4 Aggressives Verhalten Störung mit oppositionellem Trotzverhalten und Störungen des Sozialverhaltens PDF

Title 4 Aggressives Verhalten Störung mit oppositionellem Trotzverhalten und Störungen des Sozialverhaltens
Course Grundlagen der Klinischen Psychologie
Institution Universität zu Köln
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4 Aggressives Verhalten: Störung mit oppositionellem Trotzverhalten und Störungen des Sozialverhaltens Sonntag, 29. Oktober 2017

21:47

Störung des Sozialverhaltens • Verletzung von soz. Normen und Regeln: Person grenzt sich gegen Anforderungen der Gesellschaft ab • vs. Dissoziales Verhalten: Verhaltensweisen zielen auf Schädigung gegen Personen oder Gegenstände

Diagnosestellung nach DSM 5 • Mind. 3 von 15 Symptomen über 12 Monate • aggressives Verhalten gegenüber Menschen und/oder Tieren ○ bedroht und schüchtern andere ein ○ beginnt Schlägereien ○ hat schon Waffen benutzt ○ körperlich grausam zu Menschen, quält Tiere ○ in Konfrontation mit dem Opfer gestohlen (zwingt den anderen etwas abzugeben) ○ zwingt andere zu sex. Handlungen • Zerstörung von Eigentum ○ vorsätzliche Brandstiftung ○ vorsätzliche Zerstörung fremden Eigentums • Betrug und Diebstahl ○ Einbruch in Wohnungen, Gebäude, Autos ○ lügt, um sich Güter o Vorteile zu verschaffen oder um Verpflichtungen zu entgehen ○ stiehlt Gegenstände ohne Konfrontation mit dem Opfer (Ladendiebstahl, Fälschungen...) • Schwere Regelverstöße ○ bleibt vor dem 13. LJ trotz Verbote über Nacht weg ○ läuft mind. 2x über Nacht von zu Hause weg ○ schwänzt vor dem 13. LJ häufig die Schule Typus mit • Beginn in Kindheit: mind. 1 der charakteristischen Kriterien muss vor dem 10. Lebensjahr auftreten • Beginn in Adoleszenz: keins der charakteristischen Kriterien tritt vor dem 10. LJ auf

Symptomliste nach DSM 5: Oppositionelles Trotzverhalten • mind. 4 der 8 Symptome seit mind. 6 Monaten • Ärgerlich/gereizte Stimmung ○ schnell ärgerlich ○ oft wütend und beleidigt • Streitsüchtig/trotziges Verhalten ○ oft boshaft und nachtragend ○ selbst sehr empfindlich ○ streitet oft mit Erwachsenen ○ widersetzt sich Anweisungen und Regeln ○ verärgert andere absichtlich ○ schiebt Schuld auf andere • Leiden, negative Auswirkung auf Funktionsbereiche, Differentialdiagnose (Ausschluss)

Diagnostische Kriterien nach ICD-10 • F91 Störungen des Sozialverhaltens (SSV)

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F91.0 auf den familiären Rahmen beschränkt F91.1 bei fehlenden sozialen Bindungen F91.2 bei vorhandenen sozialen Bindungen F91.3 "mit oppositionellem aufsässigen Verhalten  hier werden die im DSM getrennten Störungen gekoppelt! • Unterscheidung "früher" vs. "später" Störungsbeginn • bei Komorbidität von SSV und ADHS: F90.1 Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (Doppeldiagnose) ○ ○ ○ ○

Antisoziale Persönlichkeitsstörung (ASP) nach DSM 5 • tiefgreifendes Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer, das seit dem 15. LJ auftritt • Mind. 3 folgender Kriterien müssen erfüllt sein ○ Handlungen, die Grund für Festnahme darstellen (gegen Gesetze, gesellschaftl. Normen) ○ Falschheit (Lügen, Betrügen, Decknamen zum persönlichen Vorteil oder Vergnügen) ○ Impulsivität oder Versagen, vorausschauend zu planen ○ Reizbarkeit, Aggressivität (wiederholte Schlägereien, Überfälle) ○ Missachtung d eigenen Sicherheit bzw. der anderer ○ Verantwortungslosigkeit (Versagen dauerhafte Tätigkeit auszuüben/finanziellen Verpflichtungen nachzukommen) ○ fehlende Reue (Gleichgültigkeit, wenn man andere kränkt, etc.) • Person ist mind. 18 Jahre alt (!) • eine Störung des Sozialverhaltens war bereits vor Vollendung des 15. LJs erkennbar • Tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie oder bipolaren Störung auf

