BVerf GE 30, 173 – Mephisto PDF

Title BVerf GE 30, 173 – Mephisto
Course Bundesverfassungsgericht Urteile - Grundsatzentscheidungen
Institution Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Pages 5
File Size 106.8 KB
File Type PDF
Total Downloads 32
Total Views 153

Summary

Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu praxisrelevanten Fällen aus den 70er Jahren. Die Entscheidungen sind selbst Heute noch Klausurrelevant.
Viel Erfolg beim Lernen :-) !...


Description

BVerfGE 30, 173 – Mephisto Bundesverfassungsgericht (Erster Senat) 24. Februar 1971 BVerfGE 30, 173 Gründe Der Beschwerdeführer begehrt die verfassungsrechtliche Überprüfung der vom Adoptivsohn und Alleinerben des Schauspielers und Theaterregisseurs Gustaf Gründgens erwirkten einstweiligen Verfügung gegen den Druck, den Vertrieb oder die Veröffentlichung eines Buches von Klaus Mann mit dem Titel Mephisto, ein Roman, oder wie man in der Welt zurechtkommt. Der Autor verließ 1933 Deutschland und veröffentlichte den Roman 1936 in Amsterdam (Querido Verlag). Sieben Jahre nach seinem Tod im Jahr 1949 wurde er in der DDR veröffentlicht. Der Roman schildert den Aufstieg des Hendrik Höfgen, eines begabten Schauspielers, der, um als Künstler Karriere zu machen, im Einverständnis mit den Nazis seine wahre politische Gesinnung verleugnet und sich über alle menschlichen und ethischen Erwägungen hinwegsetzt. Die psychologischen, intellektuellen und soziologischen Faktoren, die eine solche Karriere ermöglichten, werden dargelegt. Vorbild für Hendrik Höfgen war der Schauspieler Gustaf Gründgens, einer der Hamburger Kammerspieler der 1920er Jahre, der mit Klaus Mann befreundet und kurzzeitig mit dessen Schwester Erika verheiratet war. Gründgens und sein Werdegang spiegeln sich in zahlreichen Charakteristika von Hendrik Höfgen wider, etwa in seiner körperlichen Erscheinung, den Stücken, in denen er mitspielte, und seinen Ernennungen zum Staatsrat und Generalintendanten des Preußischen Staatstheaters. Über die Beziehung zwischen dem fiktiven Höfgen und dem realen Gründgens schrieb Klaus Mann in The Turning Point (New York, 1942): Ich stelle mir meinen Ex-Schwager als den Verräter par excellence vor, die makabre Verkörperung von Korruption und Zynismus. Die Faszination seines schändlichen Ruhms war so groß, dass ich beschloss, Mephisto-Gründgens in einem satirischen Roman darzustellen. Ich hielt es für angebracht, ja sogar für notwendig, den elenden Typus des verräterischen Intellektuellen, der sein Talent um eines schnöden Ruhmes und vergänglichen Reichtums willen prostituiert, zu entlarven und zu analysieren. Gustaf war nur einer von vielen - sowohl in der Realität als auch in der Komposition meiner Erzählung. Er diente mir als Brennpunkt, um den ich die erbärmliche und ekelerregende Schar der kleinen Aufsteiger und Gauner kreisen lassen konnte. In der überarbeiteten Fassung, die I 948 in' Deutschland erschien (Der Wendepunkt), finden wir auf S. 334: Das dritte Buch, das während meines Exils, 1936, erschien, Mephisto, handelt von einer unsympathischen Figur. Warum habe ich es geschrieben? Der Schauspieler, den ich darstelle, hat zwar Talent, aber sonst nicht viel zu bieten. Er hat keine jener moralischen Qualitäten, die das ausmachen, was man gemeinhin als "Charakter" bezeichnet. Statt "Charakter" hat Hendrik Höfgen nur Ehrgeiz, Eitelkeit, Geltungsdrang und Effektsucht. Er ist kein Mensch, sondern ein Poseur. War eine solche Figur es wert, dass man über sie einen Roman schreibt? Ja, in der Tat. Denn der Poseur repräsentiert und symbolisiert