Günter Grass - Die Blechtrommel PDF

Title Günter Grass - Die Blechtrommel
Course Staatsexamenskolloquium Deutsch NDL
Institution Universität Konstanz
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Summary

Zusammenfassung Vorbereitung Staatsexamen Lehramt Deutsch/Zulassungsarbeit
Wintersemester 20/21...


Description

Zeitgeschichtlicher Hintergrund    

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Seit dem Versailler Vertrag (1919) war Danzig ein Freistaat und gehörte nicht mehr zum Deutschen Reich Der Freistaat „Freie Stadt Danzig“ (1920-1939) war weitgehend umschlossen von der Republik Polen Der Freistaat war ein Kompromiss: Die Pulen hatten dadurch Zugang zu einem Seehafen; die zahlreichen Deutschen konnten in der Stadt bleiben Außenpolitisch vertreten wurde die Stadt von Polen o Der Völkerbund entsandte einen Hohen Kommissar in die Freie Stadt, der die Einhaltung der Verfassung überwachen und in Streitfällen schlichten sollte o Der erste hohe Kommissar war Carl Jacob Burckhardt (1891-1974) Die Polen erhielten im Versailler Vertrag das Recht auf eigene Post- und Telegrafenanlagen in der Stadt -> das spielt bei Grass eine Rolle Der Hafen wurde gemeinsam von Danzig und Polen verwaltet o Das führte zu Streit und Polen baute einen eigenen Seehafen Die Verhältnisse änderten sich 1930 durch eine andere Verfassung, 1933 erlangte die NSDAP die Mehrheit im Volkstag (Danziger Parlament), wodurch sich die Gleichschaltung mit dem Dritten Reich vollzog Der Freistaat Danzig ging am 1. September 1939 zu Ende o Grass verlor seine Heimat o Die Endgültigkeit des Heimatverlustes ist für die Danziger Trilogie das eigentliche zentrale Thema o Grass rekonstruiert das Danzig seiner Kindheit in der „Danziger Trilogie“ o Die Realien der Orte werden mit der Biografie des Autors ebenso verschränkt wie mit der Zeitgeschichte Methodisch nutzt Grass die Parallelität von Ereignissen, die Wiederholungen und Analogien o Grass: „Mir ist nicht nur im politischen und gesellschaftlichen Bereich, sondern auch bis in den privaten Bereich hinein natürlich aufgefallen, daß wir Menschen Wiederholungstäter sind und gerne in den einmal eingefahrenen Spuren unseren Erfolg wiederholen wollen und bei der Gelegenheit dann auch unsere Fehler wiederholen.“ (Gespräch mit Huber Winkel, S. 20)

Oskars Lebensgeschichte   

kleinbürgerliche Familie, die in Danzig lebt Über drei Generationen hinweg werden die Ereignisse und Schicksalsschläge der Familie rückblickend erzählt Die Geschichte Oskars wird auf zwei Handlungsebenen entwickelt, zwischen denen der Erzähler ständig wechselt o Er gewährt uns Einblick in die unruhige Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg und blendet in die Gegenwart des Schreibvorganges

Oskar   









bereits bei seiner Geburt ist seine geistige Entwicklung abgeschlossen -> das sagt zumindest Oskar über sich Er entzieht sich den Anforderungen, die das Erwachsenwerden stellt, indem er sein Wachstum mit drei Jahren beendet Er erscheint den „Großen“ als zurückgeblieben o Aber: Es schildert nicht nur die Welt der Erwachsenen, sondern durschaut diese auch Da er nicht ernstgenommen wird, scheuen sich seine Bezugspersonen auch nicht davor, vor Oskar ihre dunklen Seiten auszuleben o Dunkle Seiten: Die Bereiche der Persönlichkeit, die man vor der gesellschaftlichen Öffentlichkeit zu verbergen versucht Froschperspektive, aus der Oskar die ersten fünf Jahrzehnte unseres Jahrhundert Revue passieren lässt o Freiheiten, die Oskar reichlich nutzt o scheinbar distanziert und wertfrei darf er übertreiben, karikieren, bei Ekel erregenden Szenen ausschweifen o Kein Anspruch, irgendeiner Person seines Umfelds gerecht werden zu wollen oder müssen Schonungslose Demaskierung der kleinbürgerlichen Existenzen o Oskar reißt deren Fassaden der Wohlanständigkeit nieder o Er wird nicht aus der Position des moralisch Erhabenen inszeniert; eher Perspektive des Voyeurs Die Distanz zu den Erwachsenen schützt ihn davor, sich von Ideologien vereinnahmen zu lassen

