Vorlesung 4 - Das erweiterte Solow Modell PDF

Title Vorlesung 4 - Das erweiterte Solow Modell
Author Alexander Keßler
Course Makroökonomik II
Institution Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Pages 24
File Size 2.6 MB
File Type PDF
Total Downloads 91
Total Views 146

Summary

Wintersemester 2020/2021...


Description

Kapitel 3

Das erweiterte Solow-Modell Das einfache Solow-Modell im letzten Kapitel arbeitet vor allem den entscheidenden Zusammenhang zwischen Ersparnissen und wirtschaftlicher Entwicklung heraus. Allerdings gibt es Wachstum in diesem Modell nur vor¨ubergehend, n¨ amlich solange bis der lang¨ fristige station¨ are Zustand (steady state) erreicht ist. Sobald sich jedoch die Okonomie im steady state befindet, w¨ achst der Output nicht mehr, weder pro-Kopf noch in absoluten Gr¨oßen. Damit kann das Modell nicht das dauerhafte Wachstum erkl¨ aren, welches zumindest in den Industriel¨andern nun schon weit uber 100 Jahre anh¨alt. Ursache ist ¨ nat¨ urlich, dass im einfachen Solow-Modell eine konstante Anzahl von Erwerbspersonen ¯ angenommen wird. Der Faktor Arbeit ver¨ (bzw. ein fixer Inputfaktor Arbeit L) andert sich aber im Zeitablauf aus (mindestens) zwei Gr¨ unden. Erstens sich die er¨ anderung der Erwerbsquoten oder ver¨anderte Jahresarbeitszeiten (die bisherige Normierung der Stunden!). Zweitens ver¨ andert sich auch die Diese so-genannte verbessert sich bspw. durch , welche eine produktivere Verwendung der vorgegebenen Arbeitszeit erm¨oglichen (z.B. Fließbandproduktion, Computer). Die Arbeitseffizienz steigt aber auch durch verbesserte Ausbildung und Wissen der Belegschaften. Entscheidend ist, dass der wirkt wie ein Deshalb wird nun der Arbeitseinsatz in gemessen, wobei Et die Arbeitseffizienz je Arbeitseinheit erfasst. Sp¨ ater werden wir in diesem Kapitel den Arbeitsinput Lt Et auch als Humankapital Ht bezeichnen. Im Folgenden wird unterstellt, dass dass die (Erwerbs-)Bev¨ olkerung mit der konstanten Rate n w¨ achst, d.h. Lt+1 = Lt (1+n) und die Arbeitseffizienz (bzw. der arbeitsvermehrende technische Fortschritt) mit der Rate g, d.h. Et+1 = Et (1 + g ). Damit wachst der in ¨ 1 Effizienzeinheiten gemessene Arbeitseinsatz Lt+1 Et+1 = Lt Et (1 + n)(1 + g) = Lt Et (1 + n + g + ng) ≈ Lt Et (1 + n + g). Alle Variablen werden nun Kt kt = , Lt E t

yt =

Yt , Lt E t

ausgedr¨ uckt, d.h. Ct It ct = , it = . Lt E t Lt E t

1 Man spricht hier auch von einem Harrod-neutralen“ technischen Fortschritt. Alternativ unterscheidet ” man auch einen kapitalvermehrenden oder Solow-neutralen“ technischen Fortschritt K t Et und einen ” Hicks-neutralen“ technischen Fortschritt Et F (K t , L t ). Bei den im Folgenden verwendeten Cobb-Douglas ” Produktionsfunktionen sind diese Unterscheidungen aber irrelevant.

27

Das erweiterte Solow-Modell lautet damit: (3.1) (3.2)

Yt = F (Kt , Lt Et ) = Ct + It bzw. f (kt ) = ct + it Kt+1 = sYt + (1 − δ)Kt bzw. (1 + n + g )kt+1 = sf (kt ) + (1 − δ)kt

¨ in der dynamischen Gleichung (3.2) ist nun etwas aufwendiger, weil der Der Ubergang K erweitert werden muss: Quotient Ltt+1 Et Lt+1 Et+1 Kt+1 Lt+1 Et+1 Kt+1 Kt+1 = = = (1 + n + g)kt+1 . Lt Et Lt+1 Et+1 Lt+1 Et+1 Lt Et Lt E t Aus (3.2) erh¨ alt man nach Umstellung schließlich (3.3)

kt+1 − kt = sf (kt ) − δkt − (n + g )kt+1.

