Recht und Rechtssystem in Kafka PDF

Title Recht und Rechtssystem in Kafka
Author Lisa Discher
Course German
Institution National University of Ireland Galway
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Summary

Die literarische Arbeit Franz Kafkas ist bis heute eine der meist interpretiertesten in der deutschsprachigen Literatur. Nicht nur auf Grund Kafkas vager Ausdrucksweise und mysteriöser Erzählungen bleibt das Interesse an diesem außergewöhnlichen Autor und seiner Literatur bestehen, sondern auch wege...


Description

National University of Ireland Galway German Studies I Law in Literature Dr. Deirdre Byrnes

Eine vergleichende Analyse Kafkas Darstellung von Recht und Rechtssystem in Der Schlag ans Hoftor und Vor dem Gesetz

Lisa Valerie Discher National University of Ireland Galway Student ID: 201 0596

Inhaltsverzeichnis EINLEITUNG

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1. PARABEL

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1.1. VOR DEM GESETZ 1.2. DER SCHLAG ANS HOFTOR

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2. GERECHTIGKEIT UND RECHTSSYSTEM

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2.1. 2.2. 2.3.

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IM TITEL IN VOR DEM GESETZ IN DER SCHLAG ANS HOFTOR

3. SCHLUSSFOLGERUNG

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4. LITERATURVERZEICHNIS

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4.1. PRIMÄRLITERATUR 4.2. SEKUNDÄRLITERATUR

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Einleitung Die literarische Arbeit Franz Kafkas ist bis heute eine der meist interpretiertesten in der deutschsprachigen Literatur. Nicht nur auf Grund Kafkas vager Ausdrucksweise und mysteriöser Erzählungen bleibt das Interesse an diesem außergewöhnlichen Autor und seiner Literatur bestehen, sondern auch wegen der ethischen und moralischen Dilemmata, durch welche Kafka eine Interpretation der Rezipierenden forciert. Diese Arbeit stellt den Versuch dar, die Begriffe Recht und Rechtssystem in den zwei genannten Werken Kafkas näher zu beleuchten und deren Darstellung herauszufiltern. Auch über hundert Jahre nach Veröffentlichung der Parabeln, ist das Thema von allgemeinem Interesse. Vor allem, da die juristisch-exegetische Herangehensweise dieser zwei Parabeln die Diskrepanz zwischen dem, was der Mensch unter Recht versteht und das, was das Rechtliche System tatsächlich ist, beträchtlich ist. Die vorliegende Arbeit umfasst drei zentrale Abschnitte: Zunächst wird im ersten Kapitel ein Überblick über die Begrifflichkeiten der Parabel gegeben, um die zwei Werke unter dieser Definition knapp darzustellen. Weiterhin soll im zweiten Kapitel erläutert werden, in wie weit Kafka Recht und Rechtssystem in Der Schlag ans Hoftor und Vor dem Gesetz erkennen lässt. Ausgangspunkt des dritten Kapitels ist die Interpretation und Schlussfolgerung, dass Kafka die Darstellung der Rechtsbegriffe widersprüchlich darstellt.. Das Recht an sich, als Allgemeines, wird als etwas Positives dargestellt. Das System, welches dieses Recht umgibt wird jedoch als Hindernis zur Erreichung des Rechts abgebildet. 1. Parabel Gemäß dem Reallexikon der Deutschen Literaturwissenschaft, stellt eine Parabel eine "kurze Erzählung, die in uneigentlicher Rede Lebenseinsichten vermittelt" 1, dar. Da die oben genannten Werke Kafkas eine solche Lebenseinsicht vermitteln, sind sie als solche einzuordnen. Kafka selbst nennt den Text Vor dem Gesetz in seinem Tagebucheintrag vom 13. Dezember 1914 "Türhüter Legende" und suggeriert hiermit das Vorhandensein eines religiösen oder mythischen Inhalts und nicht primär einen juristischen Inhalt: statt zu arbeiten - ich habe nur eine Seite geschrieben - in fertigen Kapiteln gelesen und sie zum Teil für gut gefunden. Immer im Bewußtsein, daß jedes Zufriedenheits- und Glücksgefühl, wie ich es zum Beispiel besonders der Legende gegenüber habe, bezahlt werden muss.2

1

von Heydebrand, Renate: "Parabel." Reallexikon der Deutschen Literaturwissenschaft, Band III P-Z. Berlin 2007, S. 11. Kafka, Franz. "Tagebücher 1910-1923." Projekt Gutenberg, www.projekt-gutenberg.org/kafka/tagebuch/chap006.html. (Zugriff am 20.11.2020 um 00:09 Uhr) 2