Häufigkeit und Verlauf Epidemiologie: Prävalenz • oppositionelles Trotzverhalten: ca. 8% (relativ hoch!) => höchste Prävalenz vom 3.-6LJ, Geschlechterverhältnis ausgeglichen • Störung des Sozialverhaltens: ca. 5% steigende Prävalenz in Kindheit -> Jugend; Jungen:Mädchen ca. 2:1 Verlauf • Oppositionelles Trotzverhalten als Vorläuferstörung? • Störung des Sozialverhaltens ("Soziopathie") im Verlauf des Jugendalters: agg. Verhalten nimmt ab, dissoz. Verhalten nimmt zu • früher Störungsbeginn (vor 10. LJ) mit ungünstigerer Prognose (Störungen dann schwerer, stabiler) z.B. Loeber et al. 2000 Oppositionelles V.: große Gruppe Aggressiv-Diss. V.: mittlere Gruppe Antisoz. V.: kleine Gruppen => wenn bis 13/14 LJ keine Auffälligkeiten, geringe WK später antisoz. Störung zu entwickeln und umgekehrt! Bsp.: Rauchen -> Heroin (bei Rauchern geringes Risiko heroinabhängig zu werden; bei Heroinabhängigen hohes Risiko später zu rauchen)

Ätiologie Genetik: Zwillingsstudien zur ASP • zweieiige Zwillinge: 10-20% Konkordanz • eineiige Zwillinge: 50-60% Konkordanz! => relativ hohes genetisches Risiko! Konditionierbarkeit bei ASP (Birbaumer 2005)

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• Annahme: ○ Verbindungen zw. Frontalhirn und limbischem System wichtig bei der Antizipation von unangenehmen Ereignissen, Planung, Emotionsregulation im soz. Kontext ○ Schädigung führt zu "erworbener Soziopathie" (Phineas Gage!) • Hypothese: Unteraktivität dieses Systems führt zu antisozialem Verhalten und v.a. dazu, dass aus aversiven Konsequenzen (Bestrafungen) nicht gelernt wird! • Methode: Vgl. von 10 Psychopathen, darunter 6 mit ASP und 10 "normalen" Kontrollpersonen ○ Differentielles Konditionierungsparadigma: VP sehen 2 Gesichter als CS+ und CS  Bei CS+ (unkonditionierter Stimulus) wird Druckschmerz appliziert -> Erwartung: Gesicht wird über die Zeit negativ/aversiv bewertet  wird im fMRT registriert • Ergebnisse: ○ Psychopathen: Schmerz wirkt nicht, finden beide Gesichter +/- "nett", schwitzen in keiner Bedingung ○ KG: Bewertung sinkt nach Schmerz, schwitzen stark -> lernen zwischen den Gesichtern zu unterscheiden => Psychopathen: Gehirn reagiert nicht auf Bilder, keine differentielle Konditionierung! ○ Lernt nicht, dass Bild mit Schmerz verbunden war ○ agg. Verhalten: Konsequenz/Bestrafung spielen geringe Rolle, können aus Info nicht lernen -> evtl. sehr deutlich bestrafen! ○ Problemdefizite auf jeder Ebene von Interventionen möglich

Risikofaktoren für aggressiv dissoziales Verhalten (Baving, 2008) Faktoren beim Kind • ermittelt durch Querschnittsstudien -> können biologisch oder durch Umwelteinflüsse bedingt sein • Intermittierend explosive Störung -> DSM: Personen haben Ärgerausbrüche -> einzige Persönlichkeitsstörung, die direkt mit Aggression verbunden ist 1. Temperament- und Persönlichkeitsfaktoren: erhöhte Impulsivität, Sensation Seeking 2. verzerrte sozial-kognitive Informationsverarbeitung: Wahrnehmungs- und Attributionsfehler, z.B.: jmd wird unabsichtlich angerempelt, Person empfindet dies als Aggressor, reagiert selbst aggressiv 3. allgemein eingeschränkte Fähigkeit zur Emotionsregulation 4. mangelnde Empathiefähigkeit: Personen, die aggressiv sind, können weniger gut nachfühlen, was das im Gegenüber bewirkt 5. erlernte Kompetenz und Erfolgserwartung für aggressives Verhalten: Kind lernt, dass es seinen Willen durchsetzen kann, wenn es auf dem Schulhof andere verprügelt -> hat Erfolgserwartung fürs nächste Mal Problemlösedefizite bei aggressiven Kindern

