02 Shisha Bar - Unirep SS 20 PDF

Title 02 Shisha Bar - Unirep SS 20
Author Kai Lüninck
Course Polizei- und Ordnungsrecht
Institution Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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Unirep SS 20...


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UniRep Online - eLearning für Jurastudierende der WWU Münster - un… Polizei- und Ordnungsrecht (Prof. Dr. Fabian Wittreck – SS 2020)

11.06.20, 10 :30

Autor: Prof. Dr. Fabian Wittreck Copyright: Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 05.2020

POR Fall 2 – Aufgabe Problembereiche: Einstweiliger Rechtsschutz – Annexantrag – Bestätigung – Nichtraucherschutzgesetz – Tabaksteuergesetz – Störereigenschaft – Berufsfreiheit Art. 12 Abs. 1 GG – Verhältnismäßigkeit von Ordnungsverfügungen – besonderer Vollzugsgrund – Verwaltungsvollstreckung.

Sachverhalt: Harry Teutonico (H) ist deutscher Staatsangehöriger und Inhaber der Schankwirtschaft „Die Ziege“ in der kreisfreien Stadt M (NRW). Diese betreibt er schon seit Jahren mit der dafür erforderlichen Gaststättenerlaubnis gem. § 2 I GastG. Während dieser Zeit blieben polizeiliche oder ordnungsbehördliche Maßnahmen gegenüber H aus. Am Abend des 11. Januar 2020 betreten die Beamtinnen A und B der zuständigen Ordnungsbehörde die Geschäftsräume des H für eine Kontrolle im Zuge einer Razzia von Polizei, Ordnungsamt und Zoll. Sogleich nehmen sie einen süßlichen Geruch war. Dieser führt sie in einen Geschäftsraum, in dem sie drei befüllte und entzündete Wasserpfeifen (sog. Shishas) vorfinden. Diese können allerdings keinem der in der Schankwirtschaft anwesenden Gäste mehr zugeordnet werden. A und B setzten ihren Kontrollgang fort. Schließlich stoßen sie im Lager des H auf eine Vielzahl von Großgebinden mit Rauchtabak, die im Eigentum des H stehen. Aus diesen entnimmt H kleinere Portionen Tabak und verkauft diese an seine Gäste. Zu einem großen Teil fehlen an den großen Tabakdosen die Steuerbanderolen. Nachdem A und B dies dokumentiert haben, verlassen sie die Geschäftsräume des H wieder. Zuvor weisen sie den H jedoch auf die ihrer Einschätzung nach vorliegenden Gesetzesverstöße hin. Sie sehen diese in Form des Rauchens der ShishaPfeifen und des Pfeifentabaks in Großgebinden, von denen zudem nicht alle Steuersiegel aufweisen, sowie der Abgabe kleinerer Portionen Tabak an die anwesenden Gäste. Als alle Beamten in die Dunkelheit verschwinden, meint H, sich wieder in Sicherheit wiegen zu können. Die Erleichterung wahrt jedoch nicht lange, denn in den frühen Morgenstunden des 12. Januar 2020 betreten die Ordnungsbeamtinnen C und D als Teil der „zweiten Welle“ von Kontrollen durch Polizei, Ordnungsbehörde und Zoll die „Ziege“. Zielgerichtet suchen sie die betreffenden Geschäftsräume auf. Diesmal treffen sie dort Gäste an, die an drei Tischen mit Rauchtabak befüllte Wasserpfeifen rauchen. H ist zu diesem Zeitpunkt, wie schon den ganzen vorherigen Abend, in den Räumen der Schankwirtschaft anwesend. Auch C und D finden die bereits von A und B gefundenen Großgebinde vor, aus denen H portionsweise Tabak an seine Gäste verkauft. Da H nach der ersten Kontrolle nichts unternommen hat, reicht es C und D. Um das Rauchen der Shishas sowie das weitere Verkaufen von Rauchtabak aus den Tabakdosen in kleinen Portionen zu unterbinden, fordern sie H nach Anhörung mündlich zur Schließung der Geschäftsräume der „Ziege“ auf. Zugleich ordnen sie die sofortige Vollziehung der Schließung an. Als H immer noch nicht tätig wird, bestimmen sie gegenüber H, daß unmittelbarer Zwang i.S.d. § 57 I Nr. 3 VwVG NW angewendet werden soll und versiegeln den Eingang der Schankwirtschaft. H fordert C und D danach sofort auf, ihm die Maßnahmen schriftlich zu bestätigen. H ist entsetzt. Denn er selbst habe ja nicht geraucht. Zudem behauptet er, daß es sich um eine private Feier seiner Freundin F in seinen Räumlichkeiten gehandelt habe. C und D halten dem entgegen, daß H als Gastwirt während der gesamten Zeit in den Geschäftsräumen anwesend gewesen sei. Ihnen gegenüber hatte auf Nachfrage keiner der Gäste die Angabe gemacht, aufgrund einer geschlossenen Gesellschaft anwesend zu sein. Dies hätte auch H erkennen können, so daß https://unirep-online.de/ilias.php?ref_id=39377&obj_id=450889&…ss=ilLMPresentationGUI&rtoken=fe904e77f5d37a85a2b279d056194fc7