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1.1.Vor dem Gesetz Kafkas Parabel Vor dem Gesetz beschreibt das unermüdliche Warten eines Mannes vom Lande vor einem Tor, um Zutritt zum "Gesetz" zu erlangen. Jedoch wird ihm dies von einem Türhüter nicht gestattet. Nach jahrelangem Warten und ausgiebigen Versuchen den Türhüter zu bestechen und bereden, bleibt sein ursprünglicher Wunsch Zutritt zum Gesetz zu erlangen, erfolglos. Fast am Ende des Lebens des Mannes vom Lande getraut dieser sich dem Türhüter eine letzte Frage zu stellen. Er fragt ihn wie es komme, dass in all den Jahren niemand anderes Eintritt verlangt habe. Auf diese Nachfrage erwidert der Türhüter lediglich lachend, dass die Tür immer nur für den Fragenden bestimmt gewesen sei und dass er sie nun schließen ginge. 1.2.Der Schlag ans Hoftor Mittels eines stream of consciousness erzählt Kafka in der Parabel Der Schlag ans Hoftor die Begebenheit von zwei Geschwistern, eines Mannes und eines Mädchens, welche an einem heißen Tag gemeinsam nach Hause gehen. Durch einen vermeintlichen Schlag an ein Hoftor seitens der Schwester, kommen Reiter mit "spitzen, hohen Lanzen" angeritten. Der Bruder schickt seine Schwester weg und wird in eine "Stube" geführt. In dieser wird er mit dem Rechtssystem konfrontiert, welches durch "zwei Herren, der Richter, ein junger lebhafter Mann, und sein stiller Gehilfe [..]" repräsentiert wird. Die Parabel endet damit, dass der namenslose Protagonist den Raum mit einer Gefängniszelle vergleicht und überlegt, ob er jemals "Aussicht auf Entlassung hätte". 2. Gerechtigkeit und Rechtssystem. Um interpretatorischen Zugang zu den beiden Kafka Parabeln zu bekommen, muss der Begriff Gerechtigkeit näher erläutert werden. Der Duden definiert Gerechtigkeit als "Prinzip eines staatlichen oder gesellschaftlichen Verhaltens, das jedem gleichermaßen sein Recht gewährt." 3 Die Gleichheit vor dem Gesetz ist in Deutschland in Art. 3 Grundgesetz normiert. Gleichheit meint Gleichberechtigung und ist Kern dessen, was der Mensch im Allgemeinen unter Gerechtigkeit versteht, weil dies Willkür ausschließt. Zudem subsumiert das BVerfG diesen Grundsatz auch in und aus dem Rechtsstaatsprinzip, das durch Art. 79 III Teil der Ewigkeitsgarantie ist. Die Tatsache, dass dieser Artikel an dritter Stelle von insgesamt 146 steht, indiziert dessen Wichtigkeit. Jedoch wird der Begriff "Gerechtigkeit" in dieser Arbeit als

3 "Gerechtigkeit".Duden, Bibliographisches Institut GmbH. 2020, www.duden.de/rechtschreibung/Gerechtigkeit. (Zugriff am 24.11.20 um 02:17 Uhr)

