Wilde Kinder Victor von Aveyron PDF

Title Wilde Kinder Victor von Aveyron
Author Festina Bimbashi
Course Pädagogik
Institution Gymnasium (Schweiz)
Pages 2
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Wilde Kinder / Seite 1 von 2 / Handler, Knierim / 06.05.21

Victor von Aveyron TEXT 1: Victor ist [...] sicherlich der bekannteste Fall von Verwilderung und durch die wissenschaftliche Beschreibung auch als authentisch zu werten. 1797 wird der Wilde von Aveyron in Südfrankreich erstmals von einem Bauern entdeckt; seine Lagerstätten werden in den folgenden Jahren gefunden. 1799 wird er von Holzfällern oder Jägern gefangen und in das Dorf Lacaune gebracht, kann aber fliehen. Am 25. Juli 1799 wird er von drei Jägern auf einem Baum entdeckt, gefangen, kann aber wiederum flüchten. Am 8. Januar 1800 erscheint der 'Wilde" hungrig am Haus eines Färbers, der ihn in das Waisenhaus von Saint-Affrique bringt. Der Junge ist zu diesem Zeitpunkt ca. 10-15 Jahre alt, spricht nicht, sondern stößt nur unartikulierte Schreie aus: "Äußerlich unterschied sich der Knabe nicht von gleichaltrigen zwölf bis dreizehnjährigen Kindern. Jedoch war sein Körper mit einer Fülle von Narben bedeckt. Besonders auffällig war eine waagerechte Narbe in Höhe des Kehlkopfes. Sie war 25 mm lang und offensichtlich die Folge einer Schnittwunde. Sein Gang bestand nicht aus gleichmäßigen Schritten, sondern hatte etwas Trottendes. Beim Laufen geriet er nie außer Atem. Auf allen Vieren ist er nur einmal beobachtet worden, als er in den Wäldern auf der Flucht war. Beim Sitzen pendelte er mit dem Körper von rechts nach links oder vorwärts und rückwärts, wobei er gutturale Laute von sich gab. Dabei streckte er das Kinn nach vorn und hielt den Kopf hochgestreckt. Bisweilen geriet er bei dieser Haltung in Zuckungen und Krämpfe. Seine Sinne schienen intakt zu sein. Die anfängliche Vermutung, er sei taub, bestätigte sich nicht. Der Geruchssinn war besonders entwickelt. Bevor er Speisen zu sich nahm, beschnupperte er sie und stellte fest, ob sie ihm zuträglich waren oder nicht. Seine Sehschärfe war vollkommen ausgebildet und auch der Tastsinn entwickelt, wenngleich er neben dem Gehör, dem Geruchs- und Geschmacksinn eine untergeordnete Rolle zu spielen schien. [...] Der Wilde konnte nur durch unartikulierte Laute und durch Schreie seine Wünsche und sein Befinden äußern. [...] Seine Bedürfnisse waren ganz auf Nahrung, auf Ruhe und Unabhängigkeit beschränkt. Der Wilde befand sich stets auf der Suche nach etwas Eßbarem. Als er gefunden wurde, hatte er zunächst eine Abneigung gegen Brot, Suppe und Fleisch; Kartoffeln, Kastanien und Eicheln jedoch aß er mit Heißhunger. [...] Was seinen Charakteranging, so war der junge Wilde sehr mißtrauisch. Streichelte man ihn, so konnte er sanft und gefällig sein. [...] Boshaftigkeit und Mutwilligkeit waren ihm fremd. Aber er zeigte auch keine Gefühle der Dankbarkeit, des Mitleids oder der Scham [...] verrichtete seine Notdurft, wo immer er sich gerade aufhielt: in seinem Zimmer, auf dem Lager, im Freien oder anderswo. Er kotete im Stehen und urinierte in Hockstellung." (Lane 1985, S. 52). Das wissenschaftliche Interesse an dem Jungen erlosch bald, nachdem hier nicht ein Wesen erschien, daß ein "von der Natur unverdorbener hochmoralischer Wilder" war, sondern ein verschmutzter und unordentlicher Mensch, der stumpf in sich versunken war. "Von unverdorbenen moralischen Instinkten war nicht die geringste.Spur zu entdecken. Selbstbezogen, gierig und undankbar nahm der Wilde die Speisen entgegen; kratzte und biß um sich, wenn man ihm zu nahe kam. Dies war nicht das reine Naturkind, das man sich erhofft hatte; das verdreckte Wesen schien wenig geeignet, künftigen Generationen die ‚erhabenen Tugenden einer großmütigen Seele' vorzuführen" (Koch 1997, S. 18).

