Kabale und Liebe - Lady Milford eine selbstbestimmte Frau PDF

Title Kabale und Liebe - Lady Milford eine selbstbestimmte Frau
Author Kathrin Nowottnick
Course Literaturtheorie und Geschichte der neueren deutschsprachigen Literatur
Institution Universität Leipzig
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Summary

Es geht Um Lady Milford...


Description

Universität Leipzig Philologische Fakultät Institut für Germanistik Modul Theorie und Geschichte der deutschen Literatur

Seminar Ob die Weiber Menschen sind- Geschlechterverhältnisse in der Literatur im 18. Jahrhundert Wintersemester 2018/2019 LehrenderIn: Frau Prof. Nagelschmidt

Kabale und Liebe - Lady Milford eine selbstbestimmte Frau

Kathrin Nowottnick Matrikel-Nr: 3732335 [email protected] Studiengang: Lehramt für Sonderpädagogik (Staatsexamen) 3.Semester

28.03.2019

Inhaltsverzeichnis Einleitung.......................................................................................................................2 1.Bürgerliches Trauerspiel.............................................................................................3 2. Frauen im 18.Jahrhundert.........................................................................................4 2. 1. Frauenbilder in der Literatur..................................................................................5 2.2. Moralische Wochenschriften im 18. Jahrhundert...................................................6 2. 3. Frauenbilder in den bürgerlichen Trauerspielen...................................................7 4. Lady Milford...............................................................................................................8 5. Schlussfolgerung.....................................................................................................12 Literaturverzeichnis.....................................................................................................13

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Einleitung Friedrich Schiller schrieb ein einziges bürgerliches Trauerspiel namens Kabale und Liebe. Ursprünglich sollte es Louise Millerin heißen, doch auf Empfehlung des Mannheimer Starschauspielers Iffland, änderte er den Titel in Kabale und Liebe. Dieser fand viel Anklang und weckte Publikumsinteresse, denn es versprach höfische

Intrigenspiele

und

empfindsame

Liebe

zwischen

unterschiedlichen

Ständen.1 Mit Lady Milford hat Schiller einen starken Nebencharakter erschaffen, welcher einen inneren Konflikt in sich trägt und der im obigen Stück gut zum Ausdruck kommt. Auch ihre verschiedenen Charaktereigenschaften werden in den kurzen Szenen, die sie hat, gut dargestellt. Lady Milford schafft es sich aus ihrem Konflikt zu lösen und als Einzige am Ende selbstbestimmt und emanzipiert zu handeln. Diese Entwicklung von Lady Milford ist sehr interessant und daher werde ich sie genauer betrachten. Zuerst werde ich die Gattung des bürgerlichen Trauerspiels vorstellen. Um Lady Milfords Rolle im Stück und ihre besondere Rolle als Frau herausarbeiten zu können, werde ich kurz die Rolle der Frau im 18. Jahrhundert beschreiben und auf Frauenbilder in der Literatur eingehen hierzu werde ich mich eingehender mit Rousseau auseinandersetzen. Anschließend werde ich kurz erläutern, wie weibliche Figuren im bürgerlichen Trauerspiel sind.

1 vgl. Scherer, Stefan: Einführung in die Dramen Analyse. 2 Auflage, Darmstadt: WBG 2013, S. 111

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Dann werde ich Lady Milfords Rolle im Stück bearbeiten und herausarbeiten, warum sie selbstbestimmt handelt und ob sie sich emanzipieren kann. Insbesondere gehe ich auch darauf ein, ob Schiller sich an Rousseaus Frauenbild orientiert.

