Fall 4 Abschleppfall - Lösung PDF

Title Fall 4 Abschleppfall - Lösung
Course Verwaltungsrecht II mit integrierter Abschlussklausur zur Fortgeschrittenenübung
Institution Universität Regensburg
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Sommersemester...


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FAKULTÄT FÜR RECHTSWISSENSCHAFT

Lehrstuhl für Öffentliches Recht insbesondere Deutsches und Europäisches Verwaltungsrecht Prof. Dr. Gerrit Manssen

Verwaltungsrecht II SS 2015

Lösungshinweis zur Übungsklausur „Abschleppfall“ Die Klage des Michael Maus hat Erfolg, wenn die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen und die Klage begründet ist. A. Sachurteilsvoraussetzungen I. Rechtswegeröffnung Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO ist eröffnet, da es vornehmlich um den Vollzug von Normen aus dem PAG und des Kostengesetzes geht, die einseitig einen Hoheitsträger berechtigen bzw. verpflichten. II. Statthafte Klageart Maus begehrt die Aufhebung eines Kostenbescheids. Dieser stellt (unzweifelhaft) einen belastenden Verwaltungsakt i. S. v. Art. 35 S. 1 BayVwVfG dar. Daher ist statthafte Klageart die Anfechtungsklage nach § 42 I VwGO. Diese scheidet auch nicht deshalb aus, weil sich der Verwaltungsakt durch das („freiwillige“) Bezahlen der Abschleppkosten und Gebühren i. H. v. insgesamt 165 € erledigt hat. Erledigung läge nur dann vor, wenn die mit dem belastenden Verwaltungsakt verbundene Beschwer nachträglich weggefallen und der Verwaltungsakt dadurch gegenstandslos geworden ist.1 Dies ist hier gerade nicht der Fall. Bei der freiwilligen Befolgung eines Verwaltungsakts (wie auch im Falle seiner Vollstreckung) ist solange keine Erledigung

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OVG Münster, NVwZ 1997, 1009; Konrad, JA 1998, 1009.

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eingetreten, solange eine Rückgängigmachung der freiwilligen Befolgung möglich und objektiv sinnvoll erscheint.2 Letztlich lässt sich dies auch aus der Regelung des § 113 I 2 VwGO ableiten, die hier zur Anwendung kommt. Maus begehrt über die Aufhebung des Kostenbescheids der Polizeidirektion Rosenheim vom 16.09.2015 hinaus die Rückerstattung der bereits bezahlten 165 €. Prozessuale Grundlage dieses Folgenbeseitigungsanspruchs ist § 113 I 2, 3 VwGO. 3 Statthafte Klageart ist mithin die Anfechtungsklage gemäß § 42 I VwGO verbunden mit einem Antrag auf Folgenbeseitigung nach § 113 I 2, 3 VwGO. III. Klagebefugnis, § 42 II VwGO Maus ist Adressat des belastenden Kostenbescheids mit der Folge, dass dadurch zumindest eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 I GG möglich ist.4 Im

Hinblick

auf

den

als

Annex

zum

Aufhebungsantrag

geltend

gemachten

Folgenbeseitigungsanspruch erscheint das Vorliegen seiner Voraussetzungen bei Kassation des Kostenbescheids jedenfalls nicht von vorneherein und unter jeglichen rechtlichen Gesichtspunkten ausgeschlossen. IV. Vorverfahren Ein Vorverfahren gem. § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO entfällt nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO i. V. m. Art. 15 AGVwGO. V. Frist Die Klage ist nach § 74 I 2 VwGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Wann die Bekanntgabe erfolgt, richtet sich regelmäßig nach Art. 41 BayVwVfG. a) Vorliegend ist der Kostenbescheid am 17.9.2015 als einfacher Brief zur Post aufgegeben worden, so dass er gemäß Art. 41 II BayVwVfG grundsätzlich mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt. Es tritt damit eine Bekanntgabefiktion ein. Anhaltspunkte für eine Ausnahme gibt der Sachverhalt nicht.

