Zusammenfassung - Vorlesung 1 PDF

Title Zusammenfassung - Vorlesung 1
Course Konstruktive Geometrie für Bauingenieure
Institution Technische Universität Dresden
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Skript zur Vorlesung

Konstruktive Geometrie für das Bauingenieurwesen Prof. Dr.-Ing. Daniel Lordick

Wintersemester 2014/15 Institut für Geometrie Technische Universität Dresden

Skript Konstruktive Geometrie für den Studiengang Bauingenieurwesen © Prof. Dr.-Ing. Daniel Lordick – Institut für Geometrie – TU Dresden

Inhalt 1. Vorlesung Einleitung Abbildungsverfahren, Abbildungsmethoden Einäugiges Sehen, Zentralperspektive Axonometrie Allgemeine Axonometrie Ober- und Untersicht Spezielle Axonometrien Grundrissaxonometrie (Militärriss) Aufrissaxonometrie (Kavalierriss) Isometrie (genormt), Dimetrie (genormt)

VL 1 - 1 VL 1 - 2 VL 1 - 2 VL 1 - 4 VL 1 - 4 VL 1 - 5 VL 1 - 6 VL 1 - 6 VL 1 - 7 VL 1 - 7

2. Vorlesung Perspektive Affinität Schattenkonstruktion Schattenkonstruktion an einer Treppe Lichtquader Schatten auf geneigte Ebene Treppenbeispiel in eine Grundrissaxonometrie gedreht

VL 2 - 1 VL 2 - 2 VL 2 - 4 VL 2 - 4 VL 2 - 5 VL 2 - 6

3. Vorlesung Grund- / Aufrissverfahren Weitere Normalrisse einführen Eine Folge zugeordneter Normalrisse (Mehrbildersystem)

VL 3 - 1 VL 3 - 2 VL 3 - 2

4. Vorlesung Darstellung von Geraden in Grund- und Aufriss Windschiefe und koplanare Geraden Darstellung von Ebenen, Hauptgeraden von Ebenen Lage von Punkt in Ebene Falllinie und Stützdreieck, Paralleldrehen einer Strecke Spuren einer durch drei Punkte gegebenen Ebene Wahre Gestalt eines ebenen Polygons Schnitt von Ebenen

VL 4 - 1 VL 4 - 1 VL 4 - 2 VL 4 - 3 VL 4 - 3 VL 4 - 5 VL 4 - 5 VL 4 - 6

5. Vorlesung Satz vom rechten Winkelbild Ebenennormale und Normalebene Ebenennormale in Grund- und Aufriss Abstand eines Punktes zu einer Ebene, Schnittpunkt einer Geraden mit einer Ebene Abstand eines Punktes zu einer Geraden Schnitt von ebenflächig begrenzten Volumen Boolesche Operationen am Beispiel eines Würfels und einer Pyramide

VL 5 - 1 VL 5 - 1 VL 5 - 2 VL 5 - 2 VL 5 - 3 VL 5 - 3 VL 5 - 3

6. Vorlesung Kotierte Projektion Grundkonstruktionen an einer Geraden Abbildung von Ebenen, Schnitt zweier Ebenen Böschungskegel, Böschungkörper zu einer Geraden Weg durch ebene Böschung Zusammenfassung der Begriffe zur Kotierten Projektion

VL 6 - 1 VL 6 - 2 VL 6 - 3 VL 6 - 4 VL 6 - 6 VL 6 - 8

7. Vorlesung Weg im Gelände Weg auf ebenem Gelände Dachausmittlung

VL 7 - 1 VL 7 - 1 VL 7 - 3

Skript Konstruktive Geometrie für den Studiengang Bauingenieurwesen © Prof. Dr.-Ing. Daniel Lordick – Institut für Geometrie – TU Dresden