das Regime, posierend, falsch und unrealistisch. In einem Staat, der von Lügnern und Heuchlern geführt wird, hat der Schauspieler eine triumphale Rolle. Mephisto ist die Geschichte einer Karriere im Dritten Reich. In einer scharfsinnigen Rezension in Das Neue Tagebuch von 1937 meinte Herman Kesten zu Recht, dass der Autor vielleicht einen echten Schauspieler unter den blutigen Amateuren im Horrorstück zeigen wollte. Er fuhr fort: Der Autor geht noch weiter: Er gibt uns ein Paradigma des "Mitläufers", einen der Millionen von Kleinkriminellen, die selbst kein großes Verbrechen begehen, sondern mit Mördern zusammenarbeiten,

nicht Haupt-, sondern Nebenbeteiligte sind; sie töten nicht, sondern verbergen die Leiche, und um mehr zu bekommen, als sie verdienen, lecken sie das Blut der Unschuldigen von den Stiefeln der Mächtigen. Diese Heerscharen kleinlicher Speichellecker und Stiefellecker sind die Stütze der Mächtigen.' Das ist genau der Typ, den ich zeichnen wollte: Ich hätte meine Absichten selbst nicht besser ausdrücken können. Mephisto ist nicht, wie manche Leute behauptet haben, ein Roman-à-clef. Der berüchtigt brillante und zynisch rücksichtslose Draufgänger, der die zentrale Figur meiner Satire ist, mag gewisse Züge mit einem gewissen realen Schauspieler gemeinsam haben, der angeblich noch unter uns weilt. Ist meine Figur Stadtrat und Generaldirektor Höfgen ein Porträt des Jugendfreundes, Stadtrat und Generaldirektor Gründgens? Nicht ganz. Es gibt viele Unterschiede zwischen Höfgen und meinem einstigen Schwager. Aber selbst wenn die Figur näher am Original wäre, als sie ist, ist Gründgens nicht der "Held" meines Traktats für die Zeit, denn es geht gar nicht um eine Person, sondern um den Typus. Andere hätten ebenso gut als Vorbild dienen können. Meine Wahl fiel auf Gründgens nicht, weil er besonders schrecklich war (er war sogar besser als manch anderes Idol des Dritten Reiches), sondern einfach, weil ich ihn zufällig gut kannte. Gerade unsere frühere Bekanntschaft war es, die mich dazu brachte, aus der unglaublichen, faszinierenden und phantastischen Geschichte seines Aufstiegs und Falls einen Roman zu machen. Im August 1963 kündigte er die Veröffentlichung von Mephisto an, und der Adoptivsohn und Alleinerbe von Gustaf Gründgens, der im Oktober 1963 starb, erhob Klage. In der Klage wurde behauptet, dass jeder, der mit dem deutschen Theater der 1920er und 1930er Jahre überhaupt vertraut sei, Höfgen mit Gründgens in Verbindung bringen würde; dass der Roman neben vielen erkennbaren Tatsachen viele verletzende Fiktionen enthalte, die dazu beitrügen, ein falsches und höchst abfälliges Bild von Gründgens' Charakter zu vermitteln. Der Roman sei kein Kunstwerk, sondern ein Schundroman, der geschrieben worden sei, um die von Gründgens als unehrenhaft empfundene Ehe mit Manns Schwester Erika zu rächen. Der Kläger begehrte die Unterlassung der Vervielfältigung, Verbreitung und Veröffentlichung des Mephisto bei Strafe. Die Klage wurde vom Landgericht Hamburg abgewiesen. Daraufhin veröffentlichte der Kläger im September 1965 den Roman mit einem Vorwort, in dem es hieß: "Alle Figuren in diesem Roman sind Typen, keine Porträts. K.M.' Am 23. November 1965 erwirkte der Kläger beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg eine einstweilige Verfügung, in der das folgende Vorwort aufgenommen wurde: AN DEN LESER Klaus Mann schrieb diesen Roman 1936 in Amsterdam, nachdem er Deutschland aus Gewissensgründen freiwillig verlassen hatte. Darin gibt er, beseelt von seinem Hass auf die Hitler-Diktatur, einen