Das sechste Gebot und der Dekalog 12 PDF

Title Das sechste Gebot und der Dekalog 12
Author alicia pacholsky
Course Christliche Sexual- und Beziehungsethik
Institution Otto-Friedrich Universität Bamberg
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WiSe...


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Das sechste Gebot und der Dekalog 12.11.19

Die Macht der Regeln Soziales Miteinander basiert auf Regeln  

Staatliche Regeln: Gesetze, Verordnungen, u.a. o Werden staatlicherseits durchgesetzt Moralische Regeln o Einhaltung wird sozial erhofft und erwartet

Regeln sind ambivalent 



Positive Funktionen o Ermöglichen ein Miteinander o Entlasten von Entscheidungen o Eröffnen Freiheitsspielräume o Geben Sicherheit Negative Dimensionen o Zwingen und beschränken o Schreiben vor o Bevormunden

Die Zehn Gebote als Regelkanon Zehn Gebote als bekannteste Sammlung von Regeln

10 GEBOTE 1. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben 2. Du sollst den Namen des Herren nicht missbrauchen 3. Du sollst den Feiertag heiligen 4. Du sollst Vater und Mutter ehren

5. Du sollst nicht töten 6. Du sollst nicht Ehe brechen 7. Du sollst nicht stehlen 8. Du sollst nicht falsch Zeugnis geben wider deines Nächsten 9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau 10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut Zehn Gebote und der Glaube ,, Der Begriff oder das Symbol ‚Zehn Gebote‘ ist zwar allgegenwärtig, aber gelöst von seinem religiösen Ursprung‘‘ ,, Ein Europäer, der sie (die Zehn Gebote) kaum kennt und nicht zuletzt deswegen für entbehrlich hält, weiß im Grunde nicht, wer er ist – er begreift auch nicht die ethische und kulturgeschichtliche Relevanz seiner eventuellen Entschlossenheit, diesen Kanon zu korrigieren oder zu ignorieren. Die Zehn Gebote sind der Inbegriff abendändischer Moralität.‘‘ Bedeutung der 10 Gebote

Zehn Gebote: Unterdrückungsinstrument Notker Wolf: ,,ein grausamen Programm der Selbsteinschränkung, der Einengung, der Unterdrückung der Persönlichkeit‘‘ Susanne Breit-Keßler: ,,moralin-saurer Katalog des Unerlaubten.‘‘ Eugen Drewemann: Basis, dass christliches ,,Leben zwangsvergewaltigt wurde durch den Gott am Sinai.‘‘

Die Moral der Zehn Gebote Die Zehn Gebote. Wer sagt im Film die Gebote? Gott in Form einer Feuersäule

Wie werden sie vermittelt? Werden durch Flammen in Felsen gebrannt (durch Wort und Schrift) Wortoffenbarung Gottes durch Wort und Schrift Wie ist der Eindruck der Szene? Anmutig, ehrfürchtig Zur Exegese der Zehn Gebote Grundprobleme aus ethischer Perspektive Autorität: Dekalog als von Gott bzw. Mose gegeben Moderne ethische Legitimation: Konsens, Kompromiss, Argument (Wieso soll ich was nicht + Begründung) Regelcharakter: Dekalog tradiert Regeln, an die sich zu halten ist Moderne Geltung von Regeln berühren auf Plausibilität Exegetische Probleme 

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Dekalog in zwei Texten o Ex 20,1-17 o Dtn 5,6-21 Zählung: Zehn Gebote Formal: Gebote und/oder Verbote? Material: Was wird ge-/verboten? Differenz: Worin unterscheiden sich die Texte?

Übereinstimmung Ex/Dtn (früher) Keine Gliederung in zehn Gebote 

Textkorpus umfasst zwei Gebote und 11 Verbote

Keine Universalität 

Dekaloge richten sich o Nicht an Frauen o Nicht an Kinder o Nicht an Sklavinnen und Sklaven o Sondern an freie Großbauern

Formale Differenzen Ex/Dtn

Zentrale inhaltliche Differenz: Sabbatgebot

Das erste Gebot ,,Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.‘‘ (Ex 20,2; Dtn 5,6) Marc Stern: ,,Das 1. Gebot ist die Achse, um die sich alle Gebote drehen, nicht einfach eines unter anderen. Hier wird der Grundakkord aller Gebote angeschlagen, der durch jedes Gebot durchklingt und durchtönt.‘‘

