Rainer Maria Rilke - Archaïscher Torso Interpretation PDF

Title Rainer Maria Rilke - Archaïscher Torso Interpretation
Author Luna XX
Course Literaturgeschichte 17. Jahrhundert bis Gegenwart
Institution Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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Summary

Sommersemester
Seminar: Genie. Wandlungen eines Grundbegriffs...


Description

Dinggedichte: Rainer Maria Rilke - Archaïscher Torso (1908) 1 Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt, 2 darin die Augenäpfel reiften. Aber 3 sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,

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4 in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,

5 sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug 6 der Brust dich blenden, und im leisen Drehen

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7 der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen 8 zu jener Mitte, die die Zeugung trug.

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9 Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz



10 unter der Schultern durchsichtigem Sturz 11 und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;

12 und bräche nicht aus allen seinen Rändern

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13 aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,



14 die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.



Brechender Stern = fragmentarische Gestalt des Torsos keine Grenzen Tausch der Betrachtungsebene: Der Torso wird zum betrachtenden Subjekt, das den Betrachter zum betrachteten Objekt macht Appell als Abschluss an Betrachter gerichtet Damit geht das „Dinggedicht“ weit über die eine Beschreibung des Torsos hinaus brechender Stern, der aus seinen Rändern ausbricht  auch der fragmentarischen Gestalt des Torso im Gedicht werden keine Grenzen gesetzt Gedicht geht von der bloßen Beschreibung bzw. Imagination über das Vergangene in eine Aufforderung über Appell an den Leser: Der Torso hat Bezug zum Leben der Gegenwart  jedes Leben ist unvollständig  Mensch soll darüber nachdenken sein Leben zu ändern

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Beschreibung fehlender Kopf „kannten“  Präteritum (möglicherweise Rückbezug auf erstes Sonett zu Apollo) Das „Aber“ mit Stellung im 2. Vers soll das Umdenken im dritten Vers „ankündigen“  der Kopf fehlt zwar ABER der Torso ist noch da und er leuchtet hell Vergleich des Körpers mit einem Kandelaber „glüht noch“ verleiht dem Torso etwas lebendiges Lyrisches Ich bildet eine Einheit mit dem Leser („Wir“) Das Unvollkommene wird thematisiert Torso leuchtet so hell, dass es blendet (Material vielleicht Marmor) „Bug der Brust“ entweder gebogene Stelle am Oberkörper oder Gleichsetzung mit den Bug eines Schiffes  mächtig und eindrucksvoll Geschlechtsteile fehlen Überleitung für die dramatische Wendung in der vierten Strophe „Leuchten“ des Torsos zentral für dessen optische Wirkung (Konsequenz wäre V 9) Torso wird aus der Ebene der reinen Beschreibung herausgehoben Höhere Bedeutungsebene dritte mögliche Interpretation „Bug“ (V. 5)  Schulter eines Tieres  Vermutung: Apollo wird mit Tier gleichgesetzt  „Raubtierfelle“ unterstreicht das Raubtierfell war Beigabe in Darstellungen des Gottes Dionysos, der auch oft als Tier dargestellt wurde Soll dem Rezipienten hier die Einheit der beiden Götter nahegelegt werden? apollinisch-dionysische Begriffspaar (Nietzsche) Antagonismus: apollinische Ordnug (Ordnung wie in der Wissenschaft) und dionysische Rauschhaftigkeit (das Unvollkommene)  die gesamte Wirklichkeit soll betrachtet werden

Formale Analyse:     

Strophenanzahl: 4 Versanzahl: 14 Sonet mit fünfhebigen jambischen Versen Quartete: Umarmender Reim Terzete: Erstes Terzett beginnt mit einem Paarreim; der verbliebene dritte Vers bildet mit dem zweiten Terzett zusammen einen Kreuzreim

Hintergrund: 

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Beginn zweiter Teil seiner „Neuen Gedichte“ -->Abwendung von gefühlsorientierter Lyrik um Dinge selbst sprechen zu lassen um Menschen eine unmittelbare Erfahrung der sie umgebenden Welt zu ermöglichen Thematisiert die Eindrücke Rilkes beim Betrachten der Plastik eines Torsos Geschichtlicher Hintergrund:  entstand 1908, zählt zu seinen bekanntesten Werken  Kunstepoche: Fin de siècle (Dekadentismus) ->Epoche, die von geistigen Umbrüchen und Erscheinungen des Verfalls geprägt war  konventionelle Weltbild wurde in Frage gestellt durch soziale, kulturelle und geistige Umwälzungen und technischen Fortschritt  bestehendes Welt- und Menschenbild verändert sich -> löste vor allem in der Jahrhundertwende eine gewisse Verlorenheit aus

 Literaturgeschichtlicher Hintergrund Beginn zweiter Teil seiner „Neuen Gedichte“ -->Abwendung von gefühlsorientierter Lyrik um Dinge selbst sprechen zu lassen um Menschen eine unmittelbare Erfahrung der sie umgebenden Welt zu ermöglichen

Das Dinggedicht:    

Gedichte über lebendige (z.B. Tiere, siehe Rilke „Der Panther“) und leblose Objekte, Kunstgegenstände, Situationen oder Vorgänge Distanzierte und objektive Beschreibungen Ziel: Das „Ding“ so zu beschreiben als würde es über sich selbst sprechen Oft kein lyrisches Ich...


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