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das Recht im Allgemeinen genutzt und muss strikt vom normierten Recht unterschieden werden. Mit dem Begriff "Rechtssystem" wird in dieser Arbeit zentral auf die Bürokratie rekurriert, welche das normierte Recht impliziert, umgibt und exekutiert. 2.1. im Titel Im Bezug auf den Titel Vor dem Gesetz, ist der Wortsinn in dem Kontext "Recht und Rechtssystem" nicht zu unterschätzen, denn in einem Prozess tritt man "vor" einen Richterstuhl. An dieser Stelle des Textes Vor dem Gesetz, verwendet Kafka also schon in der Überschrift nicht nur einen, sondern gleich zwei Begriffe mit juristischer Konnotation. Überdies, ist es unumgänglich zu erwähnen, dass beim Titel der Parabel Der Schlag ans Hoftor, zwar nicht direkt ersichtlich ist, dass Juristisches im Text behandelt wird. Doch auf der metaphorischen Ebene, ist "der Schlag" analog zum Schlagen mit einem Richterhammer in Gerichten und Kongressen zu sehen. Dies indiziert, dass Kafka demnach auch in dieser Parabel andeutet, Recht und Gerechtigkeit zu behandeln. 2.2. in Vor dem Gesetz In diesem Abschnitt wird gezeigt, dass Kafka das Recht im Allgemeinen Sinne als etwas Positives und inhärent Gutes darstellt, was jedem Menschen offen stehe. Im Gegensatz hierzu jedoch, zeichnet der Autor das Rechtssystem als etwas Negatives. Am Ende der Parabel, der Mann vom Lande ist schon fast blind, "scheint" es ihm, als sähe er ein "unverlöschlichen" Glanz durch die Tür. Dieser "unverlöschliche Glanz" symbolisiert, dass das Recht nie aussterben kann. Des Weiteren lässt diese Lichtmetapher die Theorie zu, dass Kafka "das Recht" als gegeben veranschaulicht. Damit folgt er der Idee von Naturgesetzen, die der Welt inhärent sind; wie die Menschenwürde, welche sich aus diesem speist und selbst begründet und legitimiert. Demnach stehe das "Gegebene", das aus sich heraus existent ist, gerade daher einem Jedem zu. Die Problematik, welche an dieser Stelle der Parabel jedoch deutlich wird ist, dass das Rechtssystem diesen Zugang eines Jeden erschwert und behindert. Das Rechtssystem wird in der Parabel durch den Türhüter verbildlich und stellt daher den negativen Gegenpart zum "Recht" dar. In der Parabel, okkupiert der Türhüter geradezu den Zugang zum Recht und scheint den Mann vom Lande gezielt zu verwirren und zu irritieren. Dieser Faktor der Irritation und Verwirrung erinnert stark an die Bürokratie, welche das Rechtssystem umgibt. Kafka selbst untermauert dies durch ein Zitat, welches aus seinem Werk Das Schloß entnommen ist:

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Bedenke doch nur, dort oben ist die Behörde in ihrer unentwirrbaren Größe - ich glaubte annähernde Vorstellungen von ihr zu haben, ehe ich hierher kam, wie kindlich war das alles - dort also, ist die Behörde und ihr tritt Barnabas entgegen [...]. An Ehrfurcht für die Behörde fehlt es uns ja nicht, das hast du selbst gesagt." 4

In diesem Textauszug ist klar ersichtlich, dass Kafka auch in diesem Werk das Motiv der Bürokratie als etwas abstraktes und "unentwirrbares" formuliert. Daran wird noch einmal deutlich wie Kafka das Rechtssystem als hinderliche Bürde auf dem Weg zu Gerechtigkeit und Recht verbildlicht. 2.3.in Der Schlag ans Hoftor Der folgende Paragraf setzt sich mit Kafkas Darstellung von Recht und Rechtssystem, wie oben näher definiert, in der Parabel Der Schlag ans Hoftor auseinander. Zunächst liegt der Fokus auf Kafkas Wortwahl, indem die Komponenten des semantischen Felds in der Parabel näher betrachtet werden. Einleitend lässt sich feststellen, dass auffallend viele Begriffe mit Bezug auf "Recht" im Text vorkommen. Das Wortfeld "Recht" wird durch das Auftreten von "verklagen", "Hof", "Gefängniszelle", "Richter", "unter Ehren", "Untersuchung", "angeklagt", "Zweifel", "Beweis", "Urteil" und "Entlassung" gebildet und somit steht Der Schlag ans Hoftor allein aufgrund des lexikalischen Feldes in starkem Kontrast zu Vor dem Gesetz. Auf den ersten Blick wirkt diese Feststellung trivial, doch der Ansatz, dass Kafka auch in dieser Parabel das Rechtssystem als wirre Hürde zur Gerechtigkeit darstellt, wird im Text durch dies weiter untermauert. Die Ordnung, welche bei Kafka als das negative Pendant zum Recht dargestellt wird, ist vor allem daran erkennbar, dass diese Ordnung als fremd und dunkel abgebildet wird. In der Hoftor Parabel ist es den Leser*innen unverständlich, wieso der Protagonist "angeklagt" und in die Stube vor den Richter geführt wird. Genau diese Willkür die das Recht umgibt, hebt Kafka hervor, indem er die Rechtsordnung als bedrohlich porträtiert. Die scheinbare Bedrohung, welche vom Rechtssystem in Der Schlag ans Hoftor ausgeht, bemerkt man schon zu Beginn der Parabel, als dem Protagonisten und dessen Schwester von den Dorfbewohnern "freundschaftlich oder warnend" zugewunken wird. Dieser offensichtliche Widerspruch zwischen diesen beiden Adjektiven beschreibt Kafkas Schreiben recht deutlich. Dazu schreibt Stach, dass die Darstellung von Recht und Rechtsordnung in Der Schlag ans Hoftor geprägt durch Widersprüche sei. Dies ist an der Räumlichkeit des Tors klar ersichtlich: Zum Einen ist das Tor, an welches vermeintlich geklopft wird, distanziert und gleichzeitig räumlich vor dem Protagonisten. Einerseits befindet sich das Tor auf der Textebene am Anfang der Geschichte 4

