2. Stammesrechte PDF

Title 2. Stammesrechte
Course Neuere Rechtsgeschichte II
Institution Universität Bern
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2. STAMMESRECHTE Völkerwanderungen – Germanische Stämme wanderten ins Gebiet des Römischen Reichs ein  Das rief Konflikte hervor, die zum Teil friedlich, zum Teil kriegerisch gelöst wurden  Die Herrscher der verschiedenen Stämme (meist Könige genannt) sahen, dass in den römischen Gebieten bereits...


Description

2. STAMMESRECHTE   

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Völkerwanderungen – Germanische Stämme wanderten ins Gebiet des Römischen Reichs ein Das rief Konflikte hervor, die zum Teil friedlich, zum Teil kriegerisch gelöst wurden Die Herrscher der verschiedenen Stämme (meist Könige genannt) sahen, dass in den römischen Gebieten bereits schriftliche Rechtssätze bestanden – natürlich hatte auch jeder Stamm seine eigenen Regeln, jedoch nicht schriftlich. Nachdem die germanischen Stämme sich niedergelassen hatten, fingen auch sie an, ihr Recht aufzuzeichnen – allerdings auf Latein (obwohl jeder eigene Stamm seine eigene Sprache hatte). Obwohl es auf Latein ist und in Gebieten geschieht, die zum Römischen Reich gehört hatten, ist es kein Römisches Recht! Es ist das eigene Recht der einzelnen Stämme. Zwischen den einzelnen Stämmen gab es Unterschiede. Es gibt keine klare Trennung zwischen Strafrecht und Privatrecht

I. GESTALTUNGSFÄHIGE PERSONEN 1. UNFREIE:    

Es gibt noch immer unfreie Personen/Sklaven, die den Status einer Sache haben und verkauft werden können Sie können nicht selber mit Wirkung für sich Rechtsgeschäfte abschliessen – sie scheiden also aus als Akteur im Abschluss von Rechtsgeschäften Alle Kinder von Sklaven waren automatisch Sklaven Durch die Heirat mit einer Sklavin wurde der Mann ebenfalls Sklave

Lex Alamannorum, S. 23: Rechtstellung von Sklaven  

Ausserhalb des Landes dürfen Sklaven nur auf Befehl des Herzogs verkauft werden Innerhalb des Landes darf der Besitzer frei über seine Sklaven verfügen

Westfränkisches Urkundenformular für eine Selbstverknechtung, S. 23  

Urkunde als Quelle: Die Stämme merkten, dass es Sinn macht, gewisse Dinge schriftlich zu dokumentieren – das wurde aus der Römischen Antike übernommen Es ist ein Formular, damit nicht jeder die Sachen wieder zusammentragen muss – gab es wohl auch schon im Römischen Reich. Es ist ein Muster, es gab ganze Formularbücher für Geschäfte, die häufig vorkamen. So bekommen wir einen Einblick in konkrete Rechtsgeschäfte

Anders als in Rom: Es gab die Möglichkeit, dass sich jemand freiwillig in die Sklaverei begab und seine Freiheit aufgibt, um sich einem Herrn zu unterstellen  Es geht um Personen, die grosse Schulden haben und nicht zahlen können  Es gibt damals nicht nur eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen (wie heute), sondern auch die Todesstrafe, wenn jemand zahlungsunfähig war  Ein anderer kommt und bezahlt für die zum Tod verurteilte Person – da diese aber nichts mehr hat, kann sie ihm nichts dafür geben ausser ihrem Leben. Es ist aber kein Arbeitsvertrag, wo einfach die Summe abgearbeitet wird; die Person wird das Eigentum des anderen. Vgl. Tacitus: Er erforsch nicht die Wahrheit, sondern beschreibt einfach wie es bei den Germanen ist (obwohl es ja «die Germanen» gar nicht gibt) 1 

2. RECHTSTELLUNG DER FRAUEN Edictum Rothari, S. 24:    



Langobardisches Recht (Italien/Tessin) Frauen können nicht selbstständig Rechtsgeschäfte abschliessen, sie brauchen die Zustimmung ihres Vormundes «Silpmundia» (Selbstmündigkeit) – den Begriff gab es nicht auf Latein, darum haben sie ihn einfach lateinisiert «Die Munt» = Schutz, Herrschaft: vgl. heutiges Rechtsinstitut Vormund/Mündigkeit o Schutz vor Nachteilen aber auch Herrschaftsgewalt der Männer über die Frauen (und Kinder) Bei anderen Stämmen haben die Frauen aber doch punktuell Handlungsmöglichkeiten über ihr Vermögen; hier bei den Langobarden haben sie gar keine.

