Title | Friedrich Dürrenmatt - Drama |
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Course | Staatsexamenskolloquium Deutsch NDL |
Institution | Universität Konstanz |
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Zusammenfassung Vorbereitung Staatsexamen Lehramt Deutsch
Schwerpunkt: Literatur nach 1850
Wintersemester 20/21...
Das dramatische Werk
Es gibt nicht die Dramaturgie Dürrenmatts, sondern viele Dramaturgien o keine ideologisch festgelegte Dramentheorie o Er spricht von einer Dramaturgie von Fall zu Fall Begründung der Komödie o Subjektive und Objektive Gründe o Subjektive Ebene Begründung der Komödienform in erster Linie aus der subjektiven „Lust am Spiel“ und aus dem „Trieb, Theater möglich zu machen“ o Objektive Ebene die Komödie geschichtsphilosophisch als die für ihn einzig adäquate Dramenform zu begründen o D geht in seinen Überlegungen von folgender Frage aus: Wie lässt sich unsere heutige Welt noch auf der Theaterbühne darstellen? Überzeugung, dass dies nicht mehr in der traditionellen Form der Tragödie möglich ist D versteht die Welt als Labyrinth, als undurchschaubares Chaos, in dem menschliches Handeln sinnlos ist Die mythologische Geschichte der Minotaurus: o Die gr. Sage des Unwesens, halb Mensch, halb Stier, das in einem Labyrinth gefangen gehalten wird, ist eine von Ds Lieblingsgeschichten Die Sinnlosigkeit menschlichen Handelns korrespondiert bei D mit einer als chaotisch empfundenen Welt Der moderne Staat ist für den Einzelnen undurchschaubar geworden Die zunehmende Technisierung wird zunehmend als Bedrohung wahrgenommen o Sinnbild dieser Entwicklung ist die Atombombe Der souveräne Mensch hat ausgedient o Er kann die Verhältnisse nicht mehr beherrschen o Er ist nicht mehr Subjekt, sondern nur noch Objekt des Geschehens In einer unübersichtlichen Welt, in der die Macht nur noch anonym ist, gebe es keine individuelle Schuld mehr Es gibt keine tragischen Helden mehr o Angesichts der fehlenden Verantwortung für sein Handeln, kann der moderne Mensch keine Schuld mehr auf sich laden Das ist aber eine Voraussetzung der Tragödie o Es gibt keine Schuldigen, sondern nur noch solche, die Pech haben Pech ergibt sich nicht aus einer schicksalhaften Notwendigkeit, sondern aus dem Zufall
Für D heißt das: Die traditionelle Tragödienform kann eine derartige Welt nicht mehr darstellen, weil sie den tragischen Helden als dramaturgisches Mittel voraussetzt o In der Moderne durchschaut der Mensch nicht mehr die komplexen Vorgänge der heutigen Welt Er kann sich nur noch mit Bildern, also bestimmten Ideologien helfen, um sich diese Vorgänge zu erklären Auch aus diesem Grund bevorzugt D die Komödie Sie entspricht der beschrieben Welt am meisten Sie setzt keine geordnete Welt voraus, sondern eine ungestaltete, im Werden, im Umsturz begriffene Welt Mit ihrem Humor verzichtet sie auf jegliche Art von Ideologie o Die Undurchschaubarkeit der Welt, die Anonymität der Macht und das Wirken des Zufalls führt D zur These: Uns kommt nur noch die Komödie bei o Zumindest können Komödie und Tragödie noch zur tragischen Komödie verschmelzen Derjenige, der nicht an der Welt verzweifle und sich stelle, der seine Schuld als persönliche Leistung anerkenne, könne zur tragischen Figur werden (= mutiger Mensch) Der Ein-Fall o Gegen den Einwand, seine dramenkonstruktiven Ideen seien bloße Einfälle, seine Stücke lediglich eine Aneinanderreihung von Einfällen, hat D sich gewehrt Sie seien aus Theaternotwendigkeiten, aus realen Notwendigkeiten der Bühne, entstanden o Für D stehen Welt und Kunst in einem ursächlichen Zusammenhang Der „Ein-Fall“ der Welt, d.h. der Einfall der Wirklichkeit in das Ich des Künstlers, fordert eine künstlerische Antwort heraus Die so entstandene fiktive Eigenwelt muss sich gegen die Wirklichkeit behaupten Ein Wirklichkeitsverständnis wird erkennbar, das sich als ein gewaltsam aggressives Einfallen manifestiert o Der Begriff des Einfalls hat eine doppelte Funktion 1. Als der außerhalb des Textes liegende Einfall 2. Als Einfall innerhalb des Textes Zur Beginn des Produktionsprozesses steht der „Grundeinfall“ Der Bühnenfall wandelt die Grundidee in Bühnengeschehen um Beide Formen sind Initialeinfälle, während alle weiteren Bühneneinfälle das Drama schrittweise weiterentwickeln Der Einfall wirkt sich auch auf das Publikum aus Er verwandet die anonymen Theaterbesucher in ein engagiertes Publikum, das sich mit neuen Sachverhalten konfrontieren lässt
