Leitfaden zur Quellenkritik PDF

Title Leitfaden zur Quellenkritik
Course Operatoren im Geschichtsunterricht
Institution Technische Universität Dresden
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Leitfaden zur Quellenkritik...


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Quellenkritik und -interpretation Die Quellenkritik analysiert die formalen (äußeren und stilistischen) und inhaltlichen Merkmale einer Quelle, die Quelleninterpretation ordnet sie dann in einem nächsten Schritt in den historischen Kontext ein und wertet sie im Sinne der Fragestellung aus. Folgendes Vorgehensschema ist auf mittelalterliche Quellen zugeschnitten, lässt sich aber ebenso auf die Zeugnisse anderer Epochen übertragen. 1. Fragestellung Welche Fragen habe ich an die Quelle? 2. Erschließung der Quelle (Verstehen) Quellenbeschreibung / Aufbereitung der Quelle • Art der Quelle (Bild, Gebäude, Text usw.) • Aufbewahrungsort und ursprüngliche Herkunft (Provenienz) • Charakterisierung von Beschreibstoff, Schrift, Zahl der Blätter, Gestaltung des Textes, Zerstörungen usw. Textsicherung • „Lesen“: Entzifferung der (Hand-)Schrift • ggf. Übersetzung Aussage • Was ist die Grundaussage / das Thema der Quelle? (Inhaltsangabe) Verständnis: Sprachliche / Sachliche Aufschlüsselung • Klärung unbekannter Namen, Begriffe und Sachverhalte • Klärung von Personennamen / Institutionen / Orten / Daten • Bedeutungswandel wichtiger Begriffe? • spezifische Fachbegriffe • Auf welchen historischen Kontext bezieht sich die Quelle? (sozialer, politischer, kultureller Hintergrund) => Zur Klärung dieser Fragen dienen die Quellenkommentare (bei edierten Quellen), Handbücher und Lexika Entsprechende Hilfswissenschaften: • Diplomatik (Urkundenlehre), (Siegelkunde)

Paläographie

(Schriftkunde),

Chronologie,

Sphragistik

Quellenkritik (Bestimmung des Aussagewerts) Äußere (formale) Quellenkritik: Ist die Textgestalt glaubwürdig? Herkunft: • Datierung des Textes? • Entstehungsort? • Wer ist der Verfasser? Institution (Kanzlei, Behörde usw.) • Wie wurde die Quelle überliefert? (Quellenedition, Verwendung in einem Sekundärtext, …) • Handelt es sich bei dem Text um eine Übersetzung? • Adressat? (An wen richtet sich der Text?) Echtheit: • Ist der genannte Autor der Verfasser? • Überlieferungsgeschichte des Textes? • Echtheit / Fälschung? • Varianten / Parallelüberlieferungen? • Änderungen, Überlieferungslücken? Innere Quellenkritik: Feststellung des Aussagewerts der Quelle (Ist die Quellenaussage glaubwürdig?) „Horizont“ des Verfassers: Was konnte der Verfasser wissen? • Person des Verfassers? • Zeitliche und örtliche Nähe zum Geschehen? (Was hat er wissen können) • Beruhen die Informationen auf eigenen Beobachtungen des Verfassers? Auf wen / welche Quellen stützt er sich? • Welcher sozialen, kulturellen oder politischen Gruppe ist er zuzuordnen? • Was hat er (eigentlich) berichten wollen? (Verfälschungen, Verzerrung, Verschweigen) • Welche Wertmaßstäbe legt er an? • Bildungsstand? „Tendenz“: Was will der Verfasser berichten? (Intention) • Standpunkt des Schreibenden (Idealisierung, Verzerrung der Sachverhalte, Belehrung, Auslassung usw.)? • Verhältnis zum geschilderten Geschehen? (Ist der Verfasser in das Geschehen involviert? Wie steht er zu den genannten Personen?) • Interessen des Verfassers? (z.B. eigene Rechtfertigung) • Wie wird argumentiert? Gibt es Anspielungen? • Verhältnis zum Adressaten? • Gibt es einen Auftraggeber? Was sind dessen Interessen? • Worin werden Zeit- und Standortgebundenheit des Verfassers deutlich?

