3.2 Fälle zum § 1 Abs 4 ASOG Lösungsskizze Fall 2 PDF

Title 3.2 Fälle zum § 1 Abs 4 ASOG Lösungsskizze Fall 2
Course Polizei- und Ordnungsrecht
Institution Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
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Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Semester, gehobener Polizeivollzugsdienst...


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Lösungsskizze zum Fall 2) Der Fall und die Lösungsskizze wurde den Entscheidungen des OVG Koblenz 7 A 34/87 und OVG Saarlouis 1 R 106/90 nachgestellt und angelehnt. Sie ist ferner an das ASOG angepaßt. Die Ausführungen der OVG sind kursiv hervorgehoben. (Im Rahmen der Entscheidung des OVG Saarlouis geht es um die Abschleppkosten. Aber wie bereits in der Vorlesung angedeutet, kann die Behörde nur dann die Kosten vom Betroffenen verlangen, wenn die Maßnahme (Abschleppen) rechtmäßig war.) Es ist zu prüfen, ob das Auffordern der Polizei gegenüber R, den PKW der T wegzufahren, rechtmäßig war. Dazu ist erforderlich, daß die Maßnahme auf eine Rechtsgrundlage gestützt werden kann, daß deren formellen und materiellen Voraussetzungen eingehalten sind und daß die Rechtsfolge beachtet wurde.1 A. RGL. Als Rechtsgrundlage für das Eingreifen der Polizei (Wegfahrgebot gegenüber R) kommt § 17 ASOG Betracht, weil es an einer vorrangig zu prüfenden Standardmaßnahme fehlt.2 B. Formelle VSS. I. Zuständigkeit. 1. Sachliche Zuständigkeit der Polizei. Grundsätzlich ist die allgemeine Ordnungsbehörde (rglm. Bezirksamt, § 2 Abs. 1 ASOG) sachlich für die Gefahrenabwehr gem. § 1 Abs. 1 S. 1 ASOG zuständig, § 4 Abs. 1 S. 1 ASOG. Dies gilt dann nicht, wenn ein sog. „Eilfall“ iSv. § 4 Abs. 1 S. 1 ASOG gegeben ist. Hier liegt ein solcher Fall vor, sodaß die Polizei zuständig ist, da Datum und Uhrzeit darauf hinweisen, daß die zunächst zuständige allgemeine Ordnungsbehörde (Bezirksamt) keine Dienstkräfte im Einsatz hat. 2. (P): § 1 Abs. 4 ASOG (Schutz privater Rechte) Die Polizei darf jedoch nur dann tätig werden, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 ASOG erfüllt sind. Dazu ist erforderlich, daß gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig erlangt werden kann und daß ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Vorliegend kann sich wegen der Uhrzeit kein Gericht mit der Sache befassen. Zudem kann die Z ihren PKW nicht nutzen, wenn die Polizei nicht eingreifen würde. 3. Örtliche Zuständigkeit: § 6 ASOG: ganz Berlin. 4. Personell: § 5 ASOG iVm. §§ 100, 101 LBG. Polizeibehörde im formellen Sinne. II. Verfahren Das Verfahren gem. § 28 VwVfG wurde ordnungsgemäß eingehalten. Der R wurde am Telefon auf die Sachlage aufmerksam gemacht und äußerte sich dazu. Ferner äußerte er sich nochmals, als er den Parkplatz betrat. III. Form. Das Wegfahrgebot erfolgte mündlich. Einer besonderen Form bedurfte dieser wegen § 37 Abs. 2 VwVfG jedoch nicht, sodaß hier die Form der Maßnahme korrekt ist. 1

Sie geben dem Korrektor einen groben Überblick, was Sie prüfen werden (Marschroute). Zwingend ist das nicht, aber m.E. sehr vorteilhaft. Der Korrektor kann dann erkennen, was sie demnächst ansprechen bzw. prüfen werden und ob ihre Gedankengänge „strukturiert“ sind. 2 Sie zeigen dem Korrektor, daß Ihnen die Auffangsfunktion des § 17 ASOG bekannt ist.