1.Bürgerliches Trauerspiel Das bürgerliche Trauerspiel entstand Mitte des 18. Jahrhunderts als Produkt der literaturgeschichtlichen Umbruchzeit. Mit „Miß Sara Sampson“ schrieb Lessing das erste

Originaldrama,

das

im

Untertitel

„bürgerliche

Trauerspiel“

Aufweist. 2

Einzuordnen ist es zwischen der traditionellen Komödie und dem rührenden Lustspiel. Es spielt in der Gegenwart des 18. Jahrhunderts.3 Auch Schiller nennt sein Drama im Untertitel „bürgerliches Trauerspiel“ und ordnet sein Werk damit dieser Gattung zu. Das Besondere an den bürgerlichen Trauerspielen ist, dass sie keine Themen Der Staatsaktionen, sondern der bürgerlichen-privaten Welt aufzeigen. Meist steht das Problem des Tugendrigorismus im Mittelpunkt, das sich besonders zwischen der Konfrontation des Bürgers mit dem Adel entfaltet.4 Es agieren nicht mehr Fürsten, sondern erfundene Figuren aus der Sphäre des Bürgertums bzw. niederen Adels. Die genaue Übereinstimmung der Bühne mit den Lebensumständen des Zuschauers ist ein Kriterium der Darstellung. Es geht um menschliche Verfasstheit und Schicksale jenseits aller Standesgrenzen. Das neue

Genre

reagiert auf sozialgeschichtliche

Veränderungen

im 18.

Jahrhundert. Insgesamt hat das bürgerliche Trauerspiel drei Phasen durchlaufen. So

2vgl. Guthke, Karl S.: Das deutsche bürgerliche Trauerspiel. 6. vollständig überarbeitet und erweiterte Auflage. Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler Verlag, 2006 S. 7

3vgl. Greif, Stefan: Literatur der Aufklärung. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2013 S.104 4vgl. Oschmann, Dirk: Friedrich Schiller. Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, 2009 S.41

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entsteht es 1755, hat seinen Höhepunkt zwischen 1770-1785 und läuft im 19. Jahrhundert aus. 5

2. Frauen im 18.Jahrhundert Anfangs des 18. Jahrhunderts lebten und arbeiteten eine Familie zusammen mit dem Gesinde auf einem Hof. Die Frau und der Mann teilten sich die Aufgaben und waren beide für den Erhalt des Hofes verantwortlich. Im Laufe des 18. Jahrhunderts kam es zu einer Auslagerung von der Arbeit der Männer in die Städte. Die Frau blieb allein im Haus und dadurch wurden ihr nun eine neue dreifache Rolle zu geteilt: Hausfrau, Mutter und Ehefrau. Auch der Wohnraum veränderte sich. Der Trend ging immer mehr zu Kleinfamilien. Da Frauen keine Rechtspersonen sind und kein Recht auf Eigentum haben, waren sie abhängig von ihren Vätern, Brüdern oder Ehemännern.

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Durch diese gesellschaftliche Veränderung wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Rolle der Frau neu definiert. Es wurde am Anfang des 18. Jahrhunderts noch von einer ständischen Differenz ausgegangen, d.h. die Rechte, Pflichten und Aufgaben einer Frau waren von ihrem Stand abhängig. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde von einer biologischen Differenz ausgegangen. Nun war das Geschlecht das zentrale Zuordnungssystem.7 Da die Frau durch die Trennung von Arbeits- und Wohnsphäre ausreichend Zeit hatte, sollte sie sich intensiv um die Kinder kümmern. Um der Säuglingssterblichkeit entgegen zu wirken, wurden die Mütter verstärkt über Säuglingspflege aufgeklärt.