Abbildung 3.1: Steady state im erweiterten Solow-Modell

Quelle: Mankiw (2017), S. 295. ¨ Diese Gleichung entspricht (2.2) im letzten Kapitel. Der station¨ are Zustand der Okonomie ∗ ist folglich dann erreicht, wenn bei kt+1 = kt = k gilt sf (k ∗ ) = i∗ = (δ + n + g)k ∗. Der Unterschied ist lediglich, dass die auch das

dem

28

abdecken m¨ ussen. Wenn der m¨ ussen auch die , damit die mit t werden k¨ onnen und der Kapitalstock pro Effizienzeinheit konstant bleiben kann. Abbildung 3.1 entspricht denn auch Abbildung 2.3 im Grundmodell. Die Dynamik ist ganz identisch, die Interpretation der Kapitalintensit¨ at hat sich lediglich ge¨andert und die Steigung der Kapitalnachfragekurve ist steiler geworden. Wie im Grundmodell bleiben alle (nun in Effizienzeinheiten gemessenen) Variablen y, k, c, i langfristig konstant. Wenn man jedoch den ausdr¨ uckt, denn erhalten wir im Yt = y˜t = yEt Lt Wegen

d ln y dt

⇒ ln y˜t = ln y + ln Et .

= 0 (klar?) muss nun gelten d ln Et d ln y˜t = dt dt



y˜˙t E˙ t = = g, y˜t Et

d.h. er Gleiches gilt nat¨ urlich f¨ ur den pro-Kopf Kapitalstock kt = kEt , den pro-Kopf Konsum c˜t = cEt und die pro-Kopf oßen, also Investitionen ˜it = iEt im steady state. Entsprechend wachsen alle absoluten Gr¨ Yt = yLt Et , Kt = kLt Et , Ct = cLt Et , It = iLt Et im langfristigen Gleichgewicht mit der Summe aus den Wachstumsraten von Bev¨ olkerung und Arbeitseffizienz n + g . Bev¨ olkerungswachstum alleine erkl¨art also das dauerhafte Wachstum der aggregierten Gr¨ oßen Output, Kapitalstock, Konsum und Investitionen. Es kann jedoch nicht das dauerhafte Wachstum der entsprechenden pro-Kopf Gr¨oßen erkl¨ aren. Diese w¨urden sich bei konstanter Arbeitsproduktivit¨ at (g = 0) langfristig nicht ver¨ andern. Wenn jedoch mit g > 0 technischer Fortschritt ber¨ ucksichtigt wird, dann wachsen auch die pro-Kopf Gr¨ oßen im langfristigen station¨ aren Zustand stetig. Mit der Ber¨ ucksichtigung von Bev¨ olkerungswachstum l¨asst sich auch eine erste Erkl¨ arung von Unterschieden im Lebensstandard (also pro-Kopf Einkommen) finden. Bei gegebener Sparquote wird ein Land mit hohem Bev¨ olkerungswachstum langfristig einen niedrigeren pro-Kopf Kapitalstock und damit auch niedrigeres pro-Kopf Einkommen realisieren als ein Land mit niedrigem Bev¨ olkerungswachstum, vgl. Abbildung 3.2. Dieser a¨sst sich auch empirisch nachweisen, wie Abbildung 3.3 zeigt. Grunds¨ atzlich wird diese Sichtweise auch in der Entwicklungspolitik ber¨ ucksichtigt, wenn etwa versucht wird, ¨uber niedrige Geburtenraten den Sprung aus der Armutsfalle zu schaffen (vgl. Indien, China). Das Solow-Modell bietet allerdings nur eine m¨ogliche Erkl¨arung f¨ ur die negative Korrelation von pro-Kopf Einkommen und Bev¨olkerungswachstum. Wie schon im letzten Kapitel in Abbildung 2.5 diskutiert kann d ufen. Es k¨onnte sein, dass ein hohes pro-Kopf Einkommen zu niedrigem Bev¨olkerungswachstum f¨ uhrt, weil die n (also z.B. der entgangene Lohn bei Frauen) ansteigen. Außerdem gibt es ¨okonomische Modelle, welche ganz andere Wirkungskan¨ale zwischen Sozialprodukt und Bev¨ olkerungswachstum betonen. Im Solow-Modell 29