C. Materielle VSS I. Gefahr 1. Öffentliche Sicherheit Unter öffentlicher Sicherheit sind der Staat und seine Einrichtung, das geschriebene Recht und Individualrechtsgüter zu verstehen. Als das durch T verletztes Rechtsgut kommt das geschriebene Recht in Betracht, da ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO, aber auch § 240 Abs. 1 StGB (Nötigung durch Verstellen des PKW der Z) in Betracht zu ziehen sind. Zum Gewaltbegriff im § 240 Abs. 1 StGB beachten Sie bitte die Vorlesung im Strafrecht, sowie die Kommentierung zum § 240 StGB, z.B. im Tröndle/Fischer oder im Joecks oder eines der Lehrbücher) Hierbei bedarf es keiner abschließenden Beurteilung, ob die Blockierung selbst den Tatbestand eines Vergehens der Nötigung nach § 240 I StGB erfüllte; denn die öffentliche Sicherheit umfaßt nicht nur die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, sondern auch diejenige der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen. (OVG Koblenz) Entgegen der Auffassung des R ist die Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit nicht mit der Erwägung zu verneinen, Z könne sich auf die genannten Rechte nicht mit Erfolg berufen, weil sie sich ihrerseits gegenüber T rechtswidrig verhalten habe. (OVG Koblenz)3 Allerdings hat Z, ohne daß auch insoweit die Verwirklichung eines Straftatbestandes, nämlich eines Vergehens des Hausfriedensbruchs nach § 123 I StGB, abschließend zu prüfen wäre, das Recht der T auf ungestörte Nutzung des in Rede stehenden Stellplatzes verletzt. Denn sie hat ihr Kraftfahrzeug auf Privatgrund abgestellt, zu dessen Nutzung allein die T war. Dabei war angesichts der eindeutigen Hinweisschilder wie auch der baulichen Anlage des gesamten Parkplatzes für jedermann klar erkennbar, daß es sich nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche handelte. (OVG Koblenz und auch OVG Saarlouis).4 Die Verletzung oder Beeinträchtigung subjektiver Rechte berechtigt die betroffene Privatperson (hier T) jedoch nicht stets dazu, gleichsam „auf eigene Faust“ Gegenmaßnahmen zu treffen oder gar Sanktionen zu verhängen. Vielmehr sind derartige Befugnisse auf wenige und zudem eng eingegrenzte Ausnahmetatbestände beschränkt. Denn Eingriffe in die Rechtssphäre Privater sind im Interesse des letztlich allen Bürgern zugute kommenden öffentlichen Friedens grundsätzlich den durch Verfassung und Gesetze hierzu berufenen staatlichen Stellen vorbehalten. 5 Ein Ausnahmefall der genannten Art ist vorliegend aber nicht gegeben. (OVG Koblenz) Ähnlich auch das OVG Saarlouis: Die widerrechtliche Benutzung des Stellplatzes berechtigte den R jedoch nicht dazu, dem widerrechtlich Parkenden die Ausfahrt zu versperren, denn dadurch erfolgte keine Beseitigung der Besitzstörung. Anmerkung: Das OVG Koblenz prüft nun die vorhin bereits angedeuteten Ausnahmen, welche die T berechtigten könnten, sich dennoch vor das Kfz der Z zu stellen. Der Vollständigkeit

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Das OVG Koblenz stellt nun Überlegungen bzgl. des Verhaltens der Z an (die ihrerseits „unerlaubt“ ihren PKW auf den Stellplatz der T abstellte). Insofern beachten Sie bitte einen leicht verschachtelten Aufbau. Das OVG stellt nun fest, daß auch die Z rechtswidrig gehandelt hat (§ 123 Abs. 1 StGB) und damit auch die Rechtsgüter der T beeinträchtigte. Zum „umfriedeten Besitztum“, vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 123, Randziffer (Rz.) 8 f. und insb. Joecks, StGB, § 123, Rz 11 f. Er spricht insofern von „Tabuzonen“. Diese wäre hier der Stellplatz, welcher allein der T zugewiesen war. 4 M.E. wäre auch eine öffentliche Verkehrsfläche anzunehmen. Folgen Sie aber der Ansicht der zitierten Gerichte, dann sind sie auf der „sicheren Seite“. 5 Stichwort: Gewaltmonopol des Staates.

