Darstellungen des Tötens und Getötetwerdens in der deutschen Berichterstattung über den Afghanistan- und Irakkrieg PDF

Title Darstellungen des Tötens und Getötetwerdens in der deutschen Berichterstattung über den Afghanistan- und Irakkrieg
Course Grundfragen kritischer Geschlechterforschung
Institution Universität Innsbruck
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Zusammenfassung prüfungsrelevanter Texte...


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Darstellungen des Tötens und Getötetwerdens in der deutschen Berichterstattung über den Afghanistan- und Irakkrieg Kriegsbilder zeigen häufig verwundete, gequälte, misshandelte und getötete Menschen und lösen durch diese Darstellungen Emotionen (Mitleid/Hass) aus. Susan Sontag, welche anlässlich des 11. Septembers 2001 und der darauf folgenden Kriege, „Regarding the Pain of Others“ (2003) schrieb, reflektierte darin die mediale Darstellung von Gewalt, Schrecken und Tod reflektiert. Sie problematisierte darin den „Ruf nach Frieden“ und den „Schrei nach Rache“, der durch Kriegsbilder ausgelöst wird, als zwei rivalisierende Reaktionen, die dazu dienen die Gewalt zu rechtfertigen. Somit kann jedes Foto mit zwei unterschiedlichen Bildunterschriften, zu konträren Emotionen führen und dadurch auch den Willen zum Töten heraufbeschwören. Sontag betont die generelle Überflüssigkeit des Bildes als Argument gegen Krieg. „Wo es darum geht, den Krieg als solchen zu verurteilen, sind Informationen darüber, wer wann wo was getan hat, nicht erforderlich; das willkürliche, gnadenlose Gemetzel ist Aussage genug.“ (2003) In der Medienberichterstattung gibt es auch die Tendenz, Informationen mit Unterhaltungselementen anzureichern, wodurch es zu einer Entgrenzung von Fakten und Fiktion kommt. Dabei wird nicht nur eine unumgehbare Bildselektion, sondern auch das technisch hergestellte Produkt der Nachricht, erzeugt. Diese erstellen eine Erlebniswelt, die den Unterschied zwischen Benachrichtigt sein und dem Erleben der MedienkonsumentInnen löscht, so Günther Anders (1956). Günther Anders sagte, dass dargestellte Ereignisse „zugleich gegenwärtig und abwesend, zugleich wirklich und scheinbar, zugleich da und nicht da, kurz: weil sie Phanotme sind“. Sowohl von der Kriegsberichterstattung hervorgerufene gegensätzliche Affekte, als auch Anders analysierter Phantomcharakter der Bilderwelt, sind einem Abstraktionsvorgang geschuldet, welcher im Herstellungsprozess der Medienerzeugnisse wurzelt und die anachronistische Entwicklung des genuin chaotischen und undurchschaubaren Kriegsgeschehens vor Ort zum Effekt hat. Dieser Abstraktionsvorgang und die mit ihm verbindende Annullierung der Gewissensschuld gegenüber den Opfern aus feindlichen Lagern wiederholen sich im modernen Krieg durch den Einsatz von Tötungstechnologien. Durch diese Tötungstechnologien wird das Töten erfahrungslos, wenn es sich auf das Bedienen von Maschinen beschränkt und aus Distanz auf ein entmenschlichtes Objekt gezielt wird. Das verursachte Leid dieser Technologien bleibt somit abstrakt. Durch den hohen Abstraktionsgrad des technologischen Tötens aus der Luft und vom Boden aus großer Distanz, wird das eigens mitverschuldete Leid unsichtbar. (Bsp US-Army Air Force Paul W. Tibbet; Seite 2) Die NichtWahrnehmbarkeit und sinnliche Trennung vom Opfer erzeugt einen skrupellosen Arbeiter, welcher diese Tätigkeit im Sinne einer Pflichterfüllung funktional verrichtet. Die Legitimation ist respektive die Verwerfung des Tötens im Krieg in der spätmodernen Kultur, ist noch immer an historisch verwurzelte Männlichkeitsbilder geknüpft.