Abbildung 3.2: Bev¨ olkerungswachstum und Steady state

Quelle: Mankiw (2017), S. 281. sind Bev¨ olkerungswachstum n und die Rate des technischen Fortschritts g v¨ ollig getrennt und exogen gegeben. Es gibt aber Hinweise, dass das uch di finden n¨ amlich vor allem in Nur bei einer hohen Bev¨olkerungsdichte lohnen sich z.B. Erfindungen und damit beschleunigt sich die technische Entwicklung. Insgesamt ergibt sich damit ein Schließlich sei auch darauf hingewiesen, dass sich mit Bev¨ olkerungswachstum und dem technischen Fortschritt auch die ver¨andert. Nun gilt n¨amlich f ′ (k ∗∗ ) = n + g + δ

bzw. MP K − δ = n + g

Wie wir noch sp¨ater sehen werden, ist das Netto-Grenzprodukt des Kapitals (MP K−δ mit dem Zinsniveau identisch. Eine Volkswirtschaft befindet sich also genau dann unterhalb (oberhalb) des Goldene-Regel Gleichgewichts, wenn das Zinsniveau gr¨ oßer (kleiner) ist ¨ als die (Gesamt-)Wachstumsrate der Okonomie. Wie aber verhalten sich diese Gr¨oßen in der Praxis? In den meisten entwickelten Volkswirtschaften ist der Kapitalstock etwa 2.5-3 mal so groß wie das Sozialprodukt, die Abschreibungen auf den Kapitalstock belaufen sich auch rund 10 Prozent des BIP und das Kapitaleinkommen betr¨ agt rund 30 Prozent 30

Abbildung 3.3: Bev¨olkerungswachstum und pro-Kopf Einkommen

Quelle: Mankiw (2017), S. 282. des BIP, d.h. K = 2.5; Y

MP K · K = 0.3 ⇒ MP K = 0.12. Y

δK = 0.1 ⇒ δ = 0.04; Y

Damit ist das Netto-Grenzprodukt MP K − δ = 0.08 deutlich h¨oher als die langfristige Wachstumsrate n + g ≈ 0.03. Folglich befinden sich die Volkswirtschaften unterhalb der Goldenen Regel! Allerdings ist dieses Vorgehen umstritten, weil Abschreibungen und Kapitalstock schwierig zu messen sind. Alternativ versucht man deshalb die Kapitaleinkommensquote und die Investitionsquote im Zeitablauf zu vergleichen: (δ + n + g )k MP Kk . ≷ y y Es deutet einiges darauf hin, dass die Investitionsquote niedriger liegt. Deshalb gehen die ¨ davon aus, dass sich die entwickelten Volkswirtschaften unterhalb des meisten Okonomen Goldenen-Regel Pfades befinden. Folglich w¨ are eine F¨orderung der Sparquote wirtschaftspolitisch geboten. Es ist allerdings heftig umstritten, ob die Sparquote z.B. durch steuerliche Anreize u ¨ berhaupt verbessert werden kann. An dieser Stelle st¨oßt das Solow-Modell wieder an seine Grenzen. Zwar liefert es wichtige Hinweise f¨ ur die Wirtschaftspolitik, aber die daraus abzuleitenden Maßnahmen sind umstritten. 31

3.1

Solow-Modell und stilisierte Fakten?

Im Solow-Modell wachsen pro-Kopf Output y˜t und pro-Kopf Kapitalstock k˜t im langfristigen Gleichgewicht jeweils mit der Rate des technischen Fortschritts g. Folglich bleibt das Kapital-Output Verh¨ altnis K/Y = k/y langfristig konstant. Damit erkl¨ art das Modell die stilisierten Fakten 1-3 von Kaldor. Im langfristigen Gleichgewicht muss auch das Grenzprodukt des Kapitals f ′ (k) unver¨andert bleiben. Wegen r = f ′ (k) − δ ist dann auch der Zinssatz konstant. Nat¨ urlich bleibt auch die Entlohnung je Effizienzeinheit im steady state konstant. Die Entlohnung je Besch¨ aftigten (oder je Stunde) w¨ achst dagegen mit der Rate g auch langfristig (siehe Aufgabe). Insgesamt kann daher das Solow Modell die stilisierten Fakten von Kaldor ganz gut erkl¨ aren. Das marxistische Erkl¨ arungsmodell, welches u.a. eine fallende Profitrate (also Zinssatz) prognostiziert, hat einen wesentlich schlechteren Erkl¨arungsgehalt. Das Solow-Modell impliziert aber auch, dass es außerhalb des langfristigen Gleichgewichts einen generellen Trend zur Konvergenz gibt, sofern Sparquoten und Technologie ¨ubereinstimmen. Betrachten wir dazu noch einmal die dynamische Gleichung (3.3) in stetiger Schreibweise. k˙ = sf (k) − (δ + n + g)k Daraus ergibt sich die Wachstumsrate f¨ ur die Kapitalintensit¨ at gk als Differenz zwischen (3.4)

