Zusammenfassung Öffentliches Recht: komplett PDF

Title Zusammenfassung Öffentliches Recht: komplett
Course Öffentliches Recht
Institution Freie Universität Berlin
Pages 54
File Size 1.3 MB
File Type PDF
Total Downloads 412
Total Views 728

Summary

Download Zusammenfassung Öffentliches Recht: komplett PDF


Description

Rechtsordnung Öffentliches Recht - ÖR

Privatrecht (Zivilrecht) - PR

Völker- und Europarecht Staats- und Verfassungsrecht - Staatsorganisationsrecht - Grundrechte Verwaltungsrecht - Gewerberecht - Baurecht - Steuer- und Abgabenrecht - Umweltschutzrecht - Subventionsentscheidungen, etc. (Strafrecht) Grundsätzlich: Beteiligung des Staates am Rechtsverhältnis / Rechtsstreit z.B. Erlaß, Versagung oder Entzug einer Gewerbeerlaubnis; Erlaß eines Einberufungsbescheides zur Bundeswehr

- Bürgerliches Recht - Handelsrecht - Gesellschaftsrecht - Wertpapierrecht - Arbeitsrecht - etc.

Grundsätzlich: Recht der Privaten untereinander = Beteiligt am Rechtsverhältnis / Rechtsstreit sind auf beiden Seiten Private z.B. Kaufvertrag, Mietvertrag etc.

Abgrenzung -

-

-

Subordinationstheorie Über-/Unterordnungsverhältnis: ÖR = Befugnis zu einseitiger Regelung Interessentheorie = wessen Interesse ist vom Rechtsverhältnis überwiegend betroffen? - das der Allgemeinheit: => ÖR Subjekts-/Sonderrechtstheorie = ÖR (+), wenn aus der betreffenden Norm nur der Staat in seiner Funktion als Hoheitsträger einseitig berechtigt oder verpflichtet sein kann (= Sonderrecht des Staates), daher z.B. bei mit Hoheitsgewalt ausgestatteten Privaten (sog. „Beliehenen“, zB TÜV, Notare) => ÖR (+)

RECHTSSCHUTZ: => grds. Verwaltungsgerichte (§ 40 VwGO) - es sei denn, ausdrücklich anderen Gerichten zugewiesen, z.B. Strafrecht (s. § 13 GVG => ordentliche Gerichte)

bei Gleichordnung: PR

das eines Einzelnen: => PR PR (+), wenn auf beiden Seiten des Rechtsverhältnisses Privatrechtssubjekte beteiligt daher z.B. ÖR (-) bzw. PR (+) bei „fiskalischen“ Handeln des Staates = wenn dieser wie ein Privater am Rechtsverkehr teilnimmt (z.B. Materialkauf einer Behörde) RECHTSSCHUTZ: => grds. ordentliche Gerichte bzw. Zivilgerichte (§ 13 GVG) Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler – M. Zimmermann

Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht = Recht der exekutiven Handlungsformen Allgemeines Verwaltungsrecht: => gilt grds. für alle Bereiche des Verwaltungsrechts: insb. VwVfG Besonderes Verwaltungsrecht: => Regelung spezieller Bereiche, zB - Gewerberecht (zB GewO, GaststättG) - Umweltschutzrecht (zB BImSchG) - Polizei- u. Ordnungsrecht (zB ASOG) - Baurecht (zB BauOBln) Typ. Handlungsform: Verwaltungsakt - Erlaß, Versagung oder Entzug einer Gewerbeerlaubnis, - Erlaß eines Einberufungsbescheides zur Bundeswehr, etc.

