deutsche Rechtssprache Schlüsselqualifikation Deutsche Wohnen Enteignen, Art. 15 PDF

Title deutsche Rechtssprache Schlüsselqualifikation Deutsche Wohnen Enteignen, Art. 15
Author Franziska B.
Course Einführung in die deutsche Rechtssprache
Institution Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Pages 13
File Size 189.2 KB
File Type PDF
Total Downloads 65
Total Views 122

Summary

WS 2021/22 bei Prof Dr Deutsch
Vorbereitung auf Streitgespräch
Moderatorrolle...


Description

Enteignung von Wohnungsgesellschaften - zulässige Sozialbindung des Eigentums? Franziska Burkhard Matrikelnummer: 4197722 Einführung in die deutsche Rechtssprache WS 2021/22 Prof. Dr. iur. Andreas Deutsch 03.02.2022

Gliederung Einleitung Datenlage Die Kompetenzfrage Verhältnismäßigkeitsprüfung Legitimes Ziel Geeignetheit

Erforderlichkeit Entschädigung Fazit

Einleitung Wer mehr als 30% seines Einkommens für die Miete ausgibt, der läuft Gefahr, diese nicht auf lange Dauer bezahlen zu können, darüber sind sich Wissenschaftler:innen einig. Dennoch müssen dies viele Haushalte in Deutschland, insbesondere in den Großstädten, tun. Da die wohnungspolitische Lage in Berlin verglichen mit den Bundesdurchschnittswerten und, in Anbetracht des Volksentscheides am 26.09.2021, am brisantesten scheint, soll hier zunächst nur Berlin betrachtet werden.

Datenlage In Berlin liegt 2018 die Median-Mietbelastungsquote, welche den Anteil der Mietausgaben am Einkommen beschreibt, bei 29,2%. Dies bedeutet, dass 47,51% aller Berliner Haushalte 2018 mehr als 30% ihres Einkommens für ihre Miete ausgaben und sie sich dadurch in einer prekären Lage befinden.1 Gleichzeitig befanden sich zwar nur 15 % aller Mietwohnungen im Eigentum privater Wohnungsunternehmen, jedoch zahlten dort die Mieter deutlich höhere Preise.2 Nun finden sich sowohl im wissenschaftlichen als auch im politischen Diskurs unterschiedlichste Ansätze zur Behebung der akuten Wohnungsnot. In Anbetracht der obigen Daten soll sich hier jedoch auf die Enteignung privater Wohnungsunternehmen konzentriert werden. So tut dies auch die 1 Vgl. Holm u.a., Muster sozialer Ungleichheit, Tabelle 90 2 Vgl. Statistisches Bundesamt, Wohnen in Deutschland 1

Initiative

“Deutsche

26.09.2021

wurde

Wohnen der

von

enteignen” ihr

in

erstrebte

Berlin. Am Volksentscheid

durchgeführt und mit 57,6% deutlich von der Berliner angenommen.3

Bevölkerung

Jedoch

wurde

mit

dem

Volksentscheid noch kein Gesetz erlassen sondern lediglich der Berliner Senat damit beauftragt ein solches auszuarbeiten.4 Demnach ist zwar der allgemeine politische Wille klar, jedoch ist die tatsächliche Umsetzung des Volksentscheides von vielen (insbesondere

verfassungsrechtlichen)

Faktoren

abhängig.

Besonders interessant ist dies, da der Artikel auf den sich die Intitiative bezieht (Art. 15 GG) bisher in keinem einzigen Fall zur Anwendung gekommen ist. Somit handelt es sich bei dieser Debatte um juristisches Neuland und einen bisher rein akademischen Streit.

Die Kompetenzfrage Nach der Mietendeckelentscheidung des BVerfG stellt sich natürlich auch hier die Frage der Gesetzgebungskompetenz. Nach Art.

74

I

Nr.