f (k) k˙ = gk = s − (δ + n + g ). k k

Durch Ableitung l¨asst sich zeigen, dass die Wachstumsrate der Kapitalintensit¨ at immer weiter abnimmt, wenn die Kapitalintensit¨ at selbst ansteigt: s[f ′ (k )k − f (k)] s[f ′ (k) − ∂gk = = k2 k ∂k

f(k) ] k

s = [MP K − AP K] < 0, k

wobei APK f¨ur die durchschnittliche Kapitalproduktivit¨ at steht. Wegen der abnehmenden Grenzproduktivit¨ at muss Letztere immer gr¨oßer sein als die Grenzproduktivit¨ at selbst. Folglich wachsen L¨ander mit niedriger Kapitalausstattung st¨ arker als L¨ander mit hoher Kapitalausstattung. Abbildung 3.4 zeigt diesen Zusammenhang. Zwei (grunds¨ atzlich identische) L¨ ander L und H mit unterschiedlicher anf¨ anglicher Kapitalausstattung weisen außerhalb des langfristigen Gleichgewichts k ∗ unterschiedliche Wachstumsraten auf. Land L w¨achst schneller als Land H weil die dortige Kapitalausstattung zun¨ achst niedriger ist. Im langfristigen Gleichgewicht sind aber beide L¨ ander identisch. Diese Wachstumskonvergenz des Solow-Modells trifft aber nur zu, wenn die Sparquoten und Technologien u ¨bereinstimmen. Damit ist also keineswegs gesagt, dass heutige Entwicklungsl¨ ander langfristig zwingend dasselbe ¨okonomische Niveau der heutigen Industriel¨ ander erreichen werden. Lediglich f¨ur ¨okonomisch identische L¨ander sollte gelten, dass die Wachstumsrate umso h¨ oher ist, je niedriger die aktuelle Kapitalausstattung ist. Abbildung 3.5 macht deutlich, dass innerhalb der OECD L¨ ander eine solche Tendenz anscheinend durchaus besteht. 32

Abbildung 3.4: Konvergenz im Solow-Modell

L

gk

H

g

k

! +n +g

____ s f(k) k k k

L

k

H

k*

Quelle: Carlin und Soskice (2006), S. 491. Abbildung 3.5: Wachstumskonvergenz der OECD L¨ander 1970 - 2002

Quelle: Carlin und Soskice (2006), S. 495. Wenn also Sparquote und Technologien u¨bereinstimmen entwickeln sich die Volkswirtschaften hin zum selben langfristigen Gleichgewichtszustand unabh¨ angig von ihrer Ausgangsposition. Unterschiede in Sparquoten, Technologien und Bev¨ olkerungswachstum bedingen aber unterschiedlichen langfristige Gleichgewichte! Es kann also durchaus sein, dass L¨ ander zwar identische Wachstumsraten f¨ur pro-Kopf Einkommen aufweisen, aber sie sich auf ganz unterschiedlichen Wachstumspfaden befinden, d.h. das Einkommensniveau beider L¨ ander ist (und bleibt auch) v¨ ollig unterschiedlich. Ursache w¨ aren dann die Sparquoten der beiden L¨ ander. Es kann aber auch sein, dass nun reiche L¨ander sogar h¨ ohere Wachstumsraten als arme L¨ ander aufweisen! Entscheidend ist nur die aktuelle Entfernung vom langfristigen Gleichgewichtsniveau. Abbildung 3.6 zeigt diese Situation. Land H weist eine h¨ ohere Sparquote aus als Land L, deshalb gilt im langfristigen Gleich∗ ∗ gewicht k H > kL . Aktuell ist der Kapitalstock von Land H jedoch weiter entfernt von seinem langfristigen Gleichgewichtszustand als der Kapitalstock von Land L. Deshalb gilt 33