„Zivilisierte Soldaten“ und „Blutsäufer“: Im Frühjahr 2002 berichtete die „Süddeutsche Zeitschrift“ unter dem Titel „Neue Männer braucht das Land“, über den Aufbau der afghanischen Armee durch britische, amerikanische und deutsche Offiziere: „Was sich in der Kaserne in der afghanischen Hauptstadt in den vergangenen sechs Wochen abgespielt hatte, entsprach wohl kaum dem was an britischen Militärakademien und deutschen Exerzierplätzen vor sich geht. Bärtige Männer unter dem Kommando britischer Offiziere mit schlackernden Uniformen und hoch in die Luft gereckten Holzstecken, die über den Hof marschierten. Diese hatten oft Mühe im Gleichschritt zu bleiben, was Holger Wilhelm mit den Worten kommentierte, ´mit Disziplin war bei denen nicht viel, da musste man ganz vorne anfangen.´“ Dieses „ganz von vorne anfangen“ bezieht sich hier auf den militärischen Drill. Der militärische Drill ist eine Disziplinartechnik, welche darauf ab zielt einen „rohen Haufen“ durch Körperdressur in eine strenge hierarchisch organisierte Armee umzuwandeln. Dieses Konzept der Manneszucht ist im Europa des 17. Jahrhunderts entstanden, in welchem 5193 militärische Auseinandersetzungen gezählt wurden. Die Heere in dieser Epoche kontinuierlich vergrößert, neue Waffentechnologien entwickelt, Kommandostrukturen systematisiert und der Drill eingeführt. Mit der Perfektionierung der militärischen Effizienz erfolgte eine Verwissenschaftlichung der Kriegskunst in den neu gegründeten Kriegsakademien. Diese Zäsur stellt die Geburt des Militarismus und der militärische Revolution dar. Der entstehende moderne Staat schuf Armeen, wodurch das Militär zum zentralen Bestandteil in der Herausbildung von Staatlichkeit wurde. Preußen entwickelte sich seit dem 18. Jahrhundert zu einem führenden Militärstaat. Das Militär wurde somit zur „Schule der Nation“ und gleichermaßen zur Schule der Männlichkeit. Das militärische Drill Modell stand außerdem für die kindliche Erziehung in Schulen, Heimen und Zuchthäusern. Eine wesentliche Voraussetzung für die Militarisierung der Gesellschaft war die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Diese markierte den Beginn moderner Kriegsführung und garantierte die militärische Sozialisation von allen Männern. Die Armeen rekrutierten nicht nur mehr Männer des Adels und Söldner verschiedener Länder, städtischer und dörflicher Unterschichten und das Volksund Massenheer entstand. Dieser Wandel war vom neuen Männlichkeitsideal, welches den heroischen Soldat als Leitbild hatte, abhängig. Nicht nur bloßer Drill, sondern auch die Identifikation mit der im Zuge der Nationalstaatenbildung entstehenden Vaterlandsideologie, wurde schichtübergreifend für jeden Mann verbindlich. Die Wehrpflicht „universalisierte die Funktion des Mannes als Krieger (...) Sie attackierte den unkriegerischen Habitus des Zivilisten und denunzierte ihn als einen Ausdruck persönlicher Feigheit.“ (Frevert 1996) René Schilling hebt die Merkmale des neuen Leitbildes des Kriegshelden hervor. Der „Bürger in Uniform“ setzt sich für das Vaterland ein, folgt seiner moralischen Pflicht gegen einen Tyrannen zu kämpfen, „und wer in diesem Kampf sein Leben ließ, bewies heroische Tugend“ (1998), so Schilling. Der neue Heldenmythos gründete auf den Prämissen der Aufklärung. Das soldatische Handeln diente dem „Fortschritt der Menschheit“ und Humanität. Die Kriegsgräuel demontieren dieses Ideal, denn das staatsbürgerliche Engagement, Bildung, Humanität und das egalitäre Menschenbild sind das Fundament der Kampfmoral des neuen Helden.

