unterstützt durch sein Umherschauen im Raum, sind ebenfalls Anzeichen für diesen Aspekt. Im Verlauf der Szene bleibt dies konstant und ändert sich erstmals in der siebenundzwanzigsten Einstellung, in der er selbst einen kleinen Witz über den ersten Bewerber macht. Hier enden ebenfalls die ersten vier Bewerbungsgespräche mit einer insgesamt Dauer von einer Minute und dreißig Sekunden. Driss‘ Gespräch hingegen nimmt eine Spannweite von zwei Minuten und achtunddreißig Sekunden ein.Auch hier hält zwar der schnelle Wechsel der Einstellungen weiter an, dennoch unterstützt dies an besagter Stelle meiner Meinung nach nicht mehr den schnellen Austausch der Bewerber, sondern dass zum ersten Mal eine beidseitige Konversation stattfindet. Zuvor führten die ersten vier Bewerber ihr Gespräch eher alleine als mit Philippe oder Magalie. Auch mittels der schnellen Bild- und Redewechsel durch klare Schnitte hat der Zuschauer die Möglichkeit, jede Reaktion auf jede Aussage zu erfassen. Teilweise hören wir noch das Beenden eines Satzes, aber sehen schon, wie die Gegenpartei reagiert. Dabei bleibt die Dynamik stets erhalten und die Gespräche bleiben spannend. Zur Kameraaktivität lässt sich nennen, dass diese hauptsächlich zwischen Nahaufnahmen der verschiedenen Bewerber und dem sogenannten over-theshoulder-shot, in dem man Magalie und Philippe hinter einer Schulter des jeweiligen Bewerbers sieht, wechselt. Die Kameraaktivität scheint folglich relativ gleichmäßig zu sein. Erst als Driss erscheint, werden zusätzliche Kameramittel gebraucht. Die 1Korte, Helmut (2010): Einführung in die Systematische Filmanalyse, Ein Arbeitsbuch, 4., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich Schmidt Verlag.

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Perspektive des Zuschauers ändert sich erstmals, als man zu Driss aufschaut, da er sich zu Beginn des Bewerbungsgespräches nicht hinsetzen möchte. Auch bezüglich Magalie und Philippe ändert sich gelegentlich die Kameraeinstellung. Sie treten nun ebenfalls durch eine Nahaufnahme allein in das Bild, damit der Zuschauer ihre Emotionen miterleben kann. Vor allem Philippes erstes Lächeln, welches durch eine weitere Person bedingt ist, ist mir deshalb sofort aufgefallen. Der erste Kameraschwenk hingegen lässt sich bei Driss feststellen, als er gegen Ende des Gespräches aufsteht. Danach schwenkt sie Philippe nach, der mit seinem Rollstuhl auf Driss zufährt. Vielleicht ein Anzeichen dafür, dass Philippe ihm sogar nachfährt, um ihn neugierig auf den Job zu machen und ihn so bei sich zu halten.Obwohl die Kamera sich eher der Schlichtheit bedient, registriere ich einen Unterschied. Dem Zuschauer wird sofort klar,welcher Bewerber im Vordergrund steht, denn Driss‘ Andersartigkeit gegenüber den anderen Männern wird stark deutlich. Sowohl durch die Kameraführung als auch durch die Sprache des Bildes. Schaut man sich den Handlungsverlauf und den Bildinhalt genauer an, fällt ebenso dieser Kontrast zwischen den ersten vier Bewerbern und Driss auf. Er hebt sich durch sein Auftreten und sein äußeres Erscheinungsbild ab, denn er ist dunkelhäutig, leger gekleidet und locker.Allein seine dunkle Hautfarbe im hell erstrahlten Raum zieht die Blicke der Zuschauer auf sich. Aber nicht nur durch sein Auftreten und sein Aussehen rückt Driss in den Vordergrund, sondern auch durch sein Verhalten. Er ist locker, entspannt und versucht nicht zwingend, Magalie und Philippe von sich zu überzeugen, denn er ist vorerst nicht am Stellenangebot interessiert. Seine offene, spontane lustige Art steht im Gegensatz zu den studierten Männern in schicker Kleidung, die nicht authentisch sind, sondern ein geprobtes Verfahren aufführen. Aber auch Philippes Verhalten istihm gegenüber völlig anders.Der Zuschauer bemerkt eine Sympathie zwischen den beiden. Diese wird indirekt durch kleine Gesten Philippes gezeigt. Sie steigert sich im Verlauf der Szene vom bloßen Wahrnehmen, über ein kleines Schmunzeln bis hin zum Scherzen über seine Beeinträchtigung. Mich beeindruckt dabei sehr, dass Driss und Philippe an keiner Stelle mit Worten ausdrücken, wie sie fühlen. Dennoch wird schon nach dieser kleinen Handlung klar, dass die beiden den gleichen Humor haben und zueinander gehören. Bezüglich der Audioebene, den Dialogen, die geführt werden, lässt sich ebenfalls der Unterschied zwischen Driss und den anderen Bewerbern festhalten. Auch was 5