ur die aktuellen Wachstumsraten gkH > gLk . f¨ Abbildung 3.6: Bedingte Konvergenz bei strukturellen Unterschieden

gL k

! +n +g

gH k

f(k) s ____ H k f(k) s ____ L k

k L k*

L

k

k*H

kH

Quelle: Carlin und Soskice (2006), S. 496. Allerdings k¨onnen unterschiedliche Sparquoten auch nicht alle Unterschiede im Einkommen erkl¨aren, wie die folgende einfache Absch¨atzung zeigt. Angenommen zwei L¨ander H, L unterscheiden sich nur in ihren Sparquoten sH , s L . Die Technologie y = k α sei identisch, ebenso wie die Abschreibungsrate und Wachstumsraten f¨ ur Bev¨olkerung und Produktivit¨ at. Im langfristigen Gleichgewicht gilt folglich si kiα = (δ + n + g)ki

i = H, L

so dass !

si ki = δ+n+g

1 " 1−α

bzw. yi =

!

si δ+n+g

"

α 1−α

i = H, L

F¨ ur das Verh¨ altnis der beiden pro-Kopf Einkommen muss damit gelten: yH = yL

!

sH sL

"

α 1−α

. ′

f (k)k Wegen f ′ (k) = αk α−1 erhalten wir als Kapitaleinkommensquote y = α. Folglich ist α = 0.3 eine durchaus realistische Einsch¨ atzung. Unterstellt man nun die (extrem) unterschiedlichen Sparquoten sL = 0.05 bzw. sH = 0.3, so erh¨ alt man lediglich einen Unterschied in den pro-Kopf Einkommen von grob 2.15! W¨ urde man α = 0.5 setzen erh ¨oht sich dieses Verh¨altnis lediglich auf 6! Damit sind bei weitem nicht dir dramatischen Unterschiede im pro-Kopf Einkommen erkl¨art, welche sich schnell auf das 30-40 fache belaufen. Unterschiede in der Sparquote liefern folglich nur einen (kleinen) Teil der Erkl¨arung, es muss noch andere Gr¨ unde f¨ur die dramatischen Einkommensunterschiede geben. In erster Linie denkt man hier an Unterschiede im Humankapital und in der Produktionstechnologie. Diese werden als n¨achstes untersucht.

34

3.2

Welche Rolle spielen Humankapital und Technologie?

Bei identischer Technologie sollten sich arme und reiche L¨ander langfristig in ihren Grenzprodukten des Kapitals unterscheiden, sofern alleine Sparquoten und Kapitalintensit¨ at unterschiedlich ausfallen. Reiche L¨ ander sollten eine hohe Kapitalintensit¨at und entsprechend niedrige Zinss¨ atze aufweisen. Dann m¨ usste man aber starke Kapitalabfl¨ usse von den reichen L¨andern hin zu den Entwicklungsl¨ andern beobachten. Dies ist jedoch nicht der Fall, in der Tendenz fließt Kapital eher in die umgekehrte Richtung! Neuere Forschungsans¨ atze versuchen deshalb die unterschiedliche Qualit¨ at (bzw. den Ausbildungsgrad) des Faktors Arbeit in unterschiedlichen L¨ andern herauszuarbeiten. Neben dem reinen physischen Kapital wird dann das so-genannte Humankapital ber¨ ucksichtigt, welches den Arbeitsinput mit hoher Ausbildung bzw. technischem Wissen (high-skilled) abbildet. Die zentrale Frage ist dann, ob man mit unterschiedlichem Einsatz von Humankapital die aren kann.2 bestehenden Einkommensdisparit¨aten besser erkl¨ Wir unterscheiden nun unterschiedliche Ausbildungsniveaus der Besch¨ aftigten. Mittels der Ausbildungstechnologie Ht = eψu Lt = hLt

