VU-St PO-Lösungsanleitung 03 PDF

Title VU-St PO-Lösungsanleitung 03
Author Sandra Hennig
Course Strafrecht
Institution Universität Salzburg
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Summary

Sommersemester...


Description

VU Strafverfahrensrecht Seiler SS 2020; 101 863

Lösungsanleitung für Fall 3

Themenbereiche: ungebührliches Verhalten in der HV Absprachen Relevanz von Beweisanträgen Mona S steht wegen des Verdachts, sich an einer terroristischen Vereinigung beteiligt zu haben, vor Gericht (§ 278b StGB). Zur HV erscheint sie mit einem Gesichtsschleier. Als der vorsitzende Richter sie auffordert, diesen abzunehmen, verweist Mona S auf die Gebote ihres Glaubens. Nach mehrmaliger Ermahnung weist der Richter Mona S aus dem Saal und verhandelt in deren Abwesenheit weiter. 1.

Ist dies zulässig?

Die Angeklagte verliert das Recht auf Anwesenheit in der HV, wenn sie sich ungebührlich benimmt, dadurch die Verhandlung stört und dieses Verhalten trotz Ermahnung fortsetzt (§ 234 StPO). Sie kann dann für einige Zeit oder für die ganze Dauer der ganzen HV ausgeschlossen werden. Eine nachträgliche Information des Störers über den Verhandlungsablauf ist nicht nötig. Die Rsp erachtet es als „ungeziemendes Benehmen“ iS des § 234, wenn eine Beschuldigte mit Gesichtsschleier zur Hauptverhandlung erscheint, und hält es für rechtmäßig, diese von der Verhandlung auszuschließen (OGH JBl 2009, 527). Nach Meinung des OGH zählt es zu den unbestrittenen Grundregeln in Österreich üblicher menschlicher Kommunikation, das Gesicht unverhüllt zu lassen. Der OGH sah im Verhalten der Angeklagten eine politisch-weltanschaulich motivierte Demonstration, für welche ein Gerichtssaal nicht der rechte Ort sei. Es würde an der Angeklagten liegen, dahingehende Bedenken auszuräumen und so den Respekt vor der Würde des Gerichts trotz der durch den Gesichtsschleier indizierten Missachtung auch für Dritte unmissverständlich klarzustellen. Zu dieser Frage ließe sich natürlich auch ein gegenteiliger Standpunkt vertreten. Wenn die Identität der Beschuldigten bereits vor der Verhandlung festgestellt wurde, könnte darin auch ein grober Verstoß gegen die Grundprinzipien einer fairen Verfahrensführung gesehen werden: Es mag zwar in unseren Breiten üblich sein, nur unverhüllt in Kommunikation mit einem anderen zu treten, doch ist ein Beschuldigter aufgrund seiner prozessualen Stellung nicht verpflichtet, mit dem Gericht zu kommunizieren. Es gehört aber jedenfalls zu den Grundregeln eines fairen Verfahrens, dass der Beschuldigte Gelegenheit hat, den Verhandlungsablauf als (bloßer) Zuhörer zu verfolgen. 2.

Bereits am Tag vor der HV machte der vorsitzende Richter dem Anwalt von Mona S in einem VierAugen-Gespräch den Vorschlag, dass Mona S ein Geständnis ablegen solle. Nach einer kurzen „proforma“ Verhandlung, ohne ausführliches Beweisverfahren, würde er dann eine milde Strafe, nämlich eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von zwei Jahren, verhängen. Obwohl seine Mandantin sich unschuldig fühlte, ging der Verteidiger auf den Vorschlag ein. Aufgrund des Ausschlusses von Mona S kommt es jedoch nicht zum Geständnis. Ist eine dahingehende Absprache zwischen Richter und Verteidiger bzw Beschuldigtem zulässig und verbindlich?

Absprachen zwischen Richter, StA und Verteidiger über konkrete Auswirkungen des Aussageverhaltens des Angeklagten auf die zu verhängende Strafe verstoßen gegen § 164 Abs 4 StPO. Das Gericht darf nicht im Beschuldigten den Eindruck erwecken, dass er eine höhere Strafe zu befürchten hätte, wenn er durch die Inanspruchnahme seiner prozessualen Rechte (zB Stellen von Beweisanträgen) eine rasche Verfahrensbeendigung verhindert. In der Praxis gehört leider dennoch ein dahingehendes Verhandeln zwischen Richter, StA und Verteidiger vor oder am Beginn der eigentlichen HV zum Alltag. Absprachen zwischen Richter und Verteidiger haben keine verbindliche Wirkung. 3.