Handlung   



Oskar schreibt als Patient einer Pflegeanstalt in einem Zeitraum von drei Jahren seine Biografie nieder Der Roman ist in drei Bücher gegliedert, die wichtige Abschnitte im Leben Oskars wiedergeben und einschneidende Wendepunkte markieren Das erste Buch: 1899-1938 o Das Buch ist der Kindheit und Jugend Oskars gewidmet o Oskar entscheidet sich, an seinem dritten Geburtstag das Wachstum einzustellen o Er braucht die Blechtrommel, um sein tägliches Leben zu meistern o Mit seiner Stimme kann er Glas zerschneiden o Ende: Tod seiner geliebten Mutter und Verlust eines guten Freundes o Dem Sturm auf die polnische Post folgt der Zweite Weltkrieg o 8. November 1938: Kristallnacht – Oskar verliert seinen Trommellieferanten Das zweite Buch: Der Zweite Weltkrieg



o schildert die Kriegsjahre in Deutschland o Als Kleinwüchsiger schließt er sich einer Theatergruppe an, die zur Unterhaltung der Soldaten an der Front engagiert ist o Seine große Liebe ist Roswitha Raguna, die jedoch im Krieg von einer Granate getötet wird o Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wird er kurzzeitig Führer einer Stäuberbande, einer Gruppe von Jugendlichen, die durch Sabotageakte auf sich aufmerksam macht o Ende:  Sein Vater wird von einem russischen Soldaten erschossen  Auf der Beerdigung entschließt sich Oskar, die Verweigerung des Wachstums aufzugeben und von nun an Verantwortung zu übernehmen o Zu Beginn und am Ende ist Oskar am Tod seiner Väter mitschuldig Das dritte Buch: o Kriegsende (1945-1954) o Oskar muss Danzig verlassen und kommt nach Düsseldorf o Nach dem Krieg macht Oskar als Trommler Karriere o Aufgrund des Verdachts, einen Mord verübt zu haben, wird er angeklagt und in eine geschlossene Anstalt eingeliefert o Der Roman endet mit dem unbeschützten Eintritt in die feindliche Außenwelt

Die Personen 



Innerhalb der fiktiven Autobiografie kommt der Familie Oskars ein besonderer Stellenwert zu o Allerdings macht das Erstellen eines Stammbaums schon deshalb Schwierigkeiten, weil mehrfacht nicht eindeutig geklärt werden kann, wer für die Vaterschaft verantwortlich ist Dreiecksbeziehungen o Auffällig sind die Dreiecksbeziehungen, die das Verhältnis der Personen untereinander bestimmten  sie können stabilisierend oder zerstörerisch wirken o Die klassische Dreiecksbeziehung: Alfred, Agnes, Jan  Alfred, der biedere Deutsche, bietet Agnes Sicherheit  Jan, der sensible Geliebte, gibt ihr Zärtlichkeit und Liebe o Vater-Sohn-Konflikt: Alfred, Maria, Oskar  Als sexuelle Rivalen kämpfen beide um Maria  Obwohl sie bei Alfred sexuell unbefriedigt bleibt, entscheidet sie sich für ihn o Die Kleinwüchsigen: Bebra, Raguna, Oskar  In der Welt der „Großen“ finden sich die Zwerge als Gesinnungsgenossen in der Verweigerungshaltung



Sie sind im Gegensatz zu den Erwachsenen in der Lage, hinter die Fassade zu blicken