1. Vorlesung Einleitung Herzlich willkommen zur Konstruktiven Geometrie! Dieses Fach ist ein Grundlagenfach. Es beschreibt einige einfache Konzepte, die Ihnen im weiteren Verlauf Ihres Studiums und im späteren Berufsleben aus einigen Schwierigkeiten helfen können. Im Idealfall benutzen Sie die Konstruktive Geometrie, ohne es zu merken. Sie sollte Ihnen wie die Grammatik Ihrer Muttersprache selbstverständlich werden. Unsere Ziele sind: -

konstruktiv geometrische Verfahren erlernen und üben

-

strukturiertes räumliches Vorstellungsvermögen schulen

-

räumliche Objekte anschaulich und effektiv darstellen

-

komplexe Aufgaben systematisch lösen

Dieser Kurs geht über nur ein Semester und ist folglich auf die nötigsten Inhalte reduziert. Wenn Sie darüber hinaus geometrische Fragen haben sollten, können Sie uns am Institut für Geometrie gerne ansprechen. Außerdem gibt es eine reiche Literatur zum Thema, die Sie auch unter dem Suchbegriff »Darstellende Geometrie« finden. Ein Aufbaukurs für höhere Semester ist bislang nicht vorgesehen, obwohl der Bedarf angesichts der zunehmend komplexeren Formensprache im Bauwesen auf der Hand liegt. Planung und Herstellung von Bauwerken bedeuten einen vielschichtigen Kommunikationsprozess zwischen Auftraggeber, Planern, Behörden, Baufirmen und der Öffentlichkeit. Kommunikationsmittel können Texte, Filme, Modelle oder Anderes sein. Vor allem kommunizieren die Beteiligten aber über Zeichnungen. Die Zeichnung ist die universelle und alle Ländergrenzen überschreitende Sprache des Ingenieurs. Dazu gehört unbedingt auch die spontane Skizze, die im Gespräch einen Sachverhalt klären kann oder während des Entwurfs zur Ideenfindung dient. Zeichnen heißt denken, so wie Schreiben dazu dient, eigene Gedankengänge zu präzisieren. Die Konstruktive Geometrie kann Ihnen helfen, Skizzen pointiert, routiniert – mit einem Wort – professionell zu erstellen.

Behörden

Öffentlichkeit anschauliche Zeichnungen

Planer

Auftraggeber

technische Zeichnungen

Baufirmen

Abb. 1.1, Einfaches Kommunikationsschema im Planungsprozess

Zeichnungen sind in der Regel zweidimensionale Repräsentanten des geplanten räumlichen Objektes auf Papier. Das ist immer noch der Standard auf der Baustelle, obwohl mittlerweile Planungsdaten auch schon als 3-D-Datensätze zwischen den beteiligten Ingenieurbüros ausgetauscht werden. Aber selbst 3-D-Datensätze werden letztlich mit 2-D-Darstellungen interpretiert, nämlich auf der Mattscheibe des Bildschirms. Räumliche Darstellungen mit Polfilterbrillen etc. sind die Ausnahme. Eine elementare Fähigkeit des Ingenieurs muss also sein, Zeichnungen fachgerecht erstellen und zweifelsfrei lesen zu können. Für dieses Springen zwischen 2-D und 3-D ist ein geschultes räumliches Vorstellungsvermögen unverzichtbar. Genau das wird durch die Beschäftigung mit der Konstruktiven Geometrie in herausragender Weise ausgebildet.

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Skript Konstruktive Geometrie für den Studiengang Bauingenieurwesen © Prof. Dr.-Ing. Daniel Lordick – Institut für Geometrie – TU Dresden Damit technische Zeichnungen von allen Beteiligten eindeutig verstanden und verwendet werden können, stehen sie auf einer wissenschaftlichen Grundlage, der Geometrie. Die Geometrie liefert uns eine systematische Idealisierung des Erlebnisraumes und wurde bereits in Euklids Elementen brauchbar formuliert. Punkte, Geraden und Ebenen bilden die geistigen Hilfsmittel, mit denen wir in der Konstruktiven Geometrie hantieren. Geraden und Ebenen sind dabei unbegrenzte Punktmengen. Wir verwenden folgende Symbole: Punkte:

A, B, C, ... P, Q, ...

