Der Pianist PDF

Title Der Pianist
Author claire naire
Course Geschichte der Rechtswissenschaft
Institution Humboldt-Universität zu Berlin
Pages 2
File Size 56.1 KB
File Type PDF
Total Downloads 33
Total Views 122

Summary

Filmrezension des Pianisten unter der Fragestellung, ob es sich um abiturrelevante Themen handelt...


Description

Rezension: Der Pianist Vermittelt der Film abiturrelevante Themen?

Jeglicher Darstellung von Geschichte haftet etwas Prekäres an – denn Geschichte manifestiert sich immer nur als Geschichtsverständnis, als eine ‚Auffassung’ von Geschichte. Geschichte erscheint aber auch immer als Erzählung. Die so konstruierten Geschichtsbilder aktualisieren das kollektive Gedächtnis. Dabei besteht aber auch immer die Gefahr einer Verflachung bzw. Verdrehung der gesicherten historischen Fakten. Besonders die Darstellung des Holocaust, dieser unermesslichen „Topographien des Terrors“, ist eine schwere und gewagte Aufgabe: ob in der Literatur, in der Kunst oder im Film. Inwiefern ist das Unvorstellbare darstellbar? Stellen auch solche Informationsquellen einen Teil der abiturrelevanten Themen dar? „Der Pianist“, ein Film von Roman Polanski, erschien 2002 in den amerikanischen Kinos und erzählt die autobiographische Geschichte des polnischen Musikers und Komponisten Władysław Szpilman. Dieser wird 1940 mit seinen Eltern und drei Geschwistern im Warschauer Ghetto interniert und überlebt nach der Deportation seiner Familie nach Treblinka versteckt in Warschau. Er zählt zu den wenigen Filmen über den Holocaust, denen höchste Auszeichnungen zukamen und die zugleich zu kommerziellen Erfolgen wurden. Somit wurde ihm eine beträchtliche Öffentlichkeit zuteil, sodass das jeweils entworfene Geschichtsbild wohl nicht ohne Folgen für die kollektive Vorstellung vom Holocaust blieb. Durch die inhaltliche Ausrichtung, eine Überlebensgeschichte zum Fokus der Darstellung auszuwählen, wird das prinzipielle Problem geborgen, eine historische Ausnahmesituation zu beleuchten, und dabei möglicherweise den Regelfall – die systematische Ermordung der Juden – auszublenden. Die Darstellungsweisen des ‚Überlebens’ werden hier jedoch anhand der Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto durch eine Texteinblendung auf den 16. August 1942 datiert und beachtet. Wladyslaw Szpilman und seine Familie werden mit unzähligen Menschen auf einem Platz im Ghetto zusammengepfercht. Die ausbleibende Spannungserzeugung führt gleichsam zu einer Dehnung der eigentlichen Zeitdauer und veranschaulicht so besonders die Schrecken, denen die Menschen während des bloßen Wartens ausgesetzt sind. So ist immer wieder eine Frau zu sehen, die verzweifelt die Frage „Warum hab ich’s getan?“ ausruft. Eine andere Frau läuft mit ihrem verdurstenden Kind im Arm umher, und bittet vergeblich um Wasser. Ein kleines Mädchen steht verloren in der Menge und eine alte Frau kriecht über den Weg. Das Leid der Juden beschränkt sich in der Darstellung nicht darauf, dem Morden der SS-Schergen ausgesetzt zu sein. Neben der unmittelbaren Gewaltanwendung wird den Juden auch gezielt die elementarste Versorgung mit Essen und Trinken vorenthalten, und ihre Familien werden willkürlich auseinander gerissen. Die eigentlichen Mordtaten sind zwar elliptisch ausgespart, aber der ständig drohende Tod im Alltag der Juden ist so gleichsam in einem Seitenblick prägnant veranschaulicht. Als schließlich die letzte Waggontür geschlossen wird und der Zug in Richtung des Bildinneren fährt, besteht kein Zweifel, dass all die zusammengepferchten Juden zur Auslöschung bestimmt sind. So erscheint das Überleben des Pianisten als eine glückliche Ausnahme, welche den eigentlichen Regelfall der systematischen Ermordung der Juden durch die Nazis vor Augen führt. Das Leben des Pianisten erscheint als ein Wunder. Die Rahmenhandlung dient also der Vergegenwärtigung der Schrecken, die Szpilman erlebte, und nicht einer etwaigen Sinngebung oder einer symbolischen Überhöhung der Handlung. Es wird auch keine heile neue Welt der Nachkriegszeit entworfen, denn Szpilmans Bemühungen Hosenfeld ausfindig zu machen, scheitern letztendlich. Dem Film wohnt, trotz der zum Teil nahezu ästhetischen Bildgestaltung, eine anrührende Authenzität inne- diese ist mehreren Aspekten geschuldet: Zunächst einmal werden hier authentische Erinnerungen von (mindestens) zwei Personen ineinander verwoben: Neben der autobiographischen Vorlage von Władysław Szpilman, die er unmittelbar nach Beendigung des Krieges 1946 geschrieben hat und erst 1998 von seinem Sohn Andrej unter dem Titel „Mein wunderbares Überleben“ veröffentlicht wird, inszeniert auch Roman Polanski sein eigenes Erleben und Überleben im Krakauer Ghetto im Film. So kann auch dem Film ein hoher Wahrheitsgehalt zugeschrieben werden. Wahrscheinlich wirken deshalb die darin geschilderten Begebenheiten so unmittelbar und frisch. Die

