Übungen - Widerrufsrecht neuer Fall Klimmzugstange PDF

Title Übungen - Widerrufsrecht neuer Fall Klimmzugstange
Course Zivilrecht II: Schuldrecht AT
Institution Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
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Widerrufsrecht neuer Fall Klimmzugstange...


Description

Neuer Fall: Die verschwundene Klimmzugstange

M klingelt an der Haustür des Hobbysportlers S und stellt sich dort als Vertreter der „Fit & Schlank“ GmbH (F) vor. Nach einem kurzen Gespräch verkauft M dem S, der gerne fit und schlank werden möchte, eine Klimmzugstange für den Heimgebrauch die er zufällig dabei hat gegen eine Barzahlung von 120 € und übergibt die Klimmzugstange an S. Ein Widerrufsrecht wird mit keinem Wort erwähnt. In den ersten Wochen trainiert S fleißig, auf Wunsch seiner Freundin wird die Stange allerdings im Keller montiert, wo sie exponentiell zur dortigen Verweildauer immer weniger Beachtung bekommt und schließlich in Vergessenheit gerät. Nach etwa 6 Monaten wird das Haus des M von Dieben heimgesucht, wobei auch die Klimmzugstange verschwindet. S findet die Tatsache, dass ihm die Klimmzugstange an der Haustür verkauft wurde seltsam. Welche Ansprüche haben S und F?

Abwandlung S wirft noch während M zum einleitenden Gespräch ansetzt die Tür vor der Nase zu und bestellt die Klimmzugstange nach Heraussuchen der entsprechenden Telefonnummer für 99 € telefonisch beim Sportgeschäft Arenasport (A), die diese kürzlich in der Tageszeitung beworben hatte. Ansonsten geschieht alles wie im Ausgangsfall oben. Kann S Rückzahlung des Kaufpreises für die Klimmzugstange verlangen?

Lösungsskizze kurz A. Anspruch S gegen F auf Rückzahlung des Kaufpreises gem. §§ 346 I, 437 Nr. 2, 323 I BGB B. Anspruch S gegen F auf Rückzahlung des Kaufpreises gem. §§ 355 III 1, 357 I, 312g I BGB I. Widerruf gem. § 355 I 1 1. Widerrufsrecht 2. Erklärung des Widerrufs 3. Fristgemäßer Widerruf Problem: Kann M nach mehr als 6 Monaten noch widerrufen? 4. Rechtsfolgen des Widerrufs, §§ 355 I 1, III, 357 I 5. Zwischenergebnis II. Gegenanspruch der F nach § 355 III 1 III. Leistungsverweigerungsrecht der F gem. § 357 IV IV. Ergebnis

C. Anspruch gem. § 812 I 1 1. Alt. Auf Herausgabe des Kaufpreises

Abwandlung: A. Anspruch S gegen A auf Rückerstattung des Kaufpreises gem. §§ 355 III 1, 357 I, 355 I 1, 312g I I. Widerruf gem. § 355 I 1 Problem: Handelt es sich hier um ein Fernabsatzgeschäft i.S.v. § 312c, bei dem M gem. § 312g ein Widerrufsrecht hat? II. Ergebnis

Ausformulierte Lösung: Ausgangsfall A. Anspruch S gegen F auf Rückzahlung des Kaufpreises gem. §§ 346 I, 437 Nr. 2, 323 I BGB I. Wirksamer Rücktritt M könnte gegen F einen Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung gem. §§ 346 I, 437 Nr. 2, 323 I haben. Dazu müsste er wirksam von dem Kaufvertrag zurückgetreten sein, den er mit F geschlossen hatte, die dabei gem. § 164 I 1 wirksam von M vertreten wurde. Die F als GmbH kann gem. § 13 I GmbHG Vertragspartei sein. Ein Rücktrittsrecht könnte sich aus § 437 Nr. 2 i.V.m. § 323 I oder § 326 V ergeben, wenn die Kaufsache mangelhaft ist. Ein Sachmangel (§ 434 I) ist hier allerdings nicht ersichtlich, da die

Klimmzugstange funktioniert und Abweichungen von Beschaffenheitsvereinbarungen nicht zu erkennen sind. Ob S fit und schlank wird oder nicht fällt dabei allein in seinen Risikobereich. II. Ergebnis S hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gem. §§ 346 I, 437 Nr. 2, 323 I

