Ausarbeitung Referat Gastarbeiter PDF

Title Ausarbeitung Referat Gastarbeiter
Author Kerstin Haack
Course Ausländerpädagogik - Interkulturelle Pädagogik - Diversitätsbewusste Pädagogik? Von der Entwicklung einer nicht mehr ganz so neuen Disziplin
Institution Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Pages 19
File Size 312 KB
File Type PDF
Total Downloads 97
Total Views 154

Summary

Ausarbeitung...


Description

Ausarbeitung des Referates:

Migration in der Popmusik: Wie das Thema Migration auch in den Pop einwanderte?

Verfasserinnen: Wiebke Weber, Kerstin Haack, Eliza Meier Dozent:

Prof. Dr. Hans-Peter Schmidtke

Seminar:

Ausländerpädagogik – Interkulturelle Pädagogik – Diversitätsbewusste Pädagogik? Von der Entwicklung einer nicht mehr ganz so neuen Disziplin

Modul:

päd223- Studienrichtung Migrationspädagogik

Abgabe:

30.03.2019

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung...........................................................................................................................................1 2. Warum kann Musik als Analyseinstrument betrachtet werden?..........................................................1 3. Gesellschaftskritische Funktion der Popmusik...................................................................................1 4. Verschiedene Thematisierungsweisen in der Popmusik......................................................................2 4.1

unsere niedlichen Gastarbeiter................................................................................................2

4.2

unsere traurig melancholischen Gastarbeiter..........................................................................3

4.3

die sozial benachteiligten Gastarbeiter...................................................................................5

4.4

Gastarbeiter mit Identitätskonflikt..........................................................................................6

4.5 Jugendliche mit sogenannten Migrationshintergrund über die Mehrheitsgesellschaft und ihren Kampf um Anerkennung...........................................................................................................6 5. Kritik an gesellschaftskritischer Funktion der Popmusik..................................................................13 6. Eko Fresh – Aber?............................................................................................................................13 7. Literaturverzeichnis..........................................................................................................................14

1. Einleitung In der vorliegenden Ausarbeitung wird sich darum bemüht, einen Einblick in das Wanderungsgeschehen und die Auswirkungen auf die Populärkultur sowie der schrittweisen Ankunft migrierter Gastarbeiter und ihrer Nachkommen in der Bundesrepublik Deutschland der vergangenen 50 Jahre zu gewähren. Hierbei werden diverse Beispiele aus der Unterhaltungsmusik herangezogen, jedoch muss beachtet werden, dass der Begriff „populäre Musik“ ein vielfältiges und schwer strukturierbares Spektrum an Spielweisen, Stilformen und Musikrichtungen beinhaltet (vgl. Kunz, 2017, S. 328). In der vorliegenden Ausarbeitung wurde ein grober Überblick geschaffen, um einen Zugang zu der komplexen Thematik zu erhalten.

2. Warum kann Musik als Analyseinstrument betrachtet werden? Musik, die das Thema Zuwanderung und Integration behandeln, bezeichnet man als: Artikulation (vgl. Kunz, 2017, S. 328). Der Begriff ist angelehnt an die Kulturwissenschaft, die die materielle und symbolische Dimension von Kultur vereint (vgl. ebd.). Innerhalb der Artikulation wird eine gesamtgesellschaftliche Erzählung ausgeprägt, welche im Fokus eines Integrationsregimes steht (vgl. ebd.). Es werden hierbei Fremdheitsbilder gedeutet, sprich es findet oft eine Entgegensetzung des Eigenen statt (vgl. ebd.). Kunz (2017) spricht davon, dass verschiedene Fragmente von gesellschaftlichen Vorstellungen bezüglich des Fremdseins symbolisiert und inszeniert werden (S. 328).

