Adventskranz Handout PDF

Title Adventskranz Handout
Course Ritual-Brauch-Lebensstil
Institution Universität Regensburg
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Summary

Referat
Lindig
Adventskranz-Bausinger...


Description

Universität Regensburg WS2016/17 Vergleichende Kulturwissenschaften LV-36722 Ritual-Brauch-Lebensstil ADir. Dr. Erika Lindig EWS-VKW M50.1

Kurs Beta

Lehramt Grundschule 5. Semester 21.12.2016

Brauchtraditionen zwischen Kontinuität und Wandel „Adventskranz“ (nach Bausinger, 1997)

1. Der Ursprung des Adventskranzes und dessen Verbreitung nach Hermann Bausinger In seinem Werk beschäftigt sich Bausinger mit historischen, geografischen und sozialpsychologischen Fragenstellungen bezüglich der Brauchentwicklung des Adventskranzes. Hierbei beschränkt er sich auf dessen Vorkommen in Deutschland. Er ist der Auffassung, dass sich Forschung nicht nur mit Phänomenen auseinandersetzt, sondern auch das Selbstverständliche zur Sprache bringt. Dies ist auch der Grund weshalb er den Adventskranz zum Gegenstand seiner Forschung gemacht hat. Ausgehend von der oft anzutreffenden Aussage, dass der Adventskranz „schon immer“ existiere, geht er auf die bereits genannten Fragestellungen ein. Die Intention Bausingers liegt darin, den Lesern aufzuzeigen, dass dem Adventskranz eine eigene Geschichte zugrunde liegt, die komplexer ist, als oft vermutet wird.1 2. Fundierung Bausinger definiert den Adventskranz als einen „aus grünen Zweigen geflochtene[n] Kranz, in den vier Kerzen eingesteckt sind, die an einem bestimmten Termin, den Adventssonntagen, nacheinander entzündet werden.“2 Um den Ursprung des Adventskranzes deutlich zu machen, bezieht er sich zunächst auf den zeitlichen Ablauf, einschließlich der Ereignisse in dieser Zeit, die die Aufnahme und Verbreitung des Brauches beeinflusst haben. Im Anschluss geht er auf die räumlichen Bedingungen ein und beleuchtet dabei auch gesellschaftsspezifische Unterschiede. Als Basis seiner Ausführungen dienen vielfältige Quellen, darunter auch Tagebucheinträge, Liedtexte sowie Datenerhebungen. Er nutzt die Quellen dabei lediglich als Grundgerüst und führt diese durch eigene Schlussfolgerungen aus.

3. Sachliche Darlegung der Aspekte 1 Vgl. Bausinger 1977, S. 9f. 2 Bausinger 1977, S. 11.

Die Folgenden Fragestellungen können nicht isoliert voneinander betrachtet werden, da sie zum Teil ineinander übergehen. 3.1. Historische Fragestellung Bausinger versucht sich die Aussage „schon immer“ dadurch zu erklären, dass die einzelnen Elemente des Adventskranzes in anderer Form und Kontext, schon lange existieren. Die grünen Zweige sind ein Kennzeichen der meisten heutigen Adventskränze. Auch früher schon waren sie ein Symbol der Winterzeit und wurden nicht nur als „Schmuck“ angesehen. Die Lichter und Kerzen haben ebenso eine symbolische, als auch eine rituelle Bedeutung und finden nicht nur in der Weihnachtszeit Ausdruck. Die Kranz-, bzw. Rundform sind nicht nur für Adventskränze typisch, sondern sind auch Teil anderer Bräuche, wie beispielsweise Beerdigungen und Hochzeiten. Obwohl diese Elemente im Einzelnen schon seit langer Zeit in Gebrauch sind, kann man daraus noch nicht auf den Zeitpunkt der Brauchentstehung schließen. Den Grundstein hierfür stellt das Zusammentreffen der „grünen Zweige“ und der „Lichter und Kerzen“ dar. Grün als die Farbe der Hoffnung und des Lebens und das Licht als Kontrast zur dunklen Winterzeit, stellen den Symbolwert der beiden Elemente dar, die in einer Verbindung im Christbaum anzutreffen sind.3 Das letzte Element, was einen Adventskranz ausmacht, ist die runde Form. Die ersten Hinweise darauf gehen zurück auf das 14. Jahrhundert. Damals war es Brauch, dass die jungen Männer zur Neujahrszeit zu den Häusern ihrer „Liebsten“4 gingen, um dort Lieder und Reime vorzutragen. Durch das sogenannte „Kranzsingen“ erhofften sich die Männer, einen Kranz als Erwiderung auf ihre Darbietung zu bekommen. Im 18. Jahrhundert wurden Christ- und Lichterkronen verwendet und in nieder- und ostdeutschen Gebieten waren auch Weihnachtspyramiden anzutreffen. Diese Zwischenformen können aber noch nicht als Adventskränze bezeichnet werden. Neben der äußerlichen Erscheinung des Kranzes ist aber auch die Zeit, in der sie verwendet werden, von Bedeutung. Das Kranzsingen war nicht nur ein weihnachtliches Phänomen, sondern wurde auch im Sommer durchgeführt. Die Regelmäßigkeit, mit der die Kerzen an den Adventssonntagen in den vier Wochen vor Weihnachten entzündet werden, ist auf den Begründer des Rauhen Hauses, Johann Hinrich Wichern, zurückzuführen. Dieser eröffnete Mitte des 19. Jahrhunderts die Erziehungsanstalt für verwahrloste und verwaiste Kinder und Jugendliche aus dem Hamburger Elendsviertel.5 Für ihn war die Adventsandacht von großer Bedeutung. Zu Beginn wurden lediglich bunte Wachslichter aufgestellt und am ersten Adventssonntag entzündet.6 Ab den 70er Jahren wurden vom ersten Advent an, täglich eine Kerze am Kronleuchter entzündet. Es gab eine große Kerze für die Adventssonntage und kleinere Kerzen für die restlichen Tage. 7 Dieser Leuchter kann als eindeutiger Vorläufer des heutigen Adventskranzes bezeichnet werden. Neben der äußerlichen Erscheinung des Adventskranzes, muss eine weitere historische Komponente mit einbezogen werden. Damit Bräuche sich etablieren können, müssen sie von 3 Vgl. Bausinger 1977, S. 11. 4 Bausinger 1977, S. 12.

