Straftaten gegen die Freiheit Freiheitsberaubung PDF

Title Straftaten gegen die Freiheit Freiheitsberaubung
Course Strafrecht III
Institution Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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Straftaten gegen die Freiheit Freiheitsberaubung...


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Straftaten gegen die Freiheit A. Freiheitsberaubung, § 239 I. Deliktsnatur Die Freiheitsberaubung ist ein Dauerdelikt. Bei einem Dauerdelikt hängt die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands vom Willen des Täters ab, so dass nicht nur das Herbeiführen, sondern auch das Aufrechterhalten des Zustands den Tatbestand verwirklicht. Bei einem Dauerdelikt → tritt die Vollendung ein mit der Begründung des rechtswidrigen Zustands. (im Fall des § 239 also: bei Eintritt des Freiheitsverlusts) → tritt die Beendigung erst mit Aufhebung des rechtswidrigen Zustands ein. (im Falle des § 239 also: bei Wiedererlangung der Fortbewegungsfreiheit) Konsequenz dessen ist, dass bei Dauerdelikten auch eine Beteiligung im Beendigungsstadium möglich ist (Bsp.: B passt für A auf, dass der eingesperrte X nicht flieht). → besteht tatbestandliche Handlungseinheit zwischen den natürlichen Handlungen und Unterlassungen, mit denen der Täter die Tat vollendet und mit denen er den Tatbestand weiter verwirklicht, indem er entweder den rechtswidrigen Zustand aufrechterhält (z.B. § 239) oder die Handlung ununterbrochen fortsetzt (z.B. bei den Dauerdelikten §§ 123, 316). II. Systematik – Grundtatbestand: § 239 I – Qualifikationen: – Qualifikationstatbestand: Freiheitsentziehung über eine Woche (§ 239 III Nr. 1) Die Einordnung als Qualifikationstatbestand entspricht der h.M.1 Zwar war die Freiheitsentziehung über eine Woche bis zur Gesetzesänderung von 1998 ein erfolgsqualifiziertes Delikt. Daran wollte der Gesetzgeber des 6. StrRG auch festhalten. Da er jedoch trotzdem den Wortlaut änderte und den neuen § 239 III Nr. 1 „aktivisch” formulierte – früher: „Wenn die Freiheitsentziehung über eine Woche gedauert hat ...”, heute: „das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt“ – ist § 239 III Nr. 1 heute ein Qualifikationstatbestand. Der entgegenstehende Wille des Gesetzgebers ist nur ein Auslegungskriterium, entscheidend ist die Wortlautgrenze. Der Gesetzgeber hätte eine der üblichen Formulierungen für erfolgsqualifizierte Delikte wählen müssen („verursacht der Täter durch die Tat“oder „hat die Tat zur Folge“). – Erfolgsqualifikationen: – schwere Gesundheitsschädigung (§ 239 III Nr. 2) – Tod des Opfers (§ 239 IV)

III. Prüfungsschema I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand → eine andere Person einsperren / auf andere Weise der Freiheit berauben 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Tatbestandsmerkmale 1. Freiheit – „Freiheit“ im Sinne des § 239 ist nur die Fortbewegungsfreiheit, also die Freiheit, den gegenwärtigen Aufenthaltsort zu verlassen. Nicht: Freiheit, einen bestimmten Ort aufzusuchen (z.B. Aussperren, Verbot der Einreise3) Freiheit, an einem bestimmten Ort zu bleiben („Wegdrängen”) schlichte Bewegungsfreiheit (z.B. die Freiheit, die Arme zu bewegen) – Voraussetzung für eine Verletzung der Fortbewegungsfreiheit ist, dass das Opfer fähig ist, den Willen zur Fortbewegung zu bilden. Bsp.: (–) beim Säugling. – Ein Rückgriff auf den Fortbewegungswillen des Sorgeberechtigten kommt nicht in Betracht (str.). Kann die Mutter das Kind nicht fortbewegen, weil es eingesperrt ist, kommt eine Nötigung (§ 240) der Mutter in Betracht. Auch eine Person, die zwar einen Fortbewegungswillen bilden kann, aber nicht die Fähigkeit zur Fortbewegung hat, kann ihrer Fortbewegungsfreiheit beraubt werden (z.B. Wegnahme des Rollstuhls). – Problem: Schutz der potentiellen Fortbewegungsfreiheit? Fall: T sperrt am Sonntagmorgen seine schwangere Freundin F im Schlafzimmer ein, um sicherzustellen, dass sie auf jeden Fall noch da ist, wenn er mit einer „Abtreiberin“ zurückkommt. Als er zurückkehrt, liegt F, die gar nicht die Absicht hatte, das Zimmer zu verlassen, noch im Bett. – h.M.: Schutz auch der potentiellen Fortbewegungsfreiheit6 Die Fortbewegungsfreiheit ist bereits dann verletzt, wenn dem Opfer die Möglichkeit genommen wird, sich dann fortzubewegen, wenn es das will. Eine Freiheitsberaubung ist daher auch bei demjenigen möglich, der seine Lage nicht bemerkt (z.B. Schlafender, Bewusstloser) oder sich tatsächlich nicht fortbewegen will.

