Title | 3.1 Ableitung - Zusammenfassung Rechenmethoden in der Physik |
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Author | Oliver Nytsch |
Course | Rechenmethoden in der Physik |
Institution | Technische Universität Dresden |
Pages | 12 |
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Skript
...
3.1 Ableitung und Differential von (skalaren) Funktionen (1) Eine Funktion ist die Abbildung eines Elementes 𝑥 einer Menge 𝐴 (Definitionsbereich, Definitionsmenge) auf genau ein Element 𝑦 einer Menge 𝐵 (Wertebereich, Zielmenge):
Zur Erinnerung:
𝒇:
𝑨⟶𝑩
,
𝒙 ⟶ 𝒚 = 𝒇(𝒙)
Betrachten zunächst reellwertige Funktionen einer reellen Variablen, d.h. 𝐴 ⊂ ℝ, 𝐵 ⊂ ℝ. Beispiele: 𝑓(𝑥 ) = 𝑥 2 − 3𝑥 + 2 ,
𝑓(𝑥 ) = sin(𝑥)
(2) Eine Funktion 𝑦 = 𝑓 (𝑥 ) heißt an der Stelle 𝑥0 stetig, falls lim 𝑓 (𝑥 ) = 𝑓(𝑥0 ) 𝑥→𝑥0
(d.h., wenn der Grenzwert lim 𝑓(𝑥 ) vorhanden und gleich dem Funktionswert 𝑓(𝑥0 ) ist). 𝑥→𝑥0
Die Ableitung der Funktion 𝑦 = 𝑓 (𝑥 ) im Punkt 𝑥 ist definiert als d𝑓(𝑥) d𝑥
= lim
𝑓 (𝑥+∆𝑥)−𝑓(𝑥) ∆𝑥 ∆𝑥→0
≡
d
d𝑥
𝑓 (𝑥 ) ≡ 𝒇′ (𝑥 ).
(Grenzwert des Differenzenquotienten)
Geometrisch stellt 𝑓 ′ (𝑥) den Anstieg der Tangente im Punkt 𝑥 dar:
Die Funktion 𝑓 (𝑥 ) heißt differenzierbar im Punkt 𝑥, falls der Grenzwert 𝑓 ′ (𝑥) im Punkt 𝑥 existiert. Anmerkung:
Eine an der Stelle 𝑥0 differenzierbare Funktion ist dort auch stetig, jedoch muss eine an der Stelle 𝑥0 stetige Funktion nicht immer differenzierbar sein.
Differential 𝐝𝒇 :
Höhere Ableitungen:
d𝑓 = 𝑓 ′ (𝑥 ) d𝑥 𝑓 ′′ (𝑥 ) =
d
d𝑥
(stellt Zuwachs der Tangente im Punkt 𝑥 auf d𝑥 dar) Achtung: d𝑓 ist streng von ∆𝑓 zu unterscheiden!
𝑓 ′(𝑥) =
𝑑2 𝑓 (𝑥 ) d𝑥 2
;
𝑓 (𝑛) (𝑥 ) =
𝑑𝑛 𝑓 (𝑥 ) d𝑥 𝑛
′
= (𝑓 (𝑛−1) (𝑥 ))
mit 𝑓 (1) (𝑥 ) ≔ 𝑓 ′ (𝑥 )
3.2 Differentiationsregeln 𝑓 (𝑥 ) und 𝑔(𝑥 ) seien differenzierbar an den betrachteten Stellen. (a) Linearität:
d
d𝑓(𝑥 ) d𝑔(𝑥 ) ≡ 𝛼𝑓 ′ + 𝛽𝑔′ (𝛼𝑓(𝑥 ) + 𝛽𝑔(𝑥)) = 𝛼 + 𝛽 d𝑥 (b) Produktregel: d𝑥 d𝑥 d d𝑔(𝑥 ) d𝑓 (𝑥 ) ′ ′ (𝑓𝑔)′ ≡ 𝑔(𝑥 ) + 𝑓 (𝑥 ) d𝑥 ≡ 𝑓 𝑔 + 𝑓𝑔 (𝑓(𝑥 )𝑔(𝑥 )) = d𝑥 d𝑥 (c) Quotientenregel: 𝑓 ′ 𝑓 ′ 𝑔 − 𝑓𝑔′ ( ) = 𝑔 𝑔2 Spezialfall:
(d) Kettenregel: Es sei 𝑓 (𝑔(𝑥)) eine mittelbare Funktion von 𝑥 , dann d d𝑓 (𝑔) d𝑔(𝑥 ) 𝑓 (𝑔(𝑥)) = d𝑥 d𝑔 d𝑥
d
(
1
d𝑥 𝑔(𝑥)
)=−
𝑔′
𝑔2
(e) Ableitung der Umkehrfunktion: −1 −1 Zur Erinnerung: Es sei 𝑦 = 𝑓 (𝑥 ), dann ist !! die Umkehrfunktion 𝑓 gegeben durch 𝑥 = 𝑓 (𝑦).