Staats- bzw. Verfassungsrecht = „Recht der Verfassungsnormen“ 1) Staatsorganisationsrecht, zB > Gesetzgebung > Recht der obersten Staatsorgane, zB: - Bundesregierung - Bundestag - Bundesrat - Bundespräsident > Tragende Staatsprinzipien: - Demokratieprinzip - Rechtsstaatsprinzip - Bundesstaatsprinzip - Sozialstaatsprinzip - Republik 2) Grundrechte = besondere Freiheitsrechte / Abwehrrechte ggü. dem Staat (=> näher: Folie Grundrechtstheorien / Grundrechtsfunktionen)

Rechtsschutz:

Rechtsschutz:

=> § 40 VwGO (Verwaltungsgerichte) - grds. nur gegen Verwaltungshandeln (Exekutive) - nicht: gegen (formelle) Gesetze - nicht: gegen judikative Akte

=> spezifischer Rechtsschutz bei Verletzung (allein) von Verfassungsrecht (insb. von Grundrechten) vor dem Bundesverfassungsgericht

=> dabei Überprüfung der richtigen Normanwendung (Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen)

=> Verfahren ist geregelt im BVerfGG

=> auch Überprüfung, ob Grundrechte verletzt sind => Verfahren ist geregelt in VwGO => wichtigste Klagearten: - Anfechtungsklage - Verpflichtungsklage - allgemeine Leistungsklage

=> wichtigste Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde (siehe Art. 93 I Nr. 4a GG): > nur bzgl. Verletzung von Grundrechten > durch die öffentliche Gewalt - Exekutive (Verwaltungsakte) - Legislative (Gesetze) - Judikative (Urteile) Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler – M. Zimmermann

Staatsprinzipien Demokratieprinzip Art. 20 I und II 1 GG = alle Staatsgewalt geht vom Volke aus - insbesondere durch Wahl des Parlaments (Volksvertretung) Rechtsstaatsprinzip Art. 20 III GG = Handeln des Staates unterliegt der Bindung an Recht und Gesetz Sinn: Verhinderung staatlicher Willkür durch Bindung und Kontrollierbarkeit staatlicher Machtbefugnisse => Gesetzesvorrang = staatliches Handeln darf nicht gegen die bestehenden Rechtsvorschriften verstoßen: - Legislative: Bindung an die Verfassung (GG) - Exekutive und Judikative: Bindung an Verfassung und sonstige Gesetze => Gesetzesvorbehalt = staatliche Stellen dürfen nur auf Grundlage eines (formellen) Gesetzes handeln, damit „Legitimationskette“ gewahrt ist: Exekutive (+ Judikative)

Parlament (Volksvertretung)

Erlaß (unter Wahrung des GG)

Handeln nur rechtmäßig auf Grundlage und unter Wahrung der … Gesetze

Wahl

Volk Umsetzung/Kontrolle insb. über Art. 19 IV GG = Überprüfbarkeit staatlichen Handelns durch die Gerichte (Verwaltungsgerichte) Republik – Bundesstaatsprinzip – Sozialstaatsprinzip Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler – M. Zimmermann

Grundrechtsfunktionen Abwehrfunktion = Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe (= Freiheitsrechte); Ausfluß der liberal-staatlichen Tradition, z.B. Art. 2, 4, 5, 12, 14 GG = Schutz davor, daß grundrechtlich geschütztes Verhalten zum Anknüpfungspunkt für nachteilige Behandlung durch den Staat gemacht wird Nichtdiskriminierungsfunktion = Schutz vor diskriminierender / willkürlich ungleicher Behandlung (= Gleichheitsrechte), z.B. Art. 3 GG => führt ebenfalls zu Abwehrrecht Leistungs- und Teilhaberechte = nicht nur Schutz vor staatlichen Eingriffen, sondern Schaffung von Ansprüchen des Einzelnen gegen den Staat (Ausfluß des sozialstaatlichen Grundrechtsverständnisses) = nicht nur „Freiheit vor dem Staat“, sondern auch „Freiheit durch den Staat“ a) derivative Teilhabe (=> hergeleitet insb. aus Art. 3 I GG) = Anspruch auf gleichen Zugang zu bestehenden Einrichtungen (zB Hochschulen); insb. bei staatlichen Monopolstellungen b) originäre Teilhabe: = Anspruch auf Schaffung nicht vorhandener Leistungen / Einrichtungen, bzw. Erhalt solcher, z.B. - Art. 1 I 2, 1. Hs. GG: Anspruch auf Schutz der Menschenwürde - Art. 2 II GG: Anspruch auf Schutz des menschl. Lebens - Art. 6 IV GG: Anspruch d. Mutter auf Schutz u. Fürsorge der Gemeinschaft - Art. 16a I GG: Anspruch auf Asyl Einrichtungsgarantien = dauerhafte Gewährleistung bestimmter Institute, z.B. - Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) - Privatschulen (Art. 7 Abs. 4 GG) - Eigentum und Erbrecht (Art. 14 GG) Objektive Werteordnung = Anerkennung bestimmter Verhaltensnormen, die auch über die bloße Abwehr staatlicher Eingriffe hinaus schutzwürdig sind und auf die gesamte Rechtordnung „ausstrahlen“ => insb. mittelbare Drittwirkung im Privatrecht = Ausstrahlung ins Privatrecht - d.h. bei Auslegung und Fortbildung des Privatrechts durch staatliche Gerichte müssen die Grundrechte bzw. deren Wertungen im Verhältnis der Bürger untereinander berücksichtigt werden Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler – M. Zimmermann