3. Gesellschaftskritische Funktion der Popmusik Popmusik soll für die Gesellschaft laut Kleiner (2016) als eine verantwortungsvolle Sozialreportage und gesellschaftspolitische Gegenwartsbegleitung auf ästhetischer Ebene dienen (S. 40). Dies kann durch stilistische Mittel wie Metaphern erzeugt werden (vgl. ebd.). Durch Metaphern in Songs, Bildern von CD Covern, Videos und Live- Auftritten usw. kann des Weiteren speziell ein Bewusstsein gegen undemokratische gesellschaftliche Verhältnisse geschaffen werden (vgl. ebd.). Somit hat die Musik die Möglichkeit als Spiegel kollektiver Mentalitäten aufzutreten (vgl. ebd.). Eine weitere Eigenschaft von Popmusik ist, dass diese verständlich und zugänglich für Jeden ist, wodurch oft mit Verknappung und Plakativität als 1

Stilmittel gearbeitet wird (vgl. ebd.). Letztlich soll Medienkritik in den Medien geübt werden (vgl. Kleiner, 2016, S. 41). Hier spricht Kleiner (2017) die meist sowohl panikauslösende als auch einseitige Berichterstattung von Flüchtlingsprobleme, der Pegida oder AfD an (S. 41). Die Ziele gesellschaftskritischer Funktionen der Popmusik sind somit die direkte Aufforderung zur Meinungsbildung und politischen Handeln, wodurch ein kollektiver Kommunikationsprozess ausgelöst werden kann (vgl. ebd.). Des Weiteren bekommt Popmusik immer zunehmend die Bewertung von sowohl gegenkulturell und revolutionär als auch rebellisch und sozialkritisch (vgl. ebd.).

4. Verschiedene Thematisierungsweisen in der Popmusik Kunz

versucht

eine

Einordnung

in

verschiedene

Thematisierungsweisen

des

Wanderungsgeschehen in der Popmusik vorzunehmen (vgl. Kunz, 2017, S. 336). Sie folgen mit einem gewissen Zeitversatz dem Migrations- und Integrationsdiskurs in der Bundesrepublik und orientieren sich zum Teil am jeweiligen Wanderungsgeschehen der Zeit […].‘‘ (Kunz, 2017, S. 336). Es ist anzumerken, dass Kunz Thematisierungsweisen lediglich einen ersten Versuch darstellen und es innerhalb der idealtypischen Thematisierung zu Überschneidungen kommen kann (vgl. ebd.).

4.1 unsere niedlichen Gastarbeiter Conny Froboess – Zwei kleine Italiener (1962) Das Wanderungsgeschehen als solches kommt ca. sechs Jahre nach den ersten Anwerbeabkommen mit Italien im Jahre 1955 in der Popmusik an. „Zwei kleine Italiener“ von Conny Froboess gilt als das erste Lied, dass die Thematik der sogenannten „Gastarbeiter“ aufgreift. Hierbei werden zwei „kleine Italiener“ und deren Heimweh aus Sicht der sogenannten Mehrheitsgesellschaft besungen. Prägnant an diesem Werk ist die „Verniedlichung“ der italienischen Gastarbeiter, zum einen auf ihre geringe Körpergröße reduziert und Stereotypen ausgesetzt und zum anderen als kindlich Verliebte inszeniert, welche getrennt von ihren Partnerinnen „alleine“ in Deutschland und lieber „zuhause“ bei ihren Liebsten wären (vgl. Kunz, 2017, S. 329).