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er einen Gaststättenbetrieb jedenfalls duldete. Was die fehlenden Steuerbanderolen auf den Großgebinden angeht, wendet H ein, daß sich diese auch einfach von selbst lösen könnten. Die Beamtinnen stellen jedoch fest, daß dies die Vielzahl der vorgefundenen Tabakdosen ohne Steuersiegel nicht erklären könne. Im übrigen hält H die Anordnung der Schließung und Versieglung der Schankwirtschaft für unverhältnismäßig. Es müsse doch ein milderes Mittel geben. Er, H, kenne andere Gastwirte, bei denen bei vergleichbaren Gesetzesverstößen weniger einschneidende Maßnahmen ergriffen worden seien. Zudem werde er durch die Maßnahme als Gastwirt in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. C und D erwidern, daß ihnen ein milderes, gleich geeignetes Mittel nicht zur Verfügung stehe. Schon kurz nach der ersten Kontrolle habe H die Abgabe von Rauchtabak an seine Gäste wiederaufgenommen; nur so könnten die Gesetzesverstöße effektiv unterbunden werden. In dieser Hinsicht unterscheide sich auch der Fall des H von anderen Gaststättenbetreibern. Der mit den Maßnahmen bezweckte Schutz der Allgemeinheit vor Gesundheitsbeeinträchtigungen begründe auch das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Maßnahme. Am 31. Januar 2020 bestätigt der Oberbürgermeister der Stadt M als zuständige Ordnungsbehörde schriftlich die zuvor mündlich ausgesprochene Anordnung der Schließung, welche H am 1. Februar 2020 zugeht. Gleichzeitig kündigt er in dem Schreiben an, zeitig über den etwaigen Widerruf der Gaststättenerlaubnis des H entscheiden zu wollen. Bis dahin soll die Schankwirtschaft des H geschlossen bleiben. Die Bestätigung enthält zudem eine Rechtsbehelfsbelehrung. H erkennt nun, daß es die Behörde ernst meint. Da er so schnell wie möglich den Betrieb wieder aufnehmen will, beantragt er noch am selben Tag bei dem zuständigen Verwaltungsgericht gegen die Anordnung der Schließung sowie die Versiegelung der Schankwirtschaft einstweiligen Rechtsschutz. Am 28. Februar 2020 erhebt er gegen die Maßnahmen zudem Klage.

Bearbeitungsvermerk: Wird der Antrag des H Erfolg haben?

Bearbeitungshinweis: Auf die §§ 1-4 NiSchG NW und §§ 1, 16, 17 TabStG wird hingewiesen. Eine Steuerpflicht ist gem. § 15 I TabstG entstanden und H ist im Sinne des § 15 IV TabstG steuerpflichtig.

POR Fall 2 – Vertiefungshinweise: OVG NRW, Beschluß v. 28.5.2019 – 4 B 402/19; VG Düsseldorf, Beschluß v. 3.2019 – 3 L 325/19 (Vorinstanz) T. Spitzlei, Der vorläufige Rechtsschutz im Verwaltungsprozess im Überblick, in: Jura 2019, S. 600-606 F. Shirvani/M. Heidebach, Hauptsacherechtsbehelf und vorläufiger Rechtsschutz. Ist die Erhebung der Anfechtungsklage Voraussetzung für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO?, in: DÖV 2010, S. 254-261 F. Brosius-Gersdorf, Vollzugsfolgenbeseitigung. Materielle Anspruchsgrundlagen und verwaltungsprozessuale Durchsetzung, in: JA 2010, S. 41-47 H. Weidemann/B. Rheindorf, Die schriftliche Bestätigung eines mündlich erlassenen Verwaltungsakts, in: DVP 2009, S. 376-380 (Vergleich VwVfG und AO).