5 www.rauhehaus.de/aktuell/article/175-jahre-adventskranz-ein-licht-der-hoffnung-in -dunklen-tagen.html (15.12.2016) 6 Vgl. Bausinger 1977, S. 12. 7 Vgl. Bausinger 1977, S. 13.

der Gesellschaft akzeptiert sein. Für die Akzeptanz des Adventskranzes kann die deutsche Jugendbewegung vor dem ersten Weltkrieg von Bedeutung gewesen sein. Sie ist gekennzeichnet durch eine „besonders intensive, sentimentalische Naturbegeisterung“8. Es wurden zu diesen Zeiten regelmäßig Sonnwendfeuer entzündet und auch Lichtkränze waren anzutreffen, wobei die Jahreszeit dabei keine Rolle spielte. Außerdem existieren Bilder aus dieser Zeit, auf denen immer wieder grüne Büsche und Sträuße zu sehen sind. Bei den genannten Punkten handelt es sich jedoch nicht um Vorstufen des Adventskranzes. Bausinger geht davon aus, dass sie aber die allgemeine Akzeptanz und Aufnahme des Brauches mit beeinflusst haben.9 Allgemein waren die dem Adventskranz ähnlichen Erscheinungen in Zeiten wie diesen anzutreffen, aber nicht als klassischer Kranz, sondern als modisches Accessoire.10 3.2. Geografische Fragestellung Um die räumliche Verbreitung nachvollziehen zu können, bezieht sich Bausinger in seinem Werk auf das „Atlas der deutschen Volkskunde“ (ADV). Sie wurde gegründet, um mit Hilfe von Probefragebögen, die Verbreitung von Bräuchen, aber auch anderer Phänomene, wie Redensarten, Hausformen, Sprichwörtern usw. zu erforschen. Die Fragen, die für die Verbreitung des Adventskranzes von Bedeutung sind, handeln davon, ob Familien in der Adventszeit einen Kranz aufhängen, sie diesen mit Lichtern schmücken und wenn ja, mit wie vielen sowie ob der Brauch neu sei und seit wann er existiere. Abbildung 1 zeigt einen Ausschnitt aus Norddeutschland. Die + -Zeichen stehen für positive Befunde, die Punkte Abbildung 1 hingegen für Negative. Der Karte kann entnommen werden, dass der Adventskranz wahrscheinlich aus Norddeutschland kommt, beziehungsweise dort seinen Ursprung hat.11 Dabei wird auch ersichtlich, dass sie vor allem in protestantischen Gebieten anzutreffen waren. In katholischen Gebieten gab es offensichtlich Widerstand, was den Brauch angeht.12 Ein Teil der Befragten haben außerdem vermerkt, dass sie den Kranz mehr in evangelischen, weniger in katholischen Familien gesehen haben, was die vorherige Aussage stützt. Darüber hinaus standen im Allgemeinen industrialisierte Gebiete dem Brauch offener gegenüber als ländlichere Gebiete.