kritischen Blick auf die zeitgenössischen Verhältnisse im deutschen Theater. Obwohl Ähnlichkeiten mit realen Personen der Zeit nicht zu leugnen sind, entstammen die Figuren in erster Linie der Phantasie des Autors. Das gilt insbesondere für die Hauptfigur, deren Verhalten und Überzeugungen jedenfalls weitgehend imaginär sind. Aus diesem Grund hat der Autor dem Buch die Erklärung vorangestellt: "Alle Figuren in diesem Werk sind Typen, keine Porträts. Der Gerichtshof hat zu prüfen, ob die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen bei der Anwendung der Regeln des Privatrechts die Bedeutung der Grundrechte, deren Verletzung der Beschwerdeführer rügt, verkannt oder die Grundrechte selbst verletzt haben [Verweise]. Solche verfassungsrechtlichen "Nebenwirkungen" hängen vor allem von der Reichweite des Rechts auf Kunstfreiheit (Art. 5 III, I GG) und des Rechts auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 I GG) ab, insbesondere vom Verhältnis dieser Rechte zu dem durch diese Entscheidungen gewährten Schutz der Persönlichkeit des verstorbenen Gustaf Grilndgens nach Art. I I und III, I GG. Art. 5 III I GG erklärt, dass neben Wissenschaft, Forschung und Lehre auch die Kunst frei ist. Nach ihrem Wortlaut und ihrer Intention ist die Garantie in Art. 5 III I GG ist nach ihrem Wortlaut und ihrer Intention eine objektiv-wertgebundene Grundnorm, die das Verhältnis zwischen Kunst und Staat regelt. Sie garantiert auch die individuelle Freiheit des Künstlers. i. Der Bereich der "Kunst" muss durch die besonderen Strukturmerkmale des künstlerischen Unternehmens bestimmt werden. Das Wesen der künstlerischen Betätigung liegt im freien schöpferischen Prozess, in dem der Künstler in dem von ihm gewählten kommunikativen Medium dem, was er gefühlt, gelernt oder erlebt hat, eine unmittelbar wahrnehmbare Form gibt. Die künstlerische Tätigkeit bezieht sowohl das Bewusste als

auch das Unbewusste in einer Weise ein, die rational nicht trennbar ist. Intuition, Vorstellungskraft und Wissen um die Kunst spielen beim künstlerischen Schaffen eine Rolle; es ist nicht so sehr Kommunikation als vielmehr Ausdruck, ja der unmittelbarste Ausdruck der Individualität des Künstlers. Die garantierte Freiheit umfasst das künstlerische Schaffen sowohl in Bezug auf das geschaffene Werk als auch in Bezug auf die von ihm ausgehende Wirkung. Die beiden bilden eine untrennbare Einheit. Für die Kunst als das spezifisch künstlerische Unternehmen sind die Ausstellung und die Verbreitung des Werkes ebenso wichtig wie dessen Entstehung; ja, der "Wirkungsbereich", der öffentliche Zugang zum Kunstwerk, ist der Boden, auf dem Art. 5 III GG verankert ist. Ein Rückblick auf die Kunstpolitik des NS-Regimes zeigt, dass die bloße Gewährleistung der Individualrechte von Künstlern die Freiheit der Kunst nicht sichern kann: Das Grundrecht würde sich als hohl erweisen, wenn es sich nicht vom persönlichen Bereich des Künstlers auf den Wirkungsbereich erstreckt. 2. Es ist hier nicht möglich, den Umfang der verfassungsrechtlichen Garantie der Kunstfreiheit in all ihren verschiedenen Ausprägungen erschöpfend zu definieren. Sie ist für den vorliegenden Fall auch nicht erforderlich, da es in den Vorinstanzen, zwischen den Parteien und wohl auch in der Fachwelt unstreitig ist, dass es sich bei dem fraglichen Roman um ein Kunstwerk handelt. Wir können uns daher auf die Faktoren konzentrieren, die für die Beurteilung eines Werkes der Erzählkunst relevant sind, das durch die Verarbeitung von realen Ereignissen die Gefahr birgt, mit den Rechten und Interessen der