POR Fall 02 – Lösung Lösungshinweise https://unirep-online.de/ilias.php?ref_id=39377&obj_id=450889&…ss=ilLMPresentationGUI&rtoken=fe904e77f5d37a85a2b279d056194fc7

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Obersatz: Der Antrag des H hat Erfolg, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen und soweit er begründet ist.

A.

Sachentscheidungsvoraussetzungen

Obersatz: Die Sachentscheidungsvoraussetzungen müßten erfüllt sein. I.

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs: Gemäß § 40 I 1 i.V.m. § 80 V 1 VwGO müßte in der Hauptsache der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Eine aufdrängende Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 I 1 VwGO eröffnet, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art vorliegt und die Streitigkeit nicht durch eine abdrängende Sonderzuweisung den ordentlichen Gerichten zugewiesen ist. Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen öffentlich-rechtlich sind. Öffentlich-rechtlich sind Normen, die einen Hoheitsträger als solchen berechtigen oder verpflichten (modifizierte Subjektslehre). Streitgegenstand ist vorliegend die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Schließung und der Versiegelung der Schankwirtschaft. Streitentscheidende Normen hierfür sind § 14 I OBG sowie die Normen aus dem VwVG NW. Sie berechtigen einen Hoheitsträger einseitig, Maßnahmen zu erlassen, sind mithin öffentlich-rechtlich. Daher liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit ist sie auch nichtverfassungsrechtlicher Art. Eine abdrängende Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich. Mithin ist der Verwaltungsrechtsweg in der Hauptsache gem. § 40 I 1 VwGO eröffnet.

II.

Statthafte Antragsart: Fraglich ist, welche Antragsart statthaft ist. Der Antrag des H auf „einstweiligen Rechtsschutz“ ist gem. § 88 VwGO, §§ 133, 157 BGB nach dem mutmaßlichen Begehren des Antragstellers auszulegen. H richtet sich in seinem Antrag zum einen gegen die Anordnung der Schließung der Schankwirtschaft, zum anderen gegen deren Versiegelung. Gem. § 123 V VwGO hat ein Antrag nach § 80 V 1 VwGO Vorrang vor einem solchen nach § 123 I VwGO. Hinweis: Maßnahmen, gegen die sich H richtet, sollten hier sauber voneinander getrennt und geprüft werden. Gegen die Anordnung der Schließung könnte ein Antrag gem. § 80 V 1 VwGO statthaft sein. Eine Anfechtungsklage in der Hauptsache dürfte keine aufschiebende Wirkung haben, § 80 I, II VwGO. Bei der Anordnung der Schließung der Schankwirtschaft durch die Ordnungsbehörde handelt es sich als Gebot um einen den H belastenden Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG, gegen den die Anfechtungsklage gem. § 42 I 1 Var. 1 VwGO statthaft ist. Die Schließungsanordnung könnte sich jedoch gem. § 43 II VwVfG NW durch ihre Vollziehung im Wege der Verwaltungsvollstreckung erledigt haben. Das Bestehen eines vollziehbaren Grundverwaltungsaktes ist jedoch Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung, vgl. § 55 I VwVG NW. Allein die Vollziehung führt mithin noch nicht zur Erledigung i.S.d. § 43 II VwVfG NW. Eine Anfechtungsklage dürfte überdies gem. § 80 II VwGO keine aufschiebende Wirkung i.S.d. § 80 I VwGO haben. Die Ordnungsbehörde hat die sofortige Vollziehung der Schließung angeordnet, mithin entfällt die aufschiebende Wirkung gem. § 80 II 1 Nr. 4 VwGO. H hat zudem eine Anfechtungsklage in der Hauptsache erhoben. Die Klageerhebung erfolgte jedoch erst am 28.2.2020. Fraglich ist, ob ein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes schon vor der Erhebung der Anfechtungsklage erhoben werden kann. Dagegen ist einzuwenden, daß erst der Rechtsbehelf gem. § 80 I 1 VwGO die aufschiebende Wirkung hervorruft. Bezugspunkt der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung i.S.d. § 80 V 1 VwGO sind Widerspruch oder Anfechtungsklage. Auf ein „Nichts“ gestützt kann das Gericht die aufschiebende Wirkung nicht anordnen. Dies läßt jedoch unberücksichtigt, daß das Gesetz gem. § 80 V 2 VwGO ausdrücklich klarstellt, daß der Antrag auch schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig ist. Zudem würde andererseits die