2

Während damalige Schlagertexte ansonsten die Realität mit einer textlich-sehnsüchtigen Unwirklichkeit überhöhten, traf „Zwei kleine Italiener“ genau den Zeitnerv. Einerseits gehörten italienische Gastarbeiter zum normalen Alltagsleben, andererseits hatten die Deutschen Italien längst als Reiseland entdeckt. In dem Lied von Froboess wird somit Italien als lockendes Urlaubsziel in der Ferne inszeniert, jedoch auch als Sehnsuchtsort der italienischen Gastarbeiter, welche sich in Deutschland aufhalten (vgl. Kunz, 2017, S. 330). Anhand von „Zwei kleine Italiener“ wird deutlich, dass in den 1960er Jahren eine „verniedlichende-infantilisierende“ Perspektive auf die Thematik der Gastarbeiter dominiert. Dies wird in dem Werk von Froboess erneut deutlich im Bezug auf den Bahnhof. Dieser besitzt eine exponierte Rolle im Migrationsdiskurs und unterstreicht die „Heimatlosigkeit“ der Migranten. Bei Froboess Lied schauen die Italiener dem D-Zug nach Napoli allabendlich hinterher und scheinen nicht in der Lage zu sein, ihrem unterstellten Rückkehrwunsch in die „Heimat“ Folge zu leisten. Dennoch scheint zu diesem Zeitpunkt überhaupt eine Rückkehrperspektive zu existieren, welches sich im Laufe der folgenden Jahre noch ändern wird (vgl. ebd.). Zwar ist das Lied von Froboess das erste, welches die Thematik der Gastarbeiter aufgreift, jedoch steht die heiter-beschwingte Komposition dabei im Widerspruch zu den existenziellen Gefühlen wie Heimweh und Trennung, welche eigentlich besungen werden und ist zudem von echter Sozialkritik weit entfernt, da es sich letztlich nur um einen romantisierenden Text handelt, welcher das Heimweh der Italiener nach ihren „Liebsten“ behandelt (vgl. ebd.). Textlich kann „Zwei kleine Italiener“ schwer vergleichbar mit Titeln, wie z.B. „Griechischer Wein“ von Udo Jürgens, wo die Thematik der Migranten deutlicher aufgegriffen wird.

4.2 unsere traurig melancholischen Gastarbeiter

Udo Jürgens - Griechischer Wein (1974) Als weiteres Beispiel folgt „Griechischer Wein“ von Udo Jürgens. Dieses Werk nimmt ebenfalls die emotionale Situation der Gastarbeiter als Liedgegenstand. Hierbei stehen jedoch wesentlich deutlicher negative Emotionen wie „Traurigkeit“, „Zerrissenheit“ & und „Heimweh“ im Mittelpunkt. Der Vortragsstil von Jürgens ist gegensätzlich zu dem von Conny Froboess; er ist melancholisch und vermittelt Schwermut. Dennoch verzichtet auch Udo 3

Jürgens nicht auf Stereotypen und fokussiert sich in seinem Werk auf Griechen mit „Braunen Augen“ und „Schwarzem Haar“ (vgl. Kunz, 2017, S. 330). Udo Jürgens Lied greift die sich damalige verstetigende Situation auf: Nichtrückkehr in die Herkunftsländer der Gastarbeiter und ihre Enttäuschung über nicht realisierte Zukunfts- und Lebenspläne, zudem unerfüllte Verheißungen, welche bei vielen der Angeworbenen in den Anwerbeabkommen bewusst geweckt worden waren. Es wird nun davon ausgegangen, dass die besungenen Gastarbeiter traurig in Vorstadtkneipen zusammensitzen um ihre Enttäuschungen beim (griechischem) Wein und Träumen von der Heimat zu kompensieren (vgl. ebd.). Auch in diesem Werk besingt erneut ein Repräsentant der Mehrheitsgesellschaft die „Gastarbeiter“ und deren Situation. Im Werk von Jürgens wird zwar die Perspektive erweitert, während des Liedes wird die Sprecherposition gewechselt und der Refrain aus Perspektive der Gastarbeiter gesungen, dies geschieht jedoch nur fiktiv (vgl. Kunz, 2017, S. 331). Das erste Song-Ich des erzählenden Sängers tritt an einem dunklen, kühlen Abend in ein Wirtshaus ein und trifft auf „Männer mit braunen Augen und […] schwarzem Haar“. Es läuft „fremde und südländische“ Musik, und man lädt ihn zum Wein ein, bei dem er vom Heimweh und der Sehnsucht der Männer erfährt, aus der Fremde wieder zurück zu „grünen Hügeln, Meer und Wind“, zu Frau und Kind zu kommen (vgl. ebd.). Die Traurigkeit und das Gefühl des den Refrain singenden zweiten Song-Ichs, einsam zu sein, werden verstärkt von dem Wein, dem „Blut der Erde“, und den „altvertrauten Liedern“, denn hier, in der Stadt, werden die Griechen, das glaubt das zweite Song-Ich, immer fremd und allein (d. h. unter sich) bleiben (vgl. ebd.). Die im Text erzeugte melancholisch-traurige Stimmung wird durch verschiedene musikalische Stilelemente aufgegriffen und verstärkt. Die emotionale Komponente der Situation der Gastarbeiter rückt zudem in den Mittelpunkt und verlässt sich im Kern auf „Mitleidseffekte“ (vgl. ebd.). Insgesamt ist festzuhalten, dass während Anfang 1960er Jahre niedlich wirkende „kleine Italiener“ jeden Abend naiv dem D-Zug nach Napoli hinterher schauen, bereits Mitte der 1970er Jahre ein Stimmungswechsel erfolgt und dunkeläugige, dunkelhaarige Männer in Kneipen bei blutrotem Wein zusammensitzen und ihre unerfüllten Lebensperspektiven betrauern (vgl. ebd.). 4

