Methoden der Politikwissenschaft und Wissenschaftstheorie PDF

Title Methoden der Politikwissenschaft und Wissenschaftstheorie
Author Prolly Nunya
Course Methoden der Politikwissenschaft und Wissenschaftstheorie
Institution Technische Universität Darmstadt
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Summary

Methoden und Wissenschaftstheorie Mitschriften aus der Vorlesung 2020/2021...


Description

1 1. Was ist Wissen? Wissen ist wahre und gerechtfertigte Meinung. Wissen ist Bestand von Fakten und Theorien.

2. Wissenschaft als theoriegeleitete Empirie •

Die Suche nach der Wahrheit ist nicht das Mittel um ein Problem zu lösen sondern das Ziel von Wissenschaft.



Unter der Umkehrung von Logik kann es keine pragmatischen Entscheidungen geben.



Wissenschaft setzt eine Theorie voraus und funktioniert über die empirische Überprüfung der Theorie und deren Weiterentwicklung.

3. Erkenntnistheorie •

Epistemologie (= das Verstehen)

Zentrale Fragen: •

Ist Erkenntnis möglich



Wie funktioniert Erkenntnis



Woher kommt die menschliche Erkenntnis



Wie ist die menschliche Erkenntnis entstanden?

4. Rationalismus Hauptvertreter: •

Descartes (1596-1650): "Ich denke, also ich bin"



Spinoza (1632-1677): "entweder Gott oder die Natur"



Leibniz (1646-1716): Elementarstruktur des Kosmos

Kernüberlegungen:

Typische Fragen/Probleme:!



Argumentieren mit logischen Schlüssen



Gottesbeweis



Sinneserfahrungen zweitrangig



Verhältnis von Gott und Natur



Offenbarung/Überlieferungen fragwürdig

2

5. Empirismus

Hauptvertreter: •

Hobbes (1588-1679): Leviathan



Locke (1632-1704): Two Treatises of Government



Hume (1711-1776): A Treatise of Human Natur

Kernüberlegungen: •

Trennung physischer und psychischer Prozesse



Außenwelt und Bewusstsein "Gewohnheit



"Eindrücke" und "Ideen"

Typische Fragen/Probleme: •

Wie werden Sinneseindrücke erzeugt?



Rolle des Menschseins bei der Wahrnehmung/ Verarbeitung

6. Idealismus Hauptvertreter: •

Berkely (1685-1753): Treatise Concerning the Ptimciples of Human Knowledge



Kant (1724-1804): Kritik der reinen Vernunft

Kernüberlegungen •

Wahrgenommenes wird kein physischer Bestandteil des Bewusstseins.



Synthetische Urteile a posreriori / analytische Urteile a priori

Typische Fragen/Probleme •

Wo ist der Unterschied zwischen "Ideen" und "Dingen"?



Ist die Existenz von Dingen unabhängig vom Beobachter?

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7. Positivismus / Empiriokritizismus Hauptvertreter: •

Mach (1839-1916): Die Analyse der Empfindungen



Avenarius (1843-1896): Kritik der reinen Erfahrung

Kernüberlegungen •

Ablehnung der Metaphysik



Kritisch Erfahrung als Basis



Modelle im Zentrum der Überlegung ("als-ob-Physik")

Typische Fragen/Probleme: •

Ist das Subjekt selbst Gegenstand der Empirie?



Induktionsproblem



Funktionierendes und gleichzeitig falsches Modell

8. Dialektischer Materialismus Hauptvertreter: •

Marx (1818-1883): Kritik der politischen Ökonomie



Engels (1820-1895): Dialektik der Natur



Lenin (1870-1924): Materialismus und Empiriokritizismus

Kernüberlegungen: •

"Das Sein bestimmt das Bewusstsein"



Materie als Ausgangspunkt aller Erfahrungen



Objektivierung der Abbildung der Welt durch kritischen Prozess

Typische Fragen/Probleme: •

Einfluss der materiellen Welt auf die Wahrnehmung



deterministisches Bild (?)

4 9. Kritischer Rationalismus Hauptvertreter: •

Popper (1902-1994): Logok der Forschung



Albert (1921-): Traktat über kritische Vernunft

Kernüberlegungen: •

Abkehr von "naiven" Induktivismus



kritische Prüfungen statt Beweisdenken



Falsifikation von Hypothesen durch Empirie

Typische Fragen/Probleme: •

Ab wann bewährt sich die Theorie?



Wie kann ich Theorie modifizieren?