Während sich in der agrarischen Kultur der Vormoderne das Männlichkeitsideal am Aufgabenfeld des Hausvaters orientierte, wurden in der Geschlechterordnung der Bürgerlichen Gesellschaft die soziale und familiäre Gefühlsbindungen sekundär zugunsten des Staates, der Nation und des Militärs. Im neuen soldatischen Männlichkeitskonzept kam es zur kulturellen Ausgrenzung der Frauen aus der als männlich verstandenen Nation. Die Truppe wurde zur eigentlichen Familie des unverheirateten Mannes. Im Zuge einer erstarkenden männerbündischen Kultur, welche mit einer „Institutionalisierung der modernen Maskulinität“ einhergegangen ist, zentriert sich in dieser Männlichkeitskonstruktion soziale Bindungen auf Kameradschaft, Liebe auf „Vaterlandsliebe“, Aufopferungsbereitschaft auf Hingabe für den Staat. Dieses soldatische Leitbild und die Normvorstellung eines durch Drill erzeugten Soldatentum, gelten als exemplarisch für ein bestimmtes Wahrnehmungsmuster, welches in aktuellen Berichterstattungen über den Afghanistankrieg reproduziert wird. Dieses Wahrnehmungsmuster transportiert ein Wertesystem, das auf das soldatische Männlichkeitsideal des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Das Paradoxe daran ist, dass dieses Wahrnehmungsschema vor Hintergrund unseres Selbstverständnisses einer zivilen Gesellschaft dazu tendiert, das verursachte Leid und das Töten im Krieg durch westliche Allianzen unsichtbar zu machen. Die These von Bergmann besagt, dass der jeweilige Darstellungsmodus von Krieg die Rechtfertigung von militärischer Gewalt, durch die Präsentation des westlichen Soldaten als Friedensbringer, aufdrängt, genauso wie die durch die Sichtweise auf die Figur des „Schurken“ Gewalt verurteilt. Die jeweilige Präsentation greift dabei jeweils auf die im europäisch kulturellen Gedächtnis tradierten Männlichkeitsbilder zurück, die einerseits eine innere Verwandtschaft mit dem Klischee vom „zivilisierten“ Weißen als einem disziplinierten Soldaten und andererseits mit dem „blutrünstigen“ und „infantilen Wilden“. Vor dem Hintergrund, dass während des Ersten Weltkriegs Frankreich und Großbritannien über eine Million nichtweißer Soldaten aus den Kolonien rekrutierten, wurden diese Stereotypen im öffentlichen Bewusstsein von der damaligen Kriegspublizistik verankert. Die Berichterstattung der Medien und deren immanente Wertvorstellungen müssen nach in unserem kulturellen Gedächtnis verankerten Männlichkeitsbildern befragt werden. Die polarisierte Setzung des „Zivilisierten“ und des „Barbarischen“ geht auf das, im Zuge des Kolonialismus entwickelte, eurozentrische Muster der Fremdwahrnehmung zurück und diente der Rechtfertigung von der Gewalt und Tötungsbereitschaft der Eroberer. (Urs Bitterli; 1976) Diese Elemente dieses kolonialen Wahrnehmungsmusters sind in die kriegsberichterstattende Perspektive auf die afghanische Kultur im Zeichen der „Coalition against Terrorism“ (2001) eingeflossen. Die westlichen Medien zeichneten die siebenjährige Talibanherrschaft (1994-2001) als Ausdruck einer tief verwurzelten archaischen, „unterentwickelten“, gewalttätigen und „unzivilisierten“ Kultur. Im „Spiegel“, zum Beispiel, war zu Beginn des Afghanistankrieges von „Blutsäufern“, „Steinzeitkriegern“ und „blutrünstigen Regime“ die Rede. Diese Diktion ist historisch verwandt mit der Kriegspublizistik, welche während des Ersten Weltkrieges nicht weiße Kolonialsoldaten in Blick nahmen. „Der Afrikaner“ wird als „bestialisch“ gekennzeichnet und als negativer Anti-Typus zum „gutgedrillten deutschen Soldaten“ präsentiert. (Christian Koller; 2001)