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Kopp/Schenke, VwGO § 113, Rn. 101 ff., 17. Auflage 2011. Kopp/Schenke, VwGO § 113, Rn. 80 ff. mwN. 4 vgl. etwa BVerwG, BayVBl 1994, 90; BVerfGE 6, 32. 3

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Dementsprechend gilt der Kostenbescheid dem Maus gegenüber mit dem 20.9.2015 als bekannt gegeben. Der 20.9.2015 war allerdings ein Sonntag. Von daher könnte daran gedacht werden, die Regelung des Art. 31 III BayVwVfG auf diesen Fall entsprechend anzuwenden mit der Folge, dass dann als Bekanntgabetag auf Montag, den 21.9.2015 abzustellen wäre. Ob Art. 31 III BayVwVfG insoweit Anwendung finden kann ist umstritten. Nach wohl überwiegender Rechtsprechung soll dies im Anwendungsbereich des Art. 41 II BayVwVfG nicht möglich sein, da es sich bei dem dort festgelegten Zeitraum nicht um eine Frist handelt, sondern um eine Terminsbestimmung, also einen Zeitpunkt, ab dem eine bestimmte Rechtswirkung eintritt.5 Nach anderer Auffassung soll die weite Fassung des Art. 31 III BayVwVfG dagegen nicht auf eine Frist im engeren Sinne beschränkt sein.6 Beide Auffassungen sind vertretbar, wobei sich vom Ergebnis her nichts ändert. Wird Art. 31 III BayVwVfG nicht entsprechend angewandt, gilt als Bekanntgabetag der 20.09.2015. Der Lauf der Klagefrist bestimmt sich nach §§ 74 I 2, 57 II VwGO, § 222 ZPO, §§ 187 I, 188 II BGB mit der Folge, dass sie am 20.10.2015 (24 Uhr) endete. Lässt man hingegen die Anwendung des Art. 31 III BayVwVfG zu, ist Bekanntgabetag der 21.9.2015. Dann lief die Widerspruchsfrist nach den zuvor genannten Regelungen am 21.10.2015 (24 Uhr) ab. Eingelegt wurde die Klage jedoch erst am 30.10.2015, mithin nach beiden Auffassungen verfristet. b) Die Verfristung wäre allerdings unschädlich, soweit dem Kläger vom Verwaltungsgericht gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren ist. Die Klagefrist ist eine gesetzliche Frist i. S. v. § 60 VwGO. Ein Antrag nach § 60 II VwGO ist gestellt worden. Dabei muss es sich nicht um einen ausdrücklichen Wiedereinsetzungsantrag handeln, ausreichend ist – wie hier -, dass sich das Wiedereinsetzungsbegehren zumindest konkludent aus dem klägerischen Vorbringen ergibt.7 Die Antragsfrist des § 60 II 1 VwGO ist eingehalten, da Maus unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes – hier seiner unfallbedingten Abwesenheit - sowohl den Wiedereinsetzungsantrag gestellt, wie auch die versäumte Rechtshandlung, die Erhebung der Klage, nachgeholt und auch die maßgeblichen Tatsachen durch Vorlage des ärztlichen Abschlussberichts glaubhaft gemacht werden können.

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GSBayVGH, BayVBl. 1990, 693; VGH BW, VBlBW 1992, 138; Kopp, VwVfG, § 31, Rn. 14; § 41, Rn. 41; 5. Aufl., 1995; Obermeier, VwVfG, § 41, Rn. 35. 6 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41, Rn. 66. 7 vgl. OVG Münster, DVBl. 1996, 117.