10. Strukturalismus/ Postmodernimus Hauptvertreter: •

Foucoult (1926-1984): Die Ordnung der dinge



Derrida (1930-2004): Dekonstruktion

Kernüberlegungen: •

Sprache besteht aus Symbolen/Zeichensystemen



Sinn basiert auf sprachlichem Ausdruck (Differenzmöglichkeit)



Sprache kann Machtinstrument sein (Verschleierung)

Typische Fragen/Probleme: •

Was steckt sprachlich hinter dem Phänomen?



Objektive Erkenntnis, wenn diese Sprachsensibel ist?

5 11. Systemtheorie / Konstruktivismus Hauptvertreter: •

Wiener: (1894-1964): Cybermetics or Control



Parsons (1902-1979): The System of Modern Societies



Luhmann (1927-1998): Soziale Systeme

Kernüberlegungen: •

Systeme sind abgeschlossene, selektive, selbstreferenzielle Entitäten.



Unterscheidungs- und Beobachtungsstandpunkt

Typische Fragen/ Probleme: •

Ist politische Steuerung möglich ?



Agieren Teilsysteme miteinander ?



Strukturelle Kopplung

12. Kritische Rationalismus (Vertiefung) 1. Ausgangspunkt bestehende Theorie (komplexes Gedankengebäude) 2. Ableitung (=Deduktion) einer Hypothese aus der Theorie 3. Überprüfung der Hypothese

Mögliche Ergebnisse: •

Hypothese scheint zuzutreffen



Theorie ist nicht widerlegt (!)



Hypothese ist offensichtlich falsch



Hypothese mit falscher Methode untersucht



Hypothese falsch aus Theorie abgeleitet



Theorie teilweise / komplett falsch

6 13. Beispiel: Phlogistontheorie Theorie: •

"Es gibt Stoff (=Philogiston), der allen brennbaren Körpern bei der Verbrennung entweicht sowie bei Erwärmung in sie eindringt."

Hypothese: •

Wenn in einem Körper Philogiston vorhanden ist, brennt den Körper

14. (Affirmative) Überprüfung der Hypothese Wegen eines Holzstücks, Verbrennung, Erneutes Wiege. •

Gewichtsreduktion



Philogiston ist entwichen



Theorie nicht widerlegt/ vorläufig gültig.

15. Kritische Überprüfung der These 1 Wiegen eines Eisenklotzes. Verbrennung. Erneutes Wiegen •

Gewichtszunahme !



Es ist hinzugekommen !



Theorie ist widerlegt.

16. Kritische Überprüfung der These 2 Stumpfer Metallbohrer bohrt Metallplatte. Wärme entsteht. •

Vorgang über langen Zeitraum beobachtbar



Wärmeentwicklung gleichbleibend

17. Kritische Überprüfung der These 3



Phlogiston unendlich vorhanden?

Wiegen eines Holzstücks. Verbrennen unter Stickstoffatmosphäre •

Holzstück entzündet sich nicht.



Seltsam !



Theorie scheint nicht zu stimmen.

7 18. Konsequenzen (Laut Popper)



wissen ist immer vorläufig.



Theorien sind solange gültig, bis sie falsifiziert werden



Theorie können falsifiziert werden.



Theorien können nicht bestätigt werden, sie können jedoch bewähren.



Theorien können modifiziert werden.



Einschränkungen (zeitlich, gegenständlich)



Definition von ausnahmen



Wissenschaftler Fortschritt besteht im Eliminieren falscher Theorien.



Wissenschaft ist nicht inkrementelles "Anhäufen" von Wissen!

19. Fortschritt in der Wissenschaft •

Traditionelles Bild: Anhäufen von Wissen ("Berg" des Wissens)



Popper: Eliminieren von falschen Theorien



Kuhn: Paradigmenwechsel durch "Revolutionen"



"Herrschendes Paradigma" (=Theoriegebäude, welches gilt)



Aufzeigen von Anomalien durch Abtrünnige



Anpassungen des Paradigmas, Deutungen der Anomalie als Bestandteil



Anomalien häufen sich, Revolution



Abtrünnige installieren ihre Sicht als neues Paradigma

8 20. Wie funktioniert Falsifikationismus •

Ausgangspunkt: bestehende Theorie



Ableitung (=Deduktion)



Überprüfung der Hypothese

Mögliche Ergebnisse: •

Hypothese scheint zuzutreffen



Theorie ist nicht widerlegt

Hypothese ist offensichtlich falsch •

Hypothese mit falscher Methode untersucht



Hypothese falsch formuliert



Hypothese falsch aus Theorie abgeleitet



Theorie teilweise / komplett falsch

21. Begrifflichkeiten Theorie: Komplexes Gedankengebäude Gesetz: innerhalb des Rahmens einer Theorie bestehender, empirisch stark bewährter Zusammenhang Hypothese: Aussage/Behauptung über den Zusammenhang von mindestens zwei Phänomenen Phänomen: beobachtbare Eigenschaft von Objekten oder Prozessen