5 vgl. Scherer, Stefan S. 75f. 6 vgl. Wurst, Karin A.: Frauen und Dramen im 18.Jahrhundert.Köln Böhlau Verlag, 1991 S.26 7 vgl. Wosgien, Gerlinde Anna: Literarische Frauenbilder von Lessing bis zum Sturm und Drang: Ihre Entwicklung unter dem Einfluß Rousseaus. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien Lang, 1999 S. 242

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Dadurch erhielt die Frau eine gesellschaftliche und moralische Aufwertung und durch die Hochschätzung der Mutterrolle eine positive Bewertung des weiblichen Körpers. 8 Nur einigen Frauen des Bürgertums und des Adels blieb es vorbehalten, das Rollenbild der Gattin, Hausfrau und Mutter in Frage zu stellen. Doch sie forderten ihren Anspruch auf Gelehrsamkeit mit großem Selbstbewusstsein ein, denn auch sie verfügten wie die Männer über Vernunft und Verstand. Diese „gelehrten“ Frauen wirkten als Künstlerinnen, Dichterinnen oder betätigten sich in den Wissenschaften. Jedoch verdienten die wenigsten damit ihren Lebensunterhalt.9

2. 1. Frauenbilder in der Literatur Karl Schlüter schreibt in seinem Handbuch über die Erziehung des weiblichen Geschlechts, dass eine Frau nicht dem Mann ebenbürtig ist, da es ihr im Allgemein an Kraft und Verstand fehlt. Die Frau gehört in die Küche, in die Kinderstube und an die Seite des Mannes.10Diese Bilder der Frau wurden an die Gesellschaft transportiert, sodass Frauen ihr Glück in der neuen Häuslichkeit finden sollen und eine besondere Erziehung erhalten, die sie zu einer guten unterwürfigen Ehefrau macht. Auch Rousseaus Buch: Emil oder über die Erziehung ist in dieser Zeit von großer Bedeutung. Er geht von der Natur der Männer und der Frauen aus und sagt, dass nur die Geschlechtsteile unterschiedlich sind. Dass beide gleichermaßen mit ihrem Geschlecht zum Zweck des Geschlechtsaktes beitragen, nur unterschiedliche Rollen dabei einnehmen. Somit schaffte Rousseau eine entscheidende Kategorie: Das Geschlecht.

Er

ist

ein

Wegbegleiter

für

männliche

und

weibliche

Geschlechtscharakter. Der Mann muss stark sein und aktiv, die Frau dagegen passiv und schwach. Diese Begriffe leitet er vom Geschlechtsakt ab. 11Die Aufgabe der Frau ist es dem Mann zu gefallen und ihn nicht herauszufordern. Der Mann gefällt der

8vgl. Wosgien, Gerlinde Anna: S. 248f.

9vgl. Thater, Steffen 2008, Online im Internet 10vgl. Schlüter, J. G. Karl: die Erziehung des weiblichen Geschlechts. Ein Handbuch für Erzieher, Eltern und all die, denen die Wohlfahrt des ganzen Menschengeschlechts am Herzen liegt. Band 1. Mainz, 1799 S. 229 - 236 11 vgl.Wosgien, Gerlinde Anna S. 242

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Frau schon allein durch seine Kraft, mehr bedarf es nicht.

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So ordnet auch

Rousseau die Frau dem Mann unter. Auch den Zugang zur Bildung wurden den Frauen Mitte des 18. Jahrhunderts erschwert. Dennoch spricht auch er von der Erziehung der Frau. Rousseau willigt ein, dass eine Frau etwas lernen soll, denn sie wurde auch mit einem feinen Geist beschenkt, aber nur was sich für eine Frau gehört. Darunter zählen Lesen, Schreiben, Zeichnen und Nadelarbeiten.

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Silvia Bovenschen hat in ihrer Studie „Die imaginierte Weiblichkeit“ (1979) zwei Weiblichkeitsmuster in der Literatur herausgearbeitet: Die gelehrte Frau, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts propagiert wurde und die empfindsame Frau, die ab Mitte des 18. Jahrhunderts favorisiert wurde.14