Fazit Zehn Gebote     

Wollen keine Regeln der Unterdrückung sein Setzen darauf, dass Regeln frei machen können Setzen darauf, dass Regeln Freiheit erhalten können Benennen zentrale Grundgüter des Lebens Wollen Leben ermöglichen

Das Sechste Gebot Systematik: Stellung des Gebotes ,,Du sollst nicht die Ehe brechen‘‘ 

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Steht in einer Reihe mit zwei anderen Kurzverboten (Prohibitiven) o Du sollst nicht morden o Du sollst nicht die Ehe brechen o Du sollst nicht stehlen Kein konkretes Verhalten Regulative der Freiheit



Freiheit realisiert sich in sozialem und familialem Miteinander

Das sechste Gebot in der Übersicht

Eheverständnis und Ehebruch heute    

Ehebruch: eine Ehe(Beziehungs)partner betrügt den anderen Ehebruch als Vertrauens- und Treuebruch Mann wie Frau können Ehebrecher sein Basis: Modernes Ehe/Beziehungsmodell gründet auf Gegenseitigkeit

Eheverständnis und Ehebruch im Alten Testament Voraussetzung: patriarchale und polygene Gesellschaft 

Legalität sexueller Beziehungen des Mannes zu mehreren Frauen

Konsequenz: Asymmetrie im Verhältnis der Beziehungspartner  

Ehefrau: eine ,,von einem (Ehe-)Herrn Beherrschte‘‘ Was heißt hier Ehebruch? o Mann darf nicht in eine andere Ehe ‚einbrechen‘ o Verheiratete bzw. verlobte Frau darf keine außerehelichen Beziehungen führen

Fazit: ,,Nur die Frau konnte im strengen Sinne die eigene Ehe brechen, der Mann nur die fremde.‘‘ Fokus des Verbots Das Verbot ist ,,auf die Familie als jenen gesellschaftlichen Raum ausgerichtet, in dem allein die Versorgung mit Nahrungsmitteln, die Sicherung des Grundbesitzes, das Aufziehen von eigenen Kindern, v.a. von Söhnen als Erben und Trägern der Altersversorgung möglich war.‘‘ Das 6. Gebot als familiales Gebot Ehebruch kann die Funktion der Familie unterminieren    

Sicher ist nur die Mutter Nur die Frau kann illegitime Kinder in ihrer eigenen Ehe zur Welt bringen Familie als generationsübergreifende Lebensgrundlage Ehebruch stellt Legitimität der Nachkommen, Erhaltung der Familie und Grundbesitz in Frage

Ehebruch und Scheidung  

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Zentral: das AT keine Unauflöslichkeit der Ehe Scheidungsrecht o Steht nur dem Mann zu o Schiebt der Willkür einen Riegel vor Mann muss schwerwiegende Gründe für eine Scheidung vorbringen Frau o Recht auf ‚Dokument der Trennung‘ o Recht zur Wiederverheiratung (Dtn 24,1-4)

Das 6. Gebot im Neuen Testament Jesus wendet sich gegen die mögliche Praxis des Scheidungsbriefes ,,9 Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. (…11) Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begehrt ihr gegenüber Ehebruch. 12 Auch eine Frau begehrt Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet.‘‘ (Mk 10,2-12) Rigorismen Jesu?  



,,Es besteht exegetisch kein Zweifel, dass Jesus eine striktere Ehemoral als in der Zeit gängig eingefordert hat.‘‘ (Klieber) Fokus der jesuanischen Antwort: o Frage einer ‚gerechten Beziehung zwischen Mann und Frau‘ (Sattler) o Dimension der sozialen Verantwortung 6. Gebot: Durch Ehebruch und Entlassung aus der Ehe soll die Frau nicht in Not geraten

Entlassung aus der Ehe? Widersprechende Befunde!  

