Einführung in die Textlinguistik und Pragmatik 10 PDF

Title Einführung in die Textlinguistik und Pragmatik 10
Course Textlinguistik und Pragmatik
Institution Universität Rostock
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Einführung in Textlinguistik und Pragmatik_Zusammenfassung
Semester 2015...


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3.3 Konversationelle Implikatur

Gliederung 1. Einleitung 2. Grundlagen der konversationellen Implikatur 3. Definition/Merkmalsbestimmung der konversationellen Implikatur 4. Analyse konversationeller Implikaturen 5. Arten konversationeller Implikaturen 6. Zur Abgrenzung der Folgerungsbegriffe Präsupposition und konversationelle Implikatur

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3.3 Konversationelle Implikatur

1. Einleitung  Beispiel 1:  A: Liebst du mich?  B: Ich hab dich sehr gern.  KI: Ich liebe dich nicht.  Beispiel 2:  Joschka Fischer 1997 auf die Frage, welchen SPD-Kanzlerkandidaten seine Partei bevorzugt:  Wir haben uns auf der Klausurtagung für August Bebel entschieden.  KI: Wir haben keine Entscheidung getroffen.

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3.3 Konversationelle Implikatur

2. Grundlagen der konversationellen Implikatur



Das Kooperationsprinzip (Paul Grice): „Mach deinen Beitrag zur Konversation genau so, wie es der Punkt der Konversation, an dem er erfolgt, erfordert, wobei das, was erforderlich ist, bestimmt ist durch den Zweck oder die Richtung des Gesprächs, in dem du dich befindest.“ Paul Grice 1989, zit. n. Meibauer 2008, 25

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3.3 Konversationelle Implikatur

2. Grundlagen der konversationellen Implikatur  Die Konversationsmaximen (Paul Grice): 1) Maxime der Quantität

2) Maxime der Qualität

3) Maxime der Relevanz

- so informativ wie nötig - nicht informativer als nötig

Versuche, einen wahren Beitrag zu geben!

Sage nur Relevantes!

- keine unverständliche Ausdrucksweise

4) Maxime der Modalität

- keine Doppeldeutigkeit - keine Weitschweifigkeit - richtige Reihenfolge

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3.3 Konversationelle Implikatur

2. Grundlagen der konversationellen Implikatur  Anwendung der Konversationsmaximen:  Beispiel 1:  A: Liebst du mich?  B: Ich hab dich sehr gern.  KI: Ich liebe dich nicht.  Maxime der Quantität  Beispiel 2:  Joschka Fischer 1997 auf die Frage, welchen SPD-Kanzlerkandidaten seine Partei bevorzugt:  Wir haben uns auf der Klausurtagung für August Bebel entschieden.  KI: Wir haben keine Entscheidung getroffen.  Maxime der Qualität © 2009 UNIVERSITÄT ROSTOCK | PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT

3.3 Konversationelle Implikatur 3. Definition / Merkmale der konversationellen Implikatur  Konversationelle Implikaturen (KI): 1) ergeben sich nicht aus der Satzbedeutung (Proposition). 2) sind rekonstruierbar. 3) sind aufhebbar. 1) KI ergeben sich nicht aus der Satzbedeutung (Proposition).  Beispiel:  A: Liebst du mich?  B: Ich hab dich sehr gern. 



Semantik (Proposition): DICH GERNHABEN (ICH) gernhaben ist in der Bedeutung von lieben enthalten (wahrheitsfunktional unproblematisch) Pragmatik: KI „Ich liebe dich nicht.“ © 2009 UNIVERSITÄT ROSTOCK | PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT

3.3 Konversationelle Implikatur 3. Definition / Merkmale der konversationellen Implikatur 2) KI sind rekonstruierbar (mittels Schlussprozess nach Paul Grice). Schlussprozess nach Paul Grice:  S hat gesagt, dass p.  Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass S die Maximen oder zumindest das Kooperationsprinzip nicht beachtet.  Sein Befolgen der Maximen verlangt, dass er denkt, dass q.  S weiß, und er weiß, dass ich weiß, dass er weiß, dass ich erkennen kann, dass die Annahme, er denkt q, erforderlich ist. 5. Er tat nichts, um zu verhindern, dass ich denke, dass q. 6. Er beabsichtigt also oder will zumindest zulassen, dass ich denke, dass q. 7. S implikatiert, dass q. © 2009 UNIVERSITÄT ROSTOCK | PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT

3.3 Konversationelle Implikatur 3. Definition / Merkmale der konversationellen Implikatur Schlussprozess nach Grice

in Anwendung auf unser Beispiel

S hat gesagt, dass p.

Mein Freund hat gesagt, dass er mich gern hat.

2.

Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass S das Kooperationsprinzip nicht beachtet.

Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass mein Freund das Kooperationsprinzip nicht beachtet.

3.

Sein Befolgen der Maximen verlangt, dass er denkt, dass q.

Wenn er die Maximen befolgt, dann muss er denken, dass er mich nicht liebt. (Er hätte es sonst anders formuliert.)

4.

S weiß, - und er weiß, dass ich weiß, dass er weiß, - dass ich erkennen kann, dass die Annahme, er denkt q, erforderlich ist. (S muss wissen, dass wechselseitig gewusst wird, dass q angenommen werden muss, wenn beide davon ausgehen sollen, dass S kooperativ ist)

Mein Freund weiß, - und er weiß, dass ich weiß, dass er weiß -dass ich erkennen kann, die Annahme, er denkt, dass er mich nicht liebt, ist erforderlich (wenn wir kooperativ sein wollen). (Kurz gesagt: Er weiß mich in der Lage, seine Wortwahl zu deuten.)

5.

Er tat nichts, um zu verhindern, dass ich q denke.

Er tat nichts, um zu verhindern, dass ich schlussfolgere, er liebt mich nicht.

6.

Er beabsichtigt also oder will zumindest zulassen, dass ich q denke.

Also beabsichtigt er oder lässt zumindest zu, dass ich denke, er liebt mich nicht.

7.

S implikatiert, dass q.

Mein Freund implikatiert, dass er mich nicht liebt.

1.

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3.3 Konversationelle Implikatur 3. Definition / Merkmale der konversationellen Implikatur  Rekonstruktion der KI für unsere Beispiele (Kurzform)  Beispiel 1:  A: Liebst du mich?  B: Ich hab dich sehr gern.  KI: Ich liebe dich nicht. Mein Freund sagt, dass er mich gern hat. Ich habe ihn aber gefragt, ob er mich liebt (Kontext). Wenn er also kooperativ ist und die Quantitätsmaxime einhält, nämlich so informativ wie nötig ist, wovon wir beide ausgehen, dann muss ich annehmen, dass er mich zwar gern hat, aber nicht liebt. Würde er mich doch lieben, hätte er die Quantitätsmaxime verletzt und nicht genug gesagt. Mein Freund weiß, dass ich diese Implikatur herausarbeiten kann und hat mich auch nicht daran gehindert, es zu tun. Also nehme ich an, dass mein Freund implikatieren wollte, dass er mich nicht liebt.

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3.3 Konversationelle Implikatur 3. Definition / Merkmale der konversationellen Implikatur  Rekonstruktion der KI für unsere Beispiele (Kurzform)  Beispiel 2:  Joschka Fischer 1997 auf die Frage, welchen SPD-Kanzlerkandidaten seine Partei bevorzugt: Wir haben uns auf der Klausurtagung für August Bebel entschieden.  KI: Wir haben keine Entscheidung getroffen.  Fischer sagt, dass sich seine Partei für August Bebel entschieden hat. Ich weiß, dass August Bebel nicht zur Wahl stand (Kontext). Wenn Fischer also kooperativ ist und die Qualitätsmaxime einhält, nämlich nur sagt, was wahr ist, wovon wir beide ausgehen, dann muss ich annehmen, dass sie sich nicht entschieden haben. Hätten sie sich doch für jmd. entschieden, hätte Fischer die Qualitätsmaxime verletzt (gelogen). Fischer weiß, dass ich diese Implikatur herausarbeiten kann – nämlich dass wir beide um das erforderliche Wissen wissen – und hat mich auch nicht daran gehindert, es zu tun. Also nehme ich an, dass Fischer implikatieren wollte, dass keine Entscheidung getroffen wurde. © 2009 UNIVERSITÄT ROSTOCK | PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT

3.3 Konversationelle Implikatur 3. Definition / Merkmale der konversationellen Implikatur 3) KI sind aufhebbar.  Beispiel 1:  A: Liebst du mich?  B: Ich hab dich sehr gern.  KI: Ich liebe dich nicht.  Aufhebung (Aufhebbarkeitstest): Ich hab dich sehr gern und liebe dich sogar.