Der Verteidiger beantragt als Zeugin die Wohnungsnachbarin von Mona S, zum Beweis dafür, dass Mona S sich bestens sozial integriert habe und daher die Annahme, sie würde sich in einer terroristischen Vereinigung betätigen, abwegig sei. Der Vorsitzende lehnt den Beweisantrag ab und fordert den Verteidiger auf, nicht durch „schwachsinnige“ Anträge zu versuchen, das Verfahren in die Länge zu ziehen. Was kann der Verteidiger dagegen unternehmen? Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten.

Jeder Beweisantrag muss das Beweisthema und das Beweismittel nennen (§ 222 Abs 1 iVm § 55 Abs 1 StPO). Weiters muss ein Beweisantrag so gestaltet sein, dass das Gericht erkennen kann, ob der beantragte Beweis der weiteren Aufklärung des Sachverhaltes dienen könnte oder ohne weiteren Nutzen das Verfahren nur verzögern würde. Soweit es nicht offensichtlich ist, muss der Antragsteller darlegen, was zB mit der Einvernahme eines bestimmten Zeugen bewiesen werden soll, damit das Gericht die Relevanz des Beweisantrages beurteilen kann. Die soziale Integration ist als Beweisthema im gegenständlichen Fall unerheblich. Zur Frage, ob Mona S Mitglied einer terroristischen Vereinigung iSd § 278b Abs 2 StGB ist, kann damit nichts ausgesagt werden. Die Schlussfolgerungen, welche der Verteidiger bzw die Zeugin aus der sozialen Integration von Mona S ziehen sind für das Gericht irrelevant. Ein Zeuge darf nur über sinnliche Wahrnehmungen befragt werden. Subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen, rechtliche Beurteilungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge können nicht Gegenstand einer Zeugenaussage sein. Aus dem gegenständlichen Beweisantrag ist daher keine weitere Aufklärung des Sachverhaltes zu erwarten und der Beweisantrag wurde daher zu Recht abgelehnt. Der Verteidiger könnte die Ablehnung des Beweisantrages mit einer Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO geltend machen. Er wird jedoch damit keine Aussicht auf Erfolg haben: Eine mit Nichtigkeit bedrohte Missachtung von Beweisanträgen liegt nur vor, wenn der Antragsteller das Beweisthema, das Beweismittel und das daraus zu erwartende Ergebnis in seinen Antrag aufgenommen hat. Das Gericht muss aus dem Antrag erkennen können, ob dieser der Klärung der Sachlage dienlich sein kann. Die Ablehnung eines mangelhaften Beweisantrages bewirkt keine Nichtigkeit. Aus Art 6 Abs 3 lit d MRK ist kein absolutes Recht des Beschuldigten auf die Vernehmung von Zeugen ableitbar. Weiters wird zu beachten sein, dass der Antragsteller einen Beschluss des Senates verlangen muss, wenn der Vorsitzende einem Antrag nicht stattgibt. Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO kann nicht geltend gemacht werden, wenn sich der Beschwerdeführer bereits mit der Abweisung seines Antrages durch den Vorsitzenden abgefunden hat, wie dies nach dem SV offenbar der Fall war. Der Vorsitzende bezeichnet den Antrag des Verteidigers als „schwachsinnig“. Dies könnte als grob ungehörige Äußerung des Richters gegenüber dem Verteidiger gewertet 2

werden. Für sich alleine rechtfertigt dies jedoch noch nicht die Annahme einer Befangenheit (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO) des Richters. Ein dahingehender Antrag des Verteidigers wird daher keine Aussicht auf Erfolg haben.

Fragebeantwortung Nachtrag zu Fall 1: Im vorletzten Absatz von Punkt b) der Lösung muss der Klammerausdruck lauten: „(§ 281 Abs 1 Z 7 iVm § 468 Ab 1 Z 4 kann daher nicht geltend gemacht werden)“ Die Nichterledigung der Anklage würde nämlich mit dem Nichtigkeitsgrund § 281 Abs 1 Z 7 und nicht Z 8 geltend gemacht werden. Fragen zu Fall 2