Achtung: 𝑓 −1 (𝑥) ≠
Beispiele (mit 𝑥, 𝑦 ∈ ℝ):
1 𝑓(𝑥)
(1) 𝑦 = 𝑓 (𝑥 ) = 𝑥 3
⟹
𝑥 = 𝑦1
⁄3
⟹
𝑓 −1 (𝑥) = 𝑥 1⁄ 3
𝑓(𝑥 ) und 𝑓 −1 (𝑥) sind eindeutig ⟹ 𝑓(𝑥) heißt eineindeutig oder umkehrbar eindeutig
⟹ 𝑥 = ±𝑦 1 ⁄2 (2) 𝑦 = 𝑓(𝑥 ) = 𝑥 2 ⟹ Umkehrfunktion ist nicht eindeutig, es existieren zwei „Zweige“; Auswahl eines Zweiges durch Zusatzbedingung Wähle (z.B.) 𝑥 ≥ 0 ⟹ 𝑓 −1 (𝑥 ) = √𝑥 für 𝑥 ≥ 0
Es gilt: 𝑓 −1 (𝑓(𝑥)) = 𝑥 = 𝑓 (𝑓 −1 (𝑥))
Es sei 𝑦 = 𝑓 −1 (𝑥) und damit 𝑥 = 𝑓(𝑦). Aus 𝑓 −1 (𝑓(𝑦)) = 𝑦 folgt mit der Kettenregel dy dx =1 d𝑥 d𝑦
⟹
dy 1 = dx d𝑥 d𝑦
bzw.
d −𝟏 𝟏 | 𝒇 (𝒙) = d 𝒇(𝒚) d𝒙 d𝒚 𝒚=𝒇−𝟏(𝒙)
Man kann damit aus der Kenntnis der Ableitung von 𝒇 die Ableitung der Umkehrfunktion 𝒇−𝟏 bestimmen!
(f) Logarithmische Ableitung (𝑓(𝑥 ) reell) folgt d ′ (𝑥) 𝑓𝑓(𝑥) Aus ln|𝑓 (𝑥 )| = d𝑥
d 𝒇′ (𝒙) = 𝒇(𝒙) d𝒙 𝐥𝐧|𝒇(𝒙)|
3.3 Ableitung wichtiger (elementarer) Funktionen f(x)
𝑥𝑛 𝑛 ∈ ℝ 𝑒𝑥 ln |𝑥|
𝑎 𝑥 (für 𝑎 > 0) log 𝑎 (𝑥) sin 𝑥 cos 𝑥
tan 𝑥
arcsin 𝑥
arccos 𝑥 arctan 𝑥
f‘(x)
𝑛𝑥 𝑛−1 𝑒𝑥 1 𝑥 ln(𝑎) 𝑎 𝑥 1 ln(𝑎) 𝑥 cos 𝑥 − sin 𝑥
1 = 1 + tan2 𝑥 cos2 𝑥 1 √1 −1 √1
− 𝑥2
− 𝑥2
1 1 + 𝑥2
f(x)
f‘(x)
sinh 𝑥 cosh 𝑥
cosh 𝑥 sinh 𝑥 1 cosh2 𝑥 1
tanh 𝑥
Arsinh 𝑥
Arcosh 𝑥
(Areasinus Hyperbolicus)
(Areakosinus Hyperbolicus)
Artanh 𝑥
√1 + 𝑥 2 1
√𝑥 2 − 1 1 1 − 𝑥2
3.4 Mittelwertsatz und Taylorsche Reihe Mittelwertsatz der Differentialrechnung (Formel von Lagrange):
Es sei 𝑓(𝑥) stetig im abgeschlossenen Intervall [𝑥𝑜 , 𝑥] und differenzierbar im offenen Intervall ]𝑥𝑜 , 𝑥[, dann existiert mindestens ein 𝜁 ∈ [𝑥𝑜 , 𝑥] , so dass 𝒇(𝒙) − 𝒇(𝒙𝒐 ) = 𝒇′ (𝜻) 𝒙 − 𝒙𝒐 ⟹ 𝒇(𝒙) = 𝒇(𝒙𝒐 ) + (𝒙 − 𝒙𝒐 )𝒇′ (𝜻)
Hinweis zur Notation: [𝑎, 𝑏] ≔ {𝑥 ∈ ℝ | 𝑎 ≤ 𝑥 ≤ 𝑏 }
]𝑎, 𝑏[ ≡ (𝑎, 𝑏) ≔ {𝑥 ∈ ℝ | 𝑎 < 𝑥 < 𝑏}
Taylorsche Formel:
Jede Funktion 𝑓(𝑥), die im Innern eines Intervalls, das den Punkt 𝑥 = 𝑥𝑜 enthält, bis einschließlich 𝑛-ter Ordnung stetig differenzierbar ist sowie auch 𝑓 (𝑛+1) (𝑥) noch existiert, kann für alle Werte 𝑥 im Innern dieses Intervalls nach Potenzen der Differenz 𝑥 − 𝑥𝑜 entwickelt werden, und zwar gilt 𝒇′′ (𝒙𝒐 ) 𝒇(𝒏) (𝒙𝒐 ) + 𝑹𝒏