GESS Essay - Grade: 5.25 PDF

Title GESS Essay - Grade: 5.25
Course History and Philosophy of Chemistry
Institution Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
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Auftrag Geschichte & Philosophie (Essay), sehr einfaches GESS Fach, Sabine Baier ...


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Geschichte und Philosophie der Chemie

18.02.18

Geschichte und Philosophie der Chemie: Essay Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einer geschichtsphilosophischen Fragestellung zur frühneuzeitlichen Alchemie. Die Fragestellung diskutiert eine pessimistische und konservative Perspektive zur Alchemie. Aus einem konservativen, wissenschaftshistorischen Standpunkt gesehen, ist die Alchemie eine schlechtere Form der modernen Chemie. Um diese These zu untermauern, werden zunächst in dieser Arbeit verschiedene Vertreter dieser Sichtweise vorgestellt sowie Aussagen, ein Gedicht und eine Karikatur analysiert, in welche die Alchemie und die Alchemisten als negativ und schlecht dargestellt werden. Unter anderem soll auch der Aspekt beleuchtet werden, ob die Alchemie überhaupt in den analysierten Quellen als eine Wissenschaft angesehen wird. Zur Veranschaulichung dieser pessimistischen und konservativen Perspektive gegenüber der Alchemie dient eine Karikatur, welche im ersten Auftrag zur frühneuzeitlichen Alchemie zugeschickt wurde. Es handelt sich nämlich um eine Fremddarstel- Abbildung 1: Kupferstich von 1537 lung der Alchemie (siehe Abbildung Vergilius Polydorus, Der Dinge Erfin1). Im Kupferstich des Vergilius Poly- dung. Augsburg. dorus ist eine alchemistische Werkstatt ersichtlich. In dieser Werkstatt herrscht ein enormes Chaos: die Utensilien der Alchemisten liegen überall herum und die Bekleidung der beiden Alchemisten sieht zerfetzt, alt und dreckig aus. Der Alchemist im Vordergrund vermittelt einen unwissenden, panischen Eindruck, da er soeben ein Chaos angerichtet hat, welches man der Rauchwolke und seiner Mimik entnehmen kann. Im Hintergrund sieht man einen weiteren Alchemisten, der verwirrt erscheint, sich am Kopf kratzt und nicht weiss was er tut. Insgesamt zeigt die Karikatur die Alchemisten als unwissend, sinnlos, negativ, närrisch, chaotisch und widerspiegelt wiederum die negative und konservative Ansichtsweise gegenüber der Alchemie und den Alchemisten zu dieser Zeit. 1

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Nicht nur Karikaturen verkörpern die konservative und pessimistische Sichtweise, sondern auch diverse Persönlichkeiten, welche in den nachfolgenden Abschnitten erörtert werden. Ein zentraler Vertreter dieser pessimistischen, negativen und konservativen Sichtweise gegenüber der Alchemie war Robert Boyle (1627-1691). Robert Boyle war ein in England wirkender Naturforscher. Anfänglich war er noch Anhänger der Alchemie. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde er zum Mitbegründer der auf detailliert veröffentlichten Experimenten beruhenden modernen Naturwissenschaften, insbesondere der Physik und Chemie. In seinem Werk ,,Der Skeptische Chemiker’’ von 1661 findet man zahlreiche essentielle Textstellen, welche Antwort liefern auf die Fragestellung, welche in diesem Essay behandelt wird. Eine von diesen essentiellen Textstellen ist folgende: „Meine vierte und letzte Betrachtung ist nun folgende: So sehr sich auch die Chemiker auf die Erfahrung zu berufen und so zuversichtlich sie auch die verschiedenen Substanzen, die durch das Feuer von einem gemischten Körper erhalten werden, als einen genügenden Beweis anzuführen pflegen, daß sie die Elemente sind, aus denen er besteht, so sind doch viele dieser verschiedenen Substanzen von elementarer Einfachheit weit entfernt und können immer noch als gemischte Körper angesehen werden.“1 In diesem Zitat sind gemäss Boyle Gemische weit entfernt von dieser einfachen 4-Elementen-Lehre, welche aus der Sicht der modernen Chemie oder Wissenschaft als eine nichtige Theorie gilt. In seiner Aussage verwirft Boyle die 4-Elementen-Lehre, welche zur Zeit der Alchemie bestand und übt Kritik auf den Elementbegriff aus. Dieser sei in der Alchemie viel zu schlicht und unpräzis definiert, was zu einer Invalidation und Abwertung der Alchemie als Wissenschaft insgesamt führt. Ebenfalls lässt sich eine weitere zentrale Aussage finden in seinem Werk von 1661, welche als Beleg für diese negativ geprägte Ideologie dient:

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Robert Boyle, Der Skeptische Chemiker, Akademische Verlagsgesellschaft M.B.H. Leipzig, S.57

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,,Was den Benennungen angeht, so ist noch folgendes zu sagen: Den Chemikern stand es anfangs frei, die Stoffe, die sich bei ihren Analysen ergaben, Schwefel oder Quecksilber oder Gas oder Blas oder was ihnen sonst gefiel, zu nennen. Wenn sie aber einmal gesagt haben, daß Schwefel (zum Beispiel) ein primärer und einfacher, entzündlicher, riechender usw. Körper ist, dann kann ich an ihren Worten zweifeln. Auch muß ich denken, daß sie mit Worten spielen, wenn sie lehren, daß Gold und Silber und einige andere Stoffe reich an einem unverbrennbaren Schwefel sind, was ein ebenso zutreffender Ausdruck ist, wie eine Nacht voll Sonnenschein oder flüssiges Eis.“2 In dieser zweiten zentralen Aussage wirft Robert Boyle den Alchemisten vor, dass sie eine unehrliche, groteske und unwissenschaftliche Methodik gebrauchen, um ihre Forschung oder ,,Wissenschaft’’ zu betreiben. Diese Methodik ist charakterisiert durch eine mysteriöse Nomenklatur, merkwürdigen Substanzen und eine sehr inakkurate Beobachtungsweise. Die Methodik der Alchemie erlaubt keinen Spielraum für Kritik wie es bei der modernen Chemie der Fall ist, obwohl Zweifel und Kritik unentbehrlich sind für eine exakte und wahre Wissenschaft. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Alchemie gemäss Robert Boyle keine wahre Wissenschaft ist und aus einer konservativen, wissenschaftshistorischen Perspektive als eine suboptimale und pathetische Inkarnation der modernen Chemie gesehen wird. Nennenswert ist unter anderem auch der Aspekt, dass die Alchemie anscheinend keine Gemeinsamkeiten aufweist mit der modernen Chemie. Neben den zwei vorherigen Zitaten spielt auch diese letzte Textstelle in ,,Der Skeptische Chemiker’’ eine wichtige Rolle zur Beantwortung der formulierten Fragestellung: „Diejenigen, die sich mit Chemie befaßten, wurden bisher nur von engen praktischen Gesichtspunkten geleitet, und ihr Wirken entbehrte höherer

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Robert Boyle, Der Skeptische Chemiker, 1929, Akademische Verlagsgesellschaft M.B.H., Leipzig, S.57