1. Verstehe ich das richtig, dass wenn ein Richter gem. §43 (1) Z1 oder Z2 auszuschließen ist, es keinen Ablehnungsantrag in der HV braucht um das Urteil gem. §281(1) Z1 anzufechten. Wenn der Richter aber gem. §43 (1) Z3 auszuschließen wäre, es aber so einen Antrag braucht um §281 (1) Z1 geltend zu machen? Es besteht in diesem Punkt kein Unterschied zwischen den einzelnen Befangenheitsgründen. Ausschließungsgründe sind auf Antrag einer Partei oder vom Richter von Amts wegen wahrzunehmen. Wenn ein Ausschlussgrund vorliegt, hat sich der betroffene Richter jeder Verfahrenshandlung zu enthalten, da diese sonst nichtig wäre (§ 281 Abs 1 Z 2). Ein Richter, dem ein Ausschließungsgrund bekannt wird, hat diesen sogleich dem Vorsteher bzw Präsidenten des Gerichts, dem er angehört, anzuzeigen (§ 44 Abs 2). Ein Tätigwerden trotz des Wissens, dass Umstände vorliegen, welche die volle Unbefangenheit in Zweifel ziehen, kann einen Befugnismissbrauch iSd § 302 StGB darstellen (EvBl 2014/122). Eine Ausnahme besteht nur für unaufschiebbare Handlungen (Gefahr im Verzug). Selbst bei Gefahr im Verzug darf ein Richter jedoch nicht tätig werden, wenn er gegen einen Angehörigen einzuschreiten hätte. Das Verfahren muss in diesem Fall unverzüglich abgetreten werden (§ 44 Abs 1). Ist in der HV ein ausgeschlossener Richter an der Entscheidungsfindung beteiligt, kann dies als Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 1 geltend gemacht werden (vgl Rz 1041; EvBl 2009/123). Nur für den Fall, dass ein Richter nicht von sich aus seine Ausgeschlossenheit erkennt und anzeigt (es macht dabei keinen Unterschied um welchen Befangenheitsgrund es sich handelt), sieht das Gesetz auch für alle Beteiligten des Verfahrens ein Antragsrecht auf Ablehnung des Richters wegen Vorliegens eines Ausschlussgrundes vor. Dieser Antrag ist bei dem Richter einzubringen, bei dem die Ausschließung anzuzeigen wäre (§ 44 Abs 2 u 3). Der Ablehnungsantrag ist an keine Frist gebunden. 2.

zu Fall 2 a). Ich habe zusätzlich zu ihrer Beantwortung noch die Paragraphen:

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-§3 StPO Objektivität und Wahrheitserforschung angegeben: da die Richterin im SV nur einschlägig in die Richtung Schuld des Beschuldigten ''ermittelt'' und keine Beweise vorbringen möchte die dessen Unschuld beweisen könnte. -§6 StPO: Rechtliches Gehör: Da der Beschuldigte eigentlich kein wirkliches Recht hat am Verfahren mitzuwirken (er kann seine Unschuld nicht beweisen) und auch wie im Abs. 2 beschrieben Gelegenheit zur Rechtfertigung bzw. um Verdachtsgründe zu beseitigen nicht gegeben wird. -§14 StPO freie Beweiswürdigung: Die Richterin darf zwar nach freier Überzeugung handeln jedoch muss dies doch rational nachvollziehbar sein und für die Allgemeinheit als gerecht anerkannt werden, das Verhalten der Richterin im SV ist weder rational nachvollziehbar noch gerecht. -§55 StPO Beweisanträge: Da der Beschuldigte keinerlei Beweise vorbringen konnte. Würden Sie sagen könnte man diese Paragraphen hinzufügen oder ist es hinsichtlich der Prüfung besser sich eher kurz zu fassen und pro Antwort nur einzelne Paragraphen aufschnappen und dafür diese umso genauer zu behandeln. Grundsätzlich ist es besser sich kurz zu fassen. Die Sachverhaltsangaben sind naturgemäß sehr kurz gefasst. Die von Ihnen angeführten Paragraphen könnten relevant gewesen sein, doch dies ergibt sich nicht aus dem Sachverhalt. Grundsätzlich nur auf Probleme und Fehler eingehen, die sich eindeutig aus dem Sachverhalt ergeben. In allen anderen Punkten kann davon aufgegangen werden, dass das Gericht gesetzmäßig vorgegangen ist: § 3: Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Richterin entlastende Umstände nicht berücksichtigt hat. Vielleicht gab es aus ihrer Sicht gar keine. § 6: Der Beschuldigte muss nicht seine Unschuld beweisen, sondern das Gericht seine Schuld. Es gibt im SV keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte keine Gelegenheit hatte, seine Sicht der Dinge vorzubringen. § 14: Das Ergebnis, zu dem die Richterin nach ihrer Beweiswürdigung gekommen ist, ist rechtlich nicht haltbar. Das heißt nicht, dass sie ihrer Beweiswürdigungspflicht nicht nachgekommen ist. Ihr Ergebnis war nur rechtlich falsch. § 55: Davon steht nichts im Sachverhalt.