15

Wohnungsgesellschaften

ist

die

ein

Teil

Sozialisierung der

privater

konkurrierenden

Gesetzgebung. Da der Bund bisher kein Sozialisierungsgesetz verabschiedet hat, fällt die Kompetenz hier den Ländern zu. 5 Nun 3 Vgl. Landeswahlamt Berlin Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen" 2021 4 Fall des Art. 62 I 2 VvB 5 Art. 72 I GG 2

ist jedoch das Land Berlin nicht nur an das Grundgesetz sondern im Sinne des Bundesstaatsprinzips auch an die Berliner Landesverfassung gebunden. Dies ist Grund für die erste große Streitfrage. Auch wenn das Grundgesetz grundsätzlich vorrang vor den Landesverfassungen hat, gibt es im Rahmen der Grundrechte eine Ausnahme.6 Hier sehen einige ein Problem, da die Berliner Landesverfassung keinen Sozialisierungsartikel enthält

und

somit

die

dadurch

weitergehenden

Eigentumsrechtsbestimmungen des Art. 23 VvB zu gelten haben. 7 Sollte dies der Fall sein, so kann ein Gesetz wie es von der Initiative

vorgeschlagen

wurde

nicht

auf

Landesebene

beschlossen werden, ohne automatisch verfassungswidrig zu sein. Andere Stimmen können dieser Argumentation nicht zustimmen. Aus einer Nicht-Inkorporierung eines Sozialisierungsartikels könne nicht abgeleitet werden, dass der Art 23 VvB weiter gefasst ist als der Art. 14 GG, da weder systematische noch historische Anhaltspunkte hierfür gegeben sind.8 Weiterhin liefert Art. 31 GG iVm. Art. 1 III GG Anhaltspunkte dafür, dass eine Anwendung von Art. 15 GG möglich ist. Auch das Art. 142 GG Argument lässt hier zu wünschen übrig, da dadurch sicher nicht das Außerkraftsetzen

anderer

grundgesetzrechtlicher

Normen

6 Art. 31 und 142 GG 7 Vgl Waldhoff/Neumeier LKV 2019 8 Vgl. Drohsel KJ 53 3

ermöglicht werden soll.9 Demnach dürfte eine gerichtliche Prüfung eines zukünftigen Sozialisierungsgesetzes in Berlin zumindest

nicht

an

mangelnder

Ermächtigungsgrundlage

scheitern.

Verhältnismäßigkeitsprüfung Ob eine Verhältnismäßigkeitsprüfung für die Anwendung des Art. 15 GG notwendig ist, ist umstritten. So meinen einige der Grundsatz

sei

nicht

anzuwenden,

schließlich

sei

die

Sozialisierung kein “Sonderfall der Enteignung” und der Zweck bereits im Artikel selbst definiert.10 Dies ist jedoch kritisch zu betrachten, da der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner heutigen Form zum Entstehungszeitpunkt des Art. 15 nicht vorhanden war. Somit kann der Verfassungsgeber gar keine Verhältnismäßigkeitsprüfung in den Art. 15 GG inkorporiert haben.11 Demnach soll nun eine grobe Verhältnismäßigkeitsprüfung vollzogen werden. Legitimes Ziel Die Versorgung der Bevölkerung Berlins mit bezahlbarem Wohnraum wäre insbesondere in Betracht auf Art. 28 I VvB, welcher “angemessenen Wohnraum” garantiert, ein legitimes Ziel. Dies ist unumstritten. 9 Ebd. 10 Münch/Kunig GG Art. 15 Rn. 9-13 11 Battis DRiZ 2021 4