Geraden:

a, b, c, ... g, h, ...

Ebenen:

α, β, ... π, σ, τ

Abbildungsverfahren, Abbildungsmethoden Den Grundstein zu einer für alle Disziplinen einheitlichen Darstellungsmethode für räumliche Objekte in der Zeichenebene legte Gaspard Monge mit der Veröffentlichung der »Leçons de géométrie descriptive [...]« (École polytechnique, Paris 1795). Gaspard Monge erkannte die Übereinstimmung der Schattenkonstruktion mit anderen zeichnerischen Verfahren, die sich im Festungs-, Straßen- und Kanalbau, beim Steinschnitt usw. getrennt entwickelt hatten. In natürlicher Weise leiten wir in dieser Tradition die geometrisch exakten Abbildungsverfahren durch schrittweise Idealisierung und begriffliche Präzisierung vom Sehprozess bzw. vom Schattenwurf ab. Aus geometrischer Sicht besteht zwischen beiden Vorgängen kein Unterschied. Licht- und Sehstrahlen werden als gerade angenommen. Zur Vereinfachung beschränken wir uns auf das einäugige Sehen. Einäugiges Sehen Beim einäugigen Sehen werden die Punkte eines in Sicht befindlichen Objektes durch ein Sehstrahlenbündel auf die Netzhaut abgebildet (Abb. 1.2). Die Sehstrahlen schneiden sich in der Pupille. Damit liegen die wesentlichen Komponenten der Projektion eines dreidimensionalen Objektes in ein zweidimensionales Bild vor: -

Projektionszentrum (Pupille, Augpunkt, Lichtquelle im Schattenwurf)

-

Projektionsstrahlen (Sehstrahlen, Lichtstrahlen)

-

Bildfläche (Netzhaut, Schatten empfangende Fläche)

Zentralperspektive Wählen wir als Bildfläche eine Ebene (Bildebene π), so heißt die Abbildung Zentralperspektive (engl. linear perspective) und das Bild heißt Zentralriss (Abb. 1.3). Das Projektionszentrum heißt Augpunkt Z und die Bildebene liegt von Z aus gesehen entweder vor oder hinter dem Objekt. Bei der Fotografie (Abb. 1.4), die näherungsweise auch zentralperspektivische Bilder liefert, liegen Film oder Chip als Bildebene hinter dem Projektionszentrum (Linse). Gegenstände erscheinen in der Zentralperspektive umso kleiner, je weiter sie vom Augpunkt entfernt sind. Die Zentralperspektive (kurz meist einfach

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Abb. 1.2, Einäugiges Sehen

Abb. 1.3, Zentralperspektive

Abb. 1.4, Zentralperspektive

Skript Konstruktive Geometrie für den Studiengang Bauingenieurwesen © Prof. Dr.-Ing. Daniel Lordick – Institut für Geometrie – TU Dresden Perspektive genannt) vermittelt dadurch einen subjektiven, stark vom Standpunkt abhängigen Eindruck der Gegenstände. Sie spielte in der Malerei der Renaissance und des Barock eine Bahn brechende Rolle. Wir werden Sie hier nicht näher behandeln. Trotzdem können wir schon eine wichtige Eigenschaft aller hier besprochenen Abbildungsverfahren ableiten: Die Geradentreue. Schließlich spannen die Projektionsstrahlen aus dem Projektionszentrum Z mit jeder Geraden g, die kein Projektionsstrahl ist, eine Sehebene auf. Diese schneidet die Bildebene nach einer Geraden, dem Bild g' von g. Für alle weiteren Überlegungen in diesem Semester nehmen wir an, das Projektionszentrum sei ein Fernpunkt, also ins Unendliche gerückt. Dadurch sind alle Projektionsstrahlen zueinander parallel und die Abbildung heißt Parallelprojektion. Ein derartiger Vorgang kann etwa im Schattenwurf bei Sonnenschein beobachtet werden (Abb. 1.5). Zu den Parallelprojektionen zählen die Axonometrie, das Grund-/Aufriss-Verfahren und die Kotierte Projektion. Allen gemein ist die Teilverhältnistreue. Darunter versteht man Folgendes (Abb. 1.6): Wird eine Strecke AB mit dem Teilpunkt T auf eine Strecke A’B’ mit dem Teilpunkt T’ abgebildet, so sind die Teilverhältnisse identisch, also: AT:BT = A’T’:B’T’ (Strahlensatz). Natürlich gilt das nicht für Strecken, deren Trägergeraden Projektionsstrahlen sind. Eine weitere wichtige Eigenschaft ist die Parallelentreue. Das heißt zueinander parallele Geraden haben parallele Bilder. Schließlich spannen parallele Geraden im Raum parallele Sehebenen/Lichtebenen auf und parallele Ebenen schneiden eine andere Ebene (hier: Bildebene) bekanntlich nach parallelen Geraden. Auch hier muss der Fall der projizierenden Geraden ausgenommen werden.