Günter Grass    





1927 in Danzig geboren Seine Werke haben einerseits Anstoß erregt, andererseits wurden sie auch gefeiert Umstritten war v.a. sein Debutroman „Die Blechtrommel“ (1959) Auch heute noch wird Grass wegen seiner unbequemen gesellschaftskritischen Fragen verehrt und gefürchtet o Vor allem auch deshalb, weil er der euphorisch gefeierten Wiedervereinigung mit Skepsis begegnete und auf die Entfremdung der beiden deutschen Staaten immer wieder hingewiesen hat Viele persönliche Kindheits- und Jugenderfahrungen sind in „Die Blechtrommel“ eingeflossen o 1927: Geburt in Danzig; die Eltern haben ein Kolonialwarengeschäft o 1944-45: Mit 16 muss er an die Ostfront; dort lernt er den Wahnsinn des Krieges kennen; in wenigen Minuten wird über die Hälfte seiner Kompanie unter russischen Beschuss getötet; nach einer Verwundung erlebt er die Kapitulation im Lazarett o 1945: Nach seiner Genesung gerät er für kurze Zeit in amerikanische Kriegsgefangenschaft o 1955: Mitglied der Gruppe 47 o 1946-59: in Paris, finanziell ungesichert; beginnt mit „Die Blechtrommel“ o 1958: Die Gruppe 47 verleiht im den mit 5000 DM dotierten Literaturpreis o 1960: Berlin wird ständiger Wohnsitz Grass attackiert den Heldenkult des Kleinbürgertums und stellt die Frage nach der Mitschuld der Deutschen an der durch den Nationalsozialismus hervorgerufenen Katastrophe o Zusammenhang zwischen kollektiver und individueller Schuld

Die sprachliche Form 

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Während die inhaltliche und thematische Seite des Romans teils heftiger Kritik ausgesetzt war, hat man die sprachliche Gestaltung des Romans überwiegend positiv beurteilt Erzählperspektive: o ständiger Wechsel zwischen Ich-Erzählung und auktorialer Erzählperspektive Wortspiele: o Die Vielschichtigkeit eines Begriffs oder eines Symbols wird durch spielerische Aneinanderreihung unterschiedlicher Komposita und Verbformen deutlich gemacht







o Bsp.: Gelbkreuz vergiftet dich, Kreuzer versenken sich, Kreuzzug bekehrte mich, Kreuzspinnen fressen sich, auf Kreuzungen kreuzte ich dich… (S. 178) Satzreihen: o Die Aneinanderreihung von Haupt- und Nebensätzen ohne Trennung durch einen Punkt wird immer wieder auf die Spitze getrieben o Sprachliche Verdichtung wird hier zum Rausch und zur verbalen Explosion o Bsp.: Mir jedoch lag Marias Bauchnabel nahe, suchte Himbeeren und fand immer mehr, verlor mich so beim Sammeln, kam in Gegenden, wo kein nach dem Sammelschein ... (S. 363) Bildhaftigkeit der Sprache: o Im Bereich der Metaphern verwendet Grass Bilder, die den Erfahrungs- und Erwartungshorizont des Lesers sprengen o Seine Bilder verfremden den dargestellten Sachverhalt, wirken provozierend und häufig schockierend o Bsp.: Der hatte meine Statur, mein damals nur noch als Gießkännchen benutztes Gießkännchen (S. 180); Ich war den Bonbon [=Parteiabzeichen] los (S. 517) Personifizierungen: o Gegenständen werden menschliche Eigenschaften zugewiesen o Am auffälligsten ausgeprägt ist dieses sprachliche Mittel bei Oskars Blechtrommel, die ein eigenes Innenleben zu haben scheint o Bsp.: Mein Blech verlangt immer dasselbe Hol. Es will schlagend befragt werden, schlagende Antworten geben oder unterm Wirbel zwanglos plaudernd Frage und Antwort offenlassen (S. 366)