Geeignetheit Ob die Vergesellschaftung geeignet ist die Sicherung bezahlbaren Wohnraums zu fördern lässt sich jedoch nicht so einfach feststellen. Hierbei kann man sich, wie dies meistens der Fall ist, ausschließlich auf Prognosen und Vermutungen stützen.12 Das hier wohl einschlägigste Argument der Sozialisierungsgegner, durch Enteignungen würden keine neuen Wohnungen gebaut werden, lässt

sich

insofern

entkräftigen,

dass

die

privaten

Wohnungsgesellschaften, welche enteignet werden sollen, im Vergleich mit staatlichen Unternehmen kaum in den Neubau von Wohnungen investieren.13 Gleichzeitig wird auch angeführt, dass allein die Möglichkeit einer Vergesellschaftung Investoren abschrecken würden.14 Hierzu lassen sich jedoch keine Studien finden; somit gleicht dieses Argument mehr einer Spekulation. Natürlich ist anzumerken, dass eine Vergesellschaftung zunächst nur kurzfristig,

wenigen Menschen

hilft, doch

für die

Geeignetheit spielt dies nur eine untergeordnete Rolle. Es ist wohl allgemein zu erwarten, dass eine Vergesellschaftung dem oben genannten Ziel mindestens in geringem Maße zuträglich ist, somit gilt sie auch als geeignet.15 Erforderlichkeit Am Problematischsten

erweist

sich

wie

so

oft

die

12 Vgl. Degenhart, Staatsrecht I, Rn.428 13 Vgl. Trautvetter/Bonczyk, Profitmaximierer, Abb. 1 14 Vgl. Battis DRiZ 2021 15Vgl. Sodan Gutachten BBU 5

Erforderlichkeit. Erforderlich wäre die Vergesellschaftung, wenn sie das mildeste, geeignete Mittel ist um die Sicherung bezahlbaren Wohnraums zu gewährleisten. Dies wird von vielen bestritten. So seien zunächst neue Wohnungen durch das Land zu kaufen und zu bauen, Millieuschutzgebiete und das soziale Mietrecht auszuweiten und schließlich auch noch eine Mietpreisdeckelung in Betracht zu ziehen.16 Hierbei lässt sich feststellen, dass sich zwei dieser Mittel nicht in den Kompetenzen des Landes Berlin wiederfinden. Der Bund hat mit dem Mietrecht (§§556ff.) des BGB bereits “abschließend Gebrauch” von seiner Gesetzgebungszuständigkeit “gemacht”, so das BVerfG.17 Somit kann man nicht davon sprechen, dass eine Ausweitung des sozialen Mietrechts, insbesondere mithilfe eines Mietendeckels, gleich geeignet ist, um im Fall Berlin bezahlbaren Wohnraum für die Bevölkerung zu garantieren. Gleichzeitig ist weder der Millieuschutz, trotz Vorkaufsrechten, ausreichend geeignet, noch der Ankauf von Wohnungen durch das Land eine Alternative, da aufgrund der aktuellen Marktlage die Verkaufsbereitschaft in ausreichendem Maße fehlt.18 Es lässt sich also feststellen, dass eine Vergesellschaftung nach deutschem Recht sehr wohl möglich 16 Vgl. Kloepfer NJW 2019 17 BVerfGE 2 BvF 1/20 18 Vgl. Drohsel KJ 53 6

wäre, jedoch scheint der aktuelle Gesetzesentwurf der Initiative noch nicht zu genüge ausgestaltet und muss durch den Berliner Senat in eine dem verfassungsrechtlichen Rahmen entsprechende Form gebracht werden.

Entschädigung Auch über die Höhe der Entschädigung, welche mindestens im politischen Entscheidungsrahmen eine Rolle spielt, sind sich die Beteiligten uneinig. Laut Art. 15 GG soll die Höhe der Entschädigung nach den Maßstäben des Art. 14 III 3 GG bemessen

werden.