dargestellten Personen in Konflikt zu geraten. Indem der Künstler reale Ereignisse in ein Kunstwerk einbringt, "erschafft" er sie neu, denn er löst sie aus ihrem tatsächlichen Kontext heraus und setzt sie in einen neuen Rahmen, der eher von seiner Sorge um eine eindrucksvolle Darstellung als von ihrer eigenen Aktualität beherrscht wird. Die künstlerische Einheit kann, und muss manchmal, die Wahrheit des Geschehens überlagern. Die Aufgabe und der Zweck von Art. 5 III, I GG ist es vor allem, Schutz vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt in spezifisch künstlerische Unternehmungen, Handlungen und Entscheidungen zu geben. Man kann, ohne die freie Entfaltung des künstlerischen Schaffens zu behindern, dem Künstler nicht vorschreiben, wie er auf die Wirklichkeit zu reagieren oder seine Reaktionen auf die Wirklichkeit wiederzugeben hat. Der Künstler ist der alleinige Richter über die "Richtigkeit" seiner Reaktion. Insofern bedeutet die Garantie der Kunstfreiheit, dass man nicht versuchen darf, die Art und Weise, wie der Künstler vorgeht, das Material, das er auswählt, oder die Art und Weise, wie er es behandelt, zu beeinflussen, und schon gar nicht versuchen darf, den Bereich, in dem er agieren darf, einzuschränken oder allgemeine Regeln für den kreativen Prozess festzulegen. Für erzählende Kunstwerke bedeutet die verfassungsrechtliche Garantie, dass der Künstler frei sein muss in der Wahl und Behandlung seines Themas, frei von Versuchen des Staates, den Bereich der spezifisch künstlerischen Beurteilung durch Regeln oder verbindliche Werturteile einzuschränken. Dies gilt auch, ja gerade dann, wenn sich der Künstler mit tatsächlichen Ereignissen auseinandersetzt: Die "engagierte Kunst" ist von der verfassungsrechtlichen Garantie nicht ausgenommen. 3. Art. 5 III, I GG ist eine umfassende Garantie der Freiheit der künstlerischen Betätigung. Soweit also Vermittlungsleistungen erforderlich sind, um Beziehungen zwischen Künstler und Publikum herzustellen, sind auch sie von der Verfassungsgarantie geschützt. Da ein Produkt der Erzählkunst vervielfältigt, verbreitet und veröffentlicht werden muss, um in der Öffentlichkeit zu wirken, ist die Mittlerfunktion des Verlegers unverzichtbar, so dass sich die verfassungsrechtliche Gewährleistung auch auf seine Tätigkeit erstreckt. Damit kann sich der Beschwerdeführer als Verleger des Romans auf das Grundrecht aus Art. 5 III, I GG berufen (vgl. auch BVerfGE 10, 118, (121); 12, 205 (260) zur Pressefreiheit). 4. Art. 5 III I GG ist aufgrund seiner besonderen Ausgestaltung und Regelung absolut gewährleistet. 5 III, I GG ist absolut. Der klare Wortlaut dieser Vorschrift verbietet jeden Versuch, sie einzuschränken, sei es durch eine wertende Verengung des Kunstbegriffs, sei es durch eine Ausweitung oder Berufung auf die für andere Verfassungsbestimmungen geltenden Schranken. Der Bundesgerichtshof hat zu Recht festgestellt, dass Art. 5 II GG, der die Grundrechte aus Art. 5 I hier unanwendbar ist. Die verschiedenen Garantien des Art. 5 GG sind systematisch getrennt, und dies zeigt, dass die Beschränkungen des Art. 5 II nicht auf den Bereich des Art. 5 III, da Art. 5 III eine lex specialis im Verhältnis zu Art. 5 I. Es ist auch nicht akzeptabel, Teile eines erzählenden Kunstwerks abzutrennen, sie als Meinungsäußerungen unter Art. 5 I zu bezeichnen und dann auf sie die Schranken des Art. 5 II. Auch die travaux préparatoires des Art. 5 III stützen die Auffassung, dass die Verfasser des Grundgesetzes die Kunstfreiheit als eine Unterart der Meinungsfreiheit angesehen haben.

