Title | Spracherwerb Handout Grünauer |
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Author | Danny Grünauer |
Course | Englisch Didaktik |
Institution | Universität Augsburg |
Pages | 8 |
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Zusammenfassung von Spracherwerb aus Sicht der Didaktik des Englischen...
Spracherwerb Language acquisition (Spracherwerb): „unbewusster Erwerb einer Sprache über die natürliche Umgebung und soziale Kontakte (Sprachbad)“ (Thaler 2012). Language Learning (Sprachlernen): bewusster Prozess und das Produkt formaler Instruktion.
SPRACHERWERB
Theorien des Spracherwerbs
Hypothesen zum Erwerb einer zweiten Sprache
Behaviorismus
5 Hypothesen zum Zweitspracherwerb (Krashen)
Nativismus
Kontrastivhypothese
Kognitivismus
Identitätshypothese
Konstruktivismus
Lernersprachen (Selinker)
Interaktionismus
Teachability-Hypothese (Pienemann)
1. Fünf Theorien zum Spracherwerb Behaviorismus: •
Bekannte Vertreter: I. P. Pawlow, J. B. Watson (Klassische Konditionierung), B. F. Skinner, C. L. Hulls (Operante Konditionierung)
•
im Zentrum steht das sichtbare, erfassbare und von außen zu steuernde Verhalten (behavior)
•
Mensch wird als Produkt seiner Umwelt gesehen
•
Lernender als “black box“, mentale Prozesse des Lernenden werden außer Acht gelassen; Annahme eines passiven Lernenden, der jedoch auf äußere Reize hin aktiv wird/reagiert
•
Lehrender
hat
zentrale
Rolle
(geeignete
Stimuli
finden
und
richtige
Verhaltensweisen in geeigneter Form verstärken) •
Spracherwerb basiert auf Nachahmung und Ausbildung von Gewohnheiten
•
Fehler in der Zweitsprache werden häufig als Gewohnheiten der Erstsprache interpretiert, die in Fremdsprache übertragen werden
•
Prinzip: permanentes Üben, wiederholte Imitation und damit konditionierte Ausbildung von Gewohnheiten ( siehe Kontrastivhypothese in Kapitel 2.1.2)
Nativismus (Innatismus) •
zunächst in Erstspracherwerbsforschung entstanden
•
Spracherwerb ist nicht vorrangig durch Nachahmungsprozesse zu erklären, da quantitativ und qualitativ nicht ausreichend Input zur Verfügung steht und trotzdem sprachliche Strukturen entwickelt werden, die nicht in der Umgebung zu beobachten sind
•
daher: sprachliches Talent als Gabe: language acquisition device (LAD) oder universal grammar (UG) (Chomsky), eine angeborene, sprachspezifische kognitive Ausstattung, die den Menschen zum Spracherwerb befähigt
•
mithilfe seiner „Werkzeuge” kann jeder theoretisch jede Sprache lernen, da Merkmale der fremden Sprache mit angeborenen Universalgrammatik abgeglichen werden und dadurch Kompetenz in der unbekannten Sprache entwickelt wird
•
im Normalfall resultiert L2-Erwerb nicht in muttersprachenähnlichen Kompetenz, daher kann interpretiert werden, dass der Zugriff auf die UG beim L2-Erwerb eingeschränkt bzw. mühevoll ist
Kognitivismus •
bekannte Vertreter: A. Bandura, J. Bruner und J. Piaget
•
Lernender als Individuum, das äußere Reize (Informationen) aktiv wahrnimmt, selbstständig bearbeitet und diese als Kognitionen (Erkenntnisse) abspeichert
•
Lernen als Prozess des Verstehens, der auf kognitiver Einsicht und aktiver Verarbeitung von Informationen beruht (kein Widerspruch zum Nativismus)
•
Ziel: Lern-Prozesse untersuchen, verstehen und regelhaft beschreiben
•
Spracherwerb als kontinuierlicher Aufbau von Wissensbeständen
•
Aufnahme sprachlichen Inputs aus Umgebung à Verarbeitung mithilfe von (un)bewussten