Franz Kafka: Das Schloß. Lübeck, 2019, S. 352.

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und ist zugleich durchgehend Thematik. Auch der Eintritt in die "Stube" ist ein Übertreten in ein "Tor" zum Recht.5 Im Gegensatz zu Vor dem Gesetz jedoch, ist der Raum in der Bauernstube ein dunkler Raum mit "kahle(r) Wand, irgendwo eingemauert ein eiserner Ring [...]". Gemäß Sudau „zeigt die Parabel das zufällige und doch schicksalhaft wirkende Herausfallen des Menschen aus einer gesicherten Ordnung [...]. Es sei „ein schneller und endgültiger Prozess", welcher von einer „selbstgewissen und nichtsahnenden Existenz in eine kurzzeitige Irritation und Verunsicherung" übergehe.6 Diese Widersprüchlichkeit ist der Kern dessen, was die Bürokratie in den beiden Werken ausmacht und grundsätzlich charakterisiert. 3. Schlussfolgerung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Kafka in beiden Parabeln die Rechtsordnung als willkürlich und sich selbst widersprechend darstellt. Die Gerechtigkeit im Sinne von "the Law" wird von ihm als etwas grundsätzlich Positives abgebildet und lediglich das menschlich konstruierte Rechtssystem versperrt den Zugang zu dieser gegebenen Gerechtigkeit oder dem "Recht". Die Rechtsordnung wirkt andersartig und fremd und es scheint in den Parabeln so, als wäre sie konstruiert um Bedrohung auszudrücken. In Vor dem Gesetz wird durch die Verwendung des Rechtsgrundsatzes "Gleichheit aller vor dem Gesetz" statuiert, dass einem Jedem naturgegebene Gerechtigkeit und Recht zustünde, dies aber nicht zugänglich sei. Beide Parabeln spielen demnach mit Hilfe von Lichtmetaphern und Widersprüchen mit der Hoffnung auf das wahre, greifbare Recht. Lediglich die Bürokratie, welche das gesamte "Recht" umgibt ist das Hindernis. Im Gegensatz zu Vor dem Gesetz wirkt das Rechtssystem in Der Schlag ans Hoftor jedoch viel negativer, da dem Protagonisten kein Licht im Raum entgegenschlägt. Dies bedeutet schlussfolgernd, dass es ihm verwehrt ist, überhaupt Gerechtigkeit oder Zugang zum Recht zu erfahren. Kafka porträtiert in diesen beiden Parabeln, das Recht und das Rechtssystem als juristische Systeme und Ideen, welche sich entgegenstehen.

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Stach, Rainer: Die Jahre der Entscheidungen. Frankfurt/Main 2004, S. 110. Sudau, Ralf: Franz Kafka. Kurze Prosa/Erzählungen . Stuttgart 2007, S. 103.

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4. Literaturverzeichnis 4.1. Primärliteratur 1. Kafka, Franz. Vor dem Gesetz. 2. Kafka, Franz. Der Schlag ans Hoftor. 4.2. Sekundärliteratur 1. Franz Kafka: Das Schloß. Schöningh Westermann, 2019. 2. Franz Kafka: "Tagebücher 1910-1923." Projekt Gutenberg, www.projektgutenberg.org/kafka/tagebuch/chap006.html. 3. "Gerechtigkeit". Duden, Bibliographisches Institut GmbH, 2020, www.duden.de/rechtschreibung/Gerechtigkeit (Zugriff: 24.11.20 - 02:17 Uhr). 4. Rainer Stach: Die Jahre der Entscheidungen. Frankfurt/Main 2004. 5. Ralf Sudau: Franz Kafka. Kurze Prosa/Erzählungen 2007. 6. Renate von Heydebrand,: "Parabel." Reallexikon der Deutschen Literaturwissenschaft, Band III P-Z, 2007, S. 1.

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