=> auf all diesen Ebenen kann man mit Interventionen ansetzten -> z.B. Situation angemessen bewerten, alternative Lösungen entwickeln lernen etc. Faktoren bei den Eltern 1. mangelnde Struktur, gewähren lassen, ungenügende und inkonsistente Handhabung von Regeln

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und Absprachen "Erpresserspiele" -> siehe Teufelskreis! anhaltende Disharmonie, Streit in der Familie rigides harsches, von Ärger dominiertes Erziehungsverhalten Mangel an Wärme, feindliche Ablehnung des Kinder (Interviewstudien, "Expressed Emotions") körperliche oder sexuelle Misshandlungen mangelnde Aufsicht, Kinder viel alleine psychische Störungen der Eltern (Abhängigkeit, aggressiv dissoziales Verhalten)

Beziehungen zu Gleichaltrigen 1. Zurückweisung durch Gleichaltrige und Isolation 2. verbale und/oder Viktimisierung durch Gleichaltrige (Mobbing, Bullying) 3. Anschluss an deviante Gruppen (Modelllernen) -> Problem bei Gruppentherapien für aggressive Kinder! stacheln sich evtl. noch an! Schulische Risikofaktoren 1. Leistungsversagen 2. gestörte soziale Beziehungen, Lehrer weist "Sündenbock-Rolle" zu 3. Schulschwänzen und Anschluss an aggressiv-dissoziale Gleichaltrige 4. Beziehungsabbrüche durch Klassen/ Schulwechsel oder Schulverweis (ist Gegenteil von dem, was aggressive Kinder brauchen!)

Soziale Faktoren 1. niedriges elterliches Ausbildungsniveau und Einkommen, niedriger SES der Familie 2. fam. Belastungen wie Arbeitslosigkeit, Schulden, Krankheit, Umzüge 3. Zugehörigkeit zu einer ethischen Minderheit oder soz. Randgruppe 4. Gewaltdarstellung in den Medien (! Daten aus QS, kausale Richtung nicht klar! Evtl. suchen aggressive auch gewalthaltige Medien aus!)

Psychoanalytisches Modell der dissozialen Persönlichkeitsstörung • Schwere Variante des pathologischen Narzissmus ○ Abwehr schwerster Insuffizienzgefühle durch grandioses, aufgeblähtes Größenselbst ○ In diesem Größenselbst: alles Positive, Ideale konzentriert ○ Inakzeptablen Selbstaspekte werden verleugnet, abgespalten, auf andere projiziert • Psychopathische Persönlichkeit durch Fehlen eines Über-Ichs und jeglicher Moral- oder Wertevorstellung gekennzeichnet => Ausdruck eines strukturellen Konflikts • Über-Ich: Vorstellung, was richtig und falsch ist, kann man gut erklären mit der mangelnden Fähigkeit, aus negativen Konsequenzen zu lernen

Interventionsmöglichkeiten Verhaltenstherapeutische Trainingsprogramme 1. Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Trotzverhalten (THOP) -> multimodale Intervention 2. Training mit aggressiven Kindern -> multimodale Intervention ○ Multimodale Intervention (Einzel, Gruppe, Eltern, Erweiterungen z.B. Schule) ○ Theoretische Grundlagen: 4 Stufen Prozessmodell "Aggressives Verhalten" ○ Verbesserungen auf der jeweiligen Stufe erzielen



