Title | Negative Freiheit ohne positive Freiheit? zu Isaiah Berlins zwei Freiheitskonzeptionen |
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Author | Sophie Müller |
Course | Proprädeutikum Soziologie |
Institution | Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen |
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Negative Freiheit ohne positive Freiheit?
zu Isaiah Berlins zwei Freiheitskonzeptionen...
RWTH Aachen Institut fr Politische Wissenschaft Propädeutikum Politikwissenschaft Dr. Jürgen Förster Sommersemester 2018
Negative Freiheit ohne positive Freiheit? zu Isaiah Berlins zwei Freiheitskonzeptionen vorgelegt als Exposé
Stefanie Jaschke Gesellschaftswissenschaften 4. Fachsemester Matrikelnummer: 319981 [email protected] Abgabe: 02.07.2018
Gliederung
der
1. Einleitung 2. Berlins Freiheitsbegriffe 2.1. Negative Freiheit 2.2. Positive Freiheit 3.
Berlins Problem mit der positiven Freiheit 3.1. Der metaphysische Kern 3.2. Wertemonismus
4. Wert der Demokratie 4.1. Selbstbestimmung 4.2. Sicherung der Freiheit 5. Fazit: ein Akt der Balance Literaturverzeichnis Eigenständigkeitserklärung
Hausarbeit
Freiheit gehört unstrittig zu den wichtigsten Werten der westlichen Gesellschaften. Weniger eindeutig ist hingegen die genaue Bedeutung des Freiheitsbegriffs. Unter welchen Bedingungen lebt man in Freiheit? Woran lässt sich der Grad der Freiheit bemessen? Welche Handlungsräume soll Freiheit umfassen? In der Ideengeschichte gibt es eine Vielzahl an Definitionen von Freiheit und ihre Bedeutung wandelt sich fortwährend. Zu den bedeutendsten Beiträgen in der jüngeren Geschichte der Diskussion zählt die Antrittsrede Isaiah Berlins zu seiner Professur an der Oxford University im Jahr 1958. Berlin unterscheidet zwischen zwei unterschiedlichen Auffassungen von Freiheit, die er für die Ursache eines grundlegenden ideologischen Konflikts hält: in welchem Maß Zwang auf Menschen ausgeübt werden darf. Die Antwort auf dieses Problem ist laut Berlin abhängig davon, ob man ein Anhänger des Konzepts der negativen Freiheit oder der positiven Freiheit ist. (Vgl. Berlin 1995: 200 f.) Als negative Freiheit bezeichnet er die Möglichkeit in einem bestimmten Bereich ungehindert durch Eingriffe anderer Menschen handeln zu können. Freiheit in diesem Sinne bedeutet immer Freiheit von etwas, die Freiheit von Einmischung und Kontrolle in einem zu definierenden Privatbereich. (Vgl. Berlin 1995: S. 201 ff.) Bei der positiven Freiheit geht es jedoch um die Frage, von wem überhaupt Kontrolle und Einmischung ausgehen darf oder anders gesagt: es geht darum, wer mich regiert. Die Bedeutung der Freiheit im positiven Sinne, liegt in der Freiheit zu etwas, der Freiheit sein eigener Herr zu sein
und
selbstbestimmt
zu
leben.
(Vgl.
Berlin
1995:
S.
210
f.)