Strategien
à
Verwendung
der
betreffenden
Strukturen
(Informationsaufnahme à -verarbeitung à -speicherung) •
Entscheidend für erfolgreichen Lernprozess: Präsentation der Lerninhalte (Stoff) und sachliche Problemstellungen (Aufgaben)
•
Rolle des Lernenden: aktives Beschreiten von Lösungswegen, Gewinnung von Erkenntnissen und Vergrößerung des Wissens anhand von Problemstellungen
•
dennoch zentrale Bedeutung des Lehrenden im Lehr-Lernprozess: Auswahl und Aufbereitung
und
Bereitstellen
von
Informationen,
vorgeben
der
Problemstellungen und Unterstützung bei der Bearbeitung
Konstruktivismus •
Weiterentwicklung des Kognitivismus
•
Lernen als aktiver Prozess der Wissenskonstruktion, bei dem Informationen aufgenommen und interpretiert werden und sich dann als individuell repräsentiertes Konstrukt bei den Lernenden manifestieren
•
Individuelle, kreative Leistung des Lernenden wird betont
•
Lernende setzen sich mit sprachlichem Input auseinander, analysieren diesen auf Basis ihres Wissens und Könnens und konstruieren ihr Wissen selbstständig
•
Prozess läuft bei Lernenden individuell ab, d.h. der gleiche Sprachinput kann unterschiedlich verarbeitet und konstruiert werden
•
Wissen ist dabei kein objektives Abbild der (sprachlichen) (Um)Welt, sondern ein streng subjektives und individuelles Konstrukt
•
Lerner steht im Mittelpunkt und Selbstorganisation ist von großer Bedeutung
•
Schwerpunkt beim Lernen liegt nicht auf gesteuerten und kontrollierten Vermittlung von Inhalten, sondern auf individuell ausgerichteten und selbstorganisiertem Bearbeiten von Themen (autonomes Lernen)
•
Lehrer ist Lernbegleiter, der Lernprozesse erleichtert und unterstützt
Interaktionismus •
Verbindung der angeborenen Fähigkeiten mit den sprachlichen Umwelteinflüssen
•
Kinder erlernen Sprache durch Interaktion, durch sprachlich begleitetes Handeln (z.B. winken à “bye bye!“)
•
Entscheidendes Element: auf Entwicklung des Kindes abgestimmter sprachlicher Input, gekennzeichnet durch langsames, deutliches Sprechen, Wiederholungen, Paraphrasen etc.
Keine dieser (und anderer) Theorien erklärt den Spracherwerb vollständig und umfassend; sie erklären jeweils bestimmte Aspekte des komplexen Prozesses.
Die
Empirie
hinkt der akademischen
Konstruktion von
Theorieansätzen nach, jedoch bestätigt die Hirnforschung in vielen Bereichen Aspekte sozial-kognitiver und konstruktivistischer Lerntheorien.
2. Zweit- und Fremdsprachenerwerb •
Fremdsprachenunterricht im 21. Jahrhundert: v.a. konstruktivistisch Individualisierung, autonomes Lernen, Bereitstellung von Lernangeboten (statt Instruktionen) und task-based learning
•
oben genannte Theorien sollen sowohl für Erst- als auch Zweitspracherwerb gelten, dennoch findet der Zweitspracherwerb unter anderen Bedingungen statt, da Lernende bereits über Erstsprache und strukturiertes Weltwissen verfügen
•
Erschwernis beim Erlernen einer Fremdsprache: Lernende haben nur begrenzten Kontakt mit der Sprache
Zweitsprache ist im Gegensatz zur Fremdsprache auch Umgebungssprache
2.1
Hypothesen zum Spracherwerb
2.1.1 Krashens 5 Hypothesen zum Zweitspracherwerb (1982) • finden trotz erheblicher Kritik breite Resonanz Acquisition-learning hypothesis (Erwerb-Lern-Hypothese) “To really learn the language, students must spend some time abroad. This offers a language bath for an extended period of time.”