Abb. 1.5, Parallelprojektion im Schattenwurf

B T

A

parallele Projektionsstrahlen / Lichtstrahlen

Bei den Parallelprojektionen sind zwei Fälle zu unterscheiden: Schiefe Parallelprojektionen Die Projektionsstrahlen weisen ein Winkel 0° < ϕ < 90° zur Bildeben auf. Beispiele sind (allgemeine) Schattenrisse auf ebenen Flächen und Schrägrisse (allgemeine Axonometrien und die im Weiteren besprochenen Grundriss- und Aufrissaxonometrie).

A'

T' B'

Abb. 1.6, Teilverhältnistreue am Beispiel des Dresdner Fernsehturms (3-D-Modell: Andre Neustadt, 2007)

Normalprojektionen (orthogonale Parallelprojektionen) Die Projektionsstrahlen sind zur Bildebene orthogonal. Zu den Normalprojektionen gehören das Grund-/Aufrissverfahren und die Kotierte Projektion sowie die orthogonale Axonometrie. Normalprojektionen haben zwei wichtige Eigenschaften: -

Kugelbilder haben einen Kreisumriss (im Allgemeinen ist der Umriss einer Kugel bei Parallelprojektion eine Ellipse!). Dadurch erscheinen Normalrisse natürlicher, den Sehgewohnheiten besser angepasst als Schrägrisse.

-

Es gilt der Satz vom rechten Winkelbild: Der Normalriss eines rechten Winkels ist wieder ein rechter, wenn einer der Schenkel zur Bildebene parallel und der andere nicht projizierend ist.

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Skript Konstruktive Geometrie für den Studiengang Bauingenieurwesen © Prof. Dr.-Ing. Daniel Lordick – Institut für Geometrie – TU Dresden Wir werden nun einige Abbildungsverfahren im Einzelnen besprechen.

Axonometrie Was ist eine Axonometrie? Zur Vorbereitung verknüpfen wir ein kartesisches rechte-HandKoordinatensystem – mit den Achsen x und y für den Grundriss sowie z für die vertikale Richtung – auf möglichst einfache und sinnfällige Weise mit dem Objekt, das wir darstellen wollen (Abb. 1.7). Dann ist Axonometrie der Oberbegriff für alle Abbildungen, bei denen das Objekt mit parallelen Projektionsstrahlen in eine Ebene abgebildet wird und keine der drei Koordinatenachsen in Projektionsrichtung liegt. Man erhält also für jede Achse ein nicht verschwindendes Bild. Die Axonometrie liefert bei geschickten Annahmen anschauliche Bilder und hat einige nützliche Eigenschaften: Axonometrische Bilder sind grundsätzlich -

geradentreu,

-

teilverhältnistreu und

-

parallelentreu.

z''

z'''

x'''

O'' O'''

y''