○ Ziele  Basiskompetenz: Ruhe und Entspannung

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 Differenzierte Wahrnehmung (Stufe1)  angemessene Selbstbehauptung (Stufe 2)  Kooperation und Hilfeverhalten (Stufe 2 +3)  Selbstkontrolle (Stufe 3)  Empathiefähigkeit (Stufe 4) ○ Wirksamkeit des Trainings  6 Monate nach Behandlung in Erziehungsberatungsstelle  Elternurteil (CBCL, Aggressives Verhalten): Reduktion um d=.93  Selbstbericht: Probleme mit Gleichaltrigen d=.72, Hyperaktivität d= 1.12  Gerlach: Programm zu früh veröffentlicht, nicht angemessen überprüft (nur durch open-label-Studie: jeder kennt die Bedingungen) , aber es gibt kaum Alternativen! Besondere Bedeutung der Primär-Prävention • Elterliches Erziehungsverhalten, z.B. Triple P, Positive Parenting Programm • Programme zur Gewaltprävention an Schulen Eltern, die eig. schon sehr bemüht um ihr Kind sind, nehmen an Triple P teil! Risiko-Eltern sind gar nicht so interessiert daran. Bei Bezahlung der Eltern machten mehr mit, gab auch positive Ergebnisse bei verändertem Erziehungsverhalten. "Erziehungsführerschein" immer wieder Thema

Behandlung von dissozialem Verhalten bei Jugendlichen • Jugendliche sind schon straffällig geworden -> Risikoprinzip • Daten aus Kanada: gutes System, um straffällige Jugendliche davon abzuhalten wieder straffällig zu werden, gute Datenbasis! ○ In der Öffentlichkeit gibt es das Vorurteil, dass Straftäter sich nicht verändern können, stimmt nach diesen Daten nicht" man muss sie nur richtig behandeln 1 Risikoprinzip • die Personen behandeln, die ein besonders großes Risiko tragen, erneut straffällig zu werden z.B. straffällige Jugendliche • Risikopersonen sollten eine intensive Behandlung erhalten • intensive Behandlungsprogramme für Personen mit einem geringen Risiko führen z.T. zu paradoxen Effekten (Modelllernen? Wenn ich Ladendiebe mit Schwerverbrechern zusammen therapiere, werden diese später möglicherweise noch schlimmere Straftaten begehen) 2 Bedarfsprinzip • kriminogene Faktoren: Intervention nur erfolgreich, wenn sie darauf eingeht: 2 Prozessmodellen, sollten im Vordergrund stehen ○ antisoziale Einstellungen ○ antisoziale Umfeld ○ Substanzmissbrauch ○ fehlende Empathie ○ impulsives Verhalten • nicht-kriminogene Faktoren: setzt man hier an, gibt es sogar Rückfälle in dissozialem Verhalten! ○ Angst ○ geringer Selbstwert ○ Kreativität ○ medizinische Bedürfnisse -> z.B. Diabetiker haben weniger Möglichkeiten zur Selbstentfaltung -> hier ansetzen! 3 Behandlungsprinzip: Verhaltenstherapie als wirksamste Form! • Vorgehen ○ Faktoren, die aktuelles Verhalten beeinflussen, analysieren und ändern ○ Behandlung an tatsächlichem Verhalten orientieren ○ beides wichtig: Verstärkung pos. Verhaltens UND Bestrafung neg. Verhaltens • Verhaltensmodelle: machen Erfolg der Therapie aus! ○ strukturiertes soziales Lernen, wobei neue Verhaltensweisen eingeübt und vorgemacht

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werden z.B. in Rollenspielen ○ Kriminogene Faktoren im Zentrum ○ Familien einbeziehen • Bedeutsame Einflussgrößen ○ Mind. 2 Sitzungen pro Woche (.25) (Jugendl. Viel Input) ○ kleine Gruppen (.20) eher 4-5 Personen als 20 ○ Überprüfung der Therapietreue (.25) ○ gezielte Ausbildung der Behandler (.27) ○ Risikoprobanden wurden vorselektiert (.38)

Zusammenfassung: Prinzipien einer wirksamen Intervention 1. 2. 3. 4.

Risikoprinzip: die Personen behandeln, die das größte Risiko darstellen Bedarfsprinzip: kriminogenes Verhalten in den Vordergrund stellen Behandlungsprinzip: Verhaltenstherapie Treueprinzip / Programmtreue: Behandlungsprogramme sollen so implementiert werden wie sie geplant wurden (z.B. es sind Forscher dabei, Manuale sind ausgedruckt etc.)

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