Bruno Latour “Facing Gaia“8 PDF

Title Bruno Latour “Facing Gaia“8
Course Kulturtheorie und Kulturanalyse
Institution Leuphana Universität Lüneburg
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Bruno Latour “Facing Gaia“8...


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Im siebten Beitrag seiner Vorlesungsreihe „Facing Gaia“ fordert Bruno Latour ein Umdenken in Bezug zur Beziehung von Mensch und Natur. Er beschreibt dabei einen notwendigen Perspektivwechsel im Zusammenhang von Raum und Leben. Der französische Soziologe und Philosoph löst in diesem Abschnitt den Natur-Kultur-Dualismus auf und spricht dabei von einem „New Climate Regime“, dass ein postmodernes Menschenbild erfordert, um den aktuellen ökologischen Krisen begegnen zu können. Bruno Latour greift für sein Vorhaben sowohl auf das Forschungsprogramm seiner Anthropologie der Moderne zurück, als auch auf die von ihm etablierte Akteur-Netzwerk-Theorie. Zudem nimmt der französische Wissenschaftler wiederkehrend Bezug auf die Staatsphilosophie von Thomas Hobbes und die Völkerrechtskunde von Carl Schmitt. Bereits mit dem Texteinstieg macht Bruno Latour seine Forderung einer radikalen Neuorientierung deutlich, da im Gemälde Das große Gehege von Caspar David Friedrich der trügerische Blickwinkel des Menschen auf sich und den Erdplaneten deutlich werde, so Latour. „[...] [A]s you look at this painting, you should not try to simplify the place where you should position yourself to contemplate it. Instead, you need to plunge into yourself and ultimately call yourself into question. In "nature", no one has a place [...]“ (Latour 2017: 222) Hier werde also der vereinfachende Blick auf die Natur als äußere Instanz deutlich, von dem sich der Mensch distanziere. Mit dieser Grundannahme stellt Latour den Menschen der Moderne und dessen Verständnis von Natur vor und beruft sich dabei auf einen wichtigen Vertreter der Moderne in Person von Thomas Hobbes „[...] By an unexpected twist on Hobbes´s famous concept, we have entered into the state of nature that he located in the mythical past that preceded the social contract [...]“ (Latour 2017: 228). Latour beabsichtigt in diesem Beitrag seines Werkes, dieses Menschenbild mit einer postmodernen Konzeption zu konterkarrieren. Anstelle einer Natur als universales Objekt und in Opposition zum rationalen Menschen, tritt bei Latour die Figur von Gaia auf. Sie beschreibe die Erde als allumfassenden Raum des Lebens und werde vom Menschen und seinen Handlungen beeinflusst. Damit schafft Latour eine Alternative zum Gegensatzpaar Mensch-Natur, das geprägt es durch das Streben der Menschheit, sich die Natur unter den Bedingungen abstrakter Naturgesetze eigen zu machen und neuen (Lebens-)Raum zu erschließen (vgl. Latour 2017: 236f) Im Kontext von Facing Gaia greifen dagegen natürliche Gesetzmäßigkeiten und menschliches Handeln ineinander. Nach Latour sind sich die Bewohnenden von Gaia ihrer Position im Raum und ihren Handlungskonsequenzen bewusst (vgl. Latour 2017: 251ff). Menschliche Subjekte werden in dieser Ausführungen von Latour also zu Akteuren und anstelle einer Menschheit als vorbestimmte Einheit stehen die Erdgebundenen in ihrem jeweiligen Handlungsrahmen im Zetialter des Anthropozäns. "[...] Gaia no longer occupies in any sense the position of arbiter that Nature occupied during modern period. [...] Gaia is no longer "unconcerned" by what we do. Far from being "disinterested" with respect to our actions, it now has interests in ours. Gaia is indeed a third party in all our conflicts - especially since the emergence of the Anthropocene - but at no point does it play the role of a higher third party capable of dominiating situations [...]" (S. 238).

Um die Bedeutung des Raumes für die Beziehung von Natur und Mensch näher bestimmen zu können, beruft sich Latour auf das kontroverse Werk des Juristen und politischen Theologen Carl Schmitt. Mit dem einordnenden Hinweis, dass die Arbeit von Schmitt als Sympathisant des NSRegimes nur im bestimmten Maß zu nutzen ist (vgl. Latour 2017: 228), interessiert Latour vor allem die Perspektive des deutschen Völkerrechtlers im Kontext des Menschen als terreristisches Wesen. "[...] Space for him, was the provisional result of a phenomenom of expansion, of spacing, of gaining ground, which depends on other political and technical varaibles. [...] To territory conceived as a space, an undifferentiated container, he contrasts the territories conceived as places, differentiating contents [...]“ (Latour 2017: 231) Im Sinne von Carl Schmitt verwirft Latour also die Vorstellung, dass Raum etwas sei, in dem Natur Politik strikt getrennt seien. Stattdessen werde menschlicher Raum provisorisch ausgehandelt: Karten, Territorien und Nationalstaaten seien vom Menschen geschaffen, der sich als losgelöst von der Natur sieht und sich von anderen Menschen abgrenzt. Latour findet daraufhin in Schmitts Arbeit eine alternative Beschreibung zu diesem Weltbild der Moderne: „[...] He is looking for a term that can adequately diginify a concept that would allow his readers to situate themselves at a point prior the invention of the nature/politics distinction. […]. In practice, the term nomos technically fulills the same function as the much more austere term I have used in theses lectures: redistribution of agency […]" (Latour 2017: 234f) Mit der Figur Gaia wird die Natur bei Latour somit von einer unbeteiligten Instanz der Moderne zu einem allumfassenden Referenzrahmen. In diesem Perspektivwechsel sieht Latour die Möglichkeit, die zentralen ökologischen Fragen unserer Zeit zu stellen. Denn die Natur werde auf diese Weise nicht mehr objektifiziert, die Handlungsmacht des Menschen erhalte in der (Netzwerk-)Beziehung zu Gaia neue, tragische (vgl. Latour 2017 S. ) Relevanz und müsse reflektiert werden, um seinen Raum des Lebens und sich selbst zu erhalten. „[...] The ecological conflicts do not bear upon the nationalist Lebensraum of the past; and yet they bear, in spite of everything, on "space" and "life". The territory of an agent in the series of other agents with which it has to come to terms and that it cannot get along without if they are to survive in the long run [...]“ (Latour 2017: 252). Mit dem Rückgriff auf die Arbeit von Carl Schmitt scheint hier eine aktualisierte Form der Geopolitik sichtbar zu werden, die sich bis vor allem in ihren diszplinären Ursprüngen mit dem reziproken Verhältnis von Natur (in Form von Boden) und Mensch auseinandersetzte und damit im Rahmen des Materialismus Phänomen wie dem Bevölkerungswachstum und der Globalisierung begegnete. Geopolitik würde also bei Latour in diesem Sinne nicht mehr die Ordnung der Nationalstaaten durch den Boden und seine Beschaffenheit beschreiben, sondern den biopolitische Zusammenhang der Akteure (Erdgebundenen) im globalen Netzwerk der Erde. Folglich muss dieser Blick auf den Menschen und seine Umwelt, der die Konzepte Mensch, Natur, Raum, Leben, Staat(smächte) und Erdplanet zusammenbringt, für Latour eine Politisierung der Lebensweise in Form eines „New Climate Regimes“ provozieren....


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