Buchanalyse zum Kinderbuch — Die Zugmaus von Uwe Timm PDF

Title Buchanalyse zum Kinderbuch — Die Zugmaus von Uwe Timm
Author Anna Stockmeier
Course Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft
Institution Universität Passau
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Summary

In dieser Hausarbeit wird die intendierte und originäre Kinder- und Jugendliteratur „Die Zugmaus“ von Uwe Timm untersucht. Die vorliegende Arbeit analysiert die Lektüre „Die Zugmaus“ von Uwe Timm, bei der mitunter der Literaturtheoretiker Gérard Genette mit seinem strukturalistischen Ansatz herange...


Description

Universität Passau Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft Dozentin: Dr. Stephanie Lehmann Veranstaltung: 45624 Kinder- und Jugendliteratur

Buchanalyse zum Kinderbuch —

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Inhaltsverzeichnis:

Seite:

1. Einleitung ............................................................................................................................ 3 2. Inhaltszusammenfassung .................................................................................................... 4 3. Die phantastische Kinderliteratur........................................................................................ 5 4. Discours-Analyse ................................................................................................................ 5 4.1 Zeit................................................................................................................................ 6 4.2 Modus ........................................................................................................................... 7 4.3 Stimme.......................................................................................................................... 7 5. Histoire-Analyse ................................................................................................................. 8 5.1 Die Räume der dargestellten Welt: Räume und Grenzen .............................................8 5.2 Handlung als Grenzüberschreitung: Das Beuteholerschema ..................................... 13 6. Resümee ............................................................................................................................ 14 7. Literaturverzeichnis........................................................................................................... 15 8. Selbstständigkeitserklärung .............................................................................................. 17

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1. Einleitung Bei der Kinder- und Jugendliteratur (KJL) handelt es sich um „gedruckte oder auch anders medial verbreitete Texte. Diese sind entweder fiktional-ästhetischen oder auch sachorientierten Inhalts und decken ein breites Interessens- und Bedürfnisspektrum von Kindern [und] Jugendlichen ab“ (Gattermeier & Siebauer 2014, S. 128). Dabei bietet Literatur ein „kognitive[s], emotionale[s], sprachliche[s] und ästhetische[s] Potential“, das mitunter in der Institution Schule genutzt werden sollte (Kümmerling-Meibauer 2012, S. 7). Die Auseinandersetzung mit einer KJL ist im LehrplanPLUS Grundschule in Bayern in den Jahrgangsstufen 1/2 und 3/4 jeweils im Lernbereich 2: Lesen - mit Texten und weiteren Medien umgehen, fest verankert (LehrplanPLUS 2014, S. 117; 125). Durch die große Genrefülle und auf der Grundlage, dass „Kinder- und Jugendliteratur eine Literatur ist, die auf kognitiven, [emotionalen] und sprachlichen Fähigkeiten und Interessen ihrer Adressaten Rücksicht nimmt“, muss seitens der Lehrperson nicht nur erklärt werden können, wie diese Anpassung erfolgt, sondern folglich auch eine pädagogisch-didaktisch sinnvolle Auswahl getroffen werden (Kümmerling-Meibauer 2012, S. 20). Dies setzt eine gewisse Bereitschaft voraus, sich mit der bevorstehenden Literatur eingehend zu beschäftigen. Beinahe zwangsläufig stehen die Lehrenden vor der Aufgabe, die ausgewählte KJL einer Analyse zu unterziehen und die Intentionen des Buches herauszuarbeiten. In dieser Hausarbeit wird die intendierte und originäre Kinder- und Jugendliteratur „Die Zugmaus“ von Uwe Timm untersucht. Dabei ist „[u]nter intendierter Kinder- und Jugendlektüre […] die Gesamtheit der Texte zu verstehen, die von der Gesellschaft als geeignete potentielle Kinder- und Jugendlektüre angesehen werden. Es handelt sich teils um […] bloß empfohlene, teils um für Kinder und Jugendliche eigens publizierte Literatur“ (Ewers 2012, S. 15). Konkreter ist dabei die originäre KJL „die [als] für Kinder und Jugendliche eigens hervorgebrachte Literatur zu verstehen [ist]; sie umfasst all die Texte, die seitens ihrer Verfasserinnen bzw. Verfasser von vornherein als potentielle Kinder- und Jugendlektüre gedacht waren“ (ebd., S.19). Die vorliegende Arbeit analysiert die Lektüre „Die Zugmaus“ von Uwe Timm, bei der mitunter der Literaturtheoretiker Gérard Genette mit seinem strukturalistischen Ansatz herangezogen wird. Mithilfe seiner Analysemethode soll herausgearbeitet werden, wie die Textgestalt den Inhalt befördert und wiederum der Inhalt der Kinderepik Einfluss auf die Textgestalt hat. Die Arbeit geht von folgenden Hypothesen aus: Die Literatur weckt durch den Reiseweg der Hausmaus Stefan nicht nur das Interesse der -3-