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Fraglich ist aber, ob Maus die Einhaltung der Klagefrist schuldlos versäumt hat.8 Verschulden läge dann vor, wenn Maus diejenige Sorgfalt außer acht gelassen hätte, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Kläger im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles auch zumutbar war. Ausreichend für ein Verschulden ist dabei schon eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung.9 Abzustellen ist insoweit nicht – wie Maus meint – auf das Unfallgeschehen, sondern auf sein Verhalten danach. Maus beabsichtigte, für die Dauer von 2 Wochen von seiner ständigen Wohnung abwesend zu sein. Infolge seines Unfalls belief sich die tatsächliche Abwesenheit auf über 6 Wochen. Grundsätzlich brauchen bei nur vorübergehender Abwesenheit von der Wohnung – nach überwiegender Meinung bis etwa 6 Wochen – keine besonderen Vorkehrungen im Hinblick auf Briefsendungen getroffen werden. Anderes gilt nur bei voraussehbarer (über einen Zeitraum von 6 Wochen hinausgehender) Abwesenheit.10 Allein darauf abgestellt wäre es wohl vertretbar, davon auszugehen, dass für Maus für die Dauer seines Krankenhausaufenthalts keine Notwendigkeit bestand im Hinblick auf seine private Post besondere Vorkehrungen zu treffen. Dann wäre sein Verhalten nicht schuldhaft. Andererseits sind die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Maus konnte ohne weiteres nachvollziehen, dass er für mehr als 6 Wochen von seiner Wohnung abwesend sein wird. Zwar hat er nicht mit wichtiger privater Post gerechnet. Aber bei einer derart langen Abwesenheit – unabhängig davon, ob geplant oder nicht – wäre es naheliegend und ihm zumutbar gewesen, nicht nur im geschäftlichen, sondern auch im privaten Bereich Vorkehrungen für den Empfang von Postsendungen zu treffen mit der Folge, dass es nicht zur Versäumung der Klagefrist hätte kommen können. Von daher dürfte unter Berücksichtigung aller Umstände insoweit zumindest von einer fahrlässigen Sorgfaltspflichtverletzung auszugehen sein, so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch das Verwaltungsgericht ausscheidet (a. A. mit entsprechender Begründung vertretbar). c) Gegebenenfalls könnte das Verschulden auch gem. Art. 45 Abs. 3 Satz 1 bei BayVwVfG entfallen. Voraussetzung wäre, dass die erforderliche Anhörung eines Beteiligten unterblieben und die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes dadurch versäumt worden ist. Die Versäumung der Frist durch M müsste aber auf die fehlende Anhörung zurückzuführen sein 8

vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1999, 473. BVerfG, NVwZ 1992, 1080; BVerwG, NJW 1991, 2096; BayVGH, BayVBl. 1991, 287. 10 vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 70, Rn. 11 mwN. 9

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(Kausalität).11 M hätte aber auch einen Anhörungsbogen vor Erlass des Kostenbescheides nicht rechtzeitig zur Kenntnis genommen, so dass die Kausalität hier nicht vorliegt. (Ggf. weitere Prüfung im Hilfsgutachten!) VI. Form, § 81 I 1 VwGO Der von § 81 I 1 VwGO geforderten Schriftform genügt auch eine Klageerhebung durch Telefax, wenn es wie hier vom Kläger unterschrieben ist. VII.

Rechtsschutzbedürfnis

Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben und entfällt insbesondere nicht deshalb, weil der Kläger die Abschleppkosten bereits bezahlt hat. Für diesen Fall enthält § 113 I 2, 3 VwGO gerade die prozessuale Grundlage zur Geltendmachung einer Rückgängigmachung, solange der belastende Kostenbescheid – wie hier – noch anfechtbar ist. VIII. Zwischenergebnis Die Sachurteilsvoraussetzungen sind nicht erfüllt. (a. A. vertretbar; jedenfalls weitere Prüfung im Hilfsgutachten!). B. Begründetheit Die Anfechtungsklage ist nach § 113 I 1 VwGO begründet, wenn der angefochtene Kostenbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in eigenen Rechten verletzt. Dann wäre der Beklagte auch antragsgemäß zur Rückzahlung der bereits bezahlten Abschleppkosten über insgesamt 165 € gemäß § 113 I 2, 3 VwGO zu verurteilen. I. Formelle Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids 1. Zuständigkeit Zuständigkeit der Polizeidirektion ist nach dem Sachverhalt gegeben. 2. Anhörung, Art. 28 BayVwVfG Der Kostenbescheid stellt einen für den Maus belastenden Verwaltungsakt dar, so dass er vor dessen Erlass nach Art. 28 I BayVwVfG grundsätzlich anzuhören gewesen wäre, was nicht erfolgt ist. Die Anhörung war auch nicht nach Art. 28 II BayVwVfG entbehrlich. 11

Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 45 Rn. 49.