Die

Initiative

kommt

unter

diesen

Gesichtspunkten zu einer Entschädigungssumme von 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro, während eine Schätzung des Senats 28,8 bis 36 Miliarden Euro für realistischer hält.19 Fest steht, dass keineswegs der tatsächliche Verkehrsweg gezahlt werden, sondern sich lediglich an diesem orientiert werden muss.20 Jedoch scheint die von der Initiative in ihrem Gesetzentwurf

vorgeschlagene

Entschädigungsstrategie,

die

Entschädigung jährlich durch die Mieteinnahmen zu tilgen, ein wenig zu optimistisch.21 In jedem Fall müssen für die Entschädigung, entweder durch das Land Berlin oder eine Anstalt öffentlichen Recht, Schulden aufgenommen werden. Dies erweist 19 https://www.berlin.de/wahlen/abstimmungen/deutsche-wohnen-und-co-enteignen/artikel.1040424.php#kosten 20 Vgl. Dürig/Herzog/Scholz Art.15 Rn. 103f. 21 Siehe VergG Entwurf 7

sich aufgrund der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse ebenso als problematisch.22 Fazit Abschließend lässt sich festhalten, dass der Gesetzesentwurf der Initiative noch nicht vollends zufriedenstellend ist und an einigen Stellen noch Ausbesserungsbedarf herrscht. Insgesamt scheint eine Vergesellschaftung jedoch grundsätzlich möglich. Ob mit den erforderlichen Ausbesserungen eine Vergesellschaftung noch erwünscht ist, lässt sich weiterhin politisch ausdiskutieren. Literaturverzeichnis

Battis (2021)

Deutsche Wohnen enteignen ist verfassungswidrig, DRiZ 2021, 410

Degenhart (2021)

Staatsrecht I, Staatsorganisationsrecht, 37. Auflage

Drohsel (2020)

Über die Frage der Sozialisierung am Beispiel “Deutsche Wohnen & Co. enteignen”, KJ 53, 30

Dürig/Herzog/Scholz (2021)

Grundgesetz Kommentar (zitiert: Durner)

22 Vgl. Battis DRiZ 2021 8

Holm/ Regnault/ Sprengholz/ Stephan (2021)

Muster sozialer Ungleichheit der Wohnversorgung in deutschen Großstädten, Working Paper Forschungsförderung, No. 222, Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf http://hdl.handle.net/10419/237091 (am 01.02.2022)

Initiative ‘Deutsche Wohnen enteignen’ (2021)

Vergesellschaftungsgesetz, Gesetzesentwurf Stand Mai 2021 https://www.dwenteignen.de/wpcontent/uploads/2021/05/Vergesellschaftungsgesetz.p df (am 01.02.2022)

Kloepfer (2019)

Die Sozialisierung von Wohnungsunternehmen und die Verfassung, NJW 2019, 1656

Landeswahlamt Berlin (2021)

Der Beschlussentwurf „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ 2021 wurde angenommen. https://www.wahlenberlin.de/abstimmungen/VE2021/AFSPRAES/index. html (am 01.02.2022)

9

Landeswahlleiterin Berlin (o.J.)

Volksentscheid über einen Beschluss zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfs durch den Senat zur Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen https://www.berlin.de/wahlen/abstimmungen/deutsch e-wohnen-und-coenteignen/artikel.1040424.php#kosten (am 01.02.2022)

Münch/Kunig (2021)

Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage (zitiert: Bryde)

Sodan (2019)

Zur Verfassungsmäßigkeit der Sozialisierung von Immmobilien privater Wohnungswirtschaftsunternehmen im Land Berlin, Rechtsgutachten im Auftrag der BBU https://bbu.de/sites/default/files/press-releases/bbusodan-rechtsgutachten-2019-endfassung.pdf (am 01.02.2022)

10

Statistisches Bundesamt (2019)

Wohnen in Deutschland - Zusatzprogramm des Mikrozensus 2018. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilunge n/2019/10/PD19_N001_129.html (am 01.02.2022)

Trautvetter/ Bonczyk (2019)

Profitmaximierer oder verantwortungsvolle Vermieter?, Studien 3, Rosa-LuxemburgStiftung, Berlin https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/St udien/Studien_3-19_Profitmaximierer.pdf (am 01.02.2022)

Waldhoff/Neumeier (2019)

Landesverfassungsrechtliche Besonderheiten der Vergesellschaftung privater Wohnungsunternehmen in Berlin, LKV 2019, 385

11...


Similar Free PDFs