22. Beispiel: Duverger's Gesetz Theorie: Instituionalismus Hauptaussage: Institutionen beeinflussen Verhalten von Individuen/Gruppen Annahme I: Wenn Menschen zusammen leben, dann legen sie Regeln fest (=Institutionen) Annahme II: Aus bestimmten Gründen tendieren.. •

Gesetz: ein System einfacher Mehrheit in Einwahlkreisen begünstigt die Herausbildung eines Zwei-Parteien-Systems

9 •

Hypothese: Wenn ein Wahlsystem mit einfacher Mehrheit in Einwahlkreisen besteht, dann existiert ein zwei-Parteien-Systems



Phänome: Wahlsystem und Parteiensystem

23. Empirische Prüfung •

Nebenproblem: Wie zähle ich Parteien



Kriterieum hier: realistische Chance auf Regierungsübernahme



vier Beispiele

24. Ergebnis Politische Systeme mit Mehrheitswahl in Einwahlkreisen •

UK (fast)



USA



Australien



Kanada

= jewiels zwei Parteien

Politische Systeme mit Verhältniswahl •

BRD



Niederlande



Belgien



Österreich



Spanien = Hypothese erscheint bestätigt, wurde nicht falsifiziert

25. Grundforschung der Forschung I Welche Farbe haben Schwäne? Induktive Hypothesenbildung: vom Einzelfall zur Theorie

10 26. Probleme des Habe ich alle gesehen, oder nur die, die weiß sind? •

Gab es früher einmal schwarze Schwäne?



Woher weiß ich, dass nicht morgen ein schwarzer Schwan geboren wird?



Gibt es Schwäne, die noch niemand gesehen hat?



Welchen Wert hat meine Aussage dann noch ?

27. Deduktion deduktive Hypothesenbildung: von der Theorie zum Einzelfall •

Genetik: ein bestimmtes Gen ("Y23") programmiert: Gefieder ist weiß



Hypothese: Wenn Y23 vorhanden ist, dann ist der Vogel weiß



Beim Schwan ist Y23 vorhanden, also ist der weiß

Überprüfbare Behauptung Wenn unwahr, was sagt uns das über die Theorie?

28. Typen der Hypothesenbildung •

induktive / deduktive Hypothesenbildung



Wenn-dann-Hypothese



Je-desto-Hypothese



deterministische Hypothese (immer wenn, dann...)



probabilistische Hypothese (Wenn, dann..mit Wahrscheinlichkeit...)

29. These und Hypothese These: •

Aussagegesetz



Behauptet Wahrheit



Hypothesen: •

Aussagesatz über Zusammenhang von mindestens zwei Phänomenen

Muss überprüfbar sein



Behauptet Wahrheit



"Die TU Darmstadt ist "



Muss überprüfbar sein



"Mein Vater wählt CDU"



"Je mehr Professoren, desto exzellenter die Universität"

11 30. Kausalität (lat. causa = Ursache) Kausalität liegt vor, wenn •

eine plausible Theorie den Zusammenhang postuliert



beim Eintreten von A auch B eintritt



bei Nicht-Eintreten von A auch B nicht eintritt

Problem: Zumeist beobachtet man A und B gleichzeitig. •

Ist A die Ursache von B?



Ist B die Ursache von A?



Haben A und B rinn gemeinsame Ursache (C)?



Treten A und B gemeinsam auf oder scheint es nur so zu sein?



Treten A und b zufällig gemeinsam auf ?

31. Beispiel I: Der Storch und der Nachwuchs •

A: Existenz eines brütenden Storchenpaares



B: Ankunft menschlichen Nachwuchses

Kausalität liegt vor, wenn •

eine plausible Theorie den Zusammenhang postuliert,



bei Eintreten von A auch B eintritt



bei Nicht-Eintreten von A auch B nicht eintritt



A zeitlich vor B eintritt



direkter Effekt?



Aggregateffekt (städtische vs. ländliche Gebiete)



Drittvariable: ländlicher Raum / Lufteinheit

12 32. Beispiel II: Brandschäden •

A: Anzahl der eingesetzten Feuerwehrleute



B: Höhe desSachschadens

Kausalität liegt vor, wenn: •

eine plausible Theorie, den Zusammenhang postuliert



bei Eintreten von A auch B eintritt



bei Nicht-Eintreten von A auch B nicht eintritt



A zeitlich vor B eintritt



direkter Effekt?