O'

y'

x' Abb. 1.7 Würfel-Objekt mit Koordinatensystem

Mit dem Begriff Axonometrie wird häufig nicht nur das Abbildungsverfahren, sondern auch das axonometrische Bild angesprochen. Allgemeine Axonometrie Eine allgemeine und anschauliche axonometrische Darstellung eines Objektes erhalten wir folgendermaßen: Wir zeichnen das Bild z a der z-Achse parallel zum linken Blattrand auf ein Papier, legen auf z a den Ursprung Oa fest und ergänzen durch Oa die Bilder der beiden anderen Achsen ganz so, wie wir uns die optimale Blickrichtung Abb. 1.8 Allgemeine Axonometrie auf das Objekt vorstellen. Anschließend skizzieren wir einen Einheitswürfel mit drei seiner Kanten auf x, y und z in das Bild und schätzen die Kantenlängen so, dass er uns möglicht unverzerrt erscheint (Abb. 1.8). Drei seiner Ecken sind dann die Einheitspunkte Ex , Ey und Ez auf den Achsen. Die verschiedenen Längen OaExa, OaEya und OaEza der Kantenbilder des Einheitswürfels benutzen wir als Verzerrungsfaktoren für das Einmessen der Objektmaße. Im Allgemeinen werden alle drei Maße verschieden sein und die Axonometrie ist also trimetrisch, das heißt entlang der Achsen existieren drei übereinstimmende Metriken. Man gibt die Verkürzungsfaktoren λ, µ und ν entlang der Achsen x, y und z zum Beispiel so an: (λ : µ : ν) = (19, 26, 27). Mit ein wenig Übung wird man jene axonometrischen Annahmen bevorzugen, bei denen höchstens entlang einer Achse eine Verkürzung auftritt, die beiden anderen aber genau die Maße des Objektes wiedergeben. Derartige Axonometrien heißen dimetrisch, da in zwei Achsrichtungen dieselbe Metrik existiert. VL 1 - 4

Skript Konstruktive Geometrie für den Studiengang Bauingenieurwesen © Prof. Dr.-Ing. Daniel Lordick – Institut für Geometrie – TU Dresden Nach diesen Vorüberlegungen kann man ausgehend von Oa jeden Punkt des Objektes mithilfe seiner kartesischen Koordinaten P (xP, yP, zP) einmessen (Aufbauverfahren), indem man den sogenannten Koordinatenweg abschreitet: Der Reihe nach werden die Maße xP, y P und z P auf beziehungsweise parallel zu den Achsenbildern in die Zeichnung übertragen. Dabei skaliert man die Längen je nach Richtung abhängig von den festgelegten Verkürzungsfaktoren. Zum selben Punkt P gelangt man, wenn man nur die Reihenfolge der Maße verändert. Werden alle möglichen Varianten in die Zeichnung übertragen, so erfüllen sie die Kanten des sogenannten Koordinatenquaders von P. Dabei wird jede Kante zweimal erfasst. Das punktweise Einmessen eines Objektes ist zwar in gewisser Weise nahe liegend und mag für Computer eine gangbare Methode sein. Für größere Zeichnungen und die semantischen Fähigkeiten des Menschen gibt es aber bequemere und genauere Möglichkeiten. Wir werden sie weiter unten besprechen. Ober- und Untersicht Axonometrien neigen dazu, in der Wahrnehmung zwischen zwei möglichen räumlichen Varianten hin und her zu kippen. Der Neckersche Würfel zeigt das exemplarisch (Abb. 1.9). Wir können in dem Sechseck mit den zwei eingeschriebenen Quadraten einen Würfel erkennen. Entweder wir interpretieren das untere Quadrat als »vorne«, dann sehen wir den Würfel von schräg oben, oder das Quadrat erscheint als »hinten«, dann sehen wir den Würfel von schräg unten. Bei konstanter Betrachtung springt unser räumlicher Eindruck alle drei Sekunden von der einen zur anderen Variante – wir können keine als eindeutig »richtig« erkennen. Die drei Sekunden bezeichnen die Wahrnehmungstheoretiker als »Pöppel’sche Konstante«.