Anhand der beiden vorgestellten Liedtexte kann man die historische Abfolge der Anwerbeabkommen und die jeweilige gesellschaftliche Stimmung bezüglich der Gastarbeiter betrachten. In beiden Beispielen besingen Repräsentanten der Mehrheitsgesellschaft die „Gastarbeiter“. Kritischerweise wird in beiden Liedtexten jedoch ausgeblendet, dass die missliche und benachteiligte Lage von als Gastarbeitern Angeworbenen in der Bundesrepublik seit deren Ankommen, d.h. von Beginn an, maßgeblich geprägt war von Arbeitsbedingungen und Alltagssituationen, in denen sie sich mit Ressentiments, Diskriminierungen und rassistischen Haltungen seitens der Mehrheitsgesellschaft konfrontiert sahen und die es vielen dieser Menschen gar nicht ermöglichten, sich anders als fremd und nichtzugehörig zu fühlen (vgl. ebd.). Demnach bleibt die Frage offen, inwiefern die Kompositionen als sozialkritisch eingestuft werden können oder ob es sich lediglich um reine Unterhaltungsmusik handelte.

4.3 die sozial benachteiligten Gastarbeiter BAP – Nippes, Ehrenfeld und Kreuzberg (1979) Der Song Nippes, Ehrenfeld und Kreuzberg von BAP aus dem Jahr 1979 ist an türkische Gastarbeiter gerichtet, somit singt die Mehrheitsgesellschaft erneut über die Gastarbeiter, jedoch vielmehr an Gastarbeiter gerichtet (Ihr kommt aus Ankara und habt gedacht, […]) (vgl. Kunz, 2017, S. 332). Sowohl textlich als auch akustisch wird der Bahnhofstopos aufgegriffen. Am Anfang des Liedes ertönen Bahnhofsgeräusche und in den Lyrics sind Zeilen wie von Istanbul bis Köln Hauptbahnhof zu entdecken. Des Weiteren werden, wie auch in Griechischer Wein von Udo Jürgens, nichterfüllte Träume und Erwartungen thematisiert (vgl. ebd.). Allerdings wird dies konkreter und spezifischer deutlich (vgl. ebd.). Unabhängig von Emotionen und Gefühlslagen werden Hinweise über die Wohn- und Arbeitssituation gegeben (vgl. ebd.). Auf diesem Weg wird die soziale Ungleichheit zu der zeit thematisiert. Die Band BAP ist ein Beispiel für die neue popkulturelle Bearbeitung des Themas um das Wanderungsgeschehen (zu damaliger Zeit) (vgl. ebd.). Zum einem findet ein Wechsel von einer paternalistischen-sentimentalen zu einer paternalistischen-sozialkritischen Haltung statt und zum anderen verdrängt die Rockband BAP bisherige Schlagerinterpreten (vgl. ebd.).