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Der Verfahrensfehler ist jedoch nach Art. 45 I Nr. 3 BayVwVfG durch die Klageerhebung des Maus und die sachliche Befassung der Behörde mit seinem Vorbringen geheilt worden. II.

Materielle Rechtmäßigkeit des Kostenbescheides

1.

Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage des Kostenbescheids könnte Art. 9 II PAG sein. Dann müsste es sich bei der Abschleppmaßnahme um eine unmittelbare Ausführung i. S. v. Art. 9 I PAG handeln. Dies erscheint fraglich, da insoweit auch andere Maßnahmen der Polizei in Betracht kommen. Daher ist eine Abgrenzung vorzunehmen: a) Die Abschleppmaßnahme könnte eine Ersatzvornahme gemäß Art. 53 I, 54 I Nr. 1, 55 PAG sein. Dann müsste es um die Durchsetzung eines polizeilichen Grundverwaltungsakts gehen, der den

Betroffenen

zu

einer

vertretbaren

Handlung

verpflichtet.12

Anlass

der

Abschleppmaßnahme war hier das im Bereich der Münchner Straße (nachträglich) aufgestellte Halteverbotszeichen. aa) Verkehrszeichen sind Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen nach Art. 35 S. 2 Alt. 3 BayVwVfG.13 Halteverbotszeichen enthalten überdies nach ganz überwiegender Auffassung ein entsprechend § 80 II Nr. 2 VwGO sofort vollziehbares Wegfahrgebot, das – wird es von den Verkehrsteilnehmern nicht beachtet – vollstreckt werden kann.14 bb) Erforderlich ist, dass ein wirksamer Verwaltungsakt vorliegt, der vollstreckt werden kann. Dies erscheint fraglich, weil das Halteverbotszeichen erst nachträglich, nachdem Maus sein KFZ zuvor ordnungsgemäß abgestellt hatte, aufgestellt wurde und er auch keine Möglichkeit hatte, tatsächlich davon Kenntnis zu nehmen. Ein Verwaltungsakt – und dies gilt auch für ein Verkehrszeichen als Allgemeinverfügung – wird dem Adressaten oder Betroffenen gegenüber nach

Art.

43

I

BayVwVfG

mit

Bekanntgabe

wirksam.

Zu

unterscheiden

ist

herkömmlicherweise zwischen der äußeren Wirksamkeit eines Verwaltungsakts, womit seine 12

Schmidbauer/Steiner/Roese, PAG, Art. 55, Rn. 5 ff., 2. Auflage 2006. BVerwG, JZ 1997, 781; NJW 1980, 1640; VGH BW, VBl.BW 1996, 32; NJW 1991, 1698; VGH Kassel, NJW 1997, 1023; Manssen, DVBl, 1997, 633. 14 BVerwG, JZ 97, 781; NJW 1995, 1977; NJW 1982, 348; NJW 1978, 656; VGH BW, NJW 1991, 1698; Janssen, JA 1996, 165; Gersdorf, NVwZ 1995, 1086; Deinelt, NVwZ 1994, 664. 13