Normenlehre I - Arten von Normen / Rangfolge der Normen Rangfolge 1: = die vom Volk bzw. vom Verfassungsgeber beschlossene, allem übergeordnete „Grundordnung“ des Staates - insb. Grundrechte als Verbürgung der jedem Menschen zustehenden Freiheiten - am Verfassungsrecht müssen sich alle anderen Normen messen lassen

GG (Verfassung)

(Parlamentsgesetze)

= Erlaß durch Gesetzgeber (Legislative) - Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Vorgaben - dürfen nicht gegen Grundrechte oder sonstiges Verfassungsrecht verstoßen

Rechtsverordnungen

= Erlaß durch Exekutive (siehe Art. 80 GG) - sind „nur“ Gesetze im materiellen Sinne - Erlaß nur aufgrund formellgesetzlicher Ermächtigung

Formelle Gesetze

Satzungen

= Erlaß durch rechtlich selbständig juristische Personen des öffentlichen Rechts (z.B. durch Gemeinden) zur Regelung ihrer Angelegenheiten

Kollisionsregel: Jegliches Recht einer Rangstufe darf nicht gegen Recht einer höheren Rangstufe verstoßen.

Rangfolge 2:

Europarecht Bundesrecht Landesrecht (vgl. Art. 31 GG: „Bundesrecht bricht Landesrecht“ Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler – M. Zimmermann

Normenlehre II - Aufbau einer Rechtsnorm (1) TATBESTAND

(2) RECHTSFOLGE

= was ist die Voraussetzung dafür, daß die von der Norm bezweckte Regelungswirkung zum Tragen kommt?

= was ordnet die Norm an (= Regelungswirkung der Norm)

Bspe: A) § 303 I StGB: TB: Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört … B) § 823 I BGB TB: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt … C) GaststG

RF: … wird bestraft.

RF: … ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet

- § 2 GaststG (lesen) TB: Wer ein Gaststättengewerbe betreibt … (zum Begriff: s. § 1)

RF: … bedarf hierfür einer (gaststättenrechtlichen) Erlaubnis

- § 4 I Nr. 1 GaststG (lesen) TB: Wenn der Betreiber unzuverlässig ist …

RF: … ist die Erlaubnis zu versagen

Ob der Tatbestand einer Norm erfüllt ist, ermittelt man durch Subsumtion (=> siehe Normenlehre III) Bei der Subsumtion sind insb. die Auslegungsmethoden von großer praktischer Bedeutung (=> siehe dazu Normenlehre IV) Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler – M. Zimmermann