2.2. Moralische Wochenschriften im 18. Jahrhundert Anfang des 18. Jahrhunderts gab es die moralischen Wochenschriften, die sich besonders um die Bildung des weiblichen Geschlechts bemühten. Primär waren Frauen aus dem wohlhabenden, gebildeten Bürgertum und ländlichen Adel die Zielgruppe für die moralischen Wochenschriften. Die Vernünftigen Tadlerinnen war 1725/26 das bekannteste Blatt und wurde von Gottsched in Leipzig herausgegeben. Ziel dieser Wochenschrift ist es, das Ansehen der Frauen in der Gesellschaft zu stärken. Sie wurden ermuntert, geeignete Literatur zu lesen und sich somit selbstweiter zu bilden. Auch wurden gegen die vorherrschenden misogynen Vorurteile angekämpft. Da die Erziehung der Frauen für ihre geringe Bildung verantwortlich

gemacht

wird,

fordern

die

Wochenschriften

eine

bessere

Mädchenerziehung.15 In den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts weicht das Leitbild einer gelehrten und aufgeklärten Frau in den Wochenschriften, allmählich der empfindsamen und passiven Frau. So wird im Mahler der Sitten nicht mehr von einer intellektuellen Gleichwertigkeit der Frau ausgegangen. Es werden Empfindungen und Gefühl höher

12vgl. Rousseau,Jean-Jacques: Emil oder über die Erziehung. 13. unveränderte Auflage, Paderborn, München, Wien, Zürich: Schöningh, 2001 S. 385 13vgl. Rousseau, Jean-Jacques S.393 14 vgl. Wosgien, Gerlinde Anna: S.15 15 vgl. Wosgien, Gerlinde Anna: S.29f.

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bewertet als Verstand und Vernunft. Die Frau wurde weitgehend über Emotionalität definiert. Dieser Wechsel hatte zur Folge, dass sich das Anspruchsniveau der Frauenzimmerbibliothek änderte. So ging die Anzahl der wissenschaftlichengelehrter Texte zurück und mehr belletristische Werke wurden aufgenommen, die den Gemütsneigungen der Frauen entsprachen.16

2. 3. Frauenbilder in den bürgerlichen Trauerspielen In den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts erscheinen Romane und Dramen, deren Hauptfigur eine tugendhafte junge Frau ist. Meist geht es in diesen Werken um die Tugendhaftigkeit und Treue der Tochter und um das Problem der Jungfräulichkeit, von der das weitere Schicksal dieser Frau abhängig ist. 17Die Heldinnen sind nicht aktiv, sondern eher passiv-leidend. Vor allem leiden sie unter dem neuen bürgerlichen Frauenideal, dass eine unverheiratete Frau sexuell unschuldig sein muss. Der Tugendbegriff wird immer mehr mit weiblicher Unschuld in Verbindung gesetzt und so kommt es, dass die Hauptfiguren immer ledige Töchter sind. 18 Rousseau schuf ein Frauenbild, welches oft Vorbild für weibliche Figuren in der Literatur war.

16 vgl. Ebd S. 53-55 17 vgl. Sauerland, Karol: Auch eine Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts. Der Aufstieg der deutschen Sprache zu einer Kultursprache. Berlin: Weidler, 2015 S. 107 18 vgl. Wosgien, Gerlinde Anna: S 155-157

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4. Lady Milford Bevor Lady Milford überhaupt in Kabale und Liebeselbst zu Wort kommt, wird über sie gesprochen und so vorab ein Bild von ihr geformt. Als der Präsident Ferdinand mitteteilt, dass er Lady Milford heiraten soll, ist dieser darüber sehr erzürnt und kann es nicht fassen, was sein Vater von ihm verlangt. „Mit welchem Gesicht soll ich vor den schlechtesten Handwerker treten, der mit seiner Frau wenigstens doch einen ganzen Körper zum Mitgift bekommt? mit welchem Gesicht vor die Welt? vor den Fürsten? mit welchem vor die Buhlerin selbst, die den Brandflecken ihrer Ehre in meiner Schande auswaschen würde?“19 Ferdinand möchte sie nicht zur Frau nehmen, da sie ihre Tugendhaftigkeit sowie ihre Jungfräulichkeit schon verloren hat. Er möchte sich nicht lächerlich machen, in dem er Lady Milford heiratet .Da die materielle Mitgift zunehmend an Bedeutung verloren hat, ist die Jungfräulichkeit das wichtigste Gut einer Frau. 20Schiller gibt Lady Milford gleich in der nächsten Szene die Gelegenheit dazu, sich von den Vorurteilen zu befreien. Schnell wird klar, dass sie unglücklich ist und genug von den Intrigen am Hof hat. „Ich bitte, verschone mich! … - Das sind schlechte, erbärmliche Menschen, die sich entsetzen, wenn mir ein warmes, herzliches Wort entwischt, Mund und Nase aufreißt, als sähen sie einen Geist- Sklaven eines einzigen Marionettendrahts, den ich leichter als mein Filet regiere! …“21