Kannibalismus Geschichten prägten somit bevorzugt das Bild vom afrikanischen Mann. Die Verstümmelung des Feindes, wurde als eine ureigene Manier des „unzivilisierbaren Wilden“ dargestellt, obwohl es sich um ein interkulturelles Phänomen handelt, welches in Kriegen als Unterwerfungs- und Machtritual ausgeübt wird. Die Schilderungen von speziellen Verstümmelungspraxen finden sich auch in westlichen Medienberichterstattungen über Afghanistan, in denen Taliban-Kämpfer „sechs bartlose Afghanen aus einem Bus geholt und ihnen Nasen und Ohren abgeschnitten“ haben. (schrieb Christian Neff – Spiegel-Korrespondent 2001) Neff bezog diese Information von einem Fahrer. Tomas Avenarius berichtet ähnliches über seine Reise durch Afghanistan und beruft sich dabei auch auf seinen Fahrer. Diesen stellt er als einen im antisemitischen Rassismus verankerten Stereotyp vor. Sein Fahrer sei „geldgierig, rechthaberisch und nur selten ehrlich.“ Obwohl Avenarius seinen Fahrer somit als eine Person die kein Verhältnis zur Wahrheit hat charakterisiert, kolportiert er trotzdem dessen Erzählung, die Taliban hätten ihren Gefangenen die Augen herausgerissen und die Ohren abgeschnitten. Solche Berichterstattungen löschen im Bewusstsein des Lesepublikums die Tatsache, dass diese Gräueltaten ein Wesensmerkmal des Krieges darstellen und die Kriegsgräuel niemals auf die eine oder andere Partei beschränkt bleiben. In der westlichen Kriegsberichterstattung rückt die von den Taliban verübte Gewalt als eine kulturelle Eigenheit des Gegners in Vordergrund, ohne die entscheidende Frage nach den Zusammenhängen von Todesangst, Töten und Gewalt Eskalationen aufzuwerfen. Tomas Avenarius war dem kolonialen Wahrnehmungsmuster verhaftet und liefert in seinen Reisebericht („Dem Teufel auf der Spur“) eine physiognomische Beschreibung seines afghanischen Fahrers. Er beschreibt ihn: „leicht nach vorne gebeugt gesessen, sein spitzes Bärtchen und die in die Stirn geschobene Filzkappe drückten sein Gesicht zu einem satanischen Dreieck zusammen.“ Avenarius schildert seinen Fahrer als eine hinterwäldische Witzfigur, durch die Typologie, die im Ersten Weltkrieg auch den Kolonialsoldaten charakterisiert hatte. Sein Fahrer „hatte den rechten Fuß gleichzeitig auf Gas und Bremse, bearbeitete mit dem linken die Kupplung, ruckte und zerrte an den Schaltknüppeln (...) Pannen häuften sich.“ (Avenarius 2002) Paradox war, die in der Kriegsberichterstattung häufige Parallelisierung mit der europäischen Geschichte, auf das mindestens 500 Jahre zurückliegende „finstere Mittelalter“. Das Mittelalter war eine Epoche, die von der Politik und den Medien fälschlicherweise mit den, erst in der Frühen Neuzeit erfolgten, Gewaltexzessen identifiziert wird, als kriegerische Auseinandersetzungen, Folterungen, Hexenverfolgungen und Hinrichtungen Westeuropa beherrschten. Auf der Basis eines idealisierten Selbstverständnisses unserer westlichen Zivilisation, welche sich zu einer gewaltfreien und durch gesellschaftliche Gleichberechtigung auszeichnenden Zivilgesellschaft als höchste Kulturstufe stilisiert, wird in der politischen Rechtfertigung der europäischen Beteiligung durch die International Security Assistance Force und die Eurocorps an der Coalition against Terrorism in Afghanistan die von Rassismus, Kolonialismus, zwei Weltkriegen und dem Totalitarismus gezeichnete Gewaltgeschichte Europas ausgeblendet.