Beschreibung: •
Unterscheidung: language learning (Sprachlernen) und language acquisiton (Spracherwerb); Spracherwerb ist für Kashen wichtiger als Lernen
•
Erwerb (acquisition) passiert unbewusst für die Erst- und Zweit- bzw. Fremdsprache, erfordert außerdem bedeutsame Interaktion mit Zielsprache
•
Lernen (learning) geschieht bewusst als Produkt aus formaler Instruktion
Monitor hypothesis (Monitorhypothese) “Some students just blurt out what they want to say without thinking of how to say it and some will ponder for ages until they produce one perfectly formed sentence.” Beschreibung: •
Sprachmonitor
ist
Werkzeug
für
die
Planung,
Verbesserung
und
Überarbeitung, was die Qualität der Sprache verbessert •
Sprachsystem der erworbenen Sprache: spontane Sprachproduktion
•
Sprachsystem der gelernten Sprache: arbeitet als „Monitor“
•
abhängig von Monitorgebrauch werden unterschieden: monitor over-users, monitor under-users oder optimal users
Natural order hypothesis (Hypothese der natürlichen Ordnung) “No matter how often you teach it, 10-year-old learners will always have problem with the third-person-singular-s.” Beschreibung: •
Grammatikerwerb folgt einer natürlichen, vorhersehbaren Reihenfolge
•
für eine Sprache sind manche Strukturen bereits im frühen Lernalter leicht zu erwerben, andere hingegen erst später
Input hypothesis (Input-Hypothese) “I may use words my learners don´t understand, but I shouldn´t frustrate them with stuff that is too challenging.” Beschreibung •
Lernende verbessern sich, wenn sie verständlichen Input erhalten, d.h.: Input, der etwas über ihrer derzeitigen sprachlichen Kompetenz liegt (i+1)
Affective filter hypothesis (Hypothese des affektiven Filters) “I´m trying to create a relaxed classroom atmosphere in which my learners don´t have to be afraid of making mistakes.” Beschreibung: •
Lernende mit Selbstbewusstsein, hoher Motivation und niedrigem Grad an Nervosität sind besser für den Erfolg im Spracherwerb ausgestattet
•
niedrige Motivation/Selbstwertgefühl und Nervosität lassen den affektiven Filter ansteigen, welcher verständliches Input für den Spracherwerb ausblendet
2.1.2 Weitere Hypothesen
Kontrastivhypothese •
Lerner übertragen Sprachmuster von L1 auf L2
•
Transfer von L1 auf L2, d.h. die Erstsprache kann den Erwerb der L2 hemmen bzw. zu Lernschwierigkeiten und Fehlern in dieser führen (Interferenz) oder (bei ähnlichen Sprachen) den Erwerb positiv beeinflussen
Identitätshypothese •
in Zusammenhang mit Universalgrammatik aufgestellt (Chomsky, Nativismus)
•
Ähnlichkeit von L1- und L2-Erwerb, die auf UG zurückzuführen ist (selber interner, mentale Mechanismus)
•
aber: vermutlich kein vollständiger Zugriff auf UG (s.o.)
•
Fehler beim Zweitsprachenerwerb sind durch die Struktur der Zweitsprache bedingt (kein Transfer!)
Lernersprachen/Interimssprachen-Hypothese (Interlanguage Hypothesis, Selinker 1972) •
Lernende
entwickeln
verschiedene
beim
Sprachsysteme
Erlernen
einer
Zielsprache
sukzessive
(Lernersprachen/Interimssprachen),
die
Merkmale von Erst- und Zielsprache sowie eigenständige, abweichende Merkmale beinhalten •
spiegelt folgende psycholinguistische Prozesse wider: Transfer aus der Erstsprache
oder
anderen
Sprachen;
Transfer
aus
Lernumgebung;
(un)bewusstes Einsetzen von Lern- und Kommunikationsstrategien (z.B. Themenvermeidung,
Gestik/Mimik);
Übergeneralisierung
zielsprachiger
Regeln •
Der Prozess des Zweitspracherwerbs führt von Phasen scheinbarer Ordnung (auswendig
gelernte,
reproduzierte
nicht
analysierte
Formeln)
über
sprachliches Chaos (Überproduktion, Übergeneralisierung) zu Stabilität und Ordnung (Endprodukt ist nicht identisch mit Zielsprache!) •
Fehler sind Ausdruck einer Interimssprache
Pienemanns Teachability-Hypothese •
Annahme, dass sich spezifische kerngrammatische Strukturen natürlich entwickeln, aber nicht lehrbar bzw. immer direkt lernbar sind.
•
Trotz gezielter Instruktion im Fremdsprachenunterricht können Lernende diese Sprachstrukturen nur in der Abfolge der natürlichen Erwerbsreihenfolge erwerben.
•
Der Versuch dieser natürlichen Erwerbsreihenfolge entgegenzuwirken kann zu Lernhemmungen führen
Erklärt zumindest ansatzweise, weshalb Lernende trotz intensiven Übens in der freien Sprachproduktion bestimmte Grammatikfehler begehen....