Abbildung 2

Abbildung 2 zeigt einen Ausschnitt aus dem heutigen Baden-Württemberg. Zu diesem Zeitpunkt

kam der Adventskranz schon so regelmäßig vor, dass die Karte sich eher darauf konzentriert, in welcher Phase der Adventskranz aufgetaucht ist. Die +-Symbole verdeutlichen die Orte, in dem der Adventskranz zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg Einklang gefunden hat, die O-Symbole die Orte nach dem zweiten Weltkrieg. In den protestantischen Gebieten, auf der Abbildung die Orte um Tübingen, hat der Adventskranz wieder frühen Einklang gefunden. Aus den Angaben der ADV lag dies auch daran, dass dem Kranz eine kirchlich-symbolische Bedeutung zukam, die von Geistlichen und Lehrern ausging. Das Besondere hierbei ist aber, dass auch vom katholischen Rottenburg ein Anstoß ausging und evangelische Orte westlich von Rottenburg erst später den Adventskranz annahmen. Der Kranz wurde dort vom katholischen Dompfarrer eingeführt und darauf folgte vermutlich eine Art „Trotzreaktion“ seitens der protestantischen Orte.13 3.3. Sozialpsychologische Fragestellung Zuletzt stellt sich die Frage: Gibt es gesellschaftliche Unterschiede dahingehend, wer einen Adventskranz besitzt und wer nicht? Dazu wurde eine Intensiverhebung an einem kleineren Ort vorgenommen. Eine Vorschulklasse mit 42 Kindern wurde befragt, ob sie einen Adventskranz Zuhause haben oder nicht. Die Ergebnisse bringen hervor, dass die Mehrzahl der Kinder keinen Negativ Adventskranz Zuhause hatten und, dass vor allem Familien, die im Ortskern lebten, darauf verzichteten (Abbildung 3a). Positive Angaben gab es eher in abseitsliegenden Familienhäusern, wobei hier auffällt, dass vor allem protestantische Familien abseits lebten. Wie bereits schon öfter genannt, spielt die Konfessionszugehörigkeit Abbildung 3a auch eine Rolle, da die positiven Befunde überwiegend in evangelischen Familien vorkamen (Abbildung 3b). Das kann aber auch damit erklärt werden, dass sich Familien eher an den Nachbarn orientieren und auf einen Adventskranz verzichten, wenn der Nachbar keinen hat. Als letztes Faktum spielt noch die Arbeit des Vaters Abbildung 3b eine Rolle. Von den positiven Befunden wurden die Berufe der Eltern erfragt. Das ‚A’ steht für Arbeiter/Angestellter, das ‚H’ für handwerkliche Berufe und das ‚B’ für Bauer/Landwirte (Abbildung 3c). Es ist zu erkennen, dass Familien, dessen Väter einen bäuerlichen Beruf nachgehen, weniger aufnahmebereit gegenüber dem Kranz waren als andere Berufsgruppen.14 Abbildung 3c 3.4 Ergebnisse Hermann Bausingers Der Brauch an sich ist historisch gesehen nicht „uralt“. Die einzelnen Elemente, die einen Kranz ausmachen, existieren zwar schon lange, jedoch in der Kombination erst seit dem letzten Jahrhundert. Außerdem ging er, wider Erwartungen, nicht 13 Vgl. Bausinger 1977, S. 19f. 14 Vgl. Bausinger 1977, S. 23ff.

von der Kirche aus, sondern hatte seinen Ursprung in einer Erziehungsanstalt in Norddeutschland. Die Aufnahmebereitschaft bei den Protestanten war früher gegeben als bei den Katholiken und auch in bäuerlichen Familien wurde der Brauch zögernder angenommen, als bei anderen Berufsgruppen. Adventskränze galten zudem als ‚Luxusgüter’, welche vor allem in Familien höherer Schichten anzutreffen waren und nach deren Vorbild der Brauch Einklang auch in niedrigere soziale Schichten fand.15 4. Erkenntnisse Nachdem der Adventskranz in damaligen Zeiten nur vereinzelt in den Familien anzutreffen war, gilt er heute als einer der Hauptmerkmale der Adventszeit. Seine Entstehung basiert auf Elementen, die nicht nur in ihrer Kombination Einklang in weihnachtliche Dekoration finden. Der Brauch blickt auf eine lange Geschichte zurück, dessen Grundstein im Rauhen Haus gelegt wurde und der ab diesem Zeitpunkt seine Ausbreitung in Deutschland erfuhr. Heute ist der Adventskranz kaum mehr aus der Weihnachtszeit wegzudenken und findet in den meisten Familien Einzug. Auch wenn die Wenigsten wissen, wie es zu diesem Brauch gekommen ist, wird er dennoch weitläufig praktiziert. Literatur Bausinger, Hermann: Adventskranz (1977), Kohlhammer Stuttgart, Würzburg – München

15 Vgl. Bausinger 1977, S. 18....


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