Hemmer Fall 4 Scheinkaufmann PDF

Title Hemmer Fall 4 Scheinkaufmann
Author Nuh Lin
Course Handels- und Gesellschaftsrecht
Institution Universität Bremen
Pages 3
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Summary

Fall Lösung...


Description

Hemmer Fall 4 Scheinkaufmann Fall 4: Hochmut kommt vor dem Fall — oder nicht? Sachverhalt: Müller (M) will seinen potenziellen Kunden Schulze (S) beeindrucken. In Vertragsverhandlungen prahlt er, seine (in Wirklichkeit sehr kleine Reparaturwerkstatt mit nur einem Angestellten, die nicht ins Handelsregister eingetragen ist) sei mit Aufträgen in Höhe von „sechsstelligen Beträgen" auf mehrere Jahre fast ausgelastet. Diese Aufträge könnten „seine 50 Mitarbeiter" kaum bewältigen. Nur ausnahmsweise könne er den „kleinen Auftrag" für S noch annehmen. Frage: Muss M sich gegenüber S als Kaufmann behandeln lassen? I.

II.

Einordnung Liegt keine Handelsregistereintragung vor und ist auch objektiv keine kaufmännische Einrichtung erforderlich, ist der Gewerbetreibende grundsätzlich nicht als Kaufmann zu behandeln. Ein wesentlicher Grundgedanke des Handelsrechts ist jedoch der Schutz des Vertrauens des Rechtsverkehrs. Es ist denkbar, dass ein Kleingewerbetreibender durch ein bestimmtes Verhalten den Anschein erweckt, Kaufmann zu sein, und sein Geschäftspartner vielleicht auch nur aus diesem Grund in vertragliche Beziehungen mit dem Unternehmensträger getreten ist. In diesen Fällen ist der Vertragspartner zu schützen, sofern er schutzwürdig ist, d.h. keine Kenntnis vom wahren Sachverhalt hat. Dieser Schutz wird mit dem Rechtsinstitut des Scheinkaufmanns durchgesetzt. Dabei ist Scheinkaufmann kraft tatsächlichen Verhaltens derjenige, der im kaufmännischen Rechts- und Geschäftsverkehr als Kaufmann auftritt, ohne es tatsächlich zu sein. Gliederung Muss M sich S gegenüber als Kaufmann behandeln lassen? 1. M Kaufmann? a) Gem. S 1 HGB (-), Betrieb des M ist mangels Erforderlichkeit einer kaufmännischen Einrichtung kein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 II HGB b) Gem. S 2 HGB (-) mangels Eintragung ins Handelsregister M ist damit kein Kaufmann gem. §§ 1, 2 HGB 2. M=Scheinkaufmann? Voraussetzungen: a) Rechtsscheinstatbestand (+), M erweckt dahingehend Vertrauen, einen großen Gewerbebetrieb zu haben b) Zurechenbarkeit (+), M veranlasst durch die Prahlerei den Rechtsschein, Istkaufmann i.S.d. § 1 Il HGB zu sein c) Schutzbedürftigkeit (+), keine positive Kenntnis bzw. grob fahrlässige (str.) Unkenntnis der S. d) Kausalität (+), Handeln des S im Vertrauen auf den Rechtsschein Ergebnis: M muss sich als Kaufmann behandeln lassen