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3.3 Konversationelle Implikatur

4. Analyse von konversationellen Implikaturen  Beispiel Relevanzimplikatur A: Wie spät ist es? B: Nun, die Post ist gerade gekommen.  KI: Ich weiß nicht genau, wie spät es ist, aber ich kann dir einen Hinweis geben, es ist kurz nach 14 Uhr. Schlussprozess: Mein Bekannter sagt, die Post sei gerade gekommen. Ich habe ihn aber gefragt, wie spät es ist. Wenn er also kooperativ ist und die Relevanzmaxime einhält, nämlich nur thematisch Passendes sagt (Relevantes), wovon wir beide ausgehen, dann muss ich annehmen, dass er nicht genau weiß, wie spät es ist (mir aber durch einen Bezugspunkt angibt, wie spät es etwa ist, weil wir beide wissen [und auch voneinander wissen, dass wir es wissen] dass die Post etwa gegen 14 Uhr kommt). Wüsste er, wie spät es genau ist, hätte er die Relevanzmaxime verletzt und etwas Unpassendes gesagt. Mein Bekannter weiß, dass ich diese Implikatur herausarbeiten kann und hat mich auch nicht daran gehindert, es zu tun. Also nehme ich an, dass mein Bekannter implikatieren wollte, dass er die genaue Uhrzeit nicht kennt. Aufhebbarkeitstest: „Die Post ist gerade gekommen, es ist 14.03 Uhr.“ © 2009 UNIVERSITÄT ROSTOCK | PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT

3.3 Konversationelle Implikatur

4. Analyse von konversationellen Implikaturen  Beispiel Modalitätsimplikatur: Die Frau meines Vaters kommt zu Besuch.  KI: Es ist nicht meine Mutter, die zu Besuch kommt. Schlussprozess: Der Sprecher sagt, die Frau seines Vaters käme zu Besuch. Wenn er kooperativ ist und die Modalitätsmaxime einhält, wovon wir beide ausgehen, dann muss ich annehmen, dass es nicht die Mutter des Sprechers ist, die kommt. Wäre es doch seine Mutter, dann hätte er die Modalitätsmaxime verletzt und nicht präzise und kurz genug (also zu weitschweifig) gesprochen. Der Sprecher weiß, dass ich diese Implikatur herausarbeiten kann und hat mich auch nicht daran gehindert es zu tun. Also nehme ich an, dass der Sprecher implikatieren wollte, dass es nicht seine Mutter ist, die zu Besuch kommt. Aufhebbarkeitstest: Die Frau meines Vaters kommt zu Besuch, nämlich meine Mutter. © 2009 UNIVERSITÄT ROSTOCK | PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT

3.3 Konversationelle Implikatur

5. Arten von konversationellen Implikaturen Konversationelle Implikaturen

Generalisierte KI basieren auf Eigenschaften der vorkommenden Ausdrücke. Sie werden in prototypischen Standardsituationen verstanden.

Partikularisierte KI entstehen, weil die Äußerungskontexte spezielle Merkmale haben. Sie werden also nur unter besonderen situativen Umständen verstanden.

Beispiele: Einige Parlamentarier waren anwesend.  KI: Nicht alle. Einige Centstücke spuckt der Automat wieder aus.  KI: Nicht alle.

Beispiel: Bello sieht so glücklich aus.  KI: Er hat die Wurst gefressen. (Kontext: Wo ist nur die Wurst geblieben?)

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3.3 Konversationelle Implikatur 5. Arten von konversationellen Implikaturen  Skalare Implikaturen sind generalisierte Quantitätsimplikaturen, die durch Verwendung eines schwachen Begriffs entstehen, der mit demselben Aufwand durch einen stärkeren ersetzt werden könnte. Diese Verwendungsweise muss einen Grund haben, meist: Nichtanwendbarkeit des stärkeren Begriffs.  Beispiel: Einige Parlamentarier waren anwesend.  KI: Nicht alle.  Ausgewählte sprachliche Skalen:  alle > die meisten > ein Großteil > mehr als die Hälfte > viele > einige  anbeten > lieben > mögen  sehr gut > gut > befriedigend  5>4>3>2>1  immer > meistens > gewöhnlich > manchmal

 Beispiele:  Wie ist die Dissertation von x? – Gut.  KI: Sie ist nicht hervorragend.  B hat 3 Kinder. A: Wie viele Kinder hast du? – B: Zwei.  KI: B hat nur 2 Kinder.  Thomas kommt manchmal hierher.  KI: Thomas kommt nicht immer hierher.

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3.3 Konversationelle Implikatur

6. Zur Abgrenzung der Folgerungsbegriffe Konversationelle Implikatur c)

Präsupposition b)

Schluss ist aufhebbar (Aufhebbarkeitstest)

+ Fritz hat versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, und er hat es geschafft.  Fritz hat nach dem Versuch geraucht ist aufgehoben.



*Fritz hat versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, er hat nicht geraucht.

Schluss „überlebt“ Negation des Ausgangssatzes (Hauptsatz)

– *Fritz hat nicht versucht, mit dem Rauchen aufzuhören.  Fritz hat nach dem Versuch geraucht. (=Widerspruch, gab keinen Versuch)

+

Fritz hat nicht versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Fritz hat (vorher) geraucht.

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