Drittvariable: Größe des Feuers

33. Beispiel: Mit der Zeitmaschine in die USA Frage: Wie hoch ist der Amtsinhaberbonus bei US-Kongresswahlen?

Theorie im Hintergrund: Amtsinhaber haben Vorteile •

Bekanntheitsgrad i.d.R hoch ("name recognition")



Wahlkreisgeschenke ("York Barrel spending)



Frankierungsprivileg



Abschreckung höherwertiger Gegenkandidaten

34. Wie hoch ist der Amtsinhaberbonus: Beispiel NY •

Differenz zwischen Amtsinhaber und Nicht-Amtsinhaber: experimentell



Aber: Umstände ändern sich



Also: 2006, 2008, 2010, 2012, 2014 nicht vergleichbar !



Also: Zeitmaschine und



Manipulation der Vergangenheit



in genau einem Punkt!

13 Schlussfolgerung: Amtsinhaberbonus bringt 62-52=10 Prozentpunkte •

Unrealistischer Versuchsaufbau



Lösung: Quasi-Experiment



Vergleich mehrerer Wahlen miteinander,



Vergleich mehrerer Wahlkreise und Kontrolle der Drittvariablen

35. Beispiele zur Hypothesendeduktion •

beide Beispiele beziehen sich auf das Thema Wahlen



Kurzvorstellung der Theorie



Explikation der Kernannahmen



Bezug auf den Untersuchungsgegenstand



Ableitung einer Hypothese



typische Forschungsprojekte

36. Applikation auf Wahlen •

Politik ist ein Markt (Produkte: Politiken, Anbieter: Parteien, Konsumenten: Wähler



Ein Wähler wählt die Partei, von der er sich den höchsten individuellen Nutzen verspricht



Eine Partei versucht, zum Zeitpunkt der Wahl ihren Stimmenanteil zu maximieren.

37. Bedingungen •

Wähler müssen ihre Ist- und den gewünschten Soll-Zustand vergleichen können



Wähler müssen Informationen über Parteien haben



Wähler müssen die Parteien vergleichen können



Wähler müssen Wahlausgänge strategisch schätzen können



Parteien müssen kommunikationsfähig sein



Parteien müssen fähig zur Übernahme der Regierung sein



illegale mittel sind nicht zulässig

14 38. Mögliche Folgen •

Parteien stehen der Programmatik vor allem denGewinn für den Einzelnen heraus



Parteien werden sie immer ähnlicher, weil sie die Stimmen der gleichen Wähler abstrahieren möchten



Regierung treffen unpopuläre Entscheidungen am Anfang, populäre Entscheidungen am Ende der Regierungsperiode (Wählergedächtnis)



Aussagen über Kosten werden vermieden (Bilanzierung der Wähler wird erschwert)



regierende Parteien arbeiten mit differenzierten "Wahlgeschenken"

39. Parteiprogramme vs. Selbsteinschätzung •

Komplexe Instrumente mit nicht vorhersagbaren Wirkungen



Verteidigen von Ämtern/Ressourcen "koste es, was es wolle" (York Barrel spending, seniority, minimum coalitions)



Einzelpolitiken auf Kosten der Gesamtheit / "Insellösungen"



Inkrementelle Politiken / politische Ineffizienz

40. Hypothesen •

Je häufiger die Regierungsparteien wechseln, desto höher ist das Staatsdefizit



Je höher den Anteil von Abgeordneten in Einmannwahlkreisen ist, desto höher sind die Staatsausgaben



Jener eine Partei an die 5%-Hürde kommt, desto stärker ist der Schätzfehler bei Umfragen

41. Typische Forschungsprojekte •

Welche Partei gibt mehr Staatsgeld aus, wenn sie regiert ? (Spending by Ideology)



Nach welchem Muster werden Koalitionen gebildet? Wie laufen die Verhandlungen?



Wie führen Parteien Wahlkämpfe?



Wie bekommt man genaue Wahlprognossen?

15 42. Beispiel II: Institutionalismus •

Mehrere Wurzeln: (Politische ) Ökonomie, (Organisations-)Soziologie



Regeln begrenzen Akteursverhalten und leiten Akteure an

43. Applikation auf Wahlen •

Regeln des Systems ist für das Wahlverhalten entscheidend



typische "harte" Regeln in Verfassung und/oder Wahlrecht

viele Flankierungen möglich •

Parteienfinanzierung



Ordnungsrecht



Transparenzregeln



"Wahlkampfabkommen"

44. Bedingungen •

Parteien müssen die Regeln kenn...


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