Strafrechtsgeschichte Simon PDF

Title Strafrechtsgeschichte Simon
Author ervas hallo
Course Geschichte des Strafrechts und Strafverfahrensrechts
Institution Universität Wien
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KU Geschichte des Strafrechts & Strafverfahrensrechts Thom as Sim on

Klausur: 08.01. 4 oder 5 Fragen, 1 Stunde

Übersicht – inhaltliche Gliederung: 1) Selbsthilfe und Interessenausgleich in einer protostaatlichen Gemeinschaft ohne Strafrecht: „Die Fehde des Sichar“ Mittelalter (ca. 500-1000) Sippe des Täters sanktioniert selbst – keine übergeordnete Instanz, die ein Verfahren einleitet Fehde = Kampf in der Absicht, das eigene Recht durchzusetzen So gut wie keine schriftliche Überlieferung, weil so gut wie keiner Lesen und Schreiben konnte Strafrecht? – Formuliert rechtliche Bedingungen für die Verhängung von Strafen Sanktion, die von übergeordneter Instanz verordnet wird, die nicht direkt an der Auseinandersetzung beteiligt ist Fehdeausgleich: meist Vieh und Kreuz aufstellen

2) Die Entstehung des peinlichen Strafrechts seit dem Hochmittelalter Verstümmelung, Tötung Von einer übergeordneten Instanz – förmliches Rechtsverfahren – durch die Kirche Peinlich: von poena (=Strafe) Es gibt noch keinen Staat im modernen Sinne

3) Strafverfahren und Gerichtsverfassung in einer oralen, gewohnheitsrechtlichen Rechtskultur: Der mittelalterliche Rechtsgang Gewohnheitsrecht

4) Strafverfahren und Gerichtsverfassung in einer wissenschaftlichen Rechtskultur auf Schriftbasis: Das Inquistitionsverfahren Inquistition = Untersuchung Zur Aufspürung von Ketzern (= Christen, die falsche Vorstellung vom Christentum haben) Werden verfolgt, neuartiges Verfahren (Inquistitionsverfahren) wird ausgebildet Inquistitionsverfahren = Prototyp des modernen Strafverfahrens

5) Gesetzgebung zum Straf- und Strafprozessrecht in der frühen Neuzeit: die Constitutio Criminalis Carolina 1532 Prozess wird zum Gegenstand staatlicher Begründung Bis dahin Gewohnheitsrecht, hatten sich aber einige Unsitten eingebürgert

6) Strafrecht als Wissenschaft: Die gemeinrechtliche Strafrechtswissenschaft 7) Frühneuzeitliche Strafrechtspflege: Orte, Personal und Vollzug Inquistitionsverfahren: rein schriftliches Verfahren ZB Diebstahl: Hängen oder Rädern

8) Historische Kriminalitätsforschung Entwicklung der Delinquenz vom Mittelalter bis zur Moderne Heute bestimmte Milieus in Städten (zB Ghettos in USA), soziale Brennpunkte In der Vormoderne galten Städte als sicher, weil soziale Kontrolle größer war – Land war unsicher Wälder waren sehr unsicher (Räuberbanden) ______________________________________________________________________________

9) Der Wandel der Strafrechtspflege im Zeichen der Immanuel Kant Mensch ist gefangen in religiösen Vorurteilen – sieht dann alles eher biologisch Kritik am Sinn und Zweck des Inquistitionsverfahrens – Sinn und Zweck des Strafrechts und Strafprozesses werden neu formuliert (zB Resozialisierungsgedanke: nicht Vergeltung und Rache, sondern Besserung vom Täter und ihn idealerweise in die Gesellschaft zurückzuintegrieren)

10) Gesetzgebung: Meilensteine der Strafrechtsgesetzgebung in Österreich und Deutschland Um 1800 Reformambitionierte Staaten (Österreich auch unter Joseph II.) – erstes moderne Strafgesetzbuch Erstes Strafgesetzbuch in Europa (und der Welt), das konsequent die Todesstrafe eliminiert Man hat zB Arbeitsstrafen eingeführt (Ab Punkt 10 geht es um Österreich)