II. EHE Lex Burgundionum, S. 24   







Abstufung nach Adeligen und normalen freien Personen Wenn ein Mann eine Frau heiratet, ohne ihren Vater um Zustimmung zu fragen, muss er bestimmte Strafzahlungen leisten – es war also nicht korrekt Für eine wirksame Ehe brauchte es also die Zustimmung des Brautvaters. Offensichtlich ist die Eheschliessung eine Vereinbarung zwischen Brautvater und Ehemann. Zwischen den beiden Männern braucht es einen Konsens (vgl. Römische Antike: Konsens der Eheleute ist wichtig), der Wille der Braut spielt keine Rolle. Bei dieser Vereinbarung fliesst Geld: Wenn man nicht um Zustimmung fragt, muss man das Dreifachte zahlen – im Normalfall, wenn man um Zustimmung fragt, muss dann offensichtlich auch ein fester Betrag bezahlt werden (das Einfache). Es ist also eine Art Kaufgeschäft – die Frau ist das Kaufobjekt, ihr kommen keine Eheschliessungsfreiheiten zu. Passt zur Rechtstellung der Frau bei den Langobarden. Fazit: Extremer als in der Römischen Antike.

III. VERTRÄGE  



Es gibt nur wenige Regelungen zu Verträgen in den Stammesrechten Wichtige Geschäfte fordern die Einhaltung bestimmter Formen (zB Anfertigung einer Urkunde oder Beizug von Zeugen) o Daraus ergibt sich Klarheit über den Vertragsschluss und die Möglichkeit eines Beweises Gestaltungsfreiheit in inhaltlicher Sicht wird nicht gross geklärt, es ist aber klar, dass man auch über die eigene Person verfügen kann (Selbstverknechtung zB im Fall von Zahlungsunfähigkeit, vgl. S. 23)

Lex Burgundionum, S. 24  



Umständliche Formulierung (7 Zeugen wären gut, sonst 5, wenn es nicht geht reichen auch 3) Schriftliche und bezeugte Urkunde wird verlangt für gewisse Kaufverträge (wenn teure Sachen wie Sklaven, Weinberge oder Häuser gekauft werden) o Es wird also eine besondere Förmlichkeit verlangt Wenn keine Zeugen vorhanden sind, ist die Urkunde kraftlos und man verliert das Geld

IV. EIGENTUM UND V. LETZTWILLIGE VERFÜGUNG 2





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In manchen Stammesrechten wurde betont, dass Eigentumsübertragungen an die Kirche zulässig sind (zB Lex Baiuvariorum) o Einfluss des Christentums – mit der Übertragung des Eigentums wird die Position vor dem Jüngsten Gericht verbessert o Aus der Betonung der Zulässigkeit lässt sich schliessen, dass diese Regelung auf Widerstand traf (von den Erben) Häufiger Gegenstand waren Ländereien – dies war die Lebensgrundlage für viele Familien. Man konnte sich versprechen lassen, dass man das Grundstück auch nach der Eigentumsübertragung weiter nutzen durfte Letztwillige Verfügungen gab es in den Stammesrechten nicht – die Übertragung der Ländereien musste noch zu Lebzeiten als Schenkung vollzogen werden Das Vermögen ging beim Tod eines Familienvaters auf seine Söhne über Die germanischen Stämme hatten die Vorstellung von gemeinschaftlichem Eigentum in einer Sippe – darum gab es keine Testamente Falls doch mal Testamente erwähnt wurden (vgl. S. 27), ging es hier aber nicht um Testierfreiheit – unbeschränkte Verfügungsfreiheit hat man nur für den Fall, dass man keine Angehörigen hat. Ansonsten konnten nur die Erbquoten der Kinder leicht geändert werden.

Lex Alamannorum 79, S. 25: Gemeinschaftliches Eigentum  Stammt aus älterer Zeit, wie man an den grossen Förmlichkeiten erkennen kann. Er wird aber bei der jetzigen Rechtsaufzeichnung übernommen.  Weist auf eine Zeit vor der Völkerwanderung hin  Es geht um Grundstücksstreitigkeiten – wo verläuft die Grenze  Es gibt keine Urkunden oder Schriftdokumente, wo man die Grenzen nachschauen könnte. Auch hier hat man gemerkt, dass es gut wäre, mehr schriftlich aufzuzeichnen  Zweikampf mit Gottesurteil: Gott hilft demjenigen, der die Wahrheit über die Grenze sagt o Die Germanischen Stämme haben den christlichen Glauben übernommen – früher hatten die Stämme ihre eigenen Gottheiten, doch spätestens nach den Völkerwanderungen waren die Stämme durch Missionierungen christlich geworden  Prozessparteien: Nicht zwei Personen, sondern zwei Sippen. Es ist eine Gemeinschaft, die als Eigentümer von Land angesehen wird und nicht eine Einzelperson, der das Land gehört (war oft der Fall, aber nicht immer).  In der Frühzeit, vor der Völkerwanderung, gab es bei Land/Grundstücken vor allem Gemeinschaftseigentum und nicht Individualeigentum Lex Alamannorum 1, S. 25: Ansätze zu Individualeigentum 