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Richtlinien. Sie betrachteten die Metallverwandlung als ihre Aufgabe. Ich versuche, anderen Prinzipien zu folgen und diese Wissenschaft nicht als gewöhnlicher Alchemist, sondern als Philosoph zu betreiben. Ich habe hier die Grundlinien einer chemischen Philosophie dargelegt, die ich mit weiteren Versuchen und Beobachtungen noch erweitern zu können hoffe. Würden doch die Menschen das Fortschreiten der echten Wissenschaft mehr am Herzen tragen als ihre egoistischen Interessen, so wäre es leicht zu beweisen, daß sie der Welt bessere Dienste täten, wenn sie alle ihre Kräfte zum Experimentieren und zur Sammlung von Beobachtungen anspannten, als wenn sie ohne experimentelle Grundlage Theorien aufstellen.“3 In dieser Textstelle legt Robert Boyle die Grundlinien einer chemischen Philosophie dar. Die Quintessenz dieser Textstelle ist, dass die Chemie eine experimentelle Wissenschaft ist und bleibt. Eine wahre Wissenschaft beruht auf experimentellen und überprüfbaren Fakten, welche das Fundament bilden und theoretischen Betrachtungen enthält, die Ansprüche auf Gültigkeit haben. Die Alchemie erfüllt gemäss Robert Boyle alle diese Bedingungen nicht, da er in dieser Textstelle sagt, dass sie keine Beobachtungen sammelt, nicht experimentiert und auch keine grundlegende Theorie aufweist. In dieser Textstelle soll noch ein weiterer Aspekt beleuchtet werden, und zwar verurteilt Robert Boyle die Anhänger der Alchemie als Egoisten, weil sie falsche Ziele und Interessen verfolgen und somit auch das Fortschreiten der echten Wissenschaft verhindern. Die falschen Ziele, Überzeugungen und Interessen wären beispielsweise das Verfolgen von Unsterblichkeit und Reichtum, welche die Alchemisten mit der Erschaffung des Steins der Weisen und der Transmutation versuchten. Zu beachten ist weiterhin, dass Robert Boyle nicht der einzige Vertreter dieser Sichtweise war. Des Weiteren wird ein weiterer Vertreter dieser Ideologie vorgestellt. Es handelt sich um den US-amerikanischen Naturwissenschaftshistoriker George Sarton (1884-1956). In einem Journal namens

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Robert Boyle, Der Skeptische Chemiker, 1929, Akademische Verlagsgesellschaft M.B.H., Leipzig, S.57

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Isis: ,,Alchemy Restored’’ nimmt George Sarton Stellungnahme zu den Alchemisten: ,,Thus, when the history of science emerged as a professional discipline, alchemy seemed far from anything scientific. The positivist outlooks of the day recapitulated Enlightenment polemics, and early historians of science presented alchemy as not simply nonscientific, but antiscientific— an obstacle to progress. George Sarton penned an extended rant against the “extraordinary muddle” of alchemy and labeled alchemists as all “fools or knaves, or more often a combination of both in various proportions.”4 In Isis: ,,Alchemy Restored’’ beschimpft George Sarton die Alchemisten als Idioten oder Betrüger oder, fast noch häufiger, eine Kombination aus beiden Figuren. Unter anderem wird in diesem Journal die Alchemie sogar als antiwissenschaftlich und als Hindernis für Fortschritt verurteilt. Diese Aussagen und Urteile sind wiederum kongruent mit der Kernaussage der Karikatur und der Ideologie von Robert Boyle, welche in den vorherigen Abschnitten bereits analysiert wurden. Unter anderem kommt die Ideologie von George Sarton zur Alchemie in dieser Textstelle ebenfalls gut zum Ausdruck: „The historians of science can not devote much attention to the study of superstition and magic, that is, of unreason, because this does not help him very much to understand human progress. Magic is essentially unprogressive and conservative; science is essentially progressive; the former goes backwards; the latter, forward.’’5 De facto George Sarton sind die Magie und Alchemie ein Hindernis für den Fortschritt. Ebenfalls ist er der Meinung, dass die Alchemie und die Magie etwas Konservatives und Sinnloses an sich haben, während die Wissenschaft sich im Rahmen des Fortschritts und Verstandes fortbewegt.

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Principe, Lawrence M. “Alchemy Restored.” Isis, vol. 102, no. 2, 2011, pp. 305–312. JSTOR, JSTOR, www.jstor.org/stable/10.1086/660139. 5 George Sarton, Introduction to the History of Science Band 1, 1927-1931, Baltimore, S.19, http:/ /hdl.handle.net/2027/uc1.b4114379 5

