Essay Morgen Kinder Wirds Nichts Geben - Erich Kästner PDF

Title Essay Morgen Kinder Wirds Nichts Geben - Erich Kästner
Course Einführung in die Literaturwissenschaft
Institution Universität Bielefeld
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Summary

Komparative Analyse zu Erich Kästner's Morgen Kinder wird's nichts geben versus Morgen Kinder wird's was geben...


Description

Essayaufgabe Morgen Kinder wird’s was geben Komparative Gedichtanalyse

I.

Einleitung

Dieser Essay befasst sich mit der komparativen Analyse der beiden Texte Weihnachtsfreude, dessen Ursprung und Verfasser aufgrund verschiedener Quellen nicht eindeutig zu benennen sind, und Weihnachtslied – Chemisch gereinigt von Erich Kästner aus dem Jahre 1928. Erich Kästner hat den Ursprungstext umformuliert und ihm einen anderen Inhalt gegeben. Auf den ersten Blick muten beide Texte ähnlich an, da sie sich der gleichen formalen Struktur, auf die ich im Folgenden noch genauer eingehen werde, bedienen. Anhand einer Analyse der sprachlichen Ebene werde ich verdeutlichen, dass die beiden Texte jedoch völlig verschiedene Adressaten haben. II.

Hauptanalyse 1. Formale Struktur

Die formale Struktur beider vorliegenden Texte ist identisch, das bedeutet im Einzelnen, sie bestehen aus jeweils 5 Strophen, die die gleiche Anzahl an Versen beinhalten. Das Reimschema in beiden Versionen ist ababcc. Die Verszeilen bestehen aus reinen Reimen, was sie leicht einprägbar und kindgerecht machen. Als Versmaß wurde in beiden Texten ein Trochäus verwendet. Das heißt, beide Texte bestehen aus regelmäßigen Hebungen und Senkungen aus zuerst einer betonten Silbe gefolgt von einer unbetonten Silbe, was zu einer leichten Sangbarkeit und Einprägsamkeit beider Texte führt. Auch diese Tatsache ließe in beiden Fällen wieder auf ein Kinderlied schließen, da diese ja auch explizit im Text erwähnt und angesprochen werden. „Morgen, Kinder, wird’s was geben“ versus „Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!“ 1

Schaut man sich aber die verwendete Sprache und den Inhalt der Texte an, kommt man schlussendlich zu einem anderen Ergebnis. 2. Analyse der sprachlichen Ebene Ausgehend von dem Gedanken, dass die Ursprungsversion dieses Liedes sich aufgrund der Sprachverwendung an Kinder richtet, werden keine Metaphern oder andere Verklausulierungen benutzt, da die meisten Kinder den Sinn und die Bedeutung solcher Stilmittel wegen ihrer geringeren Lebenserfahrung oder mangelnder Kenntnis von gebräuchlichen Sprichwörtern oder anderen bildhaften Darstellungen nicht herleiten könnten. Darüber hinaus werden viele Verniedlichungen verwendet wie zum Beispiel „Reiterpferdchen, Jettchens und Herdchen“. Außerdem werden, wie bereits zuvor erwähnt, die Kinder explizit im Text angesprochen. Die Vorfreude auf das bevorstehende Weihnachtsfest wird unter Verwendung vieler Übertreibungen wie „blank geputzter Zinn, geputzter Kronensaal, viele Näscherei, große Lichterzahl, frohe Tänze“, die man allesamt mit dem Sem „prächtig“ belegen könnte, in den schillerndsten Farben beschrieben. Wie wird dann die Stube glänzen Von der großen Lichterzahl, Schöner, als bei frohen Tänzen Ein geputzter Kronensaal.

Ganz ohne Belehrung kommt jedoch auch das schönste Kinderlied offenbar nicht aus, denn die letzte Strophe beschreibt ganz klar, wem all das Glück und die Freude über das Weihnachtsfest und die damit verbunden Freuden und Geschenke zu verdanken sind. Nämlich den Eltern, die bereits im Vorfeld viel Arbeit und Mühe aufgewendet haben, um den Kindern ein schönes Weihnachtsfest zu bereiten. Wer all das nicht zu schätzen weiß, ist der ganzen Mühe nicht wert und hat es nicht verdient, beschenkt zu werden. „O gewiß, wer sie nicht ehrt, Ist der ganzen Lust nicht wert!“ Diese letzte Zeile wird sogar nochmal mit einem Ausrufezeichen versehen, das die Aussage hier noch einmal unterstreicht und deutlich macht. Genau wie im Ursprungstext, werden auch in der Version von Erich Kästner die Kinder explizit angesprochen. „Morgen, Kinder, wird’s nichts geben“. Bereits der ernüchternde Titel dieses Liedes lässt auf eine bitterböse Satire schließen, denn „Weihnachtslied – chemisch gereinigt“ stellt einen Bruch der ganzen Weihnachtsidylle dar. Besinnt man sich 2