5

4.4 Gastarbeiter mit Identitätskonflikt

Udo Lindenberg – Ali (1981) Udo Lindenberg indiziert mit seinem Song Ali von 1981 einen Wechsel der Perspektive (vgl. ebd.). Statt eines Gastarbeiters steht ein Jugendlicher namens Ali ein Türkenjunge aus Hamburg im Fokus (vgl. ebd.). Es wird die Situation eines Jugendlichen der zweiten Generation, sprich, […] der in Deutschland geborenen Nachkommen der ehemaligen Gastarbeiter‘‘, thematisiert (Kunz, 2017, S. 332). Das Seminar hat erkannt, dass zum einem über Ali gesungen wird und zum anderen mit Ali ‘‘gesprochen‘‘ wird. Innerhalb des Liedes werden die innere Zerrissenheit und die angenommene Schwierigkeit eine eindeutige nationale Identität zu entwickeln behandelt (vgl. Kunz, 2017, S. 332). Diese Annahme wird deutlich durch Zeilen wie sitzen zwischen zwei Stühlen. Und trotzdem Ali, ist hier dein Zuhause und lässt eine erneute paternalistische Eigenschaft erkennen, welche eine indirekte Solidarisierung und sozialpädagogische Intervention beim Empfänger hervorrufen kann (vgl. Kunz, 2017, S. 332). In Form einer Fürsprecherposition findet indirekt ein Appell an die Mehrheitsgesellschaft statt. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass die Entscheidung der Zugehörigkeit stellvertretend für Ali getroffen wird.

4.5 Jugendliche mit sogenannten Migrationshintergrund über die Mehrheitsgesellschaft und ihren Kampf um Anerkennung 4.5.1 Advanced Chemistry - Fremd im eigenen Land (1992) Der größte Umschwung in der Thematisierungsweise, der sich laut Kunz bei der Darstellung von Gastarbeiter*innen, ihren Kindern und deren jeweiligen kollektiven (oder angenommenen bzw. angedichteten) Erfahrungen in der Populärmusik ergab, war jener, bei dem nun Jahrzehnte nach Ankunft der ersten Gastarbeiter*innen Menschen mit „Gastarbeitshintergrund“ (in diesem Fall die zweite Generation) über sich selbst und Diskriminierungserfahrungen im Kontext dessen sangen und dabei erstmals zugleich von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Dieser Bruch war laut Kunz unter anderem darum bedeutsam, weil er eine neue popkulturelle Herangehensweise an das Thema Gastarbeit einläutete – Erfahrungen aus erster Hand direkt berichtet, auf den großen Bühnen Deutschlands. Das größte Merkmal dieser neuen Phase sei: Die Zweite Generation bezog und 6