Textgattung und –stil: Wie berichtet der Verfasser? • Um welche Quellengattung handelt es sich? (Urkunde, Autobiografie usw.)? • Welche formalen Vorgaben / Rahmen sind dem Verfasser damit gesetzt? Wo weicht er evtl. davon ab? • Stilebene, Sprachduktus, Wortwahl, Topoi? • Schlüsselworte des Textes? • Aufbau / Gliederung? • Unklarheiten (Begriffe, Ereignisse, Personen etc.) mit Hilfsmitteln (z.B. Lexika Handbücher, Biographische Nachschlagewerke, Kommentare) klären W-Fragen-Katalog: Wann? Datierung der Quelle, Ausstellungsdatum (und –ort); kann fehlen, unklar oder falsch sein (über Kontext, beschriebene Vorgänge, andere Quellen u.ä. erschließen bzw. einengen), bei Quelleneditionen meist angegeben Wer? Verfasser, Problematik s.o. Wem? Adressat, Problematik s.o. Was/Wie? - Inhaltsangabe: Überblick sowie Gliedern und Gewichten des Inhalts, - bei Urkunden u.ä. Quellen > Regest (Regestensammlungen) - beschränken auf textimmanente Informationen, noch keine Interpretation! Warum? Anlass, Ziel/Zweck des Verfassers, Verhältnis Verfasser – Adressat Wirkung? - Einordnung in historischen Zusammenhang ( Handbücher, Nachschlagewerke) - Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Quelle - Intentionen des Verfassers, biographische Hintergründe - ideologisch-soziale Zeitbedingtheit von Quelle/Verfasser 4. Interpretation Die Interpretation lässt sich nicht scharf von der „Inneren Kritik“ abgrenzen. Aus der Quelle gewonnene Informationen werden nun auf die Fragestellung bezogen und in die gegebenen Zusammenhänge eingeordnet. Die Einzelinformationen werden zu einem Ganzen zusammengesetzt. Dabei sollte auch geprüft werden, wie sich die gewonnen Erkenntnisse aus der Quelle zum Kenntnisstand bzw. Forschungsstand bezüglich des behandelten Themas verhalten. Zur besseren Einordnung der Quelle sollten weitere zeitnahe Quellen zum gleichen Thema herangezogen werden.  BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGE!!! a) Inhaltsangabe (bei Inhaltsangaben von Schriftstücken mit Urkundencharakter = Regest, dann vorgeschrieben: Datum, Ort, Aussteller, kurze Benennung der behandelten Angelegenheit; sachlicher Stil, noch keine Hintergrundinformationen zum Quelleninhalt!) b) Interpretation (Eingrenzung des Aussagebereichs): Kontrolle durch andere Quellen und Fachliteratur; Einordnung in einen biographischen, sozialen, wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen, ideologischen, kulturellen Kontext mit Hilfe der Fachliteratur und/oder ergänzender Quellen. Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Quelle beachten!

c) Bestimmung des Erkenntniswertes für die eigene Fragestellung (Ergebnis und Zusammenfassung). Bedenkt: die Quelle ist Mittel zum Zweck, hat also die Bestimmung des Erkenntniswertes für meine eigene Fragestellung zum Ziel! Zu Bedenken ist: • Die Quellenarbeit erlaubt oft nur teilweise befriedigende Antworten. Das Ergebnis hat fast nie den Charakter der Endgültigkeit. • Es sollte nicht erwartet werden, dass die Quellenarbeit eindeutige Antworten erbringen kann. Fast immer sind mehrere Interpretationen denkbar, was auch die Kontroversen in der Fachliteratur verdeutlichen. 5. Darstellung der Ergebnisse Die schriftliche Darstellung der Ergebnisse der Quellenanalyse enthält: • Fragestellung, die an die Quelle gerichtet wird • Grundaussage / Inhalt • Einordnung in den historischen Kontext • Erläuterung der Analyseergebnisse, die im Rahmen der Fragestellung relevant sind • Interpretation • Zusammenfassung der Ergebnisse Recherche: Wie finde ich Quellen zu einem bestimmten Thema? 1. Gedruckte Quellen: • Quellenverzeichnisse von Handbüchern und Monografien • Quellenkunden (Überblick über die edierten Quellen eines bestimmten Raums, einer bestimmten Epoche bzw. eines bestimmten Sachgebiets) • Fachbibliografien / Studienbibliografien (Baumgart) 2. Ungedruckte Quellen • Quellenverzeichnisse in der Forschungsliteratur • Archivinventare und Findbücher (z.T. auch im Internet) • digitalisierte Quellen im Internet (vgl. dazu http://www.historicum.net/recherche/digitalisierte-quellen/textressourcen/) 3. Quelleneditionen Historisch-kritische Quelleneditionen sind gedruckte (oder im Internet publizierte) Bearbeitungen von Quellen nach bestimmten methodischen Regeln. Merkmale einer kritischen Edition: • Dokumentation der Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte des Textes • Ausweis der Editionsprinzipien (Auswahl, Kommentierung, Schreibweise) • genaue Wiedergabe der Textgestalt (Kennzeichnung von Textlücken, unleserlichen Stellen, Einschüben, Parallelüberlieferungen usw.) • Akten: genaue Provenienzbezeichnung: Archiv, Aktenzeichen, Signatur, Datierung usw. • Anmerkungsapparat und evtl. Kopfregest