Kinder an europäischen Ländern, sondern bietet zudem auch einen guten Einblick in geographische Ländermerkmale, wie beispielsweise Aussprache, typische Essgewohnheiten und Vorlieben des Landes. Des Weiteren greift die Lektüre das Schließen von Bekanntschaften über Ländergrenzen hinweg sowie den Zusammenhalt von Familie und Freunden auf.

2. Inhaltszusammenfassung Die gewöhnliche Hausmaus Stefan — der auch Mausebiber genannt wird — lebt mit seinen Eltern, seinem Großvater, seinen drei Brüdern und seiner Schwester Lilofee im Keller eines alten Hauses in München. Über der Mäusefamilie wohnt ein alter Mann namens Ehlers zusammen mit seinem Kater Carlo, ebenso wie der Maler Kringel mit seinem Pudel Isegrimm. Nachdem der Abrissbagger das Haus abgerissen hat und die Familien aus dem Haus ausziehen mussten, landet die Mäusefamilie in einem hochmodernen Betonbunker. Da es in dem neuen Haus leider nicht genügend Verstecke gibt und sich die Futtersuche schwierig gestaltet, geht er oft zusammen mit Isolde — einer alleinstehenden Maus — einen langen und gefährlichen Weg zum Bahnhof. Auf Krümelsuche steigt der neugierige Stefan in einen Eisenbahnwaggon, in dem ungeplant seine Abenteuerreise als Zugmaus beginnt. Über ein Jahr fährt er zwischen Hamburg und Köln hin und her, bis er sich spontan vornimmt, einer fremden Frau zu folgen, die vorhat, in die Schweiz zu reisen. In Basel angekommen trifft er auf Wilhelm — eine echte Schweizer Landmaus — der ihn über das Märchen, dass Mäuse die Löcher in den Schweizer Käse nagen dürfen, aufklärt. Wilhelm und Stefan entscheiden sich aufgrund der Erzählungen, dass Frankreich unter den Schweizer Mäusen ein Geheimtipp sei, dazu, gemeinsam nach Paris zu reisen. Dort angekommen, lernen die beiden Mäuse nicht nur Pierre — eine echte französische Stadtmaus — kennen, sondern auch die Vorzüge und lauernden Gefahren des Landes. Als die beiden Mäuse zurück in die Heimat reisen möchten, landen sie mithilfe eines Zirkuszuges und einer Fähre in England. Auch hier verbringen sie gemeinsam mehrere Monate, bis bekannt wird, dass der Zirkus demnächst mit einem Schiff nach Island gebracht werden soll. Nach fast drei Jahren Reise und von Heimweh geplagt, flüchten die beiden Mäuse mit einem Trick auf ein Schiff, das in Hamburg anlegt. Mit dem Zug zurück in München findet Stefan heraus, dass seine Eltern vor einem halben Jahr umgezogen sind. Daraufhin suchen und finden sie die Familie von Stefan und den Pudel Isegrimm schließlich auf einem Bauernhof (vgl. Timm, 2016). -4-