verteidigte nun öffentlich die Position, dass Deutschland definitiv auch ihr Zuhause ist, und nicht nur das von weißhäutigen, Klischees zufolge „deutsch aussehenden“ Menschen (vgl. Kunz, 2017, S. 333) (die nebenbei von uns angemerkt genauso Verwandte im Ausland haben oder woanders geboren worden sein könnten). Während es laut dem Autor durchaus schon vor diesem Track Songs gegeben hat, in denen Gastarbeitende selbst sich mittels Songtexten kritisch äußerten bzw. ausdrückten (s. z.B. 'Songs of Gastarbeit'), habe 1992 die Gruppe Advanced Chemistry mit „Fremd im eigenen Land“ damit als erste Musikgruppe so viel Gehör gefunden. Sie gelten als eine der ersten großen Bands des deutschen Hip-Hops, sozialkritische Texte sind typisch für sie und ihre Künstler haben unterschiedliche ethnische Hintergründe (vgl. ebd.) ihr Track 'Fremd im eigenen Land' erzählt von erlebter Diskriminierung durch Feindseligkeit und Intoleranz, die Kindern Gastarbeitender und allgemein Kindern von Migrierten im Alltag begegnen. Mit „Fremd im eigenen Land“ zeigen sie viele Widersprüche auf, die sich ihnen aufdrängen – der erste lautet: obwohl sie einen deutschen Pass haben, somit offiziell als Deutsche gelten und sie darin auch eine Bestätigung ihrer Identität als Deutsche sehen, fragen Mitbürger*innen sie nach einer „eigentlichen Herkunft“. Indirekt wird ihnen so angedichtet, dass sie 'wohl woanders ihre Heimat haben müssen' und zum Teil vermutlich auch, dass sie bestimmt „dahin“ zurückwollen. Während Fragen nach 'eigentlicher Herkunft' noch als leider unüberlegt und unreflektiert deutbar sind so unsere Position dazu, da man z.B. Klischees nicht von sich aus hinterfragt haben und aus Neugierde fragen kann -, gehen manche Menschen so weit, zu Leuten mit Migrationshintergrund zu sagen, dass sie in Deutschland eigentlich nichts verloren hätten. Und mit verbalen Übergrifflichkeiten nicht genug: Im Extremfall kommt es gar zu physischen rassistischen Gewalttaten! Auch diese werden in „Fremd im eigenen Land“ thematisiert. Für ein tieferes Verständnis der Ausmaße an gesellschaftlich verankertem Rassismus in der Zeit, in der – vermutlich gerade deshalb – dieses Lied so berühmt wurde, weist Kunz u.A. darauf hin, dass 1992 im Bundestag ausdiskutiert wurde, ob man das Grundgesetz ändern sollte, um das Asylrecht „[....] faktisch abzuschaffen“ (Kunz, 2017, S. 334). Der folgende Ausschnitt aus einem Spiegel-Artikel von Oktober 1992, der sich auf eine Studie stützt, die vom Spiegel selbst beim Emnid-Institut in Auftrag gegeben worden war, liefert einen Einblick zur gesellschaftlichen Grundstimmung Anfang der 90er-Jahre: „Aber all diese und noch weitere Probleme haben nach Meinung der Deutschen bei weitem nicht die Bedeutung und die Brisanz wie ein anderes: die hohe Zahl der Ausländer und deren weiterer Zustrom.

7

Neben fünf Millionen Gastarbeitern und Angehörigen sind eine Million Asylbewerber und Flüchtlinge im Lande. Im vorigen Jahr kamen 256 000, in diesem Jahr bislang 350 000. 73 Prozent der Bundesbürger halten es für "besonders wichtig", weitere 23 Prozent für "wichtig", das "Problem der Ausländer in den Griff zu bekommen". Macht zusammen 96 Prozent. So einig sind sich die Deutschen selten. Diese Zahlen ermittelte das Bielefelder Emnid-Institut bei der SPIEGEL-Umfrage in diesem Monat, als seine Interviewer den 3000 Befragten (2000 im Westen, 1000 im Osten) eine Liste mit 15 Aufgaben vorlegten“ © „Asylstreit entscheidet Wahl“ (Der Spiegel (1992), zit. n. Spiegel Online)

Es gab in diesen Jahren auch Gewalt in Form von Pogromen – ein bekanntes Beispiel ist Rostock-Lichtenhagen, wo Nationalsozialist*innen ein Haus in Brand setzten, in dem 120 vietnamesische Vertragsarbeiter*innen eingeschlossen waren. Feuerwehr und Polizei seien sehr spät angekommen und die Täter*innen haben Beifall von der Nachbarschaft der Menschen bekommen (vgl. Pelzer, 2018, S. 64). Nach dieser Nacht, so Dr. Marei Pelzer, u.A. ehem. Volljuristin bei Pro Asyl und Professorin für Sozialwesen an der Hochschule Fulda (vgl. Hochschule Fulda, 2019), wurde zu alledem noch mehr als zuvor gefordert, das Asy...


Similar Free PDFs