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Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Bild der Alchemisten als Betrüger, Idioten und Ganoven sich fortlaufend und wiederholt fortzieht. Als eines von vielen Indizes dafür kann das Werk ,,Goldmacher, Gelehrte und Ganoven: zur Suche nach dem Stein der Weisen in den Ländern Braunschweig, Hannover, Hildesheim’’ von Joachim Lehrmann angeführt werden: ,,Zu beeindruckenden Auswüchsen der Alchemie kam es im 18. Jahrhundert, indem ,,Quacksalber" und Hochstapler sich ein Ansehen zu geben wussten und an fürstlichen Höfen dreist auftraten. Spektakuläre chemische Vorgänge, bei denen es knallt, zischt, schäumt, farbige Flammen entstehen, Flüssigkeiten ihre Farbe ändern usw. wurden gerne von diesen in großen Schauveranstaltungen zur Darbietung gebracht, denn es musste ihnen darum gehen, ihre Opfer zu beeindrucken. Mit dem Versprechen, Gold zu machen, verbunden mit spektakulären Chemie-Shows, konnte beispielsweise Giacomo Casanova adeligen Damen viel Geld und Edelsteine aus der Tasche locken.’’

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In Joachim Lehrmanns Werk repräsentiert dieses Zitat den negativen Eindruck, den man gegenüber den Alchemisten hatte und dass die Reputation der Alchemisten litt sowie die Alchemie für Betrug und Schwindeleien missbraucht wurde. Deutlich wird dieses negativ geprägte Bild auch in diesem Gedicht, wo ein angeblicher Alchemist für seinen ,,Betrug’’ erhängt wird: „Weil er dann die Leut betrogen, Und verkaufte Rauch und Dunst. Wird er nun hinaufgezogen, und gehenket ohne Gunst, Mit der Kunst.“7 Die Ergebnisse aus der Analyse des Gedichts und Joachim Lehrmanns Werk lassen sich wie gefolgt zusammenfassen: die Alchemie wurde von 6 Joachim Lehrmann, Goldmacher, Gelehrte und Ganoven : zur Suche nach dem Stein der Weisen in den Ländern Braunschweig, Hannover, Hildesheim ..., 2008, S.65 7 Hermann Schelenz, Geschichte der Pharmazie, 1904, Springerverlag, S.257

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Fanatikern und Betrügern missbraucht, praktiziert und sorgte dafür, dass viele Wissenschaftler und Berufsgruppen vom Weg in Richtung wissenschaftlicher Vernunft abgebracht wurden. In den erörterten Quellen wurde auch gezeigt, dass die Alchemie zunehmend abgewertet, gehasst, verurteilt und beschimpft wurde und als keine Wissenschaft angesehen wird. Von einer positivistischen Strömung gegenüber der Alchemie fehlt jegliche Spur. Dieser Aspekt kommt in keinem der analysierten Quellen zur Sprache.

Literatur und Quellenangaben: 1. George Sarton, Introduction to the History of Science Band 1, 1927-1931, Baltimore, S.19, http://hdl.handle.net/2027/uc1.b4114379 2. Hermann Schelenz, Geschichte der Pharmazie, 1904, Springerverlag, S.257 3. Joachim Lehrmann, Goldmacher, Gelehrte und Ganoven: zur Suche nach dem Stein der Weisen in den Län-dern Braunschweig, Hannover, Hildesheim ..., 2008, S.65 4. Principe, Lawrence M. “Alchemy Restored.” Isis, vol. 102, no. 2, 2011, pp. 305– 312. JSTOR, JSTOR, www.jstor.org/stable/10.1086/660139, letzter Zugriff am 14.02.17 5. Robert Boyle, Der Skeptische Chemiker, Akademische Verlagsgesellschaft M.B.H. Leipzig 6. Robert Boyle, The Aspiring Adept: Robert Boyle and His Alchemical Quest, 1998 Princeton, N.J.: Princeton University Press 7. Vorlesung des D-GESS zur Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften,

http://docplayer.org/61676794-Einfuehrung-in-die-philosophie-der-na-

turwissenschaften-rhetorik-der-wissenschaften.html, letzter Zugriff 10.02.18 8. Wikipedia, George Sarton, https://de.wikipedia.org/wiki/George_Sarton, letzter Zugriff am 08.02.17 9. Wikipedia, Robert Boyle, https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Boyle, letzter Zugriff am 06.02.17

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