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rechtliche Existenz gemeint ist, und der inneren Wirksamkeit, die zur Verbindlichkeit des Verwaltungsakts für den Adressaten oder Betroffenen führt.15 Soweit es um die Bekanntgabe von Verkehrszeichen als Allgemeinverfügung geht, erfolgt dies aufgrund der besonderen bundesrechtlichen Vorschriften der §§ 39 I, 45 IV StVO durch (einfaches) Aufstellen des jeweiligen Verkehrszeichens. Insoweit handelt es sich um eine der Regelung des Art. 41 III BayVwVfG gegenüber spezielle Form der öffentlichen Bekanntgabe. Sobald Verkehrszeichen daher so aufgestellt sind, dass ein „durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt sie schon mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann“, äußern sie Wirksamkeit gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer unabhängig davon, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht.16 Verkehrsteilnehmer i. d. S. ist, wie § 12 StVO zeigt – wonach der Verkehrsbegriff der Straßenverkehrsordnung auch den ruhenden Verkehr erfasst -, auch derjenige, der sein Kraftfahrzeug im (öffentlichen) Verkehrsraum parkt, solange er Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist. Betroffen von dem entsprechenden Verkehrszeichen sind Verkehrsteilnehmer dann, wenn sie sich in seinem Geltungsbereich befinden. Auf die subjektive Kenntnisnahme des Betroffenen kommt es nicht an.17 Letzteres lässt sich auch mit einem Hinweis darauf begründen, dass etwa Gesetze und Rechtsverordnungen nach ihrer Verkündung in den vorgesehenen Veröffentlichungsorganen generell Geltung erlangen. Gleiches gilt für Planfeststellungsbeschlüsse nach Art. 74 V 3 BayVwVfG.18 Dies zugrunde gelegt, liegt ein auch dem Maus gegenüber wirksamer Verwaltungsakt vor, der von der Erlassbehörde grundsätzlich vollstreckt werden kann. (Vertretbar erscheint aber auch, das Aufstellen des Halteverbotszeichens für seine Verbindlichkeit den Verkehrsteilnehmern gegenüber allein nicht genügen zu lassen, sondern für die innere Wirksamkeit des im Halteverbotszeichen enthaltenen Wegfahrgebots die tatsächliche Kenntnisnahme(möglichkeit) zu verlangen.19 Danach würde es hier schon an einem dem Kläger gegenüber wirksamen Verwaltungsakt fehlen, so dass eine Ersatzvornahme bereits deshalb nicht in Betracht kommt).

15

VGH BW, NJW 1991, 1698; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43, Rn. 154 ff.; Gröpl, JA 1995, 904 BVerwG, JZ 1997, 780 = NJW 1997, 1021 = DVBl. 1998, 93. 17 OVG Münster, NVwZ 1996, 59; Hendler, JZ 1997, 782; Erichsen/Hörster, Jura 1997, 659; Mehde, Jura 1998, 297. 18 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74, Rn. 129. 19 So Koch/Niebaum, JuS 1997, 312; Hansen/Meyer, NJW 1998, 284. 16

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cc) Das Halteverbotszeichen geht jedoch nicht auf eine polizeiliche Anordnung zurück, sondern wurde von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde erlassen. Die Vollstreckung daraus erfolgt grundsätzlich durch die Straßenverkehrsbehörde auf Grundlage des VwZVG. Damit scheidet – mangels vollzugspolizeilicher Primärmaßnahme – eine Vollstreckung des im Halteverbotszeichen enthaltenen Wegfahrgebots mittels Ersatzvornahme durch die Polizei auf Grundlage der Art. 53 I, 54 I Nr. 1, 55 PAG aus. b)