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Übertragung von Gütern (vermutlich auch Grundstücke) an die Kirche – das darf ein Freier nach freiem Willen tun (Verfügungsfreiheit für Einzelpersonen!) o Betonung der Freiheit, da sie vermutlich auf Widerstand stiess (bei den Verwandten) Formanforderung: Urkunde und 6-7 Zeugen und vor einem Priester Andere historische Phase als beim gemeinschaftlichen Eigentum oben. Was führte zu diesem Wandel? o «Errettung» - man hat ans Jüngste Gericht gedacht und meinte, wenn man seine Güter der Kirche überschreibt, kommt man in den Himmel. So konnten auch Sünden wiedergutgemacht werden. Konflikt mit den Juristen: Juristisch gesehen konnte eine Einzelperson ihr Land nicht der Kirche übergeben, weil das Land gemeinschaftliches Eigentum war. In dem Konflikt hat die Kirche aber gewonnen: Man ging von

gemeinschaftlichem Eigentum zu Individualeigentum über, damit die kirchlichen Forderungen erfüllt werden konnten.  Die Kirche war also ein Motor für juristische Veränderungen.  S. 26: Die Erben waren nicht begeistert davon, wenn das Land einfach der Kirche übergeben wurde, da ihre Lebensgrundlage so verschwand. o Es werden Sanktionen angedroht, falls man den Vertrag mit der Kirche nicht einhält oder die Nachkommen versuchen, den Vertrag rückgängig zu machen. Das kam wohl häufig vor. o Sanktionen: Exkommunikation (Ausschluss aus Kirchgemeinschaft), Geldstrafe, Friedensgeld – die Kirche handelte eigennützig Urkunde über eine Schenkung an das Kloster Lützelau, S. 26 Schenkung an die Kirche musste zur Rechtssicherheit zwingend schriftlich und mit Zeugen dokumentiert werden. Die Kirche hatte auch ein eigenes Interesse daran, damit niemand die Schenkung anfechten könnte.  Wir haben heute eine Vielzahl solcher Schenkungsurkunden  «Schenkung für das Seelenheil» - man bekommt dadurch eine bessere Position vor dem Jüngsten Gericht  Hier geht es um das Eigentum einer Frau, die selbst darüber verfügt und es dem Kloster überschreibt. Die Frau war vermögend; es geht um viele Ländereien samt Sklaven.  Wer gegen diese Schenkung vorgehen wollte, musste Strafe zahlen  Es funktioniert also nun, dass eine Einzelperson über Ländereien verfügt. Das ist eine bedeutsame Rechtsveränderung! Es wird nicht einfach Römisches Recht übernommen, sondern die Idee kommt aus dem Bereich der Kirche; die Kirche hat das hier deutlich umgesetzt. Lex Baiuvariorum, S. 27 

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Was bedeutet eine solche Übertragung des Eigentums an die Kirche für die Familie? Wir befinden uns in einer Zeit, in der viele Familien von Ackerbau lebten. Wurde ihr Land nun der Kirche übertragen, war dies ein einschneidender Nachteil für die Familie. Als Interessenausgleich schlägt man vor, eine Vereinbarung zu treffen, nach der der Übertragende und manchmal auch seine Nachkommen die Berechtigung erhalten, das Land trotz Eigentumsübertragung an die Kirche selbst zu nutzen (gegen Zahlung, eine Art Rückverpachtung). Man hat also das Interesse am Seelenheil berücksichtigt, aber auch das Interesse der Familie. Die Voraussetzung für eine Schenkung für das Seelenheil war, dass der Vater das Eigentum mit seinen Söhnen teilte. Das wurde häufig gemacht, wenn ein Sohn heiraten wollte oder wenn er ein bestimmtes Alter erreicht hatte. Erst, wenn der Vater mit seinen Söhnen teilt, darf er über seinen Teil frei verfügen (Freiteil) und eine Schenkung an die Kirche vornehmen. Daran kann ihn dann niemand mehr hindern. o Für die Schenkung braucht es wieder eine Urkunde und 6 Zeugen

Lex Burgundionum, S. 27 



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1.: Der Vater muss zu gleichen Teilen sein Eigentum mit den Söhnen teilen. Erst dann hat er freie Verfügung über seinen eigenen Teil (der sogenannte Freiteil) und kann die Schenkung an die Kirche vornehmen (in diesem Text nicht nur auf Schenkungen an die Kirche beschränkt). 2.: Mit der Teilung des Vermögens scheiden die Söhne aus der Munt des Vaters aus (Abschichtung). Sie erhalten damit volle Verfügungsmöglichkeit über ihren eigenen Teil.

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An wen geht das Vermögen bei Tod eines Sohnes, wenn er keine Kinder hat?  Schenkung (= für das Seelenheil): Wenn er eine Schenkung vornahm, ist das Vermögen natürlich weg und gehört der Kirche  Testament: Die Errichtung eines Testaments wurde nur zugelassen, wenn man keine Nachkommen hatte.  Für den Fall, dass weder eine Schenkung noch ein Testament vorhanden ist, geht das Vermögen zurück an den Vater. Er erhält aber keine freie Verfügungsmöglichkeit darüber. Wenn der Vater stirbt, erhalten seine Söhne das Vermögen ihres verstorbenen Bruders. Der Vater darf das Vermögen also nur verwalten....


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