Auch die von den Medien besonders in den Blick genommene Unterdrückung der Frauen durch das Taliban-Regime, erlangte einen beinahe kultischen Rang für die Legitimation des Afghanistankrieges. Töten und Getötetwerden – Darstellungsweisen von Gewalt: Die militärische Rhetorik liefert die sprachlichen Bausteine von den Kriegsberichterstattungen. Sie folgt der Kriegsstrategie und tendiert dazu Feindbilder sowohl festzuschreiben, als auch die eigene Gewaltbereitschaft aus dem Bewusstsein zu verdrängen, so dass eine Welt von Gut und Böse imaginär erzeugt wird. Ähnlich der Erinnerungsberichte von Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg wird hier eine abstrahierende Terminologie für das Töten von Menschen verwendet, durch das militärische Vokabular wird der Akt des Tötens als ein maschinelles Geschehen suggeriert. In der Tagespresse überlieferte Nachrichten, dass die Taliban von Militärs ausgeschaltet wurden, entsprechen der Kriegslogik, die durch die Botschaft selbst, jeden komplexen Sachverhalt des Geschehens in den Schatten stellt. Eine andere Semantik, die den Willen zur Vernichtung nahe legt, fußt auf der entmenschlichenden Wahrnehmung des Gegners, durch die negativ konnotierten Tieranalogien. Die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“ haben auf den kollektiven Bilderschatz der Insektenmetaphorik zurückgegriffen. Hier war, zum Beispiel, von „Widerstandsnestern“, „Vernichtung“, „Zerstörung“ und der „Aushebung von Nestern“ die Rede. Die Reinigungs- und Schmutzmetaphorik, welche das Bild eines durch „Operationen“ geführten „klinisch reinen Krieg“ einprägt und das Töten selbst unkenntlich macht, gehört zu dem rhetorischen Repertoire des modernen Krieges. Ein Beispiel wäre: „Jetzt ist diese Urlaubsregion von Terroristen ´gereinigt´, wie es im Militär-Jargon heißt.“ (Küstner; 2009) Die Gleichsetzung des erklärten Feindes mit Ungeziefer und das sich damit verbindende Desinfektionsvokabular, beherrschte die Organisation der Massentötungen von PatientInnen, ebenso die antisemitische Propaganda und auch die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten insgesamt. Die Übertragung der Macht in das Wort spitzt sich in der medialen Darstellung von Krieg und Gewalt zu, wenn es um die Erzeugung von kollektiven Feindbildern geht. Anlässlich der westlichen Medienberichterstattung über den Ersten Golfkrieg schrieb Uwe Pörksen, das „´Feindbild´ ist verbindlich, ihn als Bild festzufrieren, bevor man gegen ihn anrennt, und es gilt im höchsten Maße für die kriegerische Vernichtungswut, dass sie sich dieses Mittels der Bildaufprägung bedient.“ (1991) Umgekehrt können die Metaphern als geistige Beschwichtigungsmittel, gegen die Realität des Tötens imaginär gewaltmindernd wirken. Die rhetorischen Verniedlichungen in der Namensgebung von Tötungsinstrumenten und Massenvernichtungsmittel, ziehen sich durch die Geschichte des Krieges und der Gewalt insgesamt. In Afghanistan und Irak wurden beispielsweise Treibstoffbomben namens „Daisy Cutter“ eingesetzt. Diese töteten im Umkreis von einigen hundert Metern alles Leben. Außerdem machen die Feldzugbezeichnungen (z.B. Operation unbegrenzte Gerechtigkeit/dauerhafte Freiheit,...) das beherrschende Vernichtungsprinzip des Krieges unerkenntlich. Die Rhetorik, die das Töten von afghanischen Kindern, Frauen und Männern im zivilen Status durch ISAF-Soldaten mit Begriffe wie „Zwischenfalls“, „Vorfalls“ und „Unglücks“ bezeichnen, lässt die kriegerische Gewalt gegenüber jenen Menschen, die ihr zum Opfer fallen, verschwinden. Susan