In

Betracht kommen

könnte

im

Hinblick

auf eine Vollstreckung des

im

Halteverbotszeichen enthaltenen Wegfahrgebots aber Vollzugshilfe durch die Polizei gemäß Art. 50 – 52 PAG. Nach Art. 50 PAG obliegt es der Polizei unter den dort geregelten Voraussetzungen, anderen Behörden bei der Durchsetzung ihrer Verwaltungsakte zu unterstützen (vgl. Köhler, BayVBl. 1998, 453). Liegt ein wirksamer Verwaltungsakt der Erlassbehörde vor (siehe oben unter a) bb)), wäre Vollzugshilfe nur unter den (weiteren) in Art. 50 PAG genannten Voraussetzungen zulässig. aa) Zunächst müsste der Grundverwaltungsakt der Erlassbehörde nach Art. 19 VwZVG unanfechtbar oder sofort vollziehbar sein. Letzteres trifft für das Wegfahrgebot eines Halteverbotszeichens zu, da es nach ganz überwiegender Meinung in den Regelungsbereich des § 80 II Nr. 2 VwGO fällt.20 bb) Die Abschleppmaßnahme müsste zudem die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegenüber einer Sache gewesen sein (zur Definition siehe Art. 61 PAG). Dies ist nicht der Fall. Bei dem im Halteverbotszeichen enthaltenen Gebot des „Wegfahren müssens“ handelt es sich um eine vertretbare Handlung, die nicht nur vom Betroffenen in seiner Person selbst ausführbar ist.21 Unmittelbarer Zwang kommt aber, soweit es um die Vollstreckung von vertretbaren Handlungen geht, nur dann in Betracht, wenn der Pflichtige gegen die Ersatzvornahme Widerstand leistet (vgl. Art. 34 S. 2 VwZVG) und daher der entgegenstehende Wille durch die Polizei gebrochen werden muss. Der Verwaltungsakt, der 20

BVerwG, NJW 1978, 656; VGH BW, VBl.BW 1996, 32; VGH Kassel, NVwZ-RR 1999, 23; OVG Münster, NJW 1998, 329; Erichsen, Jura 1997, 659; Manssen, DVBl. 1997, 634; Kopp/Schenke, VwGO, § 80, Rn. 64. 21 Hansen/Meyer, NJW 1998, 284.

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durch die Polizei im Wege der Anwendung unmittelbaren Zwangs durchgesetzt werden soll, kann den Pflichtigen daher nicht zu einer vertretbaren Handlung verpflichten, die er in absolut identischer Form hätte selbst vornehmen können. Daher liegt hier im Hinblick auf das Abschleppen kein unmittelbarer Zwang vor, da es um eine Handlung – das Wegfahren müssen – geht, die der Betroffene hätte genauso vornehmen müssen und können.22 cc) Darüber hinaus liegt auch kein i. S. v. Art. 50 I, 51 PAG notwendiges Ersuchen der zuständigen Straßenverkehrsbehörde – der Stadt Rosenheim – vor. c) Die Abschleppmaßnahme kann überdies auch nicht als Vollstreckungshilfe gemäß Art. 37 VwVZG, die der (allgemeinen) Vollzugshilfe vorgehen würde, eingeordnet werden.23 Ungeachtet dessen, dass es vorliegend schon an der Anwendung unmittelbaren Zwangs fehlt, wäre Voraussetzung, was aber nicht gegeben ist, dass die Vollstreckungsbehörde bereits selbst vollstreckt und in diesem Zusammenhang die Hilfe der Polizei benötigt. Zwischenergebnis: Damit ist das Abschleppen des dem Maus gehörenden Fahrzeugs durch die Polizei keine Vollstreckungsmaßnahme im Hinblick auf das von der Straßenverkehrsbehörde aufgestellte Halteverbotszeichen und des darin enthaltenen Wegfahrgebots. d) In Betracht kommen könnte in Abgrenzung zu einer unmittelbaren Ausführung nach Art. 9 I PAG auch eine sofortige Ersatzvornahme durch die Polizei auf Grundlage von Art. 53 II, 55 PAG, ohne dass zuvor eine polizeiliche Primärmaßnahme erlassen werden muss. Notwendig wäre insoweit, dass die Polizei innerhalb ihrer Befugnisse tätig geworden ist, also alle Voraussetzungen für den Erlass eines polizeilichen Grundverwaltungsakts vorliegen, der wegen der Eilbedürftigkeit entfallen kann. Sowohl bei der unmittelbaren Ausführung gemäß Art. 9 I PAG wie auch bei der sofortigen Ersatzvornahme nach Art. 53 II, 55 PAG ist die zeitliche Dringlichkeit ausschlaggebend.24 Während allerdings bei der sofortigen Ersatzvornahme eine vorherige polizeiliche Anordnung entweder gar nicht oder nicht rechtzeitig zum Erfolg führen würde, ist bei der unmittelbaren Ausführung eine polizeiliche Anordnung an den Pflichtigen aus rechtlichen oder faktischen 22

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