Abb. 1.9 Neckerscher Würfel

Im Prinzip kann jede Axonometrie diesen hin und her springenden Eindruck erwecken. Wir sollten also darauf achten, durch Weglassen oder Stricheln verdeckter Linien oder durch Schatten den Raumeindruck eindeutig hervortreten zu lassen (Abb. 1.10).

Abb. 1.10 Darstellungsvarianten, um die Sichtbarkeit zu klären

Ob ein Objekt in Ober- oder Untersicht dargestellt werden soll, wird durch die Angabe der Koordinatenachsen im Bild festgelegt. Folgen in der Zeichenebene die positiven Pfeile der x- und y-Achse in positiver (mathematischer) Drehrichtung aufeinander, also gegen den Uhrzeigersinn, so erhält man eine Obersicht, ist die kurze Drehrichtung negativ, so erhält man eine Untersicht (Abb. 1.10).

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Skript Konstruktive Geometrie für den Studiengang Bauingenieurwesen © Prof. Dr.-Ing. Daniel Lordick – Institut für Geometrie – TU Dresden

za

za

Oa

Oa ya

xa

xa

ya

Abb. 1.11 links Obersicht und rechts Untersicht

Spezielle Axonometrien Es gibt vier spezielle Axonometrien, die wegen ihrer einfachen Annahmen und nützlichen Eigenschaften hier gesondert erläutert werden: Gundrissaxonometrie, Aufrissaxonometrie, Isometrie (genormt )und Dimetrie (genormt).

Grundrissaxonometrie (Militärriss) Bei der Grundrissaxonometrie wird der Grundriss unverzerrt in die Zeichnung übernommen. Dabei kann er nach Belieben zu den Blatträndern gedreht werden. Allerdings wird man Achslagen parallel zu den Blatträndern vermeiden. Anschließend trägt man die Höhen unverzerrt oder mit einem Verkürzungsfaktor zwischen 0,5 und 1 parallel zum linken Blattrand an. Sind die Höhen unverzerrt, so ist die Axonometrie isometrisch, sonst immer dimetrisch. Die Grundrissaxonometrie ist ein Schrägriss. In Architektur, Landschaftsarchitektur und Städtebau ist sie die bevorzugte axonometrische Darstellungsmethode.

zp

Op

xp

yp

Abb. 1.12 Grundrissaxonometrie

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Skript Konstruktive Geometrie für den Studiengang Bauingenieurwesen © Prof. Dr.-Ing. Daniel Lordick – Institut für Geometrie – TU Dresden Aufrissaxonometrie (Kavalierriss) Ausgehend vom Aufriss, der unverzerrt und mit seinen Koordinatenachsen y und z parallel zu den Blatträndern in die Zeichnung übertragen wird, wählt man eine beliebige, für den jeweiligen Zweck passende Richtung für das Bild der x-Achse (verschieden von x- und y-Achse). Die Maße in x-Richtung übernimmt man mit einem Verkürzungsfaktor zwischen 0,5 und 1 an. Ist der Faktor 1, so ist die Aufrissaxonometrie isometrisch, sonst immer dimetrisch. Auch die Aufrissaxonometrie ist ein Schrägriss. Die Aufrissaxonometrie eignet sich ausgezeichnet für Fassadenstudien und Detailskizzen (Abb. 1.13).

zp

Op

yp

xp Abb. 1.13 Aufrissaxonometrie

Isometrie (genormt) Bei der Isometrie nimmt man an, die Bilder der Achsen schließen immer gleiche Winkel von 120° ein (Abb. 1.14). Außerdem werden entlang der Achsen die Maße im selben Maßstab angetragen (isometrisch). Das führt aus Symmetriegründen dazu, dass die Isometrie ein Normalriss ist. Das heißt Kugeln haben in der Isometrie einen kreisförmigen Umriss. Die Isometrie ist besonders leicht zu zeichnen. Hat das Objekt jedoch ein würfelförmiges Modul, so ist die Isometrie nicht zu empfehlen, da die vordere Ecke des Einheitswürfels im Bild mit der hinteren Ecke zusammenfällt. Der Umriss des E...


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