Der Text in seiner Zeit 



Die Zeit, in der „Die Blechtrommel“ entstand, ist gekennzeichnet durch einen in weiten Kreisen der Bevölkerung herrschenden Optimismus, der in unmittelbarem Zusammenhang mit den sich schnell verändernden politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen steht Chronologie des Aufschwungs Deutschlands o Die Jahre nach dem Kriegsende  Auf den militärischen und politischen Zusammenbruch folgt der wirtschaftliche  Lebensmittelkarten und Bezugsscheine sollen helfen, die Bevölkerung mit notwendigen Gütern zu versehen o 20. Juni 1948  Als Teil des Marshall-Planes, der den wirtschaftlichen Aufbau Europas zum Ziel hat, wird die Währungsreform gegen den Widerstand der Sowjetunion durchgeführt o 8. Mai 1949  Das Grundgesetz wird verabschiedet o 20. September 1949









 Die erste Bundesregierung unter Adenauer konstituiert sich  Adenauer wird als Kanzler die Geschichte des Landes bis 1963 lenken In Deutschland hält unter Wirtschaftsminister Ludwig Erhard das „Wirtschaftswunder“ Einzug: o soziale Marktwirtschaft, Rückgang der Arbeitslosigkeit, rasanter wirtschaftlicher Aufschwung, steigender Lebensstandard Die schnellen wirtschaftlichen und politischen Erfolge verlagerten den Blick vieler Deutschen auf die Zukunft o Man war bemüht, die eigene Vergangenheit und die Frage der Schuld möglichst rasch zu verdrängen o Auch nährte der Aufschwung zumindest unterschwellig die Anschauung, die Deutschen seien selbst durch Krieg und Niederlagen nicht kleinzukriegen und eben doch etwas Besonderes Viele junge Intellektuelle, ob nun Dichter, Journalisten oder Historiker, betrachteten die Entwicklung mit wachsendem Befremden o Denn die Gefahr lag nahe, dass man aus der Geschichte letzten Endes doch nichts lernen würde o Hinzu kam, dass viele Sympathisanten des Nazi-Regimes, v.a. aus Wirtschaft und Industrie, allzu schnell rehabilitiert wurden und rasch wieder gesellschaftlichen und politischen Einfluss gewannen Bezug zur „Blechtrommel“ o V.a. an der Figur des Musikclowns Bebra thematisiert Grass das Problem der Vergangenheitsbewältigung o Bebra, der sich mit dem Regime arrangiert, befördert wird und zahlreiche Vergünstigungen erhält, leitet nach dem Krieg eine erfolgreiche Musikagentur und kann so erneut Einfluss auf die Massen ausüben o Deshalb ist auch sein Interesse an Oskar verständlich, weil dieser die Menschen „hypnotisieren“ und kann seinem Willen steuern kann o Ähnliches gilt auch für Lankes, der es trotz seiner Taten im Krieg als Künstler rasch zu Ansehen und Ruhm bringt

Mögliche Gattungsbestimmungen 



Fiktive Autobiografie: o Der Erzähler tritt häufig in Ich-Form auf und stellt sich im Erzählvortrag die Aufgabe, sein Leben chronologische zu präsentieren o Da Grass auch eigene Kindheits- und Jungenderinnerungen in seinem Roman verarbeitet, ist der Roman auch mit autobiografischen Zügen versehen Bildungsroman: o Zur Paradoxie eines Bildungsromans wird das Werk dann, wenn man den Schwerpunkt auf Oskars Aussagen zur eigenen Person legt o Bildungsroman: Die innere Entwicklung eines Menschen darstellen und den Reifungsprozess transparent machen