B. Anspruch S gegen F auf Rückzahlung des Kaufpreises gem. §§ 355 III 1, 357 I, 312g I BGB I. Anspruch entstanden 1. wirksamer Widerruf gem. § 355 I 1 S könnte gegen F einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gem. § 355 III haben. Dazu müsste er die Willenserklärung gegenüber F nach § 355 I 1 wirksam wiederrufen haben. Dies setzt voraus, dass S ein Widerrufsrecht zusteht. a) Widerrufsrecht gem. § 312g bei „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“ Ein Widerrufsrecht kann sich hier aus § 312g I ergeben. Dazu müsste ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vorliegen. Dies erfordert gem. § 312 I einen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat. aa) wirksamer Kaufvertrag zwischen S und F Der Kaufvertrag ist ein entgeltlicher Vertrag. F schließt ihn als Handelsgesellschaft zu Zwecken ihrer gewerblichen Tätigkeit, mithin als Unternehmer i.S.d. § 14 I, während der Vertragsschluss auf Seiten des S keiner gewerblichen Tätigkeit zuzuordnen ist, sodass er als Verbraucher gem. § 13 handelt. bb) außerhalb von Geschäftsräumen Zudem müsste S zum Abschluss dieses Vertrages in einer bestimmten Situation veranlasst worden sein. Dazu gehört nach § 312b I 1 Nr. 1 der Fall, dass der Vertrag bei Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen wurde, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Der Vertragsschluss fand in der Wohnung des S statt, sodass die Voraussetzungen des § 312b I 1 Nr. 1 hier erfüllt. Es liegt auch kein Ausnahmetatbestand nach § 312g II 1 vor, S kann folglich widerrufen. b) Erklärung des Widerrufs Des Weiteren müsste der Widerruf wirksam erklärt worden sein, § 355 I 1. Der Widerruf braucht zwar gem. § 355 I 4 keine Begründung zu enthalten, muss aber gegenüber dem Unternehmer erklärt werden, § 355 I 2, und den Widerrufswillen des S eindeutig zum Ausdruck bringen, § 355 I 3. Vorliegend müsste S dies folglich eindeutig zum Ausdruck bringen. Hinweis:

Eine besondere Form für die Widerrufserklärung ist, anders als in § 355 I 2 a.F. (Textform) und trotz der Formulierungen § 355 I 4 („Absendung“), nicht mehr vorgesehen, sodass S den Widerruf – entsprechend Art. 11 II lit. B) Verbraucherrechte-Richtlinie und wie in deren Erwägungsgrund 44 erläutert – auch telefonisch erfolgen könnte. Nach § 355 I 2 a.F. war ein Widerruf durch kommentarlose Rücksendung möglich. Wegen § 355 I 3 ist dies heute nur aufgrund einer Vereinbarung der Parteien möglich. Da § 361 II 1 nur Abweichungen zuungunsten des Verbrauchers verbietet, ist eine Abweichung zugunsten des Verbrauchers ohne weiteres möglich (vgl. Art. 3 RL 2011/83/EU).

c) fristgemäßer Widerruf S müsste den Widerruf auch fristgerecht erklären. Die Widerrufsfrist beträgt gem. § 355 II 14 Tage, die mit dem Vertragsschluss beginnen. Diese zwei Wochen seit dem Vertragsschluss wären bereits verstrichen. Doch beginnt die Zweiwochenfrist bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen gem. § 356 II 1 lit. A) erst mit dem Zeitpunkt, in welchem der Verbraucher die Waren erhalten hat; dies geschah aber noch am Tag des Vertragsschlusses. Die Widerrufsfrist beginnt aber ferner gem. § 356 III 1 nicht, bevor der Unternehmer dem Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 II 1 Nr. 1 unterrichtet hat (Widerrufsbelehrung). Vorliegend ist an der Haustür des S keine Widerrufsbelehrung erfolgt, die Zweiwochenfrist hat somit noch nicht begonnen. In diesem Fall erlischt das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen gem. § 356 III 2 spätestens 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss bzw. Eingang der Ware beim Empfänger. Da diese Frist noch nicht verstrichen ist, steht S ein Widerrufsrecht noch zu. d) Rechtsfolgen des Widerrufs, §§ 355 I 1, III, 357 I Macht S von seinem Widerrufsrecht Gebrauch, so ist er nach § 355 I 1 an seine Vertragserklärung nicht mehr gebunden und gem. § 355 III 1 sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Dies hat nach § 357 I innerhalb von 14 Tagen zu geschehen. Nach § 357 III 1 hat F den Kaufpreis mit demselben Zahlungsmittel zurückzuzahlen, den S für die Zahlung verwendet hat. 2.Zwischenergebnis Nach §§ 355 III 1 kann S nach Abgabe einer Widerrufserklärung den Kaufpreis von F zurückverlangen. II. Anspruch untergegangen S ist gem. § 355 III im Rahmen des Widerrufs zur Rückgabe des Kaufgegenstandes verpflichtet. 1.) Unmöglichkeit der Rückgabe Die Unmöglichkeit i.S.d. § 275 I BGB liegt vor, wenn der geschuldete Leistungserfolg endgültig nicht mehr herbeigeführt werden kann. Das kann auf tatsächlichen, rechtlichen oder terminlichen Gründen beruhen.