19 Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe, 35. Auflage Leipzig: Reclam, 1973 S.25 20vgl. Wosgien, Gerlinde Anna S.156 21 Schiller, Friedrich S.27

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In dieser Szene wird sehr deutlich, dass Lady Milford der Höflinge und deren Intrigen leid ist. Sie möchte sich nicht mit ihnen unterhalten. Sie antworten ihr immer gleich und schmeichelhaft. Ich würde sogar sagen, sie verachtet dieses Verhalten, dass sie immer umschmeichelt wird, nur um ein besseres Ansehen bei dem Fürsten zu haben. Hier entspricht Lady Milford nicht der Höflichkeit, die Rousseau gerne bei den Frauen sehen möchte. Er sagt, dass es Frauen einfacher fällt in der Gesellschaft höflich zu sein und gerne anderen zuhören. Er sagt wiederum auch, dass Frauen untereinander ehrlich zueinander sind und dieser Aspekt trifft zu. 22Sie öffnet sich Sophie gegenüber und gibt zu, dass sie es leid ist eine Mätresse zu sein und den Fürsten nie geliebt hat. Sie gesteht, dass sie sich nach einem Mann sehnt, den sie von Herzen liebt und der sie auch liebt und nicht nur begehrt. Dabei hat sie den Major auserkoren der Mann ihres Herzes zu sein und sie gibt zu, dass sie selbst das Gerücht ihrer Hochzeit vorangetrieben hat. „Die Verbindung mit dem Major - Du und die Welt stehen im Wahn, sie sei eine Hofkabale - Sophie - erröte nicht - schäme dich meiner nicht - sie ist das Werk meiner Liebe.“23 Schiller hat mit Lady Milford einen sichtbaren Charakter geschaffen, der tief in sich gespalten ist. Entgegen der höfischen Spielregeln ist sie aufrichtig in Ferdinand verliebt.24 Sie weiß nicht, wie sie ihn für sich gewinnen soll und bedient sie sich einer Intrige, wie es am Hofe üblich ist. Sie verbreitet selbst das Gerücht einer Heirat mit Ferdinand. Sie bedient sich des Hofes, um ihren Vorteil zu haben. Gleichzeitig übt sie immer wieder Kritik an das Intrigenspiel des Hofes, trotzdem bleibt sie in ihrem Verhalten an die Spielregeln des Hofes verhaftet und bewertet die gesellschaftlichen Verhältnisse aus der Sicht ihres Standes. In der berühmten Kammerdienerszene (II,2) wird ihre moralische Entrüstung gegenüber dem Hof nochmals deutlich. Sie

zeigt nochmal auf, wie wichtig es ihr ist gegenüber den Untertanen Menschlichkeit zu zeigen.25

22vgl. Rousseau, Jean-Jaques S. 408 23vgl. Schiller, Friedrich S. 29 24vgl. Guthke, Karl S., Interpretationen. Schillers Dramen, Stuttgart: Reclam, 1992 S.129 25vgl. Struck, Hans-Erich: Friedrich Schiller. Kabale und Liebe. Interpretation 1 Auflage. München: Oldenburg, 1994 S.33