11) Die Entwicklung der Strafen im 19. Jhd.: Das Vordringen der Freiheitsstrafe Früher zB Brandmarkung (auf Stirn) – wird kritisiert, weil Resozialisierung verhindert Verstümmelungsstrafen verschwinden, Todesstrafen werden auf Erhängung und Enthauptung reduziert (letzte Todesstrafe wird nach 2. WK an einem KZ-Bediensteten verrichtet)

12) Die Entwicklung der modernen Strafzweckdiskussion 13) Prozessrechtsreformen im 19. Jh.: Vom Inquistitionsverfahren zum „Reformierten Strafprozess“ und die Entstehung der Staatsanwaltschaft Reformiertes Inquistitionsverfahren

1) Selbsthilfe und Interessenausgleich in einer protostaatlichen Gemeinschaft ohne Strafrecht: „Die Fehde des Sichar“ Die Fehde des Sichar

Schicht von Freien, die in der Regel relativ viel Land hatten Und Unfreie (Servi, sklavenähnlicher Status) – mussten für die Freien das Land bearbeiten (Knechte) Die Freien verfügten in der Regel auch über bewaffnete Knechte, die im Kampf beistanden (Sippenverbände) Die Freien konnten weder Lesen noch Schreiben, rein orale Gesellschaft Schriftlichkeit nur in den Klöstern Sichar: Bischof, beschreibt eine Fehde – beschreibt Ursache und Ablauf der Fehde Gewalt = fester Bestandteil der sozialen Strukturen; prägt daher auch die Form des Konfliktaustragens Gericht der Bürger: kein modernes Gericht vom Staat mit Zwangsgewalt (gibt keinen Staat) Gerichte: Vermittlungsgericht (Schiedsgericht) – man versucht auf diese Weise die Fehde zu beenden Verfahren endet nicht mit Urteil, sondern mit Vertrag Es gibt keine Verfahren mit Zwangseingreifung  Kein Strafrecht, sondern „privater“ Täter-Opfer-Ausgleich Setzt voraus, dass sich die Parteien vor dem Schiedsverfahren einigen können Können sie das nicht, geht die Fehde so lange, bis alle tot sind 

Parallelität gewaltsamer Selbsthilfe und rechtsförmiger Verfahren



Kein hoheitlicher/staatlicher Sicherheits- und Vollzugsapparat



Kein staatliches Gewaltmonopol, statt dessen: o kirchliche Vermittlung, o königliche Vermittlung und Druck zum „Austrag“

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Im modernen Staat darf nur die Polizei (Gendarmerie) körperliche Gewalt ausüben – sonst niemand (Ausnahme: Notwehr)

Frühmittelalter: Das „Kompositionensystem“ der leges Schiedsgerichte erkennen auf Bußzahlungen (bei Tötung eines Menschen, Raub, Körperverletzung) = compositio

Buße und „Wergeld“ (= „Manngeld“: Buße für Tötungen) – Frauen, Kinder, Kleriker wurden selten getötet (Bisshemmung, weil nicht kämpfen können) Wird von den Schiedsgerichten vermittelt und vertraglich festgelegt Höhe: Einspringen von Sippe und Kirche Vgl. dazu die Bußenkataloge in den „leges barbarorum“ Quelle: Wergeldtaxen aus der „Lex Ribvaria“ – (Bußenkataloge in leges barbarorum) Von verschiedenen Totschlägen: 1) Wenn ein Ribuarier einen zugewanderten Franken tötet, werde er wegen 200 Schillingen als schuldig erachtet. 2) Wenn ein Ribuarier einen zugewanderten Burgunden tötet, werde er mit zweimal 80 Schillingen bestraft. 3) Wenn ein Ribuarier einen zugewanderten Römer tötet, werde er mit zweimal 50 Schillingen bestraft. 4) Wenn ein Ribuarier einen zugewanderten Alemannen oder Friesen oder Bayer oder Sachsen tötet, werde er mit zweimal 80 Schillingen als schuldig erachtet. 5) Wenn jemand einen freigeborenen Kleriker tötet. Werde er wegen zweimal 50 Schillingen als schuldig erachtet. Kompositionssystem: Je nach Stand des Getöteten abgestuftes Wergeld

Funktion der „Compositio“ (Buße) = Sühne Zusammenfassung von Vergeltung + Schadenskompensation Vergeltung im Vordergrund, Schadenersatz eher zweitrangig Geht um Wiederherstellung der Ehre der verletzten Sippe „Wergeld“ und Wundbußen sind keine öffentlichen Strafen im modernen Sinne!