Allgemeine Fragen: 1. Generell darf man ja das Entschlagungsrecht bei Zeugen, die gem. §157 Z2-Z5 ein

Aussageverweigerungsrecht haben bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgehen. Bei Ziffer 389 in Ihrem Buch steht aber das die Polizei private Aufzeichnungen des Zeugen beschlagnahmen darf und diese verlesen werden dürfen. Würde das aber nicht auch unter das Umgehungsverbot fallen? Es darf nicht das Entschlagungsrecht bei der „formellen Vernehmung“ als Zeuge durch die Polizei oder das Gericht umgangen werden. (zB von einer Vernehmung wird nicht das Protokoll verlesen, weil dies unzulässig wäre, sondern der vernehmende Polizist befragt, was der Zeuge gesagt hat). Wenn ein Zeuge private Aufzeichnungen angefertigt hat und diese beschlagnahmt werden, werden dabei nicht die einschlägigen Vernehmungsbestimmungen umgangen. Private Aufzeichnungen sind keine Aussage im Rahmen einer Vernehmung. Es dürften auch außergerichtliche Äußerungen des Zeugen verwertet werden, weil es sich dabei ebenfalls nicht um eine Aussage im Rahmen einer „förmliche Vernehmung“ handelt. Es

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handelt sich bei den privaten Aufzeichnungen um ein ganz normales Beweismittel und nicht um „das Protokoll einer förmlichen Vernehmung“.

2. Ich bin etwas unsicher was das Thema Verwertungsverbot von Beweisen, die durch gesetzwidrige Zwangsmaßnahme erworben wurden angeht. Habe ich das richtig verstanden, dass wenn Beweise durch gesetzeswidrige Sicherstellungen, Durchsuchungen von Orten und Personen oder körperliche Untersuchungen oder molekulargenetischen Untersuchungen erworben wurden, man keine Nichtigkeit gem. §281 (1) Z 2 geltend machen kann sondern nur gem. §281 (1) Z4? Ausnahmen bestehen aber bei gesetzwidrigen Auskünften über Kontenregister bzw. Bankkonten, die bei einer erfolgreichen Beschwerde einem Verwertungsverbot gem. Z2 unterliegen und wenn eine Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug ohne gerichtliche Bewilligung stattfand und das Gericht der nachträglich eingeholten Bewilligung nicht stattgegeben hat, was ebenfalls ein Verwertungsverbot bewirkt. Hier muss man zwischen den einzelnen Verfahrensstadien unterscheiden: Ermittlungsverfahren: Im Ermittlungsverfahren können sie gegen gesetzwidrige Ermittlungsmaßnahmen das Rechtsmittel des Einspruchs (§ 106) bzw der Beschwerde einbringen (§§ 87ff). Bei manchen Ermittlungsmaßnahmen, wie zB bei gesetzwidrigen Auskünften über Kontenregister bzw Bankkonten ist hierzu geregelt, dass bei einer erfolgreichen Beschwerde die ermittelten Daten zu löschen sind (§ 116 Abs 6 iV § 89 Abs 4), was auf ein Verwertungsverbot hinausläuft. Oft ist das auch etwas verklausulierter formuliert, wie zB bei § 122 Abs 1, wenn „mit den zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln der der gerichtlichen Entscheidung entsprechende Rechtszustand wieder herzustellen ist“. Das heißt aber noch nicht, dass damit der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 2 StPO gegen ein Urteil geltend gemacht werden kann, das dieses Verwertungsverbot ignoriert. Die Nichtigkeitsgründe betreffen nur das Rechtsmittelverfahren. § 281 Abs 1 Z 2 kann nur geltend gemacht werden, wenn der fehlerhafte Ermittlungsakt vom Gesetz selbst ausdrücklich für nichtig erklärt wird: zB § 159 Abs 3, § 140. Wenn das nicht in der Bestimmung so steht (zB gesetzwidrige Auskünfte über Kontenregister bzw. Bankkonten, §§ 116 Abs 6 iVm § 89 Abs 4), dann kann sich der Beschuldigte nur in der Hauptverhandlung gegen eine Verwertung (zB durch Verlesung der einschlägigen Unterlagen) beschweren: Antrag auf Nichtverlesung. Wird dieser Antrag vom Gericht abgelehnt, könnte der Beschuldigte gegen das Urteil den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 geltend machen.

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