Title | Adoleszenz Theorie Zusammenfassung |
---|---|
Course | Literale Kompetenz |
Institution | Justus-Liebig-Universität Gießen |
Pages | 6 |
File Size | 238.1 KB |
File Type | |
Total Downloads | 53 |
Total Views | 162 |
Theorie der Adoleszenz in der Literatur...
1) Bestimmen Sie zunächst den Begriff der Adoleszenz, die Theorie und erklären Sie den historischen Verlauf. Nennen Sie Subgattungen des Adoleszenzromans.
-
Begriff Adoleszenz
Phasen zwischen dem Ende der Kindheit & dem Übergang zum Erwachsenenalter
Zeitspanne 11./12. Lebensjahr- 25. Lebensjahr Unter veränderten kulturellen Bedingungen postmoderner Gesellschaften auch bis ins vierte Lebensjahrzehnt möglich
Besonderheit der Phase besteht im Mit- und Gegeneinander physiologischer, psychischer, sozialer Prozesse -> Es geht um die „Neuprogrammierung“ dieser Systeme Ebenen nach Reimscheid: Kennzeichen der Adoleszenzphase (zeigen Vielschichtigkeit der Adoleszenz) o Physiologisch Adoleszenz umfasst die Gesamtheit der körperlichen Entwicklung Sexuelle Reifung von besonderer Bedeutung o Psychologisch Adoleszenz meint den Komplex individueller Vorgänge Auseinandersetzung mit dem ‚Ich‘, Sexualität, soziale Beziehungen, Hoffnungen & Ziele, Hineinwachsen in die Welt Erwachsener (=Auseinandersetzung mit somatischen und sozialen Veränderungen) o Soziologisch Adoleszenz als Zwischenstadium, in dem Jugendliche zur verantwortungsvollen, aktiven Teilnahme an gesell. Prozessen motiviert werden Es besteht aber noch keine institutionelle Absicherung (Adoleszenten sind politisch, kulturell selbstständig, aber verfügen über keine Absicherung = Bastel- / Drahtseilbiografien) Ebenen werden von den gesell. Rahmenbedingungen bestimmt (Moderne Jugend verändert ihre Bedeutung im Prozess von Modernisierung; in vormodernen Gesellschaften klar abgrenzbare Merkmale und heute verliert sie ihre eindeutigen Kennzeichen) = „Entritualisierung“ der Adoleszenz unter Bedingungen der (Post)Moderne Begriff wird meist dort genutzt, wo es um moderne Jugend geht: Aufschub vor dem Schritt ins Erwachsenendasein (= psychosoziales Moratorium) Adoleszenz ist ein Produkt gesellschaftlicher Modernisierung, weil Jugend mit dieser Modernisierung aufs engste verbunden ist … Dieser Aspekt soll nachfolgend näher beleuchtet werden:
-
Jugend im Rückblick/ im Zusammenhang mit gesell. Modernisierung
Relative Unbestimmtheit von Jugend als Merkmal in modernen Gesellschaften (Entwicklungsspielraum und Bildungsmoratorium)
Im Rückblick lassen sich Modernisierungsschübe seit dem 20. Jh. Feststellen (Veränderungen der Lebenswelt von Jugendlichen) o Autonomie Selbstbestimmung, Entwerfen eines individuellen Lebensplanes Eigene Individualität, Autonomieanspruch bedeutet Modernisierungsschub o Äußere Erscheinung und Körperinszenierung Körper, Kleidung als Feld der Selbstdarstellung Differenzerfahrungen ausdrücken, eigenen Zugang zur Kultur repräsentieren, anders sein Abstand zu Erwachsenen gewinnen/ zu anderen Gruppen Probleme: a) Mainstram- Gesellschaft: Massenkulturelle Markt ‚vermainstreamt‘ alles, sodass es schwer wird sich abzusetzen b) Sinnbild Jung-Sein: ältere Gesellschaften übernehmen Zeichen vom Jung-Sein, sodass eine Abgrenzung schwierig ist; eigene Stile zu kreieren scheint schwierig Jugend muss zu extremen Mitteln greifen, um überhaupt wahrgenommen zu werden o Grenzüberschreitungen Häufig Regellosigkeit Gegenstruktur mit chaotisch-anarchischen Kennzeichen o Avantgarde Individuum stellt Werte & Normen in Frage und schlägt eigene, neue Wege ein
… Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf den Bereich der KJL -> führen zu Veränderungen im Handlungs- und Symbolsystem: Übergange zur Erwachsenliteratur werden fließender Lebenslage, Lebensgefühl, Lebenssicht, Lebensprobleme heutiger Jugend wird erfasst … Intentionen der Autoren und die gesellschaftl. Verhältnisse bestimmen die Art & Weise der Darstellung des Was & Wie
-
Begriff Adoleszenzroman & Subgattungen
AR stellt eine Typenbildung auf der Grundlage von inhalts- bzw. stoffbezogenen Merkmalen dar (Stoff: in Wirklich existierendes Material)
Literarische Darstellung von Adoleszenz begann erst nach 1800 -> in Romantik wurden prototypische Texte entworfen (Identitätssuche junger Helden in phantastischer Novelle)
Aus diachroner Perspektive sind drei Subgattungen zu differenzieren Übergänge können fließend sein, aber es existiert eine historische Abfolge
Merkmale
Klassischer Adoleszenzroman (frühes 20. Jh.) (vor)moderne Gesellschaft, Monarchie Keine eigene Utopie
Moderner Adoleszenzroman (um 1970) Moderne Gesellschaft zweiten Grades
Postmoderner Adoleszenzroman (1990ff) Postmoderne
Eigener Utopieentwurf
Gesellschaftliche Werte
Existenz von „ewigen Werten“ in einem Obrigkeitsstaat
Verhältnis der Protagonisten zu den Werten Konsum
Pars-pro-toto-Kritik an Eltern, Lehrer, Schule; letztlich Akzeptanz und Verinnerlichung Entfällt
Existenz von festen Werten in einer demokratischen Gesellschaft Explizite Kritik an der Gesellschaft
Schwarze Utopie, Utopieverzicht Pluralität der Werte und Nomen
Medien
Entfällt
Sozialer Hintergrund (Wirklichkeitsentwurf) Utopie
Konsumkritik, alternative Orientierungen Medienkritik- und Verweigerung
Befehlsfamilie patriarchalisch autoritär Generationenverhältnis Existenzieller Generationskonflikt (Vater-Figur) Zeitpunkt der Ablösung Späte Ablösung von der Herkunftsfamilie von der Herkunftsfamilie Sexualität Spielt untergeordnete Rolle
Zunehmende Gleichberechtigung
Leitziel
Selbstverwirklichung als autonomes Ich, wenn nötig außerhalb der Gesellschaft
Familienstruktur und – status
Konfliktlösung Figurenanlage
Suche nach einer festen Persönlichkeit, Bemühen um IchFindung in der Gesellschaft Oft Scheitern, Tod Oft „schwache“ Persönlichkeit mit
Abnahme der Generationsunterschiede Frühe Ablösung von der Herkunftsfamilie Spielt zentrale Rolle
Oft Selbstverwirklichung Oft „starke“ Persönlichkeiten mit
Ignorierung der gesetzten Werte und Normen Konsumieren als Genuss und Erlebnis Lustvolles Spiel mit den Medien; Medienerfahrung Verhandlungsfamilie
Entdramatisierung des Generationen-konflikts Späte Ablösung von der Herkunftsfamilie („Nesthockersyndrom“) Selbstverständlich, bereits hinreichend erprobt Patchwork- und Bastelidentität
offen Persönlichkeit mit wechselnden
eindeutig fixierten Eigenschaften: Klage, Depression, existenzielle Gefährdung Erzähler
Zumeist auktorial
eindeutig fixierten Eigenschaften: Melancholie, Daseinsernst, partiell Humor, Ironie, Allmachtsphantasien Oft Ich-Erzähler
Eigenschaften (Stilbricolage): Humor, Ironie, Zynik, Selbstreflexivität
Formen der Montage, mehrere Erzählerstimmen, Polyphonie
1. Klassischer Adoleszenroman: (um 1900)
Bruch mit bürgerlicher Gesellschaft während der Adoleszenz
Scheitern der Helden: keine Identitätsbildung und Sinnfindung unter den gegebenen Umständen möglich