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Rechtsbehelfsfrist aus § 74 I VwGO verkürzt, müßte der Antragsteller sofort Klage erheben. Dabei handelt sich aber auch um eine Überlegungsfrist des Bürgers hinsichtlich der Frage, ob er das Risiko der Anstrengung eines Hauptsacheverfahrens schultern will. Letztlich spricht auch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 IV GG gegen das Erfordernis der vorherigen Klageerhebung. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 V 1 Var. 2 VwGO ist folglich statthaft. Gegen die Versiegelung könnte ebenfalls ein Antrag nach § 80 V 1 VwGO statthaft sein. Auch hierbei müßte es sich folglich um einen den H belastenden Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG handeln. Die Versiegelung der Schankwirtschaft durch die Ordnungsbehörde ist eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts im Einzelfall mit Außenwirkung, § 35 S. 1 VwVfG. Zudem müßte die Versiegelung eine Regelung darstellen. Eine Regelung ist dabei jede Maßnahme, die auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist, also die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung von Rechten. Entscheidend bei der Auslegung ist die Intention der Behörde. Einerseits könnte in der Versiegelung als Regelungsgehalt das Gebot liegen, das Anbringen des Siegels zu dulden, und das Verbot, das Siegel nicht zu brechen. Andererseits könnte die Versiegelung als Verwaltungsvollstreckung der angeordneten Schließung lediglich eine Zwangsmaßnahme tatsächlicher Art sein. Die Behörde hat die Schließung der Schankwirtschaft angeordnet (s.o.). Die Versiegelung der Schankwirtschaft durch die Ordnungsbehörde soll die Schließung der Gaststätte herbeiführen, da H selbst die Schließung nicht vornimmt. Eine über die Schließungsanordnung hinausgehende Rechtsfolge soll durch die Versiegelung nicht herbeigeführt werden. Danach läge in der Versiegelung lediglich ein Realakt. Dafür spricht, daß es der Behörde in der konkreten Situation darauf ankam, den im Zusammenhang mit dem Betrieb der Schankwirtschaft von ihr wahrgenommenen Gesetzesverstößen zu begegnen. Dafür genügt die Schließung der Gaststätte. Mangels Regelungscharakter handelt es sich bei der Versiegelung mithin nicht um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG. Findet nach § 55 I VwVG NW jedoch die Verwaltungsvollstreckung im gestreckten Verfahren statt, so liegt in der Festsetzung des Zwangsmittels gem. § 64 VwVG NW ein belastender Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG (eine Androhung gem. § 63 VwVG NW ist nicht erfolgt). Wie gerade festgestellt, liegt in der Schließungsanordnung der Grundverwaltungsakt i.S.d. § 55 I VwVG NW, so daß ein gestrecktes Verfahren möglich war. Die Beamten haben auch gegenüber H bestimmt, daß unmittelbarer Zwang i.S.d. § 57 I Nr. 3 VwVG NW angewendet werden soll. Mit der Festsetzung gem. § 64 VwVG NW liegt ein belastender Verwaltungsakt gem. § 35 S. 1 VwVfG vor. Möglicherweise hat sich die Festsetzung jedoch mit der Vollstreckung erledigt, vgl. § 43 II VwVfG NW. Zu beachten ist jedoch, daß die Festsetzung weiterhin Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung als für den Adressaten fortdauernde Belastung bleibt. Folglich hat sich die Festsetzung nicht erledigt. Die Ordnungsbehörde könnte jedoch auch im Sofortvollzug vollstreckt haben, § 55 II VwVG NW. Bei dem Sofortvollzug kann von einer Androhung abgesehen werden, § 63 I 5 VwVG NW. Eine solche ist auch nicht erfolgt (s.o.). Eine Festsetzung fällt nach § 64 S. 2 VwVG NW weg. Danach läge kein belastendender Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG bei dem Sofortvollzug vor. Dieser ist jedoch nachrangig, wenn ein vollstreckbarer Grundverwaltungsakt vorliegt. Ein solcher ist in der Schließungsanordnung zusehen (s.o.). Die Versiegelung ist im vorliegenden Fall keine Maßnahme im Sofortvollzug. Rechtsbehelfe entfalten gegen die Festsetzung als Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung i.S.d. § 112 JustG NW keine aufschiebende Wirkung gem. § 80 II 1 Nr. 3 VwGO. Mithin ist gegen die Festsetzung ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 V 1 Var. 1 VwGO statthaft. Hinweis: Das OVG NRW nimmt in diesem Fall als Rechtsgrundlage der Versiegelung die §§ 55 II, 57 I Nr. 3, 62, 66, 69 VwVG NW an, sieht darin https://unirep-online.de/ilias.php?ref_id=39377&obj_id=450889&…ss=ilLMPresentationGUI&rtoken=fe904e77f5d37a85a2b279d056194fc7