Normenlehre III - Subsumtion Wie ermittelt man, ob der Tatbestand einer Norm erfüllt ist ? => mittels der juristischen Technik der Subsumtion: Durch die Subsumtion wird ermittelt, ob ein konkreter Lebenssachverhalt sich mit dem abstrakt-generellen Tatbestand einer Rechtsnorm deckt und damit die Rechtsfolge dieser Norm „auslöst“. 5 Schritte: 1.) Ermittlung / Benennung des einschlägigen Tatbestandsmerkmals (TBM) 2.) Konkretisierung des TBM durch eine Definition (= Obersatzbildung) -

Definitionen werden idR durch die Rechtsprechung und die Rechtslehre gebildet Bsp.: „Unzuverlässigkeit“ iSd § 4 I Nr. 1 GaststG = wenn der Betreiber aufgrund der Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit und seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, daß er die mit der Gewerbeausübung verbundenen Pflichten in der Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird.

-

in einigen Fällen sind sie allerdings auch im Gesetz definiert (sog. Legaldefinitionen), z.B. in § 3 BImSchG

3.) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltsausschnitts => insb. werden hier irrelevante Sachverhaltsinformationen „ausgefiltert“ 4.) „eigentliche“ Subsumtion = überprüfen, ob der betreffende Sachverhaltsausschnitt die TBM-Definition ausfüllt => hierbei wichtig Auslegung der Norm (=> siehe Normenlehre IV) 5.) Ergebnisfeststellung: - wenn 4.) erfüllt: => Tatbestand (+) Ö Rechtsfolge (+) - wenn 4.) nicht erfüllt: => Tatbestand (-) Ö Rechtsfolge (-) Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler –M. Zimmermann

Normenlehre IIIa - Subsumtion, Beispiel Bsp.-Fall: Der bekennende Hertha-Fan A will ein Speiserestaurant eröffnen, wofür er nach Auskunft der zuständigen Behörde einer Erlaubnis bedarf. A hat bereits Erfahrungen im Restaurantgeschäft und ist ein passabler Koch, jedoch ist er bereits mehrfach „pleite gegangen“ und wurde überdies in den letzten Jahren wegen Steuerhinterziehung, Betrugsdelikten und kleinerer Rauschgiftdealereien strafrechtlich belangt. Darüber hinaus hat er als Umweltaktivist mehrfach an Demonstrationen und Sitzblockaden gegen Castor-Transporte teilgenommen. Wird A die begehrte Erlaubnis erhalten? Prüfungsschritte

Zum Bsp.-Fall:

1.) Ermittlung / Benennung des einschlägigen Tatbestandsmerkmals (TBM)

1.) Nach § 4 I Nr. 1 GaststG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn der Betreiber unzuverlässig ist.

2.) Konkretisierung des TBM durch eine Definition (= Obersatzbildung)

2.) Definition „unzuverlässig“: = wenn der Betreiber aufgrund der Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit und seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, daß er die mit der Gewerbeausübung verbundenen Pflichten in der Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird

3.) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltsausschnitts

3.) Zwar verfügt A über Erfahrung und ist guter Koch, jedoch hat er sich mehrfach wegen Steuerhinterziehung, Betrugs und Rauschgifthandels strafbar gemacht, und ist mehrfach „pleite gegangen“

4.) „eigentliche“ Subsumtion

4.) Aufgrund der hierdurch zu Tage getretenen Persönlichkeitsmängel des A besteht die Gefahr, daß er das Gewerbe nicht ordnungsgemäß wird führen können, zB wieder „pleite geht“, Gäste betrügt, Steuern hinterzieht oder „im Hinterzimmer“ Rauschgift verkauft; A ist daher als „unzuverlässig“ einzustufen.