Gespräche angeht fällt mir auf, dass nur bei Driss seitens Philippe ein Interesse daran besteht. Die ersten vier Bewerber wirken auf den Zuschauer sehr normal und langweilig. Sie scheinen ihren Text auswendig gelernt zu haben, denn manche Aussagen sind in Philippes Situation völlig realitätsfern. Beispielsweise, dass für einen Bewerber der Sport und die Bewegung wichtig sei. Auch, dass sie Philippe mit einigen Aussagen beleidigen, indem sie ihn für einen behinderten Menschen halten, der zu nichts mehr in der Lage sei, bemerken sie nicht. Als Außenstehender kann man sich deshalb leicht in Philippes Lage hineinversetzen und verstehen, warum er von einem tiefergehenden Gespräch absieht. Welche Erfahrungen sie gesammelt haben und was sie studiert haben wird also niemals so wichtig sein wie der Gedanke, dass Philippe immer noch ein normaler Mensch und nur durch seinen Körper beeinträchtigt ist. Daran, dass er in seinem Kopf noch immer genauso klar ist wie vor seinem Unfall, denkt keiner. Sie zeichnen sich gegensätzlich eher mit nicht angerachtem Mitleid aus. Unter Anbetracht dessen sticht Driss, mit dem was er sagt, besonders ins Auge. Er sagt gerade heraus, was er will und scherzt über Philippes Musikgeschmack und seinen Humor. Er fordert ihn heraus, baut ein lockeres Gespräch auf und spielt ihm kein Mitleid vor, sondern behandelt ihn wie einen normalen Menschen, über den man auch mal Witze machen kann. Genau aus diesem Grund entsteht erstmals ein Gespräch, an dem Philippe beteiligt ist, welches dann im Nachhinein der Anfang einer wunderbaren Freundschaft sein wird. Blicke ich abschließend auf alle Faktoren gemeinsam und setze sie in Beziehung zueinander, bemerke ich, dass sie aufeinander abgestimmt sind. Sowohl die Einstellungen, die Kameraaktivitäten, der Bildinhalt als auch der Tontrakt zielen darauf ab, Driss von der breiten Menge abzuheben und ihn in den Vordergrund zu stellen. Die Mittel veranschaulichen eine Abneigung gegenüber den ersten vier Bewerbern und eine Sympathie gegenüber Driss. Dem Zuschauer wird sofort klar, welche Problematik der Film zum Inhalt hat. Nämlich das falsche Mitleid der Gesellschaft gegenüber einem im Kopf kerngesunden Mann, der nur durch seinen Körper beeinträchtigt ist. Oder allgemein gesagt um die Vorurteile der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Behinderungen. Sie werden ausgegrenzt, indem man sie nicht mehr normal behandelt und als anders betrachtet. Bettet man diese Szene in den Gesamtkontext ein wird genau dieser Aspekt noch einmal am Ende des Filmes illustriert. Als Driss seinen Job kündigen muss, verfällt Philippe in alte Gewohnheiten, denn keiner seiner neuen Angestellten kann ihn wie einen normalen 6