darauf, was eigentlich bei einer chemischen Reinigung im physischen Sinne passiert, nämlich dass der ganze Dreck weggewischt wird und die nackten Tatsachen an die Oberfläche dringen, wird schnell klar, dass die Erwartungen an Weihnachten enttäuscht werden. Dieser Anfangsverdacht wird auch sogleich in der ersten Liedzeile bestätigt, indem die Aussage der Ursprungsversion ins Gegenteil verkehrt wird. „Morgen Kinder wird’s was geben“ versus „Morgen Kinder wird’s nichts geben.“ Der ironische Tenor zieht sich durch den gesamten Liedtext und ist geprägt von Floskeln und Metaphern „Mutter schenkte euch das Leben“, „Reißt die Bretter von den Stirnen“. Die in beiden Texten verwendeten Metaplasmen wie „ […] wird’s was geben, […] wir uns freun;“ und „[…] wird’s nichts geben!“ ließen ebenfalls durch die informelle Ansprache die Kinder als Adressaten beider Texte zu. Darüber hinaus werden den vermeintlich angesprochenen Kindern dieses Textes Eigenschaften zugesprochen, die Kinder naturgemäß aufgrund ihrer mangelnden Lebenserfahrung nicht haben, nämlich Geduld und Verständnis dafür, dass das Weihnachtsfest leider für sie nicht stattfinden wird. Sie werden vertröstet, dass irgendwann, nur noch nicht morgen es auch ein fröhliches Weihnachtsfest ihren Vorstellungen entsprechend geben wird. „Einmal kommt auch eure Zeit. Morgen ist’s noch nicht so weit“. Ordnet man den Text jedoch in einen historischen Zusammenhang ein, wird seine politisch, gesellschaftliche Motivation deutlich. Erich Kästner hat das Gedicht 1928, zur Zeit der Weimarer Republik in seinem ersten belletristischen Gedichtband „Herz auf Taille“ 1 veröffentlicht. „Seine Gedichte beschäftigen sich mit den sozialen u. wirtschaftlichen Sorgen der kleinen Leute, die ebenso anschaulich wie anteilnehmend dargestellt werden.“ 2 So schildert auch die Journalistin und freie Autorin Wibke Bruns in ihrer Autobiographie die damalige wirtschaftliche Lage in Deutschland wie folgt: „Die Stimmung im Land ist jedoch düster. Die Arbeitslosenzahlen steigen ins Astronomische – 1932 sind es sechs Millionen. Die Regierung hat schon lange kein Geld mehr, das zu bezahlen, und muß die Hilfe eines Bankenkonsortiums in Anspruch nehmen.“3 Die Menschen litten aufgrund der Wirtschaftskrise in Deutschland, die infolge der Schulden durch den ersten Weltkrieg entstanden waren. Hierbei stellt Kästner vor allen Dingen das Leid der Kinder während dieser Zeit in den Mittelpunkt, indem er scheinbar tröstende Floskeln wie „Einmal kommt auch Eure Zeit […] Gänsebraten macht 1 Kästner, Erich: Herz auf Taille. 2 Killy Literaturlexikon. 3 Wibke Bruns: Meines Vaters Land. Geschichte einer deutschen Familie.

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Beschwerden. Puppen sind nicht mehr modern.“ und noch viele mehr, verwendet. Es mangelte an essentiellen Dingen wie zum Beispiel Brennholz, um den kalten Winter zu überleben. Dies wird deutlich in den Zeilen „Reißt die Bretter von den Stirnen, denn im Ofen fehlt’s an Holz!“ Gleichzeitig wird gerade hier klar, dass nicht die Kinder die Adressaten sein können, denn sie können nicht für die Versorgung der Familie aufkommen. Eher wird die Regierung kritisiert, die sich um das Leid der einfachen Arbeiter und ihrer Familien nicht kümmert und für die wesentlichsten Dinge sorgt und für die wirtschaftliche Misere die Schuld trägt. Auch die Kirche und das Christentum werden hier kritisiert. „Gott ist nicht allein dran schuld. Gottes Güte reicht so weit…“ Die Ironie in diesen beiden Zeilen springt dem Leser förmlich entgegen, denn während die Bevölkerung hungert und mit Essenmarken vor den Lebensmittelgeschäften in der Kälte Schlange steht, sitzen die weltlichen Vertreter der Kirche, die von den Kanzeln Nächstenliebe predigen, mit vollen Bäuchen im Warmen. III.

Fazit – Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man also sagen, dass die in der Originalfassung verwendete bildhafte Sprache, die Glanz, Pracht, Freude und Wohlstand in kindgerechter Sprache vermittelt, die Kinder als Adressaten eines fröhlichen Weihnachtsliedes in Vorfreude auf das bevorstehende Weihnachtsfest ausmachen soll. Wohingegen in der Fassung von Erich Kästner durch Metaphorik, Ironie sowie Kritik an Staat und Kirche, wie zuvor in der Analyse dargestellt, ganz klar die Adressaten unter den Erwachsenen zu suchen sind. Dies kann zum einen die Bevölkerung selbst sein und den Text als Appell verstehen, endlich aufzuwachen und sich gegen die vorherrschenden Zustände zur Wehr zu setzen, als auch die zu der Zeit herrschende Regierung, die für die soziale Ungleichheit in den Bevölkerungsschichten die Verantwortung trägt.

Literaturverzeichnis: Bruns, Wibke: Meines Vaters Land. Geschichte einer deutschen Familie. 18. Auflage. München: Econ Verlag, 2007. Kästner, Erich: Herz auf Taille. 10. Auflage. München: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.KG, 2005.

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Killy, Walther / Meid, Volker: Literatur Lexikon : Autoren und Werke deutscher Sprache. Huh-Kräf. Band 6. München: Bertelsmann Lexikon Verlag, 1990.

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