Für Berlin sind dies nicht nur zwei klar voneinander zu unterscheidende Auffassungen von Freiheit, vielmehr liegen diesen Begriffen ideengeschichtlich „zwei grundverschiedene, unvereinbare Einstellungen zu den Zielen des Lebens“ (Berlin 1995: S. 249) zugrunde. Er selbst sieht in der positiven Freiheit eine große Anfälligkeit zur Instrumentalisierung des Freiheitsbegriffs, um im Namen der Freiheit Zwang auf Menschen auszuüben. Die politische Selbstbestimmung lässt viel Spielraum für Interpretation, was er durch die Beschreibung eines Tricks verdeutlicht: aus der Selbstbestimmung und Selbstbeherrschung ergibt sich die Spaltung des Individuums in ein höheres und ein niederes Selbst. Das niedere Selbst muss diszipliniert werden, um die noch höhere Stufe des „wahren“ Selbst zu erreichen, dessen Bedeutung über die des Individuums hinausgeht und welches Teil eines größeren Ganzen ist. Dieser Trick macht es möglich, auf die einzelnen Bestandteile dieses großen Ganzen für ein höheres Ziel, wie z.B. eine „höhere“ Form der Freiheit, Zwang auszuüben und unbegrenzt in den privaten Bereich einzugreifen. (Vgl. Berlin 1995: 212 f.) Berlin befürwortet die negative Freiheit, obwohl diese keine politische Selbstbestimmung zur Bedingung hat (vgl. Berlin 1995: 209) und zeigt im 3
weiteren Verlauf seiner Ausführungen eine sehr misstrauische Haltung gegenüber dem Prinzip der Demokratie: „Denn klar ist, daß [sic!] die individuelle Freiheit von der Herrschaft der Mehrheit wenig zu erhoffen hat; die Demokratie als solche setzt sich nicht unbedingt für sie ein, und im Laufe der Geschichte hat sie es bisweilen versäumt, die Freiheit zu schützen, während sie gleichzeitig doch ihren eigenen Prinzipien treu blieb.“ (Berlin 1995: 248)
Aus Seiner Unterscheidung der zwei Freiheitsbegriffe und seiner Argumentation für die negative
Freiheit
ergibt
sich
für
mich
jedoch
folgende
Frage:
Ist positive Freiheit nicht eine wichtige Voraussetzung zur Wahrung der individuellen Freiheit? Meine These lautet, dass die positive Freiheit die größtmögliche Sicherheit zur Wahrung der negativen Freiheit bietet und daher für die individuelle Freiheit unverzichtbar ist. Beginnen werde ich meine Hausarbeit mit einer Einleitung zur Einordnung des Themas in den ideengeschichtlichen Kontext und mit Bezugnahme auf autokratische Tendenzen in der aktuelleren politischen Entwicklung. Im Hauptteil werde ich zunächst darstellen wie Berlin die beiden Freiheitsbegriffe versteht, um dann im nächsten Kapitel herauszuarbeiten, warum er der positiven Freiheit misstraut oder wie Theodore Putterman feststellt: warum er dazu neigt, die positive Freiheit so gering zu schätzen (vgl. Putterman 2006: 419). Im ersten Schritt widme ich mich dabei der Kritik am metaphysischen Hintergrund der positiven Freiheit. Hier möchte ich den radikalen Ausschluss innerer Hindernisse als Beeinträchtigung von Freiheit hinterfragen. Dabei werde ich mich auf die vielleicht bekanntestes Kritik des engen Freiheitsverständnisses Berlins beziehen: Das Kapitel „Der Irrtum der negativen Freiheit“ aus „Negative Freiheit?“ von seinem ehemaligen Schüler Charles Taylor. Taylor meint, man mache es sich zu leicht, jede Form von Selbstverwirklichung von vornherein auszuschließen, um sich von totalitären Systemen abzugrenzen, und unterscheidet zwischen individueller und kollektiver Selbstverwirklichung. (Vgl. Taylor 1995: 123) Wie weit eine Öffnung des negatives Freiheitsverständnis für Elementen der positiven Freiheit unumgänglich ist, möchte ich an dieser Stelle meiner Hausarbeit diskutieren, denn ganz sicher scheint auch Taylor sich nur in einem zu sein: „Der erste Schritt von der Hobbesschen Definition zu einer positiven Auffassung, einer Auffassung von Freiheit als Fähigkeit, meine Zwecke zu verwirklichen, der zufolge die Freiheit um so größer ist, je bedeutsamer die Ziele sind, ist ein Schritt, den wir notwendig tun mssen.“ (Taylor 1995: 144)