III. Lösung M muss sich S gegenüber dann als Kaufmann behandeln lassen, wenn er entweder tatsächlich Kaufmann ist oder aber nach der Lehre vom Scheinkaufmann als Kaufmann gilt. 1. Kaufmannseigenschaft des M Zunächst ist zu prüfen, ob M Kaufmann ist. a) Gem. § 1 HGB Eine Kaufmannseigenschaft könnte sich aus § 1 HGB ergeben. Dann müsste M ein Gewerbe betreiben, das ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 II HGB ist. Mit der Reparaturwerkstatt betreibt M ein Gewerbe. Allerdings beschäftigt M nur einen einzigen Mitarbeiter. Demnach ist die Werkstatt sehr klein und erfordert weder nach Art noch nach Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb. ->M ist folglich kein Istkaufmann i.S.d. S 1 HGB. b) Gem. § 2 HGB Mangels Eintragung in das Handelsregister ist M auch nicht Kannkaufmann nach S 2 HGB. 2. M als Scheinkaufmann M könnte sich jedoch nach der Lehre vom Scheinkaufmann als Kaufmann behandeln lassen müssen. Dazu müssten die Voraussetzungen des Scheinkaufmanns vorliegen. a) Rechtsscheinstatbestand Zunächst ist das Vorliegen eines Rechtsscheinstatbestandes erforderlich. Dies ist dann der Fall, wenn der Handelnde das Vertrauen in eine bestimmte Tatsache erweckt. M prahlt hier, er habe 50 Mitarbeiter. Außerdem sei er mit Aufträgen in Höhe von „sechsstelligen Beträgen" über mehrere Jahre fast ausgelastet. Damit erweckt er dahingehend Vertrauen, seine Reparaturwerkstatt erfordere nach Art und Umfang einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb. Es besteht also ein dahingehender Rechtsscheinstatbestand, M sei Istkaufmann. Anmerkung: Beachten Sie: Nicht jeder Gewerbebetrieb als solcher erzeugt den Rechtsschein eines kaufmännischen Gewerbes. Dann wäre S 2 HGB nämlich überflüssig. Vielmehr müssen zusätzliche Umstände hinzukommen, wie z.B. das Vorspiegeln von angeblich „riesigen Aufträgen". b) Zurechenbarkeit Diesen Rechtsschein müsste M in ihm zurechenbarer Weise veranlasst haben. Hätte er nicht geprahlt, wäre der Rechtsschein nicht entstanden. Die Zurechenbarkeit ist damit zu bejahen. Anmerkung: Die Zurechenbarkeit beruht grds. nicht auf dem Verschuldens-, sondern vielmehr auf dem Veranlassungs- (z Risiko-)Prinzip. Daher setzt auch derjenige einen zurechenbaren Rechtsscheinstatbestand, der lediglich auf Grund eines unverschuldeten Irrtums als Kaufmann auftritt. Anderes gilt nur dann. wenn es um das Unterlassen der Beseitigung eines von einem Dritten gesetzten Rechtsscheins geht: Dann ist ein Verschulden seitens des vermeintlichen Kaufmanns erforderlich. Das Setzen eines Rechtsscheins ist keine Willenserklärung, sondern ein Realakt. Damit kommt eine Anfechtung gerade nicht in Betracht! c) Schutzbedürftigkeit Weiterhin ist erforderlich, dass S schutzbedürftig ist. Dies ist er dann, wenn er weder positive Kenntnis noch grob, fahrlässige Unkenntnis (dies ist jedoch str.) von den wahren Gegebenheiten hat.

Anmerkung: Die im Handelsverkehr erforderliche Sorgfalt, § 347 HGB, beinhaltet jedoch keine Verpflichtung, Nachforschungen über die Richtigkeit des Rechtsscheins anzustellen. Allerdings sind beim Vorliegen besonderer Umstände Ausnahmen von diesem denkbar. S weiß hier nicht, dass die Werkstatt des M tatsächlich derart klein ist, dass sie keinen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordert und M damit in Wirklichkeit kein Kaufmann ist. S ist daher schutzbedürftig. d) Kausalität Schließlich ist Kausalität erforderlich, d.h. S müsste im Vertrauen auf den Rechtsschein handeln. Schließt S im Vertrauen auf die Kaufmannseigenschaft des M mit diesem einen Vertrag ab, kann die Kausalität bejaht werden. Anmerkung: Aus diesem Kausalitätserfordernis ergibt sich, dass es im reinen Unrechtsverkehr keine Rechtsscheinshaftung geben kann. Dies führt das folgende Beispiel vor Augen: Keiner lässt sich im Vertrauen auf die Kaufmannseigenschaft des anderen von diesem mit dem Auto anfahren! Ergebnis: M muss sich gem. § 242 BGB i. V. m. dem Grundsatz der allgemeinen Rechtsscheinshaftung zu Gunsten des S als Kaufmann behandeln lassen, wenn die beiden in vertragliche Beziehungen zueinander treten. Zusammenfassung Sound: Scheinkaufmann kraft Auftretens ist derjenige, der durch ein nach außen gerichtetes Verhalten entgegen den tatsächlichen Verhältnissen in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, er betreibe als Inhaber ein kaufmännisches Unternehmen. Hemmer-Methode: Beim Scheinkaufmann handelt es sich letztlich nur um einen Sonderfall der allgemeinen Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§§ 242, 157 BGB): Derjenige, der im Rechtsverkehr durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand schafft, muss sich zu Gunsten schutzwürdiger Dritter so behandeln lassen, als entsprächen seine Behauptungen den Tatsachen....


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