3. Die phantastische Kinderliteratur Phantastische Literatur ist ein Sammelbegriff für verschiedene Genres und gehört „bis heute zu den populärsten kinderliterarischen Textsorten (vgl. Weinkauff & von Glasenapp 2018, S. 96). Bereits seit den 1950er Jahren werden Versuche unternommen die Phantastik, trotz der vielfältigen Erscheinungsformen, zu definieren (ebd.). Einer der neueren Definitionsversuche erfolgt durch den Literaturwissenschaftler Carsten Gansel der versucht, die zentralen Merkmale der phantastischen Kinderliteratur zu präzisieren und zusammenzufassen (ebd., S. 100). Nach ihm handelt es sich um ein phantastisches Erzählen, wenn „Figuren, Ereignisse und Handlungen in der literarischen Darstellung so miteinander [sic!] in Verbindung gebracht werden, wie es in der empirischen Wirklich[keit] nicht möglich ist. [Phantastik] kann [demnach] die Grenzen der Logik und damit der empirischen Wirklichkeit nach Belieben durchbrechen“ (ebd.). Zwar findet die Erzählung der Zugmaus in einer realen Welt statt, jedoch bedienen sich alle Figuren unter anderem auch die Tiere in dieser Kinderepik der menschlichen Sprache (vgl. Timm 2016). Die Erzählform der kinderliterarischen Phantastik zeichnet sich unter anderem durch zentrale Merkmale wie der „Erzählersituation mit Ansprache, übersichtliche Handlungskonstruktionen, Handlungsdominanz, einprägsame Figurengestaltung, Happy End, eine eindeutige Bewertung sowie der Verzicht auf psychologische Handlungsmotivierung“ aus (vgl. Weinkauff & von Glasenapp 2018, S. 110). Der Vorteil oder Nutzen einer phantastischen Literatur wie der Zugmaus ist, dass die phantastische Erzählung allgemein einer Sichtweise des Kindes entspricht und die Phantasie des Lesers unterstützt und gefördert wird (vgl. Kautt, 2016). Dies kann wiederum bei der Problemlösung im Alltag und bei der Entwicklung von Alternativen eine maßgebliche Rolle im Leben der Kinder spielen. Von besonderer Bedeutung ist die Intention, die Leselust der Kinder mithilfe von Literatur zu wecken (ebd).

4. Discours-Analyse In dieser Arbeit wird die strukturalistische Erzähltheorie — die unter anderem durch den französischen Literaturwissenschaftler Gérard Genette maßgeblich mit beeinflusst wurde — als Beschreibung der Darstellungsform verwendet (vgl. Genette 2010, S. 17; 103; 137). Dabei werden nach der Discours-Analyse von Genette insgesamt drei Kategorien der Erzählung unterschieden. Die Grundbegriffe der narrativen Analyse lauten: Zeit, Modus und Stimme -5-

des Erzählers (ebd.). Diese lassen sich jeweils noch in weitere Unterkategorien einteilen und beschäftigen sich mit der Frage, wie die vorliegende Literatur erzählt wird 1 (ebd.).

Das Verhältnis zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit lässt sich dabei mithilfe der Kategorien Ordnung, Dauer und Frequenz untersuchen (ebd.). Das Kinderbuch beginnt zunächst folgendermaßen: Wo warst du denn die ganze Zeit? Bist du wirklich nach Paris gekommen? Und wo hast du dich im Zug versteckt? So werde ich immer wieder gefragt und muss jedes Mal meine Abenteuer erzählen“ (Timm 2016, S. 5).

Die gegebene Ordnung - auch Reihenfolge des Erzählten - kann hierbei als aufbauende Analepse bezeichnet werden (Drügh et al. 2012, S. 395). Das Ereignis, die Zugreise der Hausmaus Stefan, hat vor dem gegenwärtig Erzählten stattgefunden. Die Erzählung beginnt dabei ohne ausschweifende Erklärung und setzt für die Leserinnen und Leser vor der zugrundeliegenden Handlung ein (ebd.). Dieser Flashback und die zunächst bewusste Zurückhaltung sorgen dafür, dass bei den Rezipienten eine Neugierde und Spannung zur nachfolgenden Handlung entsteht. Die Maus Stefan erzählt anschließend ihre Reise in chronologischer Reihenfolge. Statt der aufbauenden Analepse kann andererseits darüber diskutiert werden, ob es sich hierbei um eine Rahmenerzählung handelt. Dies könnte damit begründet werden, dass das Ende des Buches den bereits oben genannten Anfang in abgewandelter Form beinhaltet. Die Kinderliteratur geht mit folgenden Sätzen zu Ende: Wo warst du denn die ganze Zeit? Warum bist du damals mit dem Zug weggefahren? Was spricht der Wilhelm für eine ulkige Sprache? Woher kommt ihr jetzt? Aber da sagte die Mutter: „Jetzt lasst sie erstmal in Ruhe essen. Zum Erzählen haben wir ja noch so viel Zeit“ (Timm, 2016, S. 114).