Sontag verdeutlicht, auf Simone Weil rekurrierend, „jeden, der mit ihr in Berührung kommt, in ein Ding verwandelt“. (2003) Hans von Henting deutet den Gebrauch von Euphemismen im Zusammenhang des organisierten Tötens als „geistige Hilfsmittel“ (1958), welches Gewissensängste zu beschwichtigen und Gewalt zu verschleiern weiß. Eine weitere kulturelle Praktik, die der Überschreitung des Tötungsverbots dient, kam in der Organisation der frühneuzeitlichen Hinrichtungsrituale, zum Zuge. Das Gesicht des Henkers und des Hinrichtungsopfers wird verhüllt, um die Tötungshemmungen beim Vollstrecker zu reduzieren. Die Maske hat für die Täterseite die Funktion eine andere Identität zu erzeugen, seinem Opfer Angst einzuflößen und gleichzeitig die eigene Furcht zu beschwichtigen. Deshalb werden Maskierungen auch im Krieg genutzt. Die Entpersonalisierung des Gegenübers durch Gesichtsverhüllung bietet eine anthropologische Voraussetzung zur Überwindung von Hemmungen. Diese Hemmungen werden durch den Kontak mit den Augen aufgebaut. In den Hinrichtungsritualen der europäischen Frühmoderne, schlug der Henker deshalb obligatorisch von hinten mit dem Schwert zu. Ein Phänomen der organisierten Gewalt und des Krieges ist daher: der Blickkontakt zwischen Soldaten mit dem feindlichen Lager kann die Tötungsbereitschaft minimieren oder auch gänzlich außer Kraft setzen. Die westliche Soldatin als Bestie: In den europäischen Diktaturen und Arbeiterbewegungen bis weit ins 20. Jahrhundert, galt der Krieger der gewalt- und tötungsbereit sein eigenes Leben aufs Spiel setzt als die höchste Repräsentation von Männlichkeit. In der Spätmoderne wurde dieses Geschlechterkonzept zunehmend verworfen. Das Militär blieb zwar eine wichtige Bastion auch westlicher Demokratien und Allianzen, sein Männlichkeitskult scheint allerdings immer mehr zu verblassen. Im Zuge von Gleichberechtigungsbestrebungen haben Frauen als Soldatinnen, seit Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts, zuerst in den USA Zugang zum Dienst an der Waffe gefunden. Dennoch wird „in keinem anderen gesellschaftlichen Bereich die Kategorie ´Geschlecht´ noch als so ´natürlich´ oder ´unvermeidlich´ empfunden, wie in den Institutionen kollektiver Gewaltausübung. Das Militär hat auch in postmodernen Gesellschaften ein hegemonial-männliches Geschlecht.“ (Seifert; 2002) Umso erstaunlicher und paradoxer ist die Tatsache, dass die Folterpraktiken im Bagdader Gefängnis von Abu Ghraib, unter dem weiblichen Namen „Lynndie England“ bekannt wurden. Lynndie England gilt als die berühmteste Soldatin, durch die auf den veröffentlichten Fotos gezeigten Gewalttätigkeiten. Diese Folterpraxis hat ein System und eine lange Vorgeschichte. Die über Jahrzehnte hinweg, durchgeführten psychologischen und medizinischen Folterexperimente, unter der Regie der CIA, verschwinden hinter Bildern, auf denen Englang außerhalb jeglicher Befehlstruktur als Sadistin individuell zu handeln scheint. Das Konzept der „sensorischen Deprivation“ zielt auf die systematische Regression und Zerstörung der Persönlichkeit von Häftlingen ab und war ein Resultat der Folterforschung seit den 50er Jahren. Die Techniken der sinnlicher Isolation, Außerkraftsetzung menschlicher Rhythmen wie Schlafen, Essen und Trinken, durch Schlaf-, Licht- und Nahrungsentzug, unerträgliche Temperature...


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