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„Man soll es sogleich zu Geld machen, befehle ich, und den gewinst davon unter die Vierhundert verteilen, die der Brand ruiniert hat.“26 Lady Milford weist auch hier einen eher untypischen Sozial- und Edelsinn auf. 27 Lady Milford weist einen „sozialen Instinkt“ auf, den Rousseau Frauen zuschreibt. So handelt Sie mitmenschlicher und nicht egoistisch. 28Besonders in dieser Szene ist er gut sichtbar, in dem sie die Diamanten nicht behalten will und lieber den Bedürftigen schenkt. Durch dieses Verhalten erlangt Lady Milford wieder etwas „Tugendhaftes“ zurück. Es rückt sie in ein besseres Bild. Dies merkt auch Ferdinand, als sie ihm ihre Lebensgeschichte erzählt und daraus hervorgeht, dass sie entgegen dem Anschein mit stiller Tugend und Menschlichkeit an den korrupten Herzoghof gewirkt hat. 29Sie nutzt ihre Position um den Bedürftigeren zu Helfen und versucht den Fürsten immer milde seinem Volk gegenüber zu stimmen. Sie sah es als ihre Aufgabe an, dies für das Land und das Volk zu tun. Als sie Ferdinand darum bittet, von einer Verbindung mit ihm abzusehen, wird sie zornig und droht ihm. Getrieben von einem gebrochenen Herzen will sie ihre Nebenbuhlerin ausschalten. Sie fasst den Plan Luise zu demütigen und ihr eine Stelle anzubieten, so dass sie Ferdinand nicht mehr heiraten kann. Ihr bisheriger sanfter und einfühlsamer Charakter scheint völlig verschwunden zu sein. In dem Gespräch mit Luise wirkt sie anfangs arrogant und herablassend. Sie verliert sogar die Fassung und beginnt Luise zu bedrohen. „Wage es, an ihn zu denken oder einer von seinen Gedanken zu sein. - Ich bin mächtig, Unglückliche - fürchterliche. - So wahr Gott lebt! du bist verloren!“30 Sie geht sogar so weit, dass sie zugibt, dass es ihr egal ist ob Ferdinand sie liebt. Es geht ihr nur noch darum die beiden zu trennen. Und plötzlich wechselt Lady Milford

26 Friedrich, Schiller S. 32 27 vgl. Guthke, Karl S. 129 28 vgl. Wosgien, Gerlinde Anna S. 243 29 vgl. Guthke, Karl S.131 30Friedrich, Schiller S. 81

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wieder zu ihrem sensiblen und einfühlsamen Charakter und entschuldigt sich für ihre Raserei. „Vergib einer Rasenden. - Ich will dir kein Haar kränken, mein Kind.“31 Als Luise gegangen ist, wird ihr bewusst, dass Luise sich umbringen will und Ferdinand so freigeben würde. Darüber ist Lady Milford entsetzt. Gleichzeitig ist sie beschämt über ihr boshaftes Verhalten und beschließt den Beiden zu helfen. „Dieses liebende Paar ist verloren, oder Milford muß ihren Anspruch vertilgen und im Herzen des Fürsten erlöschen! … In deine Arme werf ich mich Tugend!“ 32 So beschließt sie, den Herzoghof zu verlassen. Luise hat durch ihre Worte bewirkt, dass Lady Milford zu ihrem wahren Selbst zurückgefunden hat. Ich empfand diese Szene nicht so, als würde Luise Lady Milford überreden ihre Mätressenrolle aufzugeben.33 Vielmehr ist deutlich geworden, dass sie endlich ihren inneren Konflikt lösen konnte. Lady Milford kämpft schon seit Beginn des Stückes mit ihrer Rolle als Mätresse. Die Heirat mit Ferdinand sollte ihr dabei helfen, ihr die Liebe zu geben, die sie so schmerzlich v...


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