Kritik: – § 239 schützt nur den tatsächlich bestehenden Willen des Opfers, seinen Aufenthaltsort zu wechseln. – Die Unterscheidung zwischen (untauglichem) Versuch und Vollendung wird überspielt. Die h.M. stammt aus einer Zeit, in welcher der Versuch des § 239 I noch straflos war. – Die Missachtung des potentiellen Willens des Opfers zur Fortbewegung ist nur eine Gefährdung der Fortbewegungsfreiheit. Der von § 239 verlangte Erfolgseintritt fehlt. – a.A.: Schutz nur der aktuellen Fortbewegungsfreiheit7 Eine Freiheitsberaubung liegt erst vor, wenn das Opfer sich tatsächlich fortbewegen will. Ansonsten handelt es sich um einen Versuch. Kritik: – Kranke und Ruhebedürftige werden vom Schutzbereich ausgenommen. – Die verfassungsrechtliche Bedeutung des Freiheitsrechts (Art. 2 II 2 GG) gebietet eine weite Auslegung. – Es wäre absurd, bei § 239 III Nr. 1 die Stunden des Schlafs abzuziehen. – a.A.: Vermittelnde Ansicht (Untergruppe der h.M.) Einschränkend stellen manche Vertreter der h.M. auf die sog. aktualisierbare Potentialität ab. Hiernach soll die potentielle Fortbewegungsfreiheit nur dann geschützt sein, wenn es möglich ist, dass das Opfer sich während der Einsperrung fortbewegen will. Bsp.: (–) beim Schlafenden, mit dessen Aufwachen nicht zu rechnen ist. Entsprechendes gilt für Bewusstlose. 2. Tathandlungen a) Einsperren = Verhindern des Verlassens eines Raums durch äußere Vorrichtungen. Eine Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft (§§ 239 I, 25 I Alt. 2) begeht der Zeuge im Strafverfahren, der bewusst wahrheitswidrig zu Lasten des Angeklagten aussagt (§ 153) und dadurch bewirkt, dass das gutgläubige Gericht den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und ihn in der Untersuchungshaft belässt. – Das Hindernis muss nicht notwendig unüberwindlich sein. Jedoch muss der Ausweg dann unzumutbar sein (s. noch unten).