Rezension: Der Pianist Vermittelt der Film abiturrelevante Themen?

Beschreibung besticht durch eine erstaunliche, manchmal fast kaltblütige, wissenschaftliche Objektivität und Differenziertheit. In dem Film kommen gute Polen vor und böse, genauso wie es gute und böse Juden gibt, und gute und böse Deutsche... Zudem ist und sollte das Thema Nationalsozialismus nach wie vor ein zentraler und äußerst wichtiger Bestandteil von Unterricht in Berlin und anderswo in der Republik sein. Mit Spielfilmen lassen sich gut einzelne Aspekte des Nationalsozialismus erarbeiten. Oft fällt es einer Anzahl von Schülern unterschiedlicher Schultypen leichter, mit dem häufig in der Freizeit genutzten Spielfilm umzugehen als mit den ihnen vielfach fremden Dokumentarfilmen oder gar geschriebenen Texten. Generell ist es nicht einfach, die Schüler aus der gewohnten privaten (passiven) Rolle zu locken und eine kritische (aktive) Auseinandersetzung mit dem Medium Spielfilm zu erlangen. Üblicherweise wird man sich den Filmen auf der inhaltlichen Ebene nähern und die im Unterricht behandelte Materie zu vertiefen suchen. Man könnte aber auch versuchen, Filme als ein audiovisuelles Medium auf ihren formalen Aufbau hin zu analysieren, sich also dem Film auf der ästhetisch-gestalterischen Ebene zu nähern. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Inhalte bekannt sind oder auch wenn man zuerst auf die emotionale Betroffenheit eingehen will. Viele Jugendliche sind der Thematik Nationalsozialismus überdrüssig, halten sie für ein lang zurückliegendes, abgeschlossenes Kapitel. Beim Thema Menschenrechtsverletzungen dagegen ist der Gegenwartsbezug schnell hergestellt. Was aber sind die Verbrechen der Nazis anderes als fundamentale Menschenrechtsverletzungen? Hier eine Verbindung herzustellen, ist eine wichtige Aufgabe des Geschichtsunterrichts. Dabei bleibt klar, dass die Gräuel des „Dritten Reiches“ nicht verharmlost werden dürfen. Aber auch eine bloße Darstellung der Schrecken des NS-Regimes (wie es einige Dokumentarfilme tun) reicht für ein Verständnis dieses Teils der deutschen Geschichte nicht aus, sagen sie doch indirekt, dass „man“ sich bei der Totalität des Regimes nicht „wehren“ brauchte, weil „man“ sich nicht „wehren“ konnte. Die Geschichtsforschung spricht aber von einer breiten Palette des Widerstandes und der Verweigerung, die mit Mut und Zivilcourage, mit Werten und bürgerschaftlichem Engagement zu tun hat. Alles das ist höchst aktuell und kann die Behandlung des Themas in unserem demokratischen Rechtsstaat spannend und aktuell machen. Spielfilme, die vielfach Einzelschicksale in den Mittelpunkt stellen wie beispielsweise „der Pianist“, können hierbei hilfreich sein und sind deshalb Grundlage dieser Filmzusammenstellung. Deutlich sichtbar macht dieser Film außerdem , dass es nicht wenige Menschen gab, die Juden unterstützten und dabei ihr eigenes Leben riskierten. Es wird gezeigt, dass man in noch so erbärmlichen Unterdrückungszuständen gewissen, wenn auch begrenzten Spielraum für eigene Entscheidungen haben kann. Die Handlungsfreiheiten der Figuren bewegen sich hier in einem Spannungsfeld zwischen Widerstand, Flucht, Selbstaufgabe, Mitläufertum und Mittäterschaft. Abiturrelevant in jedem Falle. Vor allem aber relevant für die Ausbildung eines moralischen Kompasses und als Versuch einer Visualisierung des NS-Grauens eine Lehre. Es sind Szenen, die im Kopf bleiben. Szenen, die die Macht haben etwas zu verändern. Szenen, die prägen....


Similar Free PDFs