= überprüfen, ob der betreffende Sachverhaltsausschnitt die TBMDefinition ausfüllt => hierbei wichtig Auslegung der Norm (=> siehe Normenlehre IV) 5.) Ergebnisfeststellung

5.) Daher ist gem. § 4 I Nr. 1 GaststG die Erlaubnis zu versagen. Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler – M. Zimmermann

Normenlehre IV - Auslegung Für Schritt (4.) bei der Subsumtion ist insb. wichtig die Auslegung von Normen zur Ermittlung, ob ein Lebenssachverhalt das betreffende Tatbestandsmerkmal ausfüllt: Auslegungsmethoden: 1)

Grammatikalische Auslegung / Wortlautauslegung = Ausrichten am allgemeinen Sprachgebrauch und Wortverständnis => Ausgangspunkt für jede Auslegung ABER: - nicht allein maßgeblich (Fehler vieler Laien!); kein „sklavisches“ Festhalten am Wortlaut, keine „Wortklauberei“, - vielmehr auch „sehr weite“ Wortlautauslegung möglich, insbesondere unter Berücksichtigung der nachfolgenden Auslegungsmethoden - allerdings ist „weitest möglicher Wortsinn“ grundsätzlich auch Grenze für die anderen Auslegungsmethoden

2)

Systematische Auslegung = Einordnung im Gesamtgefüge des Normenkomplexes (z.B. umgebender oder ähnlicher oder vergleichbarer Normen); Wahrung der Einheitlichkeit des Normgefüges

3)

Historische Auslegung = Was bezweckte der Normgeber bei Erlaß der Norm; vor welchem historischen Hintergrund ist die Norm erlassen worden ?

4)

Teleologische Auslegung / Auslegung nach Sinn und Zweck = was ist mit der Norm bezweckt, welchen Sinn hat die Regelung, was ist ihr Schutz- bzw. Regelungsbegehren, welche Fälle möchte oder kann sie sinnvollerweise nur erfassen? => wichtigste Auslegungsmethode

Bspe.:

- „Betreten des Rasens ist verboten“ - § 8 Abs. 1 EheG (a. F.) - „gefährliches Werkzeug“ i. S. d. §§ 224, 250 StGB Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler – M. Zimmermann

Übungsfall zur Grundrechtsprüfung: „Astrologie-Verbot“ (Art. 12 GG) (abgewandelt nach BVerwGE 22, 286 ff.)

A ist Deutscher und betreibt in Berlin ein „Institut für Astrologie“, in welchem er seinen Kunden u.a. Horoskope erstellt, Karten legt, Träume deutet, den Einfluß der Sterne auf die Persönlichkeit analysiert, die Zukunft vorhersagt etc. Die zuständige Behörde untersagt ihm diese Tätigkeit unter Hinweis auf ein Landesgesetz, das jede Wahrsagetätigkeit wegen damit verbundener Gefahren für leichtgläubige Menschen verbietet. § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes definiert Wahrsagen als das Voraussagen künftiger Ereignisse, das Ausdeuten der Gegenwart und der Vergangenheit und jede Offenbarung von Dingen, die dem natürlichen Erkenntnisvermögen entzogen sind. Hierzu gehören nach Abs. 2 insbesondere das Kartenlegen, die Erstellung von Horoskopen und des Sternzeichens sowie die Traumdeutung. A ist der Ansicht, das Verbot entbehre jeder Grundlage, da das Gesetz gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoße. Zu Recht?

Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler – M. Zimmermann

Schema für die Prüfung der Verletzung eines Freiheitsgrundrechts (verdeutlicht am Beispielsfall „Astrologie-Verbot“) Obersatz: Der betreffende Akt der öffentl. Gewalt verletzt das Freiheitsgrundrecht, wenn er in den Schutzbereich (I.) dieses Grundrechts eingreift (II.) und dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist (III.).

Überblicks-Schema: Grundrechtsverletzung (+), wenn I.) II.) III.)

Eröffnung des Schutzbereichs des betreffenden Grundrechts Eingriff in diesen Schutzbereich Keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieses Eingriffs

MERKE (Terminologie!): Der Eingriff in den Schutzbereich stellt für sich noch keine Verletzung des GR dar. Solche liegt erst vor, wenn dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt war (= rechtswidriger Eingriff). Im einzelnen: I.)

Eröffnung des Schutzbereichs = der Schutzbereich des GR muß durch den öffentl. Akt betroffen sein 1.)