– Die Dauer der Freiheitsentziehung ist unerheblich. Jedoch sind Bagatellen (Bsp.: wenige Sekunden11) nicht tatbestandsmäßig. b) Auf andere Weise der Freiheit berauben – „Es reicht […] jedes Mittel aus, das geeignet ist, einem anderen die Fortbewegungsfreiheit zu nehmen.“ Bsp.: (+) beim Festhalten, Fesseln, Betäuben, Einkesseln. (+) bei der Blockade eines Kfz, so dass die Insassen es nicht verlassen können. (+) wenn der Fahrer durch schnelles Fahren verhindern will, dass der Beifahrer das Fahrzeug verlässt. Fall: A bot vier Personen an, sie im Auto mitzunehmen. Nach kurzer Fahrt beschleunigte er plötzlich stark. Die vier Mitfahrer gerieten wegen des riskanten Fahrstils in Panik und forderten A auf, langsamer zu fahren oder anzuhalten, damit sie aussteigen konnten. Einer versuchte, die hintere rechte Fahrzeugtür zu öffnen, was aber nicht gelang, obwohl die Tür nicht verriegelt war. A verstand die Aufforderung seiner Mitfahrer, änderte seine Fahrweise aber nicht, sondern sagte: „Hier kommt niemand mehr raus“. Kurze Zeit später hielt er auf der linken Fahrspur einer zweispurig ausgebauten Straße an einer rot zeigenden Ampel an. Während des Halts versuchte kein Mitfahrer, das Auto zu verlassen. Nachdem die Ampel auf Grün geschaltet hatte, setzte A seine riskante Fahrt fort. Nach einem Überholvorgang geriet das Kfz auf der feuchten Fahrbahn in einer Rechtskurve ins Schleudern und prallte gegen einen Baum. Drei Mitfahrer starben, einer wurde schwer verletzt. A überlebte. → BGH: auf andere Weise der Freiheit berauben (+) „Dieser Widerruf wurde nicht dadurch beseitigt, dass der Angeklagte kurzfristig verkehrsbedingt an der Lichtzeichenanlage anhielt, da er danach entgegen dem zuvor geäußerten Willen seiner Mitfahrer seine gefährdende Fahrweise unverändert fortsetzte. Zwar ist der Tatbestand der Freiheitsberaubung nach § 239 I StGB in der Begehungsform ‚auf sonstige Weise‘ nicht bereits dann erfüllt, wenn ein Fahrzeugführer entgegen der ausdrücklichen Aufforderung eines Fahrzeuginsassen, die Fahrweise zu ändern, unverändert gefährdend weiterfährt. Vielmehr muss für die Annahme des Widerrufs eines ursprünglich erteilten Einverständnisses in die Beförderung mit dem Fahrzeug und zur Verwirklichung des Tatbestands der Freiheitsberaubung in einem solchen Fall hinzukommen, dass der Mitfahrer den eindeutigen und unmissverständlichen Wunsch zum Ausdruck bringt, das Fahrzeug unter den gegebenen Umständen verlassen zu wollen. So liegt der Fall hier. Die Geschädigten haben sich nicht nur darauf beschränkt, den Angeklagten zu angepasstem Fahrverhalten anzuhalten. Sie haben vielmehr […] eindeutig und unmissverständlich erklärt, mit der Weiterfahrt nicht einverstanden zu sein, sollte der Angeklagte, wie geschehen, nicht bereit sein, sein Fahrverhalten zu ändern. Ein lediglich kurzfristiges, verkehrsbedingt angepasstes Fahrverhalten, etwa eine kurzfristige Einhaltung einer angemessenen Geschwindigkeit oder – wie hier – ein kurzfristiger Halt

an einer Lichtzeichenanlage, vermögen im Rahmen einer fortdauernden Gefährdungsfahrt keine Zäsur dergestalt zu begründen, dass hierdurch ein zuvor erfolgter Widerruf des Einverständnisses in eine weitere Beförderung beseitigt und – konkludent – in die weitere Beförderung wieder eingewilligt wird. Anders mag es sich allerdings dann verhalten, wenn der Fahrzeugführer den Insassen ihrer Aufforderung gemäß durch ein Anhalten ein Aussteigen ermöglicht, diese von der Gelegenheit jedoch keinen Gebrauch machen. Ein solcher Fall liegt bei dem festgestellten, lediglich verkehrsbedingt veranlassten kurzen Halt jedenfalls nicht vor, zumal ein Aussteigen für die Mitfahrer nur unter erheblicher Eigengefährdung hätte stattfinden können.“ → Konsequenz: auch § 239 III Nr. 2, IV (+) – Problem: List Der Täter beraubt das Opfer auch dann „auf andere Weise“ der Freiheit, wenn das Opfer seinen Willen zur Fortbewegung nicht verwirklicht, weil der Täter vortäuscht, – Entkommen sei physisch unmöglich, – Widerstand sei zwecklos (z.B. Festnahme durch angeblichen Polizisten), – zu faktischem Zwang bereit zu sein (s.u.). – Problem: „faktischer Zwang” Beraubt der Täter das Opfer „auf andere Weise“ der Freiheit, wenn er es dazu bringt einen Ort nicht zu verlassen, indem er mit einem empfindlichen Übel droht oder eine Situation schafft, in der für das Opfer das Verlassen des Ortes mit einem empfindlichen Übel verbunden ist? Fall: Mit der Drohung, ihr zu kündigen, bringt T seine Angestellte F jeden Abend im Keller des Bürogebäudes in einem möblierten Raum unter, dessen Fenster vergittert ist. Die Tür zu dem Raum ist nicht abgeschlossen. Die Haustür schließt T jedoch ab. Es besteht die Möglichkeit, das Gebäude durch ein nahezu ebenerdiges Fenster im Erdgeschoss zu verlassen. Zudem hat F eine Telefonverbindung nach außen. F bleibt nachts in dem Kellerraum, weil sie fürchtet, andernfalls ihre Arbeitsstelle zu verlieren. – h.M.: Durch faktischen Zwang beraubt der Täter nur dann sein Opfer der Freiheit, wenn mit der Ortsveränderung eine Gefahr verbunden ist, die einzugehen dem Opfer nicht zumutbar ist (d.h. wenn eine Gefahr für ein höherwertiges Rechtsgut besteht).17 Bsp.: (+) bei Gefahr für Leib oder Leben.18 (–) bei Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren. (–) bei einem Nacktbadenden, dem die Kleider weggenommen werden. – a.A.: Eine Freiheitsberaubung kann unabhängig von der Unzumutbarkeit stets auch durch faktischen Zwang begangen werden. Kritik: – Der Unterschied zwischen § 239 und § 240 wird eingeebnet. § 239 ist kein Spezialfall der Nötigung, sondern ein eigenständiges Delikt mit eigenständigen Voraussetzungen, das nur die Fortbewegungsfreiheit schützt.