Unlösbarer Konflikt zwischen den meist männl. Protagonisten und Vätern/ Institution Schule -> tragisches Ende/ Katastrophe
Bevorzugter Schauplatz für Adoleszenkrisen ist die Schule (symbolische Bedeutung): o Fungiert als Zwangsanstalt o Lehrer werden als Feinde empfunden (unmenschlich, brutal) o In der Lehrerhierarchie am höchsten: Brutalsten Lehrer, meiste Gewalt o Erzählperspektive meist aus Sicht der gequälten Schüler
Existenzielle Krise endet meist mit dem Tod
Schulromane der Jahrhundertwende Bsp.: Unterm Rad – Hermann Hesse
2. Moderner Adoleszenzroman: (1950-1970)
Entdramatisierung der Adoleszenz (immer noch krisenhaft, aber der Tod als Ausweg erscheint unwahrscheinlich)
Gesell. Modernisierungsprozesse als Voraussetzung: Schub durch neue soziale Bewegungen ab Ender der 60er (Studenten- und Frauenbewegung)
Geht weiter um Dichotomie von Jugend- und Erwachsenenwelt (Jugendliche opponieren gegen Normen, Werte, einseitige Leistungsanforderungen der Gesellschaft) a) Erwachsenenwelt als phantasielos und kalt b) Jugendwelt voll von Freiräumen, Emotionalität und Selbstständigkeit (Geste der Verweigerung auch äußerlich: lange Haare und Jeans)
Erwachsenenwelt siegt aber meist doch am Ende; Scheitern und Ausstieg bleiben weiterhin systemprägende Merkmale Bsp.: Fänger im Roggen, Die Leiden des jungen Werther
3. Postmoderner Adoleszenzroman: (ab 1980)
Ab 80er: Jugend wird Persönlichkeitseigenschaft, Sinnbild/ Wert
Traditioneller Generationenkonflikt hat an Schärfe verloren; Normalisierung und Entdramatisierung
Das was zuvor als provozierend galt, wird nun von der Gesellschaft toleriert
Mehr weibliche Protagonisten
Erwachsengeneration pflegt Sorge für nachwachsende Generation (Freiraum, Entwicklungsraum bieten, nicht in Selbstfindungsprozesse eingreifen, einen sicheren Hafen bieten)
Traditionelles Thema der Suche nach eigener Identität findet in Texten im modernen Verständnis nicht mehr statt: o Meisten Figuren sind nicht mehr auf der Suche nach dem Sinn -> Es geht um die immer wieder neue Suche nach Erlebnissen o Hinter der Darstellungsebene beschworenen Action steckt in Wahrheit Bewegungslosigkeit o Nur die Gegenwart zählt, sie kennen keine Erinnerung/ Geschichte (z.B.: Endlosparty) o Protagonisten sind nur noch Zeichen und Oberfläche, keine autonomen Charaktere, die ihr Leben selbstbewusst zu gestalten suchen o Autoren treten gänzlich hinter ihren Figuren zurück; es wird auf Kommentierung oder versteckte Wertung verzichtet
… Trotz Unterschiede lassen sich insgesamt einige Merkmale für den Adolszenzroman herausstellen
-
Allgemeine Merkmale für den Adoleszenroman
Im Zentrum stehen ein/ mehrere jugendliche Helden
Konzentration auf die Jugendphase (11/12-30)
Protagonist befindet sich in Identitätskrise oder in lustvoller Sinn-/Identitätssuche/ Phase des Ausprobierens
Handlungsmuster, die wiederkehrend sind: o Ablösung von Eltern o Herausbildung eigener Wertvorstellungen o Erleben erster sexueller Kontakt o Entwickeln eigener Sozialbeziehungen o Hineinwachsen/Ablehnen einer eigenen sozialen Rolle o Offenes Ende (meist bei Ich bzw. homodiegetischen Erzähler; Protagonisten bleiben auf der Suche/ Identitätsfindung muss nicht erfolgen)
o Individuen bedenken selbstreflexiv ihre widersprüchliche Rolle, krisenhafte Entwicklung, innere Zerrissenheit
Vgl. auch Körperinszenierung und Grenzüberschreitung...