Markus: schließt Entlassung aus der Ehe aus (Mk 10,2-12) Matthäus: ermöglicht sie beim Tatbestand der Unzucht; ,,32 Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, liefert sie dem Ehebruch aus; und wer eine Frau heiratet, die aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch.‘‘ (Mt 5,31-32)

Jesus und der Dekalog 

Kurzform des Dekalogs: Doppelgebot der Liebe zu Gott und dem Nächsten (Lk 10,25-28) Ein Schriftgelehrter (…) fragte ihn (Jesus): Welches Gebot ist das erste von allen? Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden. (Mk 12,28-31)



Goldene Regel als Zusammenfassung der Tora Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten. (Mt 7,12)

Das sechste Gebot als Grundlegung christlicher Sexmoral Dekalog und Katechismus  

Nicht der Dekalog macht die Zehn Gebote zu einer Grundformel der Moral Vielmehr machte der Dekalog als Strukturprinzip katechetischer Unterweisung und der Katechismen Karriere

Begriff Katechismus 

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Etymologie o Spätlateinisches Lehnwort (catechismus, catechizare) o Spätgriechische Wurzel: katechesis, katechein o Katechein: schallen, tönen Bedeutung: von oben herab tönen, umtönen, ergötzen, bezaubern Gerbrauch o Pädagogischer Kontext o Unterweisung künftiger Christen

Doppelte Bedeutung

1. Bildungsvorgang, der auf die Taufe hinführt 2. Unterrichtsgegenstand (Credo, Vater unser) Von der Spätantike in die Neuzeit   

Antike: durch Säuglingstaufe entfällt Katechese der Täuflinge Mittelalter: Katechismus als Glaubensunterweisung (Katechese, Predigt, Beichte) 16. Jhd.: Katechismus als Glaubenskompendium

Katechismen heute 

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Katechismus o Glaubenskompendium o Ratgeber der richtigen Lebensführung Funktion: Antwort auf das Bedürfnis von Menschen nach Orientierung und Ordnung des alltäglichen Lebens Spezifikum: Antwort auf die Frage nach dem richtigen und guten Leben von Christinnen und Christen

Der ‚Katechismus der Katholischen Kirche‘     

Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) Catechismus Catholicae Ecclesiae (CCC) ,Weltkatechismus‘ Aufbau: durchgehende Absatznummerierung, Kurztexte am Kapitelende -> Glaubenskompendium und Nachschlagewerk Inhalt: Vier Teile I. Glaubensbekenntnis -> Lehre II. Sakramente -> Kult III. Dekalog -> Leben IV. Vater unser -> Gebet

KKK Teil III III. Teil Das Leben in Christus 1. Abschnitt: Die Berufung des Menschen: Das Leben im Heiligen Geist (1691-2051) 2. Abschnitt: Die Zehn Gebote (2052-2557) 1. Kapitel ,,Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele und mit all deiner Kraft‘‘ Artikel 1-3 Die ersten drei Gebote 2. Kapitel ,,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst‘‘ Artikel 4-10 Das Gebot vier bis zehn Das sechste Gebot im KKK

I ,,Als Mann und Frau schuf er sie…‘‘ (2331-2336)

Grundthese: Zweigeschlechtlichkeit ist verbunden mit gegenseitiger Ergänzung und Hilfe, mit Differenz und Gleichheit der Geschlechter     

Fokus: Liebe (2331) Ganzheitliche Deutung der Geschlechtlichkeit (2332-2333) ,,Beide Geschlechter besitzen die gleiche Würde (2334-2335) Eheliche Vereinigung als Nachahmung der Schöpfung (2335) Verbot des Ehebruchs (2336)

Problem: Unklare Verknüpfung des sechsten Gebots mit Liebe, Geschlechtlichkeit, Nachkommenschaft und Ehe II. Berufung zur Keuschheit Unversehrtheit der Person – Ganzheit der Selbsthingabe – Verschiedene Formen der Keuschheit – Verstöße gegen die Keuschheit – Keuschheit und Homosexualität Grundbegriff: Keuschheit als ,,geglückte Integration der Geschlechtlichkeit in die Person‘‘ (2337) 

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Aspekte der Keuschheit: o Unversehrtheit der Person (2338-2345): Selbstbeherrschung, Mäßigung, Keuschheit als Aufgabe und Prozess o Keuschheit als ,,Schule der Selbsthingabe‘‘ (2348-2350) Formen: Keuschheit gilt für jeden Lebensstand (2348-2350) Verstöße: ,,ungeregelter Genuss/Verlangen‘‘ (Masturbation, Unzucht, Pornographie, Prostitution, Vergewaltigung) (2351-2356) Homosexualität (2357-2359)