4
Im zweiten Schritt werde ich insbesondere auf den letzten Abschnitt in Berlins „Zwei Freiheitsbegriffe“ eingehen, der einen wichtigen Beweggrund für Berlins Vorzug der negativen Freiheit offenbart: den Pluralismus. Doch Freiheit in Verbindung mit Vernunft und Pluralismus stehen nicht im Widerspruch zueinander. Taylor stellt hierzu fest, dass man auch ausgehend von einem Freiheitskonzept, welches auf Selbstverwirklichung gegründet ist, davon überzeugt sein kann, dass die notwendigen Bedingungen der Freiheit es verbieten eine spezielle Form von Selbstverwirklichung vorzuschreiben (vgl. Taylor 1995: 126). Vielmehr ist die
Vielfalt
menschlicher Werte die Grundlage seiner gesamten Argumentation, mit der er um die individuelle Selbstverwirklichung als einem der bedeutendsten Bereiche des Liberalismus kämpfen möchte (vgl. Taylor 1995: 144). Nachdem ich Berlins Position im zweiten und dritten Kapitel detailliert wiedergegeben und strittige Punkte herausgestellt habe, soll es im vierten Kapitel um einen positiven Freiheitsbegriff gehen, der unbedingt die negative Freiheit beinhaltet und gleichzeitig auch ihre Voraussetzung ist. Besonders deutlich wird die Notwendigkeit eines Mindestmaß an positiver Freiheit im Bezug auf die Selbstbestimmung und die Sicherung des Bereichs der individuellen Freiheit, welche daher die Unterpunkte dieses Abschnitts sein werden. Eine Idee, für eine Integration der negativen Freiheit in einen positiven Freiheitsbegriff, die ich in
diesem
Kapitel
vorstellen
möchte,
gibt
zum
Beispiel
Bernd
Ladwig:
„ In Freiheit als Selbstbestimmung ist die individuelle mit einer kollektiven Dimension verwoben (1) und auf politische Gesetzgebung bezogen (2). Außerdem geht diese Freiheit in bloßen Möglichkeiten nicht auf; sie steht und fällt mit einem gewissen Maß an Verwirklichung (3).“ (Ladwig 2007: 882)
Dass eine Trennung der beiden Begriffe schwierig ist, zeigt auch Berlin selbst in einem späteren Text über Freiheit, der sein Essay „Zwei Freiheitsbegriffe“ kurz aber sehr prägnant zusammenfasst. Am Ende seines Aufsatzes mischt er die Idee der positiven Freiheit und die der negativen Freiheit. Er stellt die beiden Lager einander gegenüber, indem er ihre Anhänger zum einen „totalitären und autoritären Regimen“ und zum anderen „liberalen Demokratien“ zuordnet (vgl. Berlin 2006: 202) und schlägt damit einen vergleichsweise versöhnlichen Ton an. Am Ende der Hausarbeit möchte ich zu dem Schluss kommen, dass die beiden Auffassungen durchaus in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen, dass die individuelle Freiheit jedoch praktisch nicht von politischer Selbstbestimmung zu trennen ist.
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Literaturverzeichnis: Berlin, Isaiah (1995): Zwei Freiheitsbegriffe, In: Berlin, Isaiah: Freiheit. Vier Versuche, Frankfurt am Main, S. Fischer, S. 197-256. Berlin, Isaiah (2006): Freiheit, In: Berlin, Isaiah: Die Macht der Ideen, Berlin, Berlin-Verlag, S. 197-202. Ladwig, Bernd (2007): Der Wert der Wahlfreiheit. Eine Kritik an Isaiah Berlins Verständnis negativer Freiheit, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Band 55, Heft 6, S. 877-887. Putterman, Theodore L. (2006): Berlin’s Two Concepts of Liberty: a Reassessment and Revision, in: Polity, Band 38, Heft 3, S. 416-447. Taylor, Charles (1995): Der Irrtum der negativen Freiheit, In: Taylor, Charles: Negative Freiheit? Zur Kritik des neuzeitlichen Individualismus, Frankfurt am Main, Suhrkamp, S. 118-144....