BVerf GE 90, 145 – Cannabis PDF

Title BVerf GE 90, 145 – Cannabis
Course Bundesverfassungsgericht Urteile - Grundsatzentscheidungen
Institution Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Pages 36
File Size 213.5 KB
File Type PDF
Total Downloads 117
Total Views 193

Summary

Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu praxisrelevanten Fällen, die nach der Wiedervereinigung Deutschlands, auftraten. Die Entscheidungen sind selbst Heute noch Klausurrelevant.
Viel Erfolg beim Lernen :-) !...


Description

BVerfGE 90, 145 – Cannabis Bundesverfassungsgericht, Zweiter Senat, Beschluss vom 9. März 1994, BVerfGE 90, 145

1 a) Für den Umgang mit Drogen gelten die Beschränkungen des Art. 2 Abs. 1 GG. Ein "Recht auf Rausch", das diesen Beschränkungen nicht unterliegt, gibt es nicht.

b) Die Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschriften des Rauschmittelgesetzes, die den illegalen Handel mit Cannabisprodukten unter Strafe stellen, ist wie folgt zu prüfen: Die Verfassungsmäßigkeit des strafbewehrten Verbots ist an Art. 2 Abs. 1 zu prüfen; die Verfassungsmäßigkeit der Androhung von Freiheitsentzug ist an Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG zu prüfen.

2 a) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt von einem Entscheidungsträger, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob das gewählte Mittel geeignet ist, den angestrebten Zweck zu erreichen, und ob die mit ihm verbundenen Rechtseinschränkungen auf das notwendige Mindestmaß beschränkt bleiben. In diesem

[146]

Zusammenhang ist es notwendig, sich eine Meinung zu bilden und Prognosen über die Gefahren zu treffen, die dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohen. Bei diesen Abwägungen steht dem Gesetzgeber ein gewisser Ermessensspielraum zu, und die Kontrollmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts sind begrenzt.

b) Bei der Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs in die Rechte des Einzelnen und der Schwere und Dringlichkeit der zur Rechtfertigung des Eingriffs angeführten Erwägungen muss sich der Entscheidungsträger in den Grenzen dessen halten, was dem Verbotsadressaten zugemutet werden kann (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Die Anwendung dieser Prüfung kann dazu führen, dass eine Maßnahme, die an sich geeignet und erforderlich ist, das angestrebte Ziel zu erreichen, nicht angewendet werden darf, weil die damit verbundene Einschränkung der Rechte des Betroffenen den durch die Maßnahme erreichten erhöhten Rechtsgüterschutz deutlich überwiegt, so dass die Anwendung der in Betracht kommenden Maßnahme unverhältnismäßig wäre.

3. Die Strafvorschriften des Rauschmittelgesetzes stellen ein Verhalten unter Strafe, das lediglich der Vorbereitung des Eigenkonsums geringer Mengen Cannabis dient und von dem keine Gefahr für Dritte ausgeht. Soweit sie dies tun, sind sie nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne, weil der Gesetzgeber es den Vollzugsbehörden offen gelassen hat, dem begrenzten Unrechtsgehalt der Tat im Einzelfall dadurch Rechnung zu tragen, dass sie von der Verhängung einer Strafe absehen (§ 29 Abs. 5 Rauschmittelgesetz) oder von der Strafverfolgung absehen (§§ 153 ff. StPO, § 31a Rauschmittelgesetz). In solchen Fällen würde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne die für den Gesetzesvollzug zuständigen Behörden in der Regel dazu verpflichten, von der Verfolgung der in s 31a des Intoxicating Substances Act aufgeführten Straftaten abzusehen.

4. Der Gleichheitsgrundsatz verlangt nicht, dass alle Drogen, die potentiell gleich schädlich sind, in gleicher Weise verboten oder erlaubt werden sollten. Der Gesetzgeber kann den Umgang mit Cannabisprodukten anders regeln als den Umgang mit Alkohol oder Nikotin, ohne gegen die Verfassung zu verstoßen.

...

[148]

Argumentation des Gerichts

A Die zur einheitlichen Entscheidung verbundenen Verfahren betreffen die Frage, ob die Strafvorschriften des Rauschmittelgesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar sind, soweit sie die verschiedenen Formen des illegalen Handels mit Cannabisprodukten unter Strafe stellen.