Innerhalb des Texts äußern sich die Einfälle als handlungslösende Hypothesen, Herausforderungen, Prüfungen, Versuchungen, Chancen, … Der Einfall ist ein wichtiger Bestandteil seiner Dramaturgie D versteht den Einfall als eine erfundene Handlung, die sich nicht in der Vergangenheit abspielt und die nicht auf Mythen oder anderen Überlieferungen zurückgeht; also einen erfundenen, nicht einen gefundenen Stof Dramaturgie der erfundenen Stofe o D bezeichnet in Abgrenzung von einer „Dramaturgie der vorhandenen Stoffe“ das eigene Verfahren als „Dramaturgie der erfundenen Stofe“ o Ds Vorbild: altgriechische Dichter Aristophanes dessen zeitkritische Komödien beruhen nicht auf Mythen, auf vorgefundener Handlung und auf Vergangenheit, sondern auf Einfällen, auf frei erfundenen Handlungen und auf der Gegenwart beruhen o Die Komödie lebt vom Einfall Die Komödie hat stets von der Eingebung des Autors gelebt o Die in sich ofene Fiktion bietet D die Chance einer experimentellen Dramaturgie Ziel der Dramatik? o Ihr Ziel kann die Wiedergabe der Welt sein o D meint, man könne nicht wie früher Schiller vom Allgemeinen ausgehen Der Dramatiker müsse den Bau des Dramas vom Besonderen, vom Einfall her zu erreichen suchen -> Komödien sind nicht das Resultat eines vorgefassten Plans Die Dramatik hat einen bestimmten Weg eingeschlagen: Den in die Fiktion. Ein Theaterstück stellt eine Eigenwelt dar, eine in sich geschlossene Fiktion, deren Sinn nur im Ganzen liegt o Die Bühne wird also als eine Eigenwelt gedeutet o D hebt den Unterschied hervor, dass ein Theater nicht in London spielt, sondern auf der Bühne, die London darstellt Trennung von Wirklichkeit und Bühne Der Dramatiker soll nicht mehr die Welt wiedergeben Seine Aufgabe: Mögliche Welten und mögliche menschliche Beziehungen darstellen Der Ausgangspunkt dieses Denkens von Welten ist die Fiktion Das Ersinnen einer Welt der Potentialität dient allerdings dazu, die empirische Welt zu reflektieren Theater als Spiel mit der Wirklichkeit o Leitend für Ds Dramenkonstruktion: Einsicht in die Unerkennbarkeit der Wirklichkeit
o Er traue sich nicht zu, mit einem Theaterstück die Wirklichkeit wiedergeben zu können, dazu halte er die Wirklichkeit für zu gewaltig, zu anstößig, zu grausam, zu dubios, zu undurchsichtig o Er stelle nicht die Wirklichkeit dar, sondern für den Zuschauer eine Wirklichkeit auf o Theater ist nicht Wirklichkeit, sondern Spiel mit der Wirklichkeit Durch das Spielt versuche er, die Strukturen der Wirklichkeit aufzudecken Die Bühnenfiktion bleibt so immer in die Realität eingebettet Das Paradoxe o Das scheinbar Widersinnige erweist sich bei näherer Betrachtung als richtig o Das Paradoxe als zentraler Teil einer angemessenen Wirklichkeitsdarstellung o In Ds Komödien zeige sich die Welt als eine Welt voller Gegensätze, als unüberschaubare und chaotische Welt Gerade die Komödie erweist das Paradoxe als Strukturprinzip der Wirklichkeit Ziel: Wiedergabe verdeckter Abläufe Die Komödie kann die disparate (ungleichartige) Welt darstellen Da die Welt der Komödie genauso grotesk ist wie die Realität Komik entsteht durch die paradoxe Handlung sie äußert sich in den burlesken Zügen, dem SlapstickCharakter, oder als spielerischer Umgang mit der Sprache Ziel der paradoxen Handlung: nicht die Anhäufung von Schreckensszenen sondern das Bewusstmachen des Geschehens Die Vereinigung von Widersinnigem und Widersprüchlichem verblüfft bzw. überrascht den Zuschauer und hält ihn somit auf Distanz Das Groteske ist hier das entscheidende Stilmittel Der Zuschauer weiß nicht, ob er entsetzt sein oder lachen soll Das verunsichert und hindert ihn daran, sich mit den Figuren und dem Geschehen zu identifizieren Der Zuschauer muss selbst feststellen, inwieweit sich die Wirklichkeit im grotesken Geschehen spiegelt D will verunsichern, er bietet keine Lösung an Der Autor versteht sich als Diagnostiker, nicht als Therapeut Die schlimmstmögliche Wendung o Letzte Konsequenz des Paradoxen: Löst der Einfall die Handlungen der Figuren aus, so bildet die schlimmstmögliche Wendung deren Schlusspunkt o Eine Handlung werde dann paradox, wenn sie zu Ende gedacht wird o Auch die schlimmstmögliche Wendung weist auf die chaotische und groteske Struktur der gegenwärtigen Weltlage hin o Die Figuren des Dramas werden von dem getroffen, was sie eigentlich vermeiden wollen
Durch den unvorhersehbaren Zufall trete das Tragische in die Komödie ein Handlung ist komisch, Gestalten sind tragisch Kurzum: Die Figuren erleben durch den Einfall und die schlimmstmögliche Wendung Tragisches, ihr Umgang mit der Situation erweist sich jedoch als komisch o D lässt es zu keiner Identifikation mit den Figuren kommen die klassische Tragödie basiert auf der Identifikation mit dem Held Der komische Held dagegen ist isoliert und vereinzelt Zufall = Zentrales Mittel, um die Zuschauer auf Distanz zu halten o Der Zufall ist keine Notlösung, sondern dramatisch begründet Er ist Ausdruck der undurchschaubaren und chaotischen Welt Und er verhindert eine sinnvolle Lösung, die eine Befreiung aus dem Labyrinth ermöglichen könnte o Das Modell von der schlimmstmöglichen Wendung ist kein Grundprinzip Es ist ein Theaterinstrument unter anderen ...