Probeklausur, Fragen PDF

Title Probeklausur, Fragen
Course Öffentliches Recht
Institution Justus-Liebig-Universität Gießen
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Summary

winter...


Description

Prof. Dr. Steffen Augsberg

Wintersemester 2016/2017

Vorlesung „Grundrechte“

Probeklausur

Teil 1: Gutachten (60 % für Hauptfach-, 50% für Nebenfachstudierende)

A leidet an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, bei der u.a. eine schizoide und eine paranoide Symptomatik aufeinandertreffen. Dies führt nicht zuletzt zu einem gesteigerten Misstrauen des A gegenüber anderen Menschen. Anfang des Jahres 2005 beging A im durch seine Erkrankung bedingten schuldunfähigen Zustand ein schweres Körperverletzungsdelikt. Zwecks Therapierung der Erkrankung wurde er im Maßregelvollzug des Psychiatrischen Zentrums in Trägerschaft des Bundeslandes X (PZX) untergebracht. In den folgenden Jahren widersetzt sich A den Therapieversuchen im PZX mehrfach. Durch die Erkrankung bedingt ist sein Verhältnis zu den ihn behandelnden Personen von tiefem Misstrauen und Feindseligkeiten geprägt. Die zuständige Ärztin Frau Dr. B sieht den Behandlungserfolg und damit die Möglichkeit einer zeitnahen Entlassung des A ernsthaft gefährdet und entschließt sich zu einer radikaleren Behandlungsmethode. A soll fortan das Medikament Y verabreicht werden, ein sog. Neuroleptikum, welches insbesondere zur Behandlung von psychotischen Störungen eingesetzt wird. Frau Dr. B bezweckt mit der Verabreichung des Medikamentes die feindseligen, misstrauischen und besonders leicht zu kränkenden Persönlichkeitsanteile in der Persönlichkeitsstruktur des A zurückzudrängen und damit eine psychotherapeutische Behandlung durchführen zu können, um A eine zeitnahe Entlassungsperspektive zu ermöglichen. A lehnt die beabsichtigte Therapieänderung zunächst ab. Daraufhin weist ihn Frau Dr. B (in der Sache zutreffend) auf die Rechtslage des Bundeslandes X hin: Nach dem dortigen Unterbringungsgesetzes (UBG X) können Heilbehandlungen auch gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden; die Verabreichung der Medikamente kann sogar notfalls mit Gewalt erfolgen. Angesichts dieser Aussicht fügt sich A und lässt sich das Medikament verabreichen. Er setzt sich jedoch wenig später mit Rechtsanwalt R in Verbindung, der die Erhebung einer Klage zum zuständigen Gericht zwecks Feststellung der Rechtswidrigkeit der durchgeführten Zwangsbehandlung empfiehlt. Dieser Empfehlung kommt A, vertreten durch R, nach. Die Klage bleibt jedoch in allen Instanzen erfolglos. Auf Anraten des R erhebt A daraufhin, wiederum zulässig vertreten durch R, Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. R begründet diese folgendermaßen: Die staatliche Zwangsmedikation verletze die Grundrechte des A. Die Anordnung der Zwangsbehandlung sei verfassungswidrig. Frau Dr. B habe nicht versucht, eine Einwilligung von A zu erhalten. A habe nicht in die Behandlung eingewilligt, sondern sich nur gefügt, weil man ihm die gewaltsame Verabreichung angedroht habe. Außerdem habe keine Einzelfallprüfung hinsichtlich einer krankheitsbedingten Einsichtsunfähigkeit stattgefunden. Entscheide sich A unter bewusster Inkaufnahme eines längeren Aufenthaltes im Maßregelvollzug gegen die Einnahme des Medikamentes, so sei dies seine Entscheidung, die der Staat zu respektieren habe. Das um Stellungnahme ersuchte zuständige Landesministerium führt aus, an der Rechtmäßigkeit der Anordnung bestünden keine Zweifel. A habe sich schließlich das Medikament ohne Gegenwehr verabreichen lassen, daher könne von einer (konkludenten) Einwilligung ausgegangen werden. Schon ein Eingriff in ein Grundrecht liege damit nicht vor. Die Anordnung sei i.ü. aber auch angemessen: Ein

anlässlich der Beschwerde in Auftrag gegebenes Gutachten bescheinige der von Frau Dr. B geplanten Therapie mit dem Medikament Y – das Gutachten ist aus medizinischer Sicht zutreffend – Erfolgsaussichten hinsichtlich der angestrebten Ziele. Die Entscheidung des A, sich nicht behandeln zu lassen, sei schlicht unvernünftig, man handele in seinem besten Interesse, wenn man die Medikation anordne, um eine psychotherapeutische Behandlung zu ermöglichen und damit die Chance einer Entlassung deutlich zu erhöhen. Hat die zulässige Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg? Bearbeiterhinweis: Art. 19 Abs. 4 GG und völkerrechtliche Aspekte sind nicht zu thematisieren. Von der Verfassungsmäßigkeit des UBG X ist auszugehen.

Teil 2: Fragen (40 % für Hauptfach-, 50% für Nebenfachstudierende)

1. Was versteht man unter der „vorbehaltlosen Gewährleistung“ eines Grundrechts? Welche Konsequenzen hat diese Situation für die Rechtfertigungsprüfung? 2. Inwieweit schützt die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG auch Tatsachenbehauptungen? 3. Welche unterschiedlichen Funktionen der Grundrechte kennen Sie? Wodurch unterscheiden sich diese? 4. Wie und durch wen wird festgelegt, was als „Kunst“ i.S.d. Art. 5 Abs. 3 GG geschützt ist? Was meint in diesem Zusammenhang der Begriff der „Reflexivität“?...


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