I Das Gesetz über den Verkehr mit berauschenden Mitteln (Rauschmittelgesetz) vom 28. Juli 1981 (BGBl. I S. 681 mit Berichtigungen auf S. 1187) ist mehrfach geändert worden. In den Detailregelungen der §§ 3 bis 28 unterwirft es den Umgang mit Drogen einer umfassenden staatlichen Regulierung. Grundsätzlich gilt, dass jede Art des Handels mit Drogen einer behördlichen Erlaubnis bedarf (§ 3 des Gesetzes). Der Handel ohne eine solche Lizenz ist verboten. Eine solche behördliche Erlaubnis, zusammen mit den gesetzlichen Ausnahmen vom Erfordernis einer Erlaubnis,

[149]

unterscheidet den legalen Handel mit Drogen vom illegalen Handel. Das Gesetz gilt nur für solche Stoffe und Zubereitungen, die darin ausdrücklich aufgeführt sind. Diese sind in den Anhängen I bis III des Gesetzes aufgeführt (§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Gesetzes). In diesen Listen unterscheidet das Gesetz zwischen Stoffen, mit denen nicht gehandelt werden darf (Liste I), Stoffen, mit denen gehandelt werden darf, die aber nicht an Patienten verschrieben werden dürfen (Liste II) und Arzneimitteln, die sowohl gehandelt als auch verschrieben werden dürfen (Liste III). Für die in Schedule I aufgeführten Drogen, d.h. solche, mit denen überhaupt nicht gehandelt werden darf, kann eine Erlaubnis nur in Ausnahmefällen für wissenschaftliche Zwecke oder andere Zwecke im öffentlichen Interesse erteilt werden (s 3 Abs. 2 des Gesetzes). Zu den in Schedule I aufgeführten Drogen gehören:

Cannabis (Marihuana) - Pflanzen und Pflanzenteile, die zur Art Cannabis gehören - mit Ausnahme von a) deren Samen

b) wenn sie als Schutzstreifen beim Anbau von Rüben gepflanzt und vor der Blüte vernichtet werden.

c) wenn der Handel (mit Ausnahme des Anbaus) zum Zweck der Erzeugung oder Verarbeitung der Faser zu gewerblichen Zwecken erfolgt

Cannabisharz (Haschisch) - Das abgetrennte Harz von Pflanzen, die zur Art Cannabis gehören Tetrahydrocannabinol (THC) - Tetrahydro-6, 6, 9-trimethyl-3tentylbenzo(c)chromen-1-ol (der in Marihuana und Haschisch enthaltene Wirkstoff, der den Rauschzustand erzeugt) Der illegale Handel mit Drogen wird in den §§ 29 ff des Intoxicating Substances Act umfassend bestraft. In der geänderten Fassung des Gesetzes, die vor dem 28. Februar 1994 in Kraft war, lauten die Bestimmungen, soweit sie relevant sind, wie folgt:

[150]

s 29 - Straftaten

(1) Mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren kann belegt werden, wer:

1. Drogen anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt, ohne eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 zu haben, oder sie, ohne mit ihnen Handel zu treiben, einführt, ausführt, in den Besitz übergibt, liefert oder sonst in den Verkehr bringt; oder sie erwirbt oder sich auf andere Weise verschafft.

2. ....

3. Drogen besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erworben zu haben

4. ...

5. Führt entgegen s 11 Abs. 1 Satz 2 Drogen durch das Land.

s 29a - Straftaten

(1) Mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ist zu bestrafen, wer:

1.....

2. 2. ohne eine nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 erteilte Erlaubnis mit nicht geringen Mengen von Betäubungsmitteln handelt oder ohne sie aufgrund einer nach § 3 Abs. 1 erteilten Erlaubnis erlangt zu haben, nicht geringe Mengen von Betäubungsmitteln herstellt oder besitzt oder in seinen Besitz bringt.

(2) In minder schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu verhängen.

s 30 - Straftaten

(1) Mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren ist zu bestrafen, wer:

...

4. Betäubungsmittel in nicht geringer Menge ohne eine nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 erteilte Erlaubnis einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

Bis zur Änderung des Rauschmittelgesetzes durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Betäubungsmitteln und anderer Formen der organisierten Kriminalität (Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität) vom 15. Juli 1992 (BGBl. I S. 1302), das am 22. September 1992 in Kraft trat, betrug die Höchststrafe in § 29 Rauschmittelgesetz nur vier Jahre. Außerdem war der illegale Handel mit nicht unerheblichen Mengen von Rauschgift noch

[151]

Außerdem wurde der illegale Handel mit nicht unerheblichen Mengen immer noch [151] nach s 29 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 4 Rauschgiftgesetz (unveränderte Fassung) behandelt und nicht nach s 29a, der durch das Gesetz vom 15. Juli 1992 neu geschaffen wurde. s 29 Abs. 3 hatte folgenden Wortlaut:

(3) In besonders schweren Fällen soll die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr betragen. In der Regel liegt ein besonders schwerer Fall vor, wenn der Angeklagte

...

4. mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge handelt oder Betäubungsmittel in nicht geringer Menge besitzt oder liefert.

Das Rauschmittelübereinkommens-Ausführungsgesetz vom 2. August 1993 (Bekanntmachung vom 23. Februar 1994, BGBl. I S. 342) ist am 28. Februar 1994 in Kraft getreten. Es setzt dasUN -Übereinkommen gegen den unerlaubten Handel mit berauschenden und psychotropen Stoffen vom 20. Dezember 1988 um. Dieses Gesetz ersetzt in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

Rauschmittelgesetz die Worte "ohne Erlaubnis im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1" durch das Wort "illegal". Außerdem werden in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Rauschmittelgesetz die Wörter "ohne gleichzeitig im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein" durch die Wörter "ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erworben zu haben" ersetzt.

II. ... [Sachverhalt der verschiedenen Verfahren]

III. ... [163] ... [Übersicht über die im Auftrag verschiedener Behörden vorgelegten Rechtsgutachten zum Thema]

B [166] ... [prüft, ob das Gericht für die Angelegenheit zuständig ist]

... [171]

C Die zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegten Strafvorschriften des Rauschmittelgesetzes sind, soweit das Gericht zu ihrer Prüfung befugt ist, mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Strafzumessung für den illegalen Handel mit Cannabisprodukten, insbesondere Haschisch, verstößt daher weder gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 noch gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Es verstößt grundsätzlich auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Der Antrag, das Gesetz für verfassungswidrig zu erklären, scheitert in der Sache.

I 1. Die Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschriften des Rauschmittelgesetzes, die den illegalen Handel mit Cannabisprodukten unter Strafe stellen, ist wie folgt zu prüfen: Die Verfassungsmäßigkeit des strafbewehrten Verbots ist an

Art. 2 Abs. 1 zu prüfen; die Verfassungsmäßigkeit der Strafandrohung ist an Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG zu prüfen.

Art. 2 Abs. 1 GG schützt jede Form menschlicher Betätigung ohne Rücksicht auf die Bedeutung der Betätigung für die Entwicklung des Menschen (vgl. BVerfGE 80, 137, 152). Allerdings ist nur der innere Kern des Rechts auf Selbstbestimmung über das eigene Leben einem absoluten Schutz und damit Eingriffen der öffentlichen Gewalt entzogen (vgl. BVerfGE 6, 32, 41; BVerfGE 54, 143, 146; BVerfGE 80, 137, 153). Der Umgang mit Drogen und insbesondere der Akt des freiwilligen Rauschtrinkens kann wegen der zahlreichen unmittelbaren und mittelbaren Folgen für die Gesellschaft nicht zu diesem absoluten Kern gerechnet werden. Außerhalb dieses Kerns ist das allgemeine Recht auf Handlungsfreiheit nur in den Grenzen des zweiten Halbsatzes des Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet. Das bedeutet, dass es den Schranken unterliegt, die ihm durch die verfassungsmäßige Ordnung des Grundgesetzes gesetzt sind (vgl. BVerfGE 80, 137, 153).

[172]

Diese Formulierung bezieht sich auf jede Rechtsnorm, die nach Form und Inhalt mit der Verfassung vereinbar ist (BVerfGE 6, 32ff in wiederholter Anwendung durch dieses Gericht). Beschränkungen des allgemeinen Freiheitsrechts, die auf solchen Rechtsnormen beruhen, sind kein Eingriff in das in Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Recht (vgl. BVerfGE 34, 369, 378 f.; BVerfGE 55, 144, 148). Es gibt also kein "Recht auf Rausch", das diesen Beschränkungen nicht unterliegt.