Durch das Aufgreifen der Anfangssätze am Ende des Buches stellen die Kinder eine Verbindung zum Beginn her und erkennen somit den Bezug zwischen Anfang und Ende der Lektüre (ebd.). Mit dem Blick auf die Kategorie Dauer fällt auf, dass mehrmals vorkommende Zeitraffungen enthalten sind, welche das Geschehen auf sehr knappe Art und

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Kategorien, die keine Besonderheit oder herausragende Bedeutung aufweisen, werden nicht weiter ausgeführt.

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Weise schildern (vgl. Genette 2010, 61 f.). Die Erzählzeit ist dabei wesentlich kürzer als die erzählte Zeit und fasst teilweise sogar Monate oder mehrere Jahre in wenigen Sätzen zusammen (ebd.). Dabei dienen Raffungen wie beispielsweise der Jahreszeitenwechsel von Winter zu Frühjahr innerhalb von drei Sätzen dazu, das für die Geschichte Unwichtige wegzulassen und den Fokus auf die wichtigen Ereignisse zu lenken (vgl. Timm 2016, S. 21f.). Viele der zeitraffenden Erzählungen, wie z. B. „Die Tage vergingen, einer wie der andere“ (ebd., S. 18), „so vergingen Woche um Woche und Monat um Monat“ (ebd.) und „[g]ut eineinhalb Jahre war ich so auf der Strecke Hamburg - Köln hin- und hergefahren, und draußen kannte ich schon jede Brücke und jede Schranke“ (ebd., S.37) dienen den Leserinnen und Lesern dazu, den Eindruck eines monotonen Ablaufs zu entwickeln.

In dieser Kategorie „fragt man nach der Perspektivierung und Mittelbarkeit des Erzählten“, wobei die zwei Hauptaspekte Distanz und Fokalisierung voneinander unterschieden werden können (Drügh et al. 2012, S.398). Die Präsentation von gesprochener Rede erfolgt durchgehend durch direkt zitierte Rede, die bewirkt, dass die Leserin/ der Leser in die Handlung gezogen wird und das Geschehen szenisch und unmittelbar erscheint (vgl. Genette 2010, S. 156). Besonders gut gelungen ist die Erzählperspektive des Kinderbuches. Denn „der Erzähler ist zugleich ein Akteur der Geschichte […], weiß und erzählt nicht mehr, als der Akteur der Geschichte weiß“ (Krüger 2014, S. 81). Durch die interne Fokalisierung oder auch aktoriales Erzählen genannt, erhalten die Kinder Schilderungen der Reise aus der Sicht der Hauptperson (vgl. ebd. und Timm 2016). In diesem Falle aus dem Blickwinkel der Maus Stefan, der über seine Erfahrungen als Zugmaus berichtet. Die Perspektive geht sozusagen von unten nach oben, die ebenso der Perspektive von kleinen Kindern entspricht. Somit eignet sich die Maus Stefan hervorragend als Identifikationsfigur für die anvisierte Leserschaft (ebd.).

Unter dem Aspekt der Stimme unterscheidet der Literaturwissenschaftler Genette den Zeitpunkt, Ort sowie die Stellung des Erzählens sowie fakultativ dazu das Subjekt und den Adressaten zum Geschehen (Genette 2010, 14 ff.). Der Erzähler des Kinderbuches „Die -7-

Zugmaus“ ist die Münchner Hausmaus Stefan (vgl. Timm, 2016). Somit ist Stefan als IchErzähler nicht nur ein Teil der erzählten Welt, er ist zugleich auch deren Hauptfigur. Diese Art von Stellung des Erzählers zum Geschehen entspricht dem höchsten Grad des Homodiegetischen und wird autodiegetisch genannt (vgl. Genette 2010, S. 159). Definiert man den Status des Erzählers „durch seine Beziehung zur Geschichte (hetero- oder homodiegetisch)“ als auch „durch seine narrative Ebene (extra- oder intradiegetisch)“ lassen sich vier fundamentale Typen voneinander unterscheiden (ebd. 161). Nach der von Narratologe Genette vorgenommenen Unterscheidung von insgesamt vier möglichen Erzählertypen, handelt es sich bei der Zugmaus um einen intradiegetisch - homodiegetischen Narrator. Auf diese Weise tauchen die Kinder direkt in das Geschehen mit ein und nehmen Gedanken und Gefühle der Hauptperson wahr (vgl. Timm 2016). So wird im 11. Kapitel des Buches die Angst und Panik der beiden Mäuse — von den Kammerjägern im Zug erwischt zu werden — mit folgenden Worten deutlich: >> Gschnäll sie kömme....


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