Man kann auch nicht annehmen, dass die Kunstfreiheit nach Art. 2 I, 2 GG durch die Rechte anderer, durch die verfassungsmäßige Ordnung oder durch das Sittengesetz eingeschränkt wird. Eine solche Auffassung wäre unvereinbar mit der ständigen Rechtsprechung dieses Gerichts, dass Art. 2 I GG subsidiär und die einzelnen Freiheitsrechte in einer Weise spezialisierend sind, die eine Ausdehnung des Gemeinschaftsvorrangs des Art. 2 I, 2 GG im Lichte der Anwendung des Art. 2 I GG AUSSCHLIESST. Diese Einschränkungen gelten auch nicht für den Wirkungsbereich von Kunstwerken. 5. Dennoch gibt es Grenzen dieser Freiheit. Die Freiheit, die in Art. 5 III I GG verankerte Freiheit wurzelt wie alle Grundrechte im verfassungsrechtlichen Menschenbild der freien Entfaltung des Menschen in der Gesellschaft [Hinweise]. Der Absolutheitscharakter der Kunstfreiheitsgarantie bedeutet, dass ihre Grenzen nur in der Verfassung selbst zu finden sind. Die Freiheit der Kunst unterliegt nicht dem bloßen Gesetz, sie kann nicht durch die allgemeine Rechtsordnung qualifiziert werden oder irgendeiner vagen Klausel über wesentliche Interessen von Staat und Gesellschaft ausgeliefert sein, die einer verfassungsrechtlichen Grundlage entbehrt und nicht rechtsstaatlich geregelt ist. Ergibt sich aus der Kunstfreiheitsgarantie ein Konflikt, so ist dieser durch Auslegung im Sinne der Werteordnung des Grundgesetzes und im Einklang mit der ihm zugrunde liegenden einheitlichen Wertordnung aufzulösen. Als Teil dieser Grundrechtsordnung steht die Freiheit der Kunst im Einklang mit der Würde des Menschen, die durch Art. I GG garantierten Würde des Menschen, dem obersten und beherrschenden Wert der gesamten Grundrechtsordnung (BVerfGE 6, 32 [41]; 27, I [6]). Angesichts der Wirkung, die ein Kunstwerk auf die gesellschaftliche Ebene haben kann, kann die Garantie der Kunstfreiheit in Konflikt mit dem ebenfalls von der Verfassung geschützten Bereich der menschlichen Persönlichkeit geraten. Der Anspruch einer Person auf Achtung und Wertschätzung kann dadurch beeinträchtigt werden, dass ein Künstler Details des Charakters und des Werdegangs tatsächlicher Personen verwendet, da ein solches Werk nicht nur eine ästhetische Realität ist, sondern auch im Bereich sozialer Tatsachen existiert und die sozialen Wirkungen nicht dadurch aufgehoben werden, dass sie künstlerisch umgestaltet werden. Solche sozialen Wirkungen finden zwar neben den künstlerischen Wirkungen statt, sind aber im Hinblick auf den Umfang der Garantie des Art. 5 III, I GG geprüft werden, da im Kunstwerk die "reale" und die "ästhetische" Welt vereint sind. 6. Die Vorinstanzen haben sich in diesem Zusammenhang zu Recht auf Art. I I GG bei der Beurteilung seiner Schutzwirkung für den Persönlichkeitsbereich des verstorbenen Schauspielers Gustaf Gründgens herangezogen. Es wäre mit dem Verfassungsauftrag der Unantastbarkeit der Menschenwürde, die allen Grundrechten zugrunde liegt, unvereinbar, wenn eine Person nach ihrem Tod herabgesetzt und verunglimpft werden könnte. Dementsprechend beendet der Tod eines Menschen nicht die Pflicht des Staates aus Art. I I GG, ihn vor Angriffen auf seine Menschenwürde zu schützen. Darüber hinaus haben der Bundesgerichtshof und das Oberlandesgericht festgestellt, dass Art. 2 I GG auch im Privatrecht ausstrahlende Schutzwirkungen für Gründgens habe, wenn auch in einem durch seinen Tod abgeschwächten