halber sollen diese Ausnahmetatbestände aufgelistet werden, damit Sie einen Eindruck bekommen, was alles als sog. Rechtfertigungsgründe in Frage käme.6 Die T kann sich zunächst nicht mit Erfolg auf das dem Grundstücksbesitzer zustehende Selbsthilferecht nach § 859 Abs. 1, Abs. 3 BGB berufen: Zum einen ist hiernach ein Einschreiten nur “sofort” nach der Entziehung des Besitzes zulässig, wobei es nicht auf die subjektive Kenntnis des Betroffenen ankommt, sondern ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 35. Aufl. (1976), § 859 Anm. 3b); an einem solchen umgehenden Eingreifen der T fehlt es indes hier. Zum anderen war deren Handeln nicht, wie dies § 859 Abs. 3 BGB fordert, auf eine Entsetzung von Z aus dem Besitz des Stellplatzes gerichtet, sondern allein darauf, dieser die Ausfahrt zu versperren (vgl. hierzu OLG Hamm, VRS 38 (1970), 73 (74)). Aus dem letztgenannten Grund kann T auch das Notwehrrecht des § 227 BGB nicht mit Erfolg für sich in Anspruch nehmen. Das allgemeine Selbsthilferecht nach § 229 BGB greift ebenfalls nicht zu ihren Gunsten ein, weil „obrigkeitliche Hilfe rechtzeitig zu erlangen war“: Sie hätte nämlich die Polizei ohne weiteres mit Erfolg um die Entfernung des Kraftfahrzeugs von Z bitten können. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß die zuständige Polizeibehörde einem entsprechenden Ersuchen nicht alsbald nachgekommen wäre. Ein solches Vorgehen war der auch zuzumuten; § 229 BGB will durch die genannte Voraussetzung im Interesse des öffentlichen Friedens Eingriffe Privater in Rechte anderer Privatpersonen auf die Ausnahmefälle fehlender oder nicht rechtzeitiger Hilfe staatlicher Stellen beschränken. Ein Recht auf vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 1 StPO, das grundsätzlich auch die Befugnis zur Verhinderung des Fort- oder Weiterfahrens umfaßt, wenn hierdurch die Selbstgestellung oder die Feststellung der Personalien erreicht werden kann (vgl. OLG Schleswig, NJW 1953, 275; Kleinknecht, StPO, 33. Aufl. (1977), § 127 Rdnr. 8), bestand für die Tochter des Kl. auch nicht: Zwar könnte Frau L eine Straftat nach § 123 Abs. 1 StGB begangen haben. Das bedarf indes auch insoweit keiner abschließenden Beurteilung. Denn sie wurde jedenfalls von der Tochter des Kl. nicht “auf frischer Tat betroffen oder verfolgt”: Weder ist sie beim Abstellen ihres Kraftfahrzeugs beobachtet noch danach “auf Sicht und Gehör” verfolgt worden. Schließlich beruft sich R zu Unrecht darauf, Z habe mit der vorsätzlichen und rechtswidrigen Inanspruchnahme fremden Privatgrundes vorliegend zugleich in eine Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit und der ungestörten Nutzung ihres Kraftfahrzeugs eingewilligt. Das ist nicht der Fall: Eine ausdrückliche Einwilligung lag nicht vor. Von einer mutmaßlichen Einwilligung durfte T nicht ausgehen: Mangels weiterer konkreter Anhaltspunkte konnte sie nicht annehmen, daß der Fahrer des betreffenden Kraftfahrzeugs mit dessen Blockierung einverstanden ist, und zwar schon deshalb nicht, weil viele unterschiedliche Fallgestaltungen denkbar sind, die ein sofortiges Wegfahren als zwingend notwendig und auch berechtigt erscheinen lassen. Entscheidend kommt hinzu: Die Tatbestände der Notwehr und erlaubten Selbsthilfe sind - wie dargelegt – vom Gesetzgeber im Interesse der Aufrechterhaltung des öffentlichen Friedens bewußt eng gefasst worden. Dieser Schutzzweck würde verfehlt werden, wenn in den Fällen der in Rede stehenden Art stets ein umfassender Rechtfertigungsgrund der mutmaßlichen Einwilligung des Betr. in alle nachteiligen Folgen seiner rechtswidrigen Handlung anzunehmen wäre. 7 II. Störer / Adressat der Maßnahme Zu prüfen ist die Störereigenschaft. Den PKW stellte die T ab. Damit ist sie Verhaltensstörerin gem. § 13 Abs. 1 ASOG. Laut Sachverhalt ist sie aber nicht erreichbar. Jedoch meldete aufgrund der Anrufe und des Klingeln sich der R 6