– Die Ortsveränderung ist nicht unmöglich, sondern allenfalls mit nachteiligen Konsequenzen verbunden. c) Tatbestandsausschließendes Einverständnis – Die tatbestandsmäßigen Handlungen (einsperren, der Freiheit berauben) setzen bereits nach dem Wortlaut ein Handeln ohne oder gegen den Willen des Verletzten voraus. Daher schließt die Zustimmung des Opfers bereits den Tatbestand aus. – Soweit die rechtsgutsbezogene Täuschung (d.h. List, die dem Opfer den Freiheitsentzug oder die Möglichkeit, ihm zu entgehen, verbirgt) und die Drohung als Tatmittel anerkannt sind (s.o.), ist eine Zustimmung, die durch solche Mittel erwirkt wurde, nicht tatbestandsausschließend. Wird die Zustimmung jedoch erschlichen, ohne dem Opfer den Freiheitsentzug zu verbergen, schließt sie den objektiven Tatbestand aus, da ein Motivirrtum unbeachtlich ist. Bsp.: A lässt sich von B in dessen Pkw heimfahren, ohne zu ahnen, dass B ihn in der Wohnung berauben will. V. Qualifikation und Erfolgsqualifikationen 1. Qualifikationstatbestand § 239 III Nr. 1 (Freiheitsentziehung über eine Woche) ist ein Qualifikationstatbestand (s.o.). → Der Vorsatz muss sich auch auf die Dauer der Freiheitsberaubung beziehen (§ 15). → Der Versuch der Qualifikation beginnt mit dem Ansetzen zur Freiheitsberaubung nach § 239 I, wenn der Täter dabei den Tatentschluss hat, die Freiheitsberaubung über eine Woche andauern zu lassen. 2. Erfolgsqualifikationen § 239 III Nr. 2 (schwere Gesundheitsschädigung) und § 239 IV (Tod des Opfers) sind erfolgsqualifizierte Delikte („durch die Tat … verursacht“). → Zumindest Fahrlässigkeit bez. der schweren Folge (§ 18). → Gefahrspezifischer Zusammenhang zwischen § 239 I und schwerer Folge. – Da § 239 I ein Dauerdelikt ist, kann die schwere Folge auch zwischen Vollendung und Beendigung eintreten. Bsp.: Das eingesperrte Opfer verhungert in der Zelle. – Der gefahrspezifische Zusammenhang besteht auch dann, wenn das Opfer aufgrund des Freiheitsentzugs sich selbst verletzende Handlungen vornimmt. Bsp.: Das Opfer stirbt bei einem Fluchtversuch. Das infolge des Freiheitsentzugs nicht mehr freiverantwortlich handelnde Opfer erhängt sich in der Zelle (str.24). → Der Versuch ist möglich als – Versuch der Erfolgsqualifikation Bsp.: A sperrt B ein, um ihn verhungern zu lassen; B wird aber vorher befreit. → §§ 239 IV, II, 22,§ 239 I, § 52 – erfolgsqualifizierter Versuch

Bsp.: A will B der Freiheit berauben, indem er B mit einer Droge betäubt. A nimmt versehentlich eine zu hohe Dosis, B stirbt sofort. → §§ 239 I, II, 22 i.V.m. § 239 IV ist das Aufrechterhalten des polizeilichen Gewahrsams ohne Einschalten eines Richters (Richtervorbehalt des Art.104 II GG) dann nicht kausal für den Tod des eingesperrten Opfers, wenn der Richter im Falle einer Vorführung den Gewahrsam bis einschließlich zum Zeitpunkt des Todes mit an Sicherheit grenzenderWahrscheinlichkeit angeordnet hätte....


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