Sachlicher Schutzbereich = sachlicher Regelungsgegenstand des GR, d.h. der öffentliche Akt muß an den jeweiligen Lebensbereich anknüpfen, in welchen das GR fällt z.B.: „Versammlung“ (Art. 8 GG); „Beruf“ (Art. 12 GG), „Eigentum“ (Art. 14 GG) Zum Astrologie-Fall: Betroffen sein könnte der (sachliche) Schutzbereich des Art. 12 GG („Berufsfreiheit“). Hierzu müßte die von A ausgeübte Tätigkeit einen „Beruf“ darstellen. - jedenfalls (+) hinsichtlich „klassischer“ Berufsbilder - aber Definition weiter gefaßt: Beruf ist jede erlaubte (= nicht sozialschädliche), auf Dauer angelegte Tätigkeit, die zur Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage dient. => Tätigkeit als Wahrsager erfüllt dies, ist insbesondere nicht schlechthin sozial unwertig, daher Beruf (+) – vgl. hierzu BVerwGE 22, 286 (287 ff.)

2.)

Persönlicher Schutzbereich = der Schutz des GR muß auch gerade der betroffenen Person überhaupt offenstehen bzw. zugute kommen

a.)

„Jedermanns“-Grundrechte = grds. jede Person kann sich auf diese berufen (auch Ausländer) z.B. Art. 5 I GG („jeder“), Art. 2 I GG („jeder“); Art. 4, 10, 13, 14 GG

b)

„Deutschen“-Grundrechte = gelten nur für Deutsche i.S.d. Art. 116 GG z.B. Art. 8, 9, 12 GG Zum Astrologie-Fall: Da A Deutscher ist, ist für ihn auch der persönliche Schutzbereich des Art. 12 I GG (= Deutschen-Grundrecht) eröffnet. Beachte: Ausländer können sich auf die in den Deutschen-Grundrechten verbürgten Freiheiten (z.B. „Beruf“) i.R.d. Art. 2 I GG berufen („Auffanggrundrecht“ der allgemeinen Hand-

GR-Prüfung - Seite 1 von 7

Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler – M. Zimmermann

lungsfreiheit); hierdurch auch keine „Umgehung“ der Deutschen-Grundrechte, da Art. 2 I GG einfacher einschränkbar. Sonderfälle: (im Rahmen der VB zu prüfen unter deren Zulässigkeit bei Prüfungspunkt „Grundrechts-/Beteiligungsfähigkeit“) -

Ausländer => können sich auf „Jedermann“-Grundrechte berufen => sowie über Art. 2 I auf die in den Deutschen-Grundrechten verbürgten Freiheiten (siehe oben)

-

Minderjährige => sind nach h.M. voll grundrechtsfähig (a.A.: je nach Einsichtsfähigkeit); (=> problematisch ist indes ihre Prozeßfähigkeit/Grundrechtsmündigkeit; diese hängt nach h.M. davon ab, ob der MJ reif genug ist, in dem grundrechtlich geschützten Bereich eigenverantwortlich tätig zu sein)

-

Juristische Personen -

inländische JP des Privatrechts: => grundrechtsfähig nach Art. 19 III GG, unter 3 Vorauss.: 1) JP = nicht nur gesellschaftsrechtlich zu sehen (AG, GmbH), genügend ist binnenorganisatorische Struktur einer Personengemeinschaft mit der Fähigkeit zu eigener Willenbildung (zB OHG, KG, GbR, nicht-rechtsfähiger Verein) 2) inländisch = Verwaltungssitz im Geltungsbereich des GG 3) GR muß „wesensmäßig anwendbar“ sein, d.h. das GR muß kollektiv/korporativ, und nicht nur individuell ausübbar sein, z.B. (+) für Art. 2 I, 4 II, 8, 9, 12, 14, wohl auch Art. 5 I z.B. (-) für Art. 2 II, 3 II, 6, 12 III GG

-

Ausländische JP (= Sitz außerhalb Geltungsberei...


Similar Free PDFs