Lassen Sie sich nicht vom Umfang verschrecken. Ich gehe davon aus, daß ein solcher Umfang von Ihnen nicht verlangt wird. Bei Interesse rate ich Ihnen, die genannten Normen mal zu lesen und dann die Kommentierung z.B. im Erman, BGB nachzusehen. Der Palandt ist wegen der abgekürzten Formulierungen zunächst nicht so gut geeignet. 7 Ähnlich äußert sich auch das OVG Saarlouis bzgl. der Einwilligung, welche zu verneinen ist.

und er kam auch mit dem PKW-Schlüssel auf den Parkplatz. Damit war er erkennbar Zustandsstörer gem. § 14 Abs. 1 ASOG.8 D. Rechtsfolge: Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit § 17 ASOG räumt der Polizei ein Ermessen ein („kann“). Zu beachten ist dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, § 11 ASOG. I. Verhältnismäßigkeit Eine Maßnahme entspricht dann dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn sie einen Zweck verfolgt, die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist, § 11 Abs. 1, 2 ASOG. 1. Zweck war es, die Behinderung des Kfz der Z zu beenden. 2. Das Wegfahrgebot war dazu geeignet, weil es den Zweck (Behinderung zu beenden) fördert. 3. Die Maßnahme war auch erforderlich, da keine mildere aber gleich geeignete Maßnahme vorhanden ist. So kam insbesondere das Umstellen des Kfz der T durch Polizei oder einen beauftragten Abschleppdienst (§ 15 Abs. 1 ASOG) nicht in Frage, weil u.a. der R mit dem Schlüssel erschien. Maßgeblich ist dabei auch die Effektivität der Gefahrenabwehr. Das Aufbrechen des Autos der T und das Kurzschließen wären ggf. mit erheblichen Beschädigungen am Eigentum der T am Kfz (Art. 14 GG) verbunden. 4. Die Maßnahme war insgesamt auch angemessen. Die Nachteile des R, das Kfz nachts um 0400 wegzufahren, stehen zum verfolgten Zweck (beenden der Behinderung) erkennbar nicht außer Verhältnis, insb. weil er ja bereits den Schlüssel in der Hand hatte, als er den Parkplatz betrat. 5. Das Wegfahrgebot ist damit verhältnismäßig. II. Ermessensausübung. Das Ermessen unterteilt sich in Entschließungs- („ob“ des Tätigwerdens) und Auswahlermessen („wie“ des Tätigwerdens). Zunächst ist festzustellen, daß eine Reduzierung des Ermessens auf Null nicht erkennbar ist. Die Folge wäre dann, daß keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können, als dem R aufzugeben, den PKW wegzufahren (anders z.B. wenn Z Ärztin wäre und zu einem Einsatz müsste o.ä.). Diesbzgl. fehlen aber Anhaltspunkte im Sachverhalt. Da die Beamten hier dem R aufgegeben haben, den PKW wegzufahren, haben sie das ihnen eingeräumte Entschließungsermessen ausgeübt. Sie sind tätig geworden. Insofern sind keine Ermessensfehler, z.B. Ermessensausfall erkennbar. Die Polizei hält sich an die Grenzen des eingeräumten Auswahlermessens, wenn ihr keine Ermessensfehler unterlaufen. Denn eine Maßnahme ist dann nicht mehr vom eingeräumten Ermessen umfaßt, wenn sie Ermessensfehler aufweist. Ermessensfehlerhaft wäre es insbesondere, wenn die Maßnahme bereits nicht mehr verhältnismäßig war, also gegen § 11 ASOG verstößt. Die Verhältnismäßigkeit ist hier bejaht worden. Daher sind auch hier keine Ermessensfehler erkennbar. E. Ergebnis Die Maßnahme erweist sich als rechtmäßig.

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Im Sachverhalt ist nichts erkennbar, daß der R nicht berechtigt sein könnte, § 14 Abs. 3 ASOG. Der R meldet sich, als die Polizei (vergeblich) bei der T anruft. Der R ist der Vater der T. Er erscheint auch mit dem Kfz-Schlüssel. Insofern wäre es m.E. nicht richtig, hier zu diskutieren, ob der R ggf. unberechtigt sein könnte. Abzustellen ist auf den verobjektivierten Beamten, der anhand der Sachlage vor Ort seine Einschätzungen trifft....


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