Die Entstehung des „Strafrechts“ seit dem Hochmittelalter Entstehung der 1. Leibes-/Todesstrafen (peinliche Strafen) a. zB Verstümmelung, Tötung 2. Öffentliche Bußenstrafe (Geldstrafe) Als Straftypen Trennung von Vergeltungs- und Präventionsfunktion von der Schadenersatzfunktion  Vergeltungsfunktion: o Befriedigung des Rache- oder Genugtuungsbedürfnisses des Geschädigten o Statt individueller Vergeltung (durch Verletzten selbst) kollektive Vergeltung (Problem: Wer sollte das ausüben?)

Die Ursprünge der „peinlichen Strafen“

Frage: Herkunft der sog. „peinlichen Strafen“: Bereits im Frühmittelalter?

Moorleichen : Stammen aus der Völkerwanderungszeit – in Sumpf konserviert Tragen Zeichen einer Hinrichtung (zB Strick um den Hals) Muss also Sanktionen wie die Todesstrafe gegeben haben Wird vermutet, dass dies bei sakralen Verbrechen (gegen Gottheiten) gemacht wurde, weil sonst die Gottheit die sakrale Gemeinschaft bestraft hätte (hat man halt geglaubt)

Kanonisches Recht:  

Kirchenbußen Ketzergesetzgebung (Inquistition) o Ketzer: Leute, die andere Vorstellungen vom Christentum haben, als es in der Kirche gelehrt wird o Ketzerbewegungen: Unterschiedliche Vorstellungen im Osten, Westen, …  Südfrankreich, östlicher Alpenraum, Italien, …  Stellen Kirche in Frage und fordern heraus  Bischöfe werden nicht mehr anerkannt, etc… o Ketzerei wird von Kirche verboten durch Gesetze  Von der Kirche erlassenes Verbot, das auf der Rechtsfolgenseite peinliche Strafen enthält  zB Verbrennung o Es entstehen Normen, die durch Gesetzgebung erzeugt werden  Man braucht dann Institutionen, die gewährleisten, dass die Normen auch eingehalten werden – war dann die Kirche

Kommunale Statutarrechte: (Städte)  

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Keine sakralverbrechen, geht um Sicherung des Stadtfriedens Abstellung der Selbstsicherung, der Fehde – zumindest innerhalb der Stadtgrenzen o Stadtmauer: überschaubarer Raum, lässt sich leichter kontrollieren, Nachts werden Stadttore zugemacht Sicherung des Stadtfriedens durch strafbewehrte Gewaltverbote innerhalb der Stadtmauern („Policey“) Ausgehend von Oberitalien, beeinflusst nach und nach auch die Stadtrechte nördlich der Alpen Gesetzgebung, inkl Verkündung der Normen o Volljährige Bürger kommen zusammen und machen die Normen unter sich aus (= Einigungen) o Erleichtert Durchsetzung, da die Bürger es so wollen Statutarrecht = von Bürgern selbst vereinbartes Recht, was wenn es dann formell verkündet wird, von sämtlichen Stadtbürgern beschworen wird o Stadtbürger müssen sich Gesetzen durch Schwur unterwerfen Gewaltverbote, Fehdeverbote, Verweis auf die Gerichtsbarkeit o Androhung von peinlichen Strafen, die außerhalb der Stadtmauern von den Städten vollstreckt werden

Kommunale Statutarrechte (auf dem Land) o

Friedensbewegung

Versuch, durch Arrangement zumindest zu einer rechtlichen Eingrenzung der Fehde zu kommen  Bei Verstoß gegen Eingrenzung peinliche Strafen Gottesfrieden und Landfrieden Kampf gegen die Fehde Erst am Ende des Mittelalters gelingt das am Land 