Problem: Bezug zum 6. Gebot? Gleichwertigkeit der ‚Verstöße‘? III. Eheliche Liebe Eheliche Treue – Eheliche Fruchtbarkeit – Kinder sind ein Geschenk Fokus: Zusammenhang von Geschlechtlichkeit, eheliche Liebe, leibliche Intimität und Nachkommenschaft 



Doppelter Ehezweck: Wohl der Gatten und Weitergabe des Lebens o Forderung nach Treue (2364-2365) o Forderung nach Fruchtbarkeit (2366-2372). Verknüpfung ,,liebende Vereinigung‘‘Fruchtbarkeit; Ablehnung künstlicher Methoden der Empfängnisregelung; Beschränkung staatlicher Eingriffe auf das Bevölkerungswachstum Ablehnung aller artifiziellen Techniken der Fortpflanzung (Kinder sind ein Geschenk) (2373-2379)

Problem: Verknüpfung Liebe und Fruchtbarkeit? Bewertung der technischen Hilfsmittel? IV. Verstöße gegen die Würde der Ehe Ehescheidung – Weitere Verstöße gegen die Würde der Ehe Fokus: Teilweise sehr eng, teils sehr lose wird in vielen Verurteilungen konkreten sexuellen Verhaltens an das sechste Gebot angeknüpft 

Verurteilt werden: Ehebruch (2380), Ehescheidung (2382-2386), Polygamie (2387), Inzest (2388), sexueller Missbrauch (2389), sexuelle Verhältnisse (2390) sowie voreheliche Sexualität (2391)

Problem: Die Texte argumentieren nicht, sondern postulieren. Der Bezug auf das ,,natürliche Sittengesetz‘‘ (2384) oder ,,sittliche Gesetz‘‘ (2387) wird nur dargestellt, nicht aber begründet.

Kritische Reflexion 

Selbstverständnis

Katechismus als ,,nützliche Lektüre‘‘ für Christen (12), das dem ,,heutigen Leben angepasst‘‘ (31) ist o Das ,,Leben in Christus‘‘ (1694) macht sittlich gut o Gutes tun kann der Mensch durch Gott (1710) o Zehn Gebote als Schema sittlichen Handelns Grundduktus der Offenbarung des Richtigen und Guten o Biblische Lektüren o Die Kirche tradiert das Gute: Normierung ‚von oben‘ (2039) Anspruch und Wirklichkeit o Steinbruchexegese (,,geistliche Schriftauslegung‘‘) o Im Text des Weltkatechismus gibt es ,,kein einziges Signal, das darauf hinweisen würde, dass sich der Katechismus (..) an Menschen des ausgehenden 20. Jhd. wendet.‘‘ o





Zusammenfassung 1. Menschen brauchen für ihr Zusammenleben Regeln. Diese sind ambivalent zwischen Lebensermöglichung und Zwang. Der Dekalog lässt sich als Regelkanon mit kulturell überragender Bedeutung verstehen. 2. Die wahrgenommene Bedeutung der Zehn Gebote schwankt zwischen genialer Kurzformel der Menschlichkeit und unvernünftigem Unterdrückungsinstrument. 3. Die Moral der Zehn Gebote lässt sich nur auf dem Hintergrund exegetischer Auseinandersetzung entschlüsseln. Der Text liegt als Dublette (ex 20; Dtn 5) vor, der seine Sinnspitze in der Präambel zu erkennen gibt: Als Text der Freiheit und ihrer Gestaltung. 4. Das sechste Gebot im Dekalog regelt und schützt vor dem Hintergrund einer patriarchalen Gesellschaft das familiale Miteinander und seine Funktionen. Im NT wird das sowohl zugespitzt wie marginalisiert. 5. Der Dekalog erlangt in der katechetischen Unterweisung und Literatur als grundlegender Basistext christlicher Moral Bedeutung. Eine Auseinandersetzung mit dem sechsten Gebot im KKK zeigt, dass das Gebot als Einfallstor für alle Themen der Sexual- und Beziehungsmoral verstanden und dementsprechend – weit jenseits seiner ursprünglichen Aussage - genutzt wird....


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