Was den Inhalt von Beschränkungen betrifft, so ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mangels ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Garantien der allgemeine verfassungsrechtliche Maßstab für die Entscheidung, inwieweit das Freiheitsrecht beschränkt werden darf (vgl. BVerfGE 75, 108, 154 f.; BVerfGE 80, 137, 153). Dieser Grundsatz gewinnt bei der Betrachtung einer Strafvorschrift noch größere Bedeutung, da eine solche Vorschrift die schärfste Sanktionsmöglichkeit des Staates darstellt. Sie ist damit Ausdruck der sozialen und ethischen Missbilligung einer bestimmten Handlung einer Privatperson (vgl. BVerfGE 25, 269, 286; BVerfGE 88, 203, 258).

Ist Freiheitsentzug eine mögliche Strafe, so ermächtigt das Gesetz zu einem Eingriff in das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG garantierte Grundrecht auf Freiheit der Person. Die als "unverletzlich" bezeichnete Freiheit der Person ist ein Rechtsgut von solchem Gewicht, dass in sie auf Grund von Art. 2 Abs. 2 Satz 3 nur eingegriffen werden darf, wenn besonders gewichtige Gründe dafür vorliegen. Abgesehen davon, dass solche Eingriffe unter Umständen in Betracht kommen können, wenn sie darauf gerichtet sind, den Betroffenen davor zu bewahren, sich selbst einen schweren persönlichen Schaden zuzufügen (vgl. BVerfGE 22, 180, 219; BVerfGE 58, 208, 224; BVerfGE 59, 275, 278; BVerfGE 60, 123, 132), sind Beschränkungen grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Schutz anderer oder des öffentlichen Interesses sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfordert.

Nach diesem Grundsatz muss ein Gesetz, das Grundrechte einschränkt, sowohl geeignet sein, den mit ihm verfolgten Zweck zu erreichen, als auch dazu erforderlich sein. Geeignet ist ein Gesetz, wenn mit seiner Hilfe das angestrebte Ergebnis gefördert werden kann. Erforderlich ist es, wenn der Gesetzgeber kein anderes Mittel hätte wählen können, das ebenso wirksam gewesen wäre, das aber die Grundrechte weniger oder gar nicht beeinträchtigt hätte (BVerfGE 30, 292, 316; BVerfGE 63, 88, 115; BVerfGE 67, 157, 176).

[173]

Bei der Urteilsbildung darüber, ob das gewählte Mittel zur Erreichung der angestrebten Ziele geeignet und erforderlich ist, steht dem Gesetzgeber ein gewisser Ermessensspielraum zu. Gleiches gilt für die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Abschätzung und Prognose der Gefahren, die anderen Personen oder dem Gemeinwohl drohen. Die Ausübung dieses Ermessens kann das Bundesverfassungsgericht nur begrenzt überprüfen, wobei der genaue Umfang von der Art der in Frage stehenden Materie, der Möglichkeit einer hinreichend klaren Meinungsbildung und der Art der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter abhängt (vgl. BVerfGE 77, 170, 215; BVerfGE 88, 203, 262).

Darüber hinaus muss der Entscheidungsträger bei der Abwägung der Schwere des Verstoßes mit der Bedeutung und Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gesichtspunkte die Grenzen dessen berücksichtigen, was dem Einzelnen, an den sich das Verbot richtet, zugemutet werden kann (vgl. BVerfGE 30, 292, 316; BVerfGE 67, 157, 178; BVerfGE 81, 70, 92). Die Maßnahme darf sie nicht unverhältnismäßig belasten (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) (vgl. BVerfGE 48, 396, 402; BVerfGE 83, 1, 19).

Der Grundsatz, dass es keine Strafe ohne Schuld geben darf, hat seine Wurzeln in Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 45, 187, 228). Für die staatliche Strafzumessung bedeutet dies zusammen mit dem aus dem Freiheits- und Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Schwere der Tat und das Verschulden des Täters in einem gerechten Verhältnis zur verhängten Strafe stehen müssen. Art und Ausmaß der Strafe dürfen nicht von vornherein in einem Missverhältnis zu dem zu bestrafenden Verhalten stehen. Die Tat und ihre Rechtsfolgen müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (vgl. BVerfGE 54, 100, 108 und zahlreiche andere Entscheidungen).

Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, nach pflichtgemäßer Abwägung der konkreten Situation zu bestimmen, welche Verhaltensweisen im Einzelfall strafbar sein sollen. Das Bundesverfassungsgericht kann nicht prüfen, ob die Entscheidung des Gesetzgebers gerade der geeignetste, vernünftigste oder gerechteste Weg zur Lösung des fraglichen Problems war. Es hat lediglich zu prüfen, ob die Strafvorschrift inhaltlich mit den Vorgaben der Verfassung vereinbar ist und mit den Grundwerten des Grundgesetzes und den ungeschriebenen Grundsätzen, die der Verfassung zugrunde liegen, übereinstimmt (vgl. BVerfGE 80, 244, 255 mit weiteren Hinweisen zu diesem Punkt).

[174]

2 a) Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Rauschmittelgesetz in seiner jetzigen Fassung wie in den früheren Fassungen das Ziel, die Gesundheit sowohl des Einzelnen als auch der Bevölkerung insgesamt vor den Gefahren zu schützen, die von Drogen ausgehen. Es soll auch verhindert werden, dass die Bevölkerung, insbesondere die Jugend, in die Abhängigkeit von Drogen gerät (vgl. die Begründung der Regierung bei der Einführung der

Rauschmittelgesetze von 1971 und 1981 BRDrucks. 665/70 (neu) Seite 2 und BRDrucks. 8/3551 Seite 23 ff). Diesem Zweck dienen auch die strafrechtlichen Bestimmungen des Rauschmittelgesetzes. Um diesen Zweck zu erreichen, stellt der Gesetzgeber nicht nur ein Verhalten unter Strafe, das eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit des Einzelnen darstellt. Vielmehr zielt er darauf ab, das gesellschaftliche Zusammenleben so zu steuern, dass es vor den sozialschädlichen Auswirkungen des Umgangs mit Drogen geschützt wird. Diese können auch durch die sogenannte weiche Droge Cannabis entstehen: Sie hat den Effekt, dass vor allem junge Menschen an Drogen herangeführt werden. Durch sie werden sie an berauschende Substanzen gewöhnt. Die Persönlichkeitsbildung von Jugendlichen und Heranwachsenden kann gehemmt werden. Das Ziel des Gesetzes ist inzwischen durch die internationale Konvention erheblich erweitert worden. Die Vereinten Nationen haben insbesondere in der "Intoxicating Substances Convention" von 1988 jede Art des Umgangs mit Drogen - auch mit Cannabis - als strafwürdig anerkannt. Begründet wird dies damit, dass die Herstellung von Rauschmitteln und psychotropen Substanzen und der illegale Handel mit solchen Substanzen "die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen ernsthaft bedrohen und die wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Grundlagen der Gesellschaft schädigen." (Präambel der Rauschmittelkonvention von 1988.) Insbesondere wird in der Konvention darauf hingewiesen, dass der illegale Handel mit Rauschmitteln und psychotropen Substanzen Kinder als Konsumenten ausbeutet und das organisierte Verbrechen fördert, "das die legale Wirtschaft untergräbt und die Stabilität, Sicherheit und Souveränität der Staaten bedroht". Darüber hinaus führt er zu

[175]

hohen finanziellen Gewinnen und Reichtum, die es internationalen kriminellen Organisationen ermöglichen, legitime Handels- und Finanzaktivitäten, die Strukturen des Staates und die Gesellschaft im Allgemeinen auf allen Ebenen zu durchdringen, zu vergiften und zu korrumpieren". Die Vereinten Nationen sind daher entschlossen, die grundlegenden Ursachen dieses Missbrauchs durch internationale Zusammenarbeit zu beenden. Zu diesen Ursachen gehören "die illegale Nachfrage nach solchen Substanzen und die massiven Gewinne aus dem illegalen Handel." Die europäischen Staaten, innerhalb deren Grenzen kaum Drogen produziert werden, haben sich damit verpflichtet, vor allem die Nachfrage nach Drogen zu bekämpfen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich dieser Gefahreneinschätzung durch die

Verabschiedung des Rauschmittelübereinkommens-Durchführungsgesetzes und die anschließende Ratifizierung der Konvention angeschlossen und diese Einschätzung zur Grundlage ihrer vertraglichen Verpflichtung gemacht, den Handel mit Drogen mit strafrechtlichen Mitteln zu bekämpfen. Im Lichte dieser Konvention ist das Rauschmittelgesetz zugleich der Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur internationalen Kontrolle von Drogen und psychotropen Stoffen und des Handels mit diesen Stoffen. Es ist der deutsche Beitrag zur Bekämpfung des illegalen Marktes für Drogen und der daran beteiligten kriminellen Organisationen. Dies ist die gemeinsame Aufgabe der in den Vereinten N...


Similar Free PDFs