Mensch behandeln. Stattdessen trägt beispielsweise einer der vorübergehenden Angestellten einen weißen Kittel, während er ihn beim Essen unterstützt, sodass sich Philippe wie ein Patient in einer Anstalt fühlt. Diese Problematik schließt sich wie eine Klammer um den ganzen Film. Sie veranschaulicht, dass ein Pfleger, der menschlich mit seinem Patienten umgeht, wichtig ist, damit man sich wohlfühlen kann. Allein studiert zu haben reicht nicht aus, denn nur auf die eben genannte Weise kann das Leben so gut es geht weiter geführt werden. Falsches Mitleid kann das Gefühl vermitteln, man sei anders oder das Leben habe plötzlich keinen Sinn mehr.Es ist wirklich hoch interessant, was das Mittel Film in den Menschen auslöst. Wie viele Facetten und verschiedene filmtechnische Mittel mit ihren Wirkungen es gibt, bemerkt man erst dann, wenn man sich konzentriert damit beschäftigt. Ich sehe Filme jetzt mit anderen Augen, als ich es zuvor getan habe, wodurch mir immer wieder neue Zusammenhänge klar werden. Ich denke, dass diese Szene unter Anbetracht aller eben gewonnenen Informationen besonders hilfreich auf weitere Aspekte hinweist, die ich in dieser Arbeit behandeln möchte. Zum Beispiel was der Begriff Behinderung grundsätzlich bedeutet,wie man sich behinderten Menschen gegenüber verhalten sollte, was man dabei falsch machen kann und ob sie sich trotz Behinderung gesund fühlen können. 3. Behinderung Was mir im Anschluss an diese Erkenntnis wichtig erscheint, ist erst einmal zu klären, was der Begriff Behinderung überhaupt bedeutet und was heute unter diesem verstanden wird. Im weiteren Verlauf wird deshalb eine kurze Definition des Begriffes folgen und darauf aufbauend die mit sich bringende Problematik für die Gesellschaft. 3.1 Begriffsbestimmung ,,Eine B. wird heute als soziale ,,Inszenierung‘‘ (LOB-HÜDEPOHL) verstanden, bei der die Art und Weise, wie gesellschaftliche Bedingungen konstruiert oder ,,inszeniert‘‘ sind, und psychische, körperliche oder seelische Beeinträchtigungen eines Menschen nur mangelhaft ineinander greifen und daher zur B. des betroffenen Menschen führen. Menschen mit B. bedürfen oftmals besonderer Befähigungsprozesse und z.T. lebenslanger spezifischer Assistenz bei der sozialintegrativen Lebensbewältigung. Für den individuellen Prozessverlauf einer B. spielen umweltbedingte Faktoren (Familie, soziales Umfeld, gesellschaftliche Gegebenheiten) eine ebenso große Rolle wie persönliche Faktoren (psycho-emotionale

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Charakteristika, biologischer Hintergrund). Ein B.-Verständnis, das etwa eine körperliche Schädigung als Hauptursache einer B. identifiziert (med. Modell), übergeht die soziale Konstruktion von Normalitätsvorstellungen und verbleibt in dichotomen Vorstellungen von normal und anormal, die zur Abwertung von der Norm abweichender Lebensformen beigetragen haben.‘‘2

So lautet eine moderne Definition des Begriffes Behinderung aus dem Jahr 2016. Sehr interessant ist für mich dabei die Verwendung des Wortes ,,inszeniert‘‘, was so viel bedeutet wie etwas arrangieren. Die Gesellschaft inszeniert also eine bestimmte Norm oder Normalität, die für jeden Menschen gilt. Menschen gelten dementsprechend als behindert, wenn sie nicht in die inszenierten Bedingungen der Gesellschaft passen und aus der Norm herausfallen. Dies kann bedingt sein durch psychische, körperliche oder seelisch...


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