o Bsp.: Damit es sogleich gesagt sei: Ich gehöre zu den hellhörigen Säuglingen, deren geistige Entwicklung schon bei der Geburt abgeschlossen ist und sich fortan nur noch bestätigen muss (S. 52) o Der Erziehungsroman wird auf den Kopf gestellt: sinnvoll zu leben ist wie sich geistig zu entfalten unmöglich o Anliegen der Romans: Er will zeigen, wie die bürgerliche Erziehung und die bürgerliche Kunst durch den Nationalsozialismus auf den Kopf gestellt werden Schelmenroman: o Der Held, der die Irrungen des menschlichen Lebens durchschritten und durchlitten hat, zieht sich in einen Schutzraum zurück und schreibt aus geistiger Distanz zur Welt seine „Memoiren“ o Oskars Aufenthalt in der Heil- und Pflegeanstalt bietet ihm die Möglichkeit, fernab von jedem moralischen Anspruch seine Vergangenheit so darzustellen, wie er sie subjektiv erfahren hat o Bsp.: Mein weißlackiertes metallenes Anstaltbett ist also ein Maßstab. Mir ist es sogar mehr. Mein Bett ist das endlich erreichte Ziel, mein Trost ist es und könnte mein Glaube werden […] (S. 9f.) Dramatische Sequenz o die in Dialogen und mit Hilfe von Regieanweisungen vom Sterben der Nonnen am Stand des Atlantik berichtet (Kapitel „Beton besichtigen“) Kapitel „Glaube, Hoffnung, Liebe“ o Diktion des Märchens o Ähnlichkeiten mit einer Fuge und an die „Todesfuge“ Paul Celans erinnert  Ein Gedicht, das das Grauen in den Konzentrationslagern der Nazis zur Sprache bringt  Grass kannte Celan auch persönlich

Interpretationen 

Oskar – Der Antiheld o Oskar bricht mit allen Erwartungen, die man an das Handeln und die Gesinnung eines „Helden“ stellt o Vielmehr kann er als ein Gegenentwurf aufgefasst werden, weil er seine besonderen Fähigkeiten ganz auf sich selbst gerichtet einsetzt und er sich mit aller Kraft gegen jede Vereinnahmung durch andere zur Wehr setzt o Dabei zeigt er in seinem Verhalten häufig unmenschliche Züge, die im ersten Moment schockierend und abstoßend wirken o Aber: Aber eine vorschnelle moralische Verurteilung würde das Verständnis des Romans erschweren o Die Wachstumsverweigerung  Um seinen Widerwillen gegen die Welt der Erwachsenen sichtbar zu machen, entscheidet sich Oskar dafür, nicht mehr zu wachsen  Damit legt er den Grundstein für seine bewusst angestrebte Außenseiterposition

In der Maske des Kindes, Kleinwüchsigen, Gnoms fühlt er sich wohl, weil sie ihn vor den gesellschaftlichen Zugriffen, der Erziehung, schützt  Er setzt diese Maske aber auch ein, um sein Überleben zu sichern  Aus der Distanz legt er die Gebrechlichkeit und Unzulänglichkeit der Erwachsenenwelt in aller Schonungslosigkeit offen, ohne sich dabei selbst ein positiver Gegenentwurf zu präsentieren  Er hat eine pessimistische Welt- und Menschensicht  Diese negative Einstellung zum Leben wird im Laufe seiner Kindheit und Jugend immer wieder bestätigt und seine Erfahrungen mit der Welt der Erwachsenen und auch Kinder sind brutal und grausam  Dass die nationalistische Ideologie mit ihrer Fremdenfeindlichkeit und ihrem Rassismus auch das Denken und Handeln der Kinder bestimmt (S.123), erkennt Oskar im Kindergarten  Die Welt der Erwachsenen präsentiert sich kaum besser: Deshalb kann Oskar den Erwachsenen auch keinen Respekt entgegenbringen und fühlt sich ihnen gegenüber überlegen  Im Laufe seiner Biografie wird deutlich, dass er im Vergleich zu vielen Erwachsenen nicht schlechter zu beurteilen ist, weil er zumindest zu seinen Wünschen steht und sie offen auszuleben versucht, statt sie hinter der bürgerlichen Fassade der Anständigkeit zu verstecken  Im Kontext des aufkommenden Nationalsozialismus und seiner Pädagogik der Gleichmacherei und Uniformität ist die Wachstumsverweigerung auch Akt der Selbstbehauptung und der Verteidigung der eigenen Identität zu verstehen  Er grenzt sich vom Menschenbild der Nazis ab  Er entsagt jedem politischen Denken, denn das hieße, vom Glauben an das Gelingen menschlichen Zusammenlebens getragen zu sein  Er lehnt es ab, den Aktionen der Stäuberbande einen antifaschistischen Hintergrund zu verleihen  Dass er die Verweigerungshaltung aufgibt und zu wachsen beginnt, kann vom Entwurf der Persönlichkeit Oskars her betrachtet als Bruch empfunden werden o Die Funktion der Blechtrommel  Oskar ist dazu in der Lage, mit Hilfe einer Kinderblechtrommel Erinnerungen lebendig werden zu lassen  steht in Zusammenhang mit Oskars Fähigkeit, sein Wachstum allein durch seinen Willen einzustellen  Nach der Beerdigung Alfred reift Oskars Entschluss, zu wachsen und Verantwortung für Maria und Kurz zu übernehmen  Auch eine existentielle Bedeutung: Nur mit Hilfe der Blechtrommel kann er überleben 