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also die Anwendung unmittelbaren Zwangs im Sofortvollzug (OVG NRW, Beschl. v. 28.5.2019 – 4B 402/19, Rn. 4). Aus dem Beschluß ergibt sich nicht, warum eine Vollstreckung der Schließungsanordnung im gestreckten Verfahren nicht möglich ist. Dabei unterscheidet das OVG durchaus zwischen der Versiegelung im gestreckten Verfahren (§ 55 I VwVG NW) und im Sofortvollzug (§ 55 II VwVG NW): OVG NRW, Beschl. v. 25.11.1993 – 10 B 360/93, Rn. 15. Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine im Wege des Sofortvollzugs vorgenommene Versiegelung soll ungeachtet der Rechtsnatur als Verwaltungs- oder Realakt im Verfahren gemäß § 80 V VwGO erfolgen. Die Beseitigung des Siegels erfolgt dann über § 80 V 3 VwGO (OVG NRW, Beschl. v. 25.11.1993 – 10 B 360/93, Rn. 22). Die Prüfung der Vollstreckung auf diesem Wege unterscheidet sich mithin nur geringfügig von der hier folgenden Prüfung. Fraglich ist, ob auch gegen die Bestätigung i.S.d. § 37 II 2 VwVfG NW ein Antrag gem. § 80 V 1 VwGO statthaft ist. Dann müßte es sich dabei um einen belastenden Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG handeln. Mit der Bestätigung der Schließungsanordnung liegt eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts im Einzelfall mit Außenwirkung vor, § 35 S. 1 VwVfG. Auch diese Maßnahme müßte jedoch Regelungscharakter aufweisen. Die Bestätigung begründet oder ändert jedoch kein Recht. Sie hebt ein solches auch nicht auf oder stellt es verbindlich fest. Sie wiederholt lediglich die mit der Schließungsanordnung und Festsetzung herbeigeführte Regelung. Mithin ist die Bestätigung nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet. Mangels Regelungscharakter stellt sie keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG dar. Dagegen ist ein Antrag gem. § 80 V 1 VwGO nicht statthaft. Die Anordnung der Entfernung des Siegels, welches als Vollstreckungshandlung angebracht wurde, kann H nur mit einem Annexantrag gem. § 80 V 3 VwGO herbeiführen. Hierbei handelt es sich um tatsächliches Verwaltungshandeln. III.

Antragsbefugnis: Als Adressat des belastenden Verwaltungsaktes ist H möglicherweise in seinen subjektiven Rechten aus Art. 12 I GG, andernfalls Art. 2 I GG, verletzt und folglich gem. § 42 II VwGO analog antragsbefugt.

IV.

Richtiger Klagegegner: Richtiger Klagegegner ist gem. § 78 I Nr. 1 VwGO analog als Rechtsträger der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, die kreisfreie Stadt M als Gebietskörperschaft.

V.

Beteiligungs- und Prozeßfähigkeit: H und M müßten überdies auch beteiligungsund prozeßfähig sein. H ist als natürliche Person gem. § 61 Nr. 1 Var. 1 VwGO beteiligungsfähig und gem. § 62 I Nr. 1 VwGO auch prozeßfähig. Die Stadt M ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. § 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO beteiligungsfähig und wird gem. § 62 III VwGO, § 63 I 1 GO NW durch den Oberbürgermeister vertreten.

VI.

Rechtsschutzbedürfnis: H müßte auch rechtsschutzbedürftig sein. 1.

Der Rechtsbehelf in der Hauptsache, hier die Anfechtungsklage gem. § 42 I Var. 1 VwGO, dürfte nicht offensichtlich unzulässig sein. Denn dann besteht schon gar nicht die Möglichkeit der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 I VwGO. Insbesondere dürfte die Erhebung der Klage nicht bereits verfristet gewesen sein, § 74 I VwGO. Da der Widerspruch gem. § 68 I 2 Hs. 1 VwGO, § 110 I 1 JustG NW unstatthaft ist, richtet sich die Klagefrist nach § 74 I 2 VwGO. Danach muß die Klage innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes i.S.d. § 41 VwVfG NW erhoben werden. Die Bekanntgabe ist die Eröffnung des Verwaltungsaktes mit Wissen und Wollen der Behörde gegenüber dem Betroffenen. Dabei muß dieser auch in den

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