Literaturverzeichnis Exkurs 2: zum wissenschaftlichen Umgang mit Quellen --Ein Gegenstand, eine Aufzeichnung, eine Tatsache wird erst dann zur „Quelle“, wenn die in ihm ruhenden Möglichkeiten, über Vergangenes etwas auszusagen, durch bewußtes Fragen freigesetzt und die Aussage kritisch überprüft wird. Historisches Wissen beruht auf einer solchen Auswertung der Quellen. Um es zu erweitern, muß man - neue Quellen aufspüren, - bekannte Quellen mit neuen Fragestellungen untersuchen. •

Arbeitsschritte (Historisch-Kritische Methode) Didaktisch gesprochen durchläuft man bei der Quellenarbeit die drei Stufen der Sachanalyse, des Sachurteils und des Werturteiles. Konkrete Arbeitsschritte in der Reihenfolge dieser Stufen mit dem Ziel der Interpretation eines mittelalterlichen Textes wären: a) das Sammeln der für ein Thema grundlegenden Quellen (Heuristik) Dies geschieht mit Hilfe von Quellenkunden (vgl. Abs. B.1) wie auch der Quellenangaben in Handbüchern und weiterer Literatur. Die neuesten, kritischen Editionen eines Textes, die bei der Arbeit wenn möglich zu benutzen sind, werden festgestellt. b) Äußere Kritik (Autor, Datierung, Überlieferungszustand, Lageort, Edition der Quelle[siehe a.]) Die Einleitung moderner kritischer Editionen sowie verschiedene Quellenkunden (POTTHAST / REPERTORIUM FONTIUM) geben die dazu notwendigen Informationen. c) sinngemäße Übersetzung und sprachliche Erläuterung der Quelle d) Sachkommentar Die im Text vorkommenden Termini, der wichtigsten Personen und Daten werden geklärt. Dies kann mit Hilfe des Kommentarteiles der kritischen Edition geschehen. e) Wiedergabe der Quelle (Kurzzusammenfassung/Exzerpt unter thematischer Schwerpunktsetzung) f) Auswertung Quellenimmanenter Zusammenhänge chronologischer oder systematisch-sachlicher Natur werden hergestellt. g) Einordnung in den historischen Kontext (Herstellung externer Zusammenhänge) Die in der Quelle beschriebenen Einzelphänomene werden mit parallelen Entwicklungen und übergeordneten Strukturen in Verbindung gebracht. Die zu stellenden Fragen erfassen die Phänomene in diachroner und synchroner Blickrichtung. h) Interpretation der Funde Hier wird die Bedeutung der Quelle in Konfrontation mit anderen Quellen, bestehenden Forschungsmeinungen, spezifische Fragestellungen zu einem Problemfeld bewertet. i) Kritische Würdigung Letztlich wird die Frage nach der Intentionalität bzw. nach den Möglichkeiten und Grenzen

des vorliegenden Textes gestellt: Was konnte / wollte berichtet werden und was nicht? Beispielinhaltsverzeichnis zur Vita Engelberti des ermordeten Erzbischof Engelberts von Köln

Seite 1.

Forschungsbericht

4

2.

Äußere Quellenkritik

5

3.

Innere Quellenkritik

6

3.1

Verfasser, Verfasserintention und Entstehungsgeschichte

7

3.2

Engelberts Leben und inhaltlicher Überblick

9

3.3

Interpretation

10

4.

Zusammenfassung/Fazit

11

5.

Quellen- und Literaturverzeichnis

12

6.

Selbständigkeitserklärung

12

7.

Anhang

13...


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