Vorliegend war S verpflichtet genau die Stange aus dem Kaufvertrag mit F zurückzusenden. Die Stange wurde aus dem Keller entwendet, sodass S sie nunmehr nicht mehr an F zurücksenden kann. Es liegt folglich Unmöglichkeit vor. Er ist damit von der Pflicht zur Rückgabe gem. § 275 I befreit. 2.) Anspruch auf Wertersatz, § 357 VII Fraglich ist allerdings, ob F einen Anspruch auf Wertersatz hat. Dazu müssten die Voraussetzungen des § 357 VII Nr. 1 und 2 kumulativ vorliegen. a) Nach § 357 VII Nr. 1 Nach § 357 VII Nr. 1 ist der Verbraucher zum Wertersatz verpflichtet, wenn der Verlust auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaft und der Funktionsweise nicht notwendig war. b) Nach § 357 VII Nr. 2 Nach Nr. 2 muss der Verbraucher zudem über sein Widerrufsrecht unterrichtet worden sein. Vorliegend nutzte S die Stange nach ihrer Bestimmung, wurde jedoch nicht über ein Widerrufsrecht belehrt. Wäre eine Belehrung erfolgt wäre er zum Ersatz des Wertverlustes verpflichtet gewesen, der durch die sechsmonatige Benutzung der Stange entstanden ist. Allerdings wurde S nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, er hat folglich keine Wertersatzpflicht zu leisten (§ 361 I schließt weitergehende Ansprüche infolge des Widerrufs aus, also auch solche nach den §§ 280 I 2, 276 I ff.). III. Anspruch durchsetzbar Allerdings könnte der Anspruch nicht durchsetzbar sein. Vorliegend könnte F die Rückzahlung des Kaufpreises gem. § 357 IV an S verweigern. 1.) Verbrauchsgüterkauf Dies setzt voraus, dass zwischen F und S ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt. Dieser setzt gem. § 474 I voraus, dass ein Kaufvertrag über eine bewegliche Sache geschlossen wird, die von einem Unternehmer an einen Verbraucher verkauft wird. Dies ist vorliegend der Fall. 2.) Vorleistungspflicht des Verbrauchers, § 357 IV Nach § 357 IV ist der Verbraucher stets vorleistungspflichtig. Dass die Unmöglichkeit zur Rückgewähr S gem. § 275 I von seiner entsprechenden Verpflichtung nach § 355 III 1 befreit, ändert daran nichts. Der Unternehmer trägt zwar nach § 355 IV 4 die Gefahr der Rücksendung, damit sind allerdings nur die Fälle der Beschädigung und des Verlusts bei der Rücksendung gemeint. Dem trägt § 357 IV Rechnung, indem an die Stelle des Rückererhalts der Ware der Nachweis ihrer Absendung tritt. IV. Ergebnis

S kann die Kauferklärung widerrufen und anschließend gem. § 357 II 1 Rückzahlung des Kaufpreises verlangen ohne Wertersatz leisten zu müssen, allerdings kann F die Kaufpreisrückzahlung gem. § 257 IV verweigern, bis sie die Klimmzugstange zurück erhält.

B. Anspruch gem. § 812 I 1 1. Alt. Bereicherungsrechtliche Normen werden durch den Vorrang der § 357ff. verdrängt. Der Widerruf gem. § 357 I 1 führt außerdem nicht zum Wegfall des Rechtsgrundes sondern zur Umgestaltung des Kaufvertrags. Über §§ 355 ff. hinausgehende Ansprüche sind gem. § 361 I ausgeschlossen.

Abwandlung Anspruch S gegen M auf Rückzahlung des Kaufpreises gem.§§ 355 III 1, 357 I, 355 I 1, 312g I S könnte gegen M einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gem. §§ 355 III 1, 357 I haben. Dazu müsste S seine auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung nach § 355 I 1 wirksam widerrufen haben. I. Widerruf gem. § 355 I 1 Dies setzt voraus, dass S ein Widerrufsrecht hat. 1.) Widerrufsrecht gem. § 312g I Fernabsatzgeschäft Dies setzt voraus, dass ein Fernabsatzgeschäft gem. § 312g I vorliegt. a) Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher (+) b) unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln § 312c I (+) c) im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems, § 312c I a.E. Der Unternehmer muss in seinem Betrieb alle Voraussetzungen geschaffen haben, um regelmäßig Fernabsatzgeschäfte abzuwickeln. Die gelegentliche Annahme von Betellungen per Telefon ist dafür nicht ausreichend. Vorliegend suchte sich S die Telefonnummer selbständig heraus. Dies erfüllt die oben geschilderten Anforderungen nicht.

II. Ergebnis S kann nicht gem. §§ 355 III 1, 357 I widerrufen....


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