(3.5)

werden die (zun¨ achst ungelernten) Arbeitskr¨ afte Lt in high-skilled Ht Besch¨ aftigte umgewandelt. Mit u wird der Zeitaufwand (in Jahren) f¨ ur die Ausbildung gemessen. Wegen ∂Ht = ψeψu Lt = ψHt ∂u misst der Parameter ψ den prozentualen Anstieg von Ht bei Erh¨ ohung von u um eine Einheit (z.B. ein Schuljahr). Die Produktionsfunktion sei durch Yt = K tα (Ht Et )1−α gegeben, wobei Et wieder den humankapitalvermehrenden technischen Fortschritt erfasst. Wie im bisherigen Modell k¨onnen wir nun den Output und den Kapitalstock in Einheiten des produktiven (d.h. in Effizienzeinheiten gemessenen) Humankapitals ausdr¨ ucken, welche im langfristigen Gleichgewicht konstant bleiben: (3.6)

Yt y= = kα Ht Et

wobei k =

!

s n+g+δ

1 " 1−α

.

Substitution von (3.5) in (3.6) liefert y = hLYttEt und damit erh¨ alt man als pro-Kopf Einkommen " α ! 1−α Yt s hEt . y˜t = = yhEt = Lt n+g+δ Unterschiede im pro-Kopf Einkommen y˜ lassen sich also zur¨uckf¨ uhren auf Unterschiede in den Sparquoten s, dem Bev¨olkerungswachstum n, der Ausbildungszeit u oder dem 2 Der Kapitalabfluss von S¨ud nach Nord soll uns im Folgenden nicht weiter besch¨aftigen, denn das Modell unterstellt eine geschlossene Volkswirtschaft.

35

technologischen Niveau Et . Es wurde bereits oben erl¨autert, dass Unterschiede im Klammerausdruck lediglich einen Faktor von 2 - 6 erkl¨ aren k¨ onnen. Unterstellt man eine Bildungsrendite von ψ = 0.1 (also ein Jahr mehr Schulzeit erh¨oht das Einkommen um 10 %) und einen Unterschied in der Ausbildungszeit von 8 Jahren, dann ergibt sich bei h ein Faktor von e.8 ≈ 2.2. Folglich k¨ onnen auch Humankapitalunterschiede nicht die volle Erkl¨arung liefern. Im Wesentlichen muss es dann am technologischen Niveau Et liegen, ander unterscheidet.3 was die L¨ Technologische Unterschiede zwischen L¨andern scheinen also unabh¨ angig vom Humankapital eine zentrale Erkl¨ arung f¨ur Unterschiede im pro-Kopf Einkommen zu liefern. Warum aber sollte sich die Produktionstechnologien F (·) in zwei L¨ andern unterscheiden? Im ¨ Ubergang zum langfristigen Gleichgewicht mag dies eine Rolle spielen, aber warum sollte dies dauerhaft der Fall sein? Vorteilhafte Technologien lassen sich kaum geheim halten und es gibt durchaus ein Interesse, solche Technologien weiterzugeben. Man denke hier nur an deutsch/chinesische Joint Ventures in der Automobilindustrie! Deshalb macht es durchaus Sinn, wenn im Solow-Modell identische Produktionstechnologien F (·) unterstellt werden. Es kann allerdings sein, dass aus institutionellen Gr¨unden die Produktivit¨at der Produktionsfaktoren eingeschr¨ankt ist. Zu denken ist hier etwa an Korruption in der Verwaltung, an unterentwickelte Finanzm¨ arkte oder an ineffiziente Steuern und Subventionen. Es kann auch sein, dass ein effizienter Faktoreinsatz durch das Rechtssystem, durch Arbeitgeber oder durch Gewerkschaften verhindert wird. Ineffizienter Faktoreinsatz kann das Outputniveau betr¨ achtlich reduzieren. F¨ur China und Indien sch¨ atzen z.B. Hsieh und Klenow (2009), dass die Produktivit¨ at der eingesetzten Produktionsfaktoren um etwa 50-60 % gesteigert werden k¨onnte, wenn man die bestehenden institutionelle Barrieren beseitigen k¨ onnte. Institutionelle Faktoren k¨ onnen ganz einfach in das Solow-Modell integriert werden. Dazu wird die bisherige Produktionsfunktion (jetzt wieder ohne Humankapital) lediglich mit einen Parameter At multipliziert, der die so-genannte totale Faktorproduktivit¨at (TFP) abbildet, d.h. Yt = At F (Kt , Lt ). Die Variable Lt misst nun wieder die Arbeitszeit in Effizienzeinheiten. Es sollte klar sein, dass nun selbst bei identische...


Similar Free PDFs