Oskar, der die zwischenmenschliche Kommunikation verweigert, braucht die Trommel als Dialogpartner und hilft ihm, Vergessenes zu vergegenwärtigen und zu verarbeiten  Ihr kann er Fragen stellen, sich ihr anvertrauen, Gefühle mitteilen, o Oskars dämonischer Einfluss  Die Macht, durch die Trommel verliehen, nutzt er nicht nur zur Selbstbehauptung und Selbstverteidigung, vielmehr sagt er der verlogenen bürgerlichen und auch politischen Ideologie den Kampf an  Es bereitet ihm Freude, in die Rolle des Versuchers zu schlüpfen und die Menschen an ihre eigenen Abgründe zu führen  Oskar sind aber auch Grenzen gesetzt: In der Kirche kann er nicht die Fenster zerstören mit seiner Stimme  Oskars dämonischer Einfluss auf die Menschen zwingt sie nicht zu vollkommen neuen Verhaltensweisen, sondern er legt Teile der Persönlichkeit frei, die bisher verdrängt oder bewusst unterdrückt wurden Das kleinbürgerliche Umfeld Oskars o Das Thema der Verführbarkeit der Menschen lässt sich auch in der Familie und Nachbarschaft Oskars wiederfinden  Dabei muss die Frage gestellt werden, wie die nationalsozialistische Ideologie Einzug in die kleinbürgerliche Welt halten konnte und welche Folgen sich für die jeweiligen Familien ergaben o Die Matzeraths:  Die Welt ist durch Ordnung, Regelmäßigkeit und Langweile geprägt  Agnes‘ Schuld durch den Betrug an Alfred o Die Nachbarn:  Auch die Nachbarn leben eher in einer häuslichen Zweckgemeinschaft als in einer gelungenen Partnerschaft  Hinter der Fassade der wohl anständigen und harmonischen Ehe verbirgt sie sexuelle Frustration, Entfremdung und Einsamkeit  Die Wege, mit diesem Umstand fertig zu werden, sind bei den drei Frauen jedoch jeweils unterschiedlich Das Thema Sexualität o Die Triebgebundenheit lässt sich nicht nur in der kleinbürgerlichen Welt nachweisen, sondern begegnet in den mannigfaltigen Schattierungen und brutalen Varianten auch bei anderen Figuren  So kommt es zur Vergewaltigung der Greff und Lankes verführt die junge Novizin o Die Sexualität erscheint bei den meisten Figuren eine auf Triebbefriedigung ausgerichtete Notdurft zu sein und entsprechend kalt, leidenschaftslos und zynisch wird sie dem Leser präsentiert Analyse der deutschen Vergangenheit und Schuld o Der Roman kreist um Grass‘ Erfahrungen mit Deutschland, v.a. in der Zeit seiner Danziger Kindheit und Jugend...


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