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2) Die Entstehung des peinlichen Strafrechts seit dem Hochmittelalter Die mittelalterliche Friedensbewegung: Die Got tes- und Landf rieden Zunächst nur Einschränkung der Fehdeführung durch deren Regulierung:  Fehdeverbot zu bestimmten Zeiten o Gegen Ende der Woche, Feiertage, Fastenzeiten  Fehdeverbot an bestimmten Orten o Kirchen, Pflugäcker, Mühlen, usw. o Ort des Gerichts und Zeit der Gerichtsverhandlung = Fehlverhalten o Friedhof  Gewaltverbote zum Schutz wehrloser Personen: o Traditionell kampfunfähig o Frauen, Geistliche, Juden, Bauern Androhung von Vermögensstrafen und peinlichen Strafen zur Durchsetzung der Selbsthilfeverbote! Geldstrafe (geht nicht an Geschädigten, sondern an Adeligen, der Strafrechtspflege übernimmt) Im Mittelalter nicht im Wege der Gesetzgebung (d.h. Einseitig) durchsetzbar!  Nur im Wege eidlicher Bindung der Normadressaten! o Landfrieden o Teilnehmer am Landfrieden müssen Frieden beschwören – unterwerfen sich der Strafe für den Fall des Verstoßes  Müssen regelmäßig erneuert werden o Landfrieden am Anfang nur befristet Quelle: Bischof Sigwin von Köln, 1083 „Gottesfrieden“:

Sündhaftigkeit des Menschen, die ihn dazu zwingt, in gewaltvereuchter Gegenwart zu leben. Soll zumindest an einzelnen eingeschobenen Tagen friedlich sein.

Jahr der Fleischwerdung = Christi Geburt

Wenn sich jemand weigert, den Schwur zu leisten:

Kein Priester soll für ihn eine Messe lesen … Wegzehrung am Ende? – Sterbesakramente Ausgeschlossen von Kommunion & Sakramenten Für mittelalterlichen Mensch war dies zwingend, wenn er letzte Ölung nicht bekommt, droht ewige Verdammnis (zeitl. unbegrenztes Schmoren in der Hölle)

Die mittelalterliche Friedensbewegung: Die Landfrieden Versuch schrittweiser Verdrängung der Selbsthilfe durch verfahrensförmige öffentliche Vergeltung - kollektive statt individueller Vergeltung! Landfrieden am Land am Schwierigsten zu bewerkstelligen Adelige bestimmter Regionen vereinbaren Einschränkungen der Fehdefreiheit Von der Kirche werden bestimmte Zeiten festgesetzt, wo das Tragen von Waffen komplett verboten wird. Im Grunde freiwillige Vereinbarung Versuch, die Konfliktbeteiligen dazu zu bringen, auf die Selbsthilfe zu verzichten  Zunächst noch Nebeneinander von o Selbsthilfe (Fehde) und o Gerichtlich-verfahrensförmiger Sanktionierung  Aber: Tendenz zur Ausweitung von Fehdefreiheit  Ein Versuch, den Vorrang des Gerichtsverfahrens vor der Fehdeführung durchzusetzen: o Quelle: Mainzer Landfriede (1235) – „Subsidiarität“ der Fehde

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Fehde soll nur dann praktiziert werden, wenn man sein Recht vor Gericht nicht findet Notwehr bis heute Widersage: gewohnheitsrechtliche Form (Fehde im Hochmittelalter hauptsächlich bei Adel)  zB Ausziehen des Handschuhs, den man dem Anderen vor die Füße wirft (Fehdehandschuh)

Von der Buße zum „peinlichen“ Strafrecht: 

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Allgemeine Ausweitung der Tatbestände mit „peinlichen“ Rechtsfolgen (Androhung von Körper- und Todesstrafen) durch Ausweitung der fehdefreien Zeiten und Räume o Generalisierung der Straftatbestände Beseitigung der ständischen Unterschiede bei den Sanktionen Beispiel Sachsenspiegel: o „Wergeld“ nur noch bei  Absichtsloser Tötung und  Tötung in Notwehr o Außerhalb dessen generelle Strafbarkeit bei Tötungsdelikten

Wergeld-/Bußenzahlung an Bauern unterschiedlichen Standes Spottbuße für einen Leibeigenen (Mitte links: Wollhandschuh) und für ein „Pfaffenkind“ (und alle unehelich Geborenen): Ein „Fuder“ Heu

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Für unfreie Bauern nur symbolisch (zB Kleidung – war aber sehr kostbar im Mittelalter) „Pfaffenkind“ = unehelich geborenes Kind; wird geringer geahndet, wenn ein solches getötet wird Tötung eines Juden: Enthauptung Schwangere dürfen nur an „Haut und Haar“ bestraft werden  Scherung des Haupthaares  Auspeitschen mit Ruten (bis Blut fließt – dann ist Schluss) Mord: Rädern (wenn Tötung heimlich erfolgt, Todesstrafe wird dann verschärft) Verstoß gegen Frieden (wer gegen Frieden einen tötet) – Enthauptung

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Allmähliche Ausweitung der peinlichen Strafenpraxis Beseitigung der ständischen Unterschiede bei den Sanktionen Bedeutung der Religion: Göttliche Strafen sind standesunabhängig! Regional unterschiedlicher Verlauf dieses Prozesses: o Bis in die frühe Neuzeit Nebeneinander von:  Privatem Täter-Opfer-Ausgleich  Bußenstrafrecht  Peinlichem Strafrecht Peinliche Strafe zunächst durch Sachleistung ablösbar: (Vollzug nur bei Uneinbringlichkeit der Buße) o Dadurch „schichtenspezifisches Strafrecht“: Peinliche Strafe vorrangig für  Randgruppen  Fremde  Unterschichten o Unterschied zum modernen Strafverfahren Retardierte Momente: o Vorstellung eines „Freienprivileg“ gegenüber dem peinlichen Strafrecht o Teils bis an die Schwelle der Neuzeit (Friesland)  (in den süddeutschen Städten rascheres Vordringen peinlicher Strafen)

3.) Strafverfahren und Gerichtsverfassung in einer oralen, gewohnheitsrechtlichen Rechtskultur: Der mittelalterliche Rechtsgang Mittelalterlicher Rechtsgang wird später abgelöst durch Inquistitionsverfahren (und danach modernes Strafrecht)

Der mittelalterliche „Rechtsgang“ Prinzipien des mittelalterlichen Rechtsganges: 1) Reine Mündlichkeit des Verfahrens  Also Schriftlos 2) Archaischer Formalismus

Schriftlos, aber nicht formlos Man muss im Verfahren bestimmte Formeln aufsagen (genau vorgeschrieben, was man sagen muss)  Muss fehlerfrei aufgesagt werden  Archaisch: weil schriftlos & verbunden mit magischen Vorstellungen o Prozessformeln werden aufgesagt wie Zauberformeln 3) „Privat“-Anklage:  Verfahren wird vom Verletzten oder seinen Freunden in Gang gebracht  Zivilprozess (Unterschied Strafprozess: Strafverfahren wird von Staat in Gang gesetzt, unabhängig davon, ob der Verletzte das wünscht oder nicht) 4) „Zweizüngiges Urteil“  Sagt aus, wer Beweis führen darf  Beweisrecht gibt es im modernen Recht nicht als subjektives Recht (nur Beweislast)  Wichtigstes Beweismittel ist der Eid o Zeugenbeweis rudimentär (gibt es in Ansätzen, spielt aber keine große Rolle) o 2 Teile: Wer von den beiden Parteien den Eid ablegen darf. Meistens ist Rechtsfolge schon vorgegeben 1. Darf Beklagter Reinigungsakt ablegen? (Dass er sagt, er war es nicht)  Dann wird es Freispruch geben 2. Oder darf Kläger? (Sagen, dass der Beklagte der Täter ist)  Bestrafung o Modernes Verfahren: Großteil des Verfahrens auf Rekonstruierung des Tatherganges ausgerichtet, erst dann darf Verurteilt werden (Tatsachen müssen für Gericht feststehen) 1. Ermittlungsverfahren 2. Hauptverfahren: baut dann auf SV auf, der im Ermittlungsverfahren rekonstruiert wurde  Zeugenbeweis, Sachverständigenbeweis 5) Kein Untersuchungsverfahren, keine Verhaftung!  Bei Nichterscheinen des Angeklagten trotz Ladung: Ächtung („Acht“ und „Bann“) o Im Hochmittelalter o Jeder, der Kenntnis von der Ächtung bekommt ist verpflichtet, den Flüchtigen festzuhalten o Niemand darf ihm Unterschlupf geben o Er darf auch straffrei getötet werden, wenn er sich bei der Festnahme wehrt  Infrastruktur (Gefängnis, Verhaftung, Fahndung, etc) gab es noch nicht mangels technischer Möglichkeiten  Ablauf Mittelalter: o Sippe des Getöteten oder Verletzter erhebt Klage o Angeklagter wird drei Mal geladen o Kirche hat häufig ausgeholfen (Quelle: Aus dem Gottesfriede für die Kölner Kirchenprovinz (1083)  Ausnahme: Verfahren bei „handhafter Tat“ o Entdeckung und Ergreifung des Täters unmittelbar nach der Tat o Notgericht wird beigerufen (in unmittelbarem Anschluss an die Tat)  

o Täter wird unmittelbar vom Tatort gebunden vor Gericht geführt

Zu 4) – das „zweizüngige Urteil“:  Beweis Urteil (Entscheidung, von wem und wie der Beweis erbracht werden kann(!))  Nur bedingte Verurteilung  Wenn die Reinigung durch den Eid gelingt, wird er freigesprochen. Wenn sie nicht gelingt, wird er gehängt.  Reinigungseid durch Beklagten oder Überführungseid durch Kläger? o Leumund? – guter Ruf o Je besser der Leumund, desto mehr soziales Kapital. Desto geringer die Voraussetzungen für den Reinigungseid.  Anzahl der „Eideshelfer“? o Kann schwanken – legen dann mit Täter gemeinsam den Reinigungseid ab  Gottesurteil (Zweikampf oder Wasserprobe)? o Wenn Angeklagter Möglichkeit erhielt, den Reinigungseid mit Eideshelfern abzulegen, hatte der Kläger die Möglichkeit, den Reinigungseid zu verlegen, indem er den Angeklagten zum Zweikampf fordert. Gott entscheidet im Zweikampf unmittelbar. Es ist der Aussage des Gewinners zu glauben. Man konnte auch bezahlte Kämpfer in den Ring schicken. o Wasserprobe: Jmd wird ins Wasser geworfen. Je nachdem, wie der Körper reagiert, wenn man ins Wasser geworfen wird, wird entschieden. o Reliquia: Reste von Heiligen mit sakraler Kraft o Bahrprobe (Schweiz, 15. Jh.): Angeklagter hebt Schwurfinger über Wunde des Getöteten. Wenn die Wunde in dem Moment, wo er die Eidfinger darüber hält in einer bestimmten Art und Weise reagiert, macht das Aussage über die Richtigkeit der Aussage des Angeklagten.

Eideshelfer Reinigungseid Quelle: Landfriede Kaiser Friedrichs I. Barbarossa von 1152

Menschen aus Beziehungsgeflecht der Tatverdächtigen, die bezeugen, dass es sich um ehrlichen und unschuldigen Mann handelt Quelle: Rheinfränkischer Landfriede von 1179

Freundschaft = Beziehungsnetzwerk Gottesurteil Quelle: Gottesfriede für die Kölner Kirchenprovinz (1083)

Kein Reinigungseid, gleich Wasserprobe (als Gottesurteil) – Stellvertretung ausgeschlossen

Bahrprobe

Zweikampf

Zentrierung des mittelalterlichen Verfahrens auf den Eid! Allmähliche Änderung der Verfahrensstruktur: Zunehmende Verdrängung des Reinigungseides durch den Überführungseid seit dem Hochmittelalter - Überführungseid durch Tatzeugen! Gewohnheitsrechtlicher, allmählicher Übergang – nichts, was durch Gesetz eingeführt wurde ...


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