Maße. Dies steht aber nur einer lebenden Person zu: Das Persönlichkeitsrecht kann den Tod nicht überdauern. Eine wesentliche Voraussetzung des Grundrechts aus Art. 2 I GG ist die Existenz einer zumindest potentiellen oder zukünftigen Person. Es ist unerheblich, dass eine Person zu Lebzeiten davon betroffen sein kann, wie die Rechtslage nach ihrem Tod sein wird, was der Bundesgerichtshof allerdings abgewogen hat. Es ist keine Aushöhlung der durch Art. 2 I GG garantierte Handlungsfreiheit und Selbstbestimmung, wenn man meint, dass der Schutz der Persönlichkeit mit dem Tod erlischt. 7. Die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen dem Schutz der Persönlichkeit und dem Recht auf Kunstfreiheit kann nicht allein von den "sozialen" Wirkungen eines Kunstwerks abhängen, sondern muss auch spezifisch ästhetische Erwägungen berücksichtigen. Das Menschenbild, das dem Art. I I GG zugrunde liegende Menschenbild ist ebenso durchdrungen von der Freiheitsgarantie des Art. 5 III I GG beeinflusst, wie letzteres von der Wertvorstellung des Art. I I GG. Der Anspruch des Einzelnen auf gesellschaftliche Achtung und Wertschätzung steht nicht über der Kunstfreiheit, aber auch die Kunst kann den Anspruch des Einzelnen auf angemessene Achtung nicht einfach ignorieren. Nur unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles kann entschieden werden, ob durch die Veröffentlichung eines Werkes, das wahre Angaben über eine tatsächliche Person künstlerisch verarbeitet, ein schwerwiegender Eingriff in den geschützten Bereich der Persönlichkeit droht. Dabei ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit die künstlerische Bearbeitung des Materials und seine Einbindung in das Werk als organisches Ganzes die "Kopie" vom "Original" unabhängig gemacht haben, indem sie das

Individualisierte, Persönliche und Intime objektiv, symbolisch und figurativ gemacht haben. Wenn eine solche ästhetische Beurteilung ergibt, dass der Künstler tatsächlich ein "Porträt" des "Originals" geschaffen hat oder sogar beabsichtigt hat, ein solches zu schaffen, hängt das Ergebnis vom Ausmaß der künstlerischen Verfremdung ab und davon, wie ernsthaft die "Verfälschung" den Ruf oder die Erinnerung des Subjekts schädigt. iv. Das Gericht muss daher entscheiden, ob bei der Abwägung des Schutzes des Art. I I GG gewährten Schutzes der Persönlichkeit des verstorbenen Gustaf Gründgens und seines Adoptivsohns gegen die Garantie der Kunstfreiheit aus Art. 5 III, I GG die unteren Gerichte die soeben dargelegten Grundsätze beachtet haben. Im vorliegenden Gericht sind die Meinungen dazu jedoch gleichfalls geteilt, so dass es nicht feststellen kann, dass die angegriffenen Entscheidungen gegen die Verfassung verstoßen (§ 15 II, 4 BVerfGG). 3. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Verfassungsbeschwerde nur in engen Grenzen zur Nachprüfung gerichtlicher Entscheidungen befugt, insbesondere kann sie weder den festgestellten und gewürdigten Sachverhalt noch die Auslegung des bloßen Rechts oder dessen Anwendung im Einzelfall überprüfen, was Sache der ordentlichen Gerichte ist [Hinweise]. Diese Grundsätze gelten auch, wenn es um die Überprüfung der Abwägung des Schutzes geht, den die Parteien eines Zivilprozesses durch Art. I I des Art. 5 III, I GG. Das Gericht ist nicht befugt, wie ein Berufungsgericht seine eigene Auffassung des Falles an die Stelle...


Similar Free PDFs