Wilde Kinder / Seite 2 von 2 / Handler, Knierim / 06.05.21

Der "Wilde" wurde von verschiedenen Fachleuten als idiotisch diagnostiziert, ein hoffnungsloser Fall, bei dem Erziehung nichts bewirken könne. Dieses Urteil wurde von Philippe Pinel, der damals führenden Autorität auf dem Gebiet der Geisteskrankheiten, gestützt. Abba Sicard, ein bekannter Taubstummenlehrer und Leiter einer staatlichen Anstalt, berief an seinem Institut Jean Itard auf die Stelle eines Anstaltsarztes, um die Erziehung des Jungen wahrzunehmen. Itard sah, im Gegensatz zu Pinel, bei dem "jungen Wilden" eine sozial erzeugte Idiotie, die er für heilbar hielt. Er wollte durch ein pädagogisches Experiment beweisen, daß die Maxime der Aufklärung ("Der Mensch ist nur das, was die Erziehung aus ihm macht") zutraf. [aus: Theodor Thesing: Leitideen und Konzepte bedeutender Pädagogen. Freiburg i.B. 1999, S. 46-48]

TEXT 2: Einzig der Arzt Jean-Marc Gaspard Itard [...] steckte sein ganzes Wissen, viel Geduld und Einfühlungsvermögen in diesen Jungen. Er hielt es durchaus für möglich, dem wilden Jungen, dem er den Namen "Victor" gab, menschliches Verhalten beizubringen. Am Anfang jedoch zeigte Victor zunächst an nichts Interesse, außer an Essen und Schlafen. Mit der Zeit fand Itard heraus, wie er dies ausnutzen konnte. Er hatte Victor Musik vorgespielt und versucht den Jungen durch einen Pistolenschuß zu erschrecken, jedoch keine Reaktion erhalten. Dagegen löste das Geräusch einer knackenden Walnußschale bei Victor ein aufgeregtes Grunzen aus. Dr. Itard versuchte beim Unterricht die Aufmerksamkeit des Jungen durch etwas Eßbares im Raum zu steigern. So legte er z.B. eine Nuß unter einen von drei gleichen Bechern und schob sie dann hin und her. Wenn Victor auf den Becher mit der Nuß zeigte, so erhielt er die Nuß. Es dauerte auch nicht lange und er fand Freude an dem Spiel, bis er es auch spielte, wenn er danach keine Belohnung bekam. Danach lernte der Junge auch das Wort Milch zu sprechen, wenn Milch eingegossen wurde. Später schaffte er es auch mit Hilfe von Holzklötzen zu buchstabieren. Der Junge machte seine ersten und großen Erfolge, aber von Zeit zu Zeit bekam er regelrechte Wutausbrüche. Einmal griff Dr. Itard während eines dieser wilden Ausbrüche zu einer radikalen Maßnahme, er wußte das der Junge unter Höhenangst litt und packte den Jungen und hielt ihn für einige Sekunden kopfüber aus den Fenster des vierten Stockes. Als Victor den gepflasterten Hof unter sich erblickte wich seine Wut und er fing an zu zittern. Itard holte den Jungen schnell in den Raum zurück, wo der Junge die Aufgabe erledigte, welche er vor dem Wutausbruch gestellt bekam. Danach fiel er in sein Bett und weinte hemmungslos, das war das erste Mal das Dr. Itard Tränen in den Augen des Jungen sah. Der Erfolg den Jungen menschlicher zu machen erschien langsam sehr schwierig, nach fünf Jahren sah man kaum einen Erfolg. Obwohl Victor friedlicher geworden war, hatte er nicht allzuviel erlernt. Widerstrebend mußte Dr. Itard zugeben, das der Möglichkeit den wilden Jungen zu zivilisieren, Grenzen gesetzt waren. Er kam zum Schluß, daß ein Aufwachsen in Isolation ein menschliches Wesen so veränderte, daß es sogar vielen Tieren unterlegen war, die durch Instinkte dem Leben in der Natur angepaßt waren. Victor verbrachte den Rest seines Lebens unter Aufsicht und verstarb 1828 im Alter von knapp 40 Jahren. [http://www.einsamer-schuetze.com/krypto/tiermenschen/wildkinder/wildkind2/feral.html]

Arbeitsaufträge: 1. Fassen Sie die Geschichte von Victor in Stichworten so zusammen, dass Sie sie den anderen erzählen können. 2. Weshalb waren die Wissenschaftler so enttäuscht, als sie Victor eine Weile beobachtet hatten? 3. Diskutieren Sie, inwiefern Itard mit Victor Erfolg bzw Misserfolg hatte. 4. Wie erklären Sie sich, dass Victor bestimmte Dinge lernte und andere nicht? Und warum genau diese Dinge? 5. Was wäre Ihnen an Itards Stelle in Victors Erziehung am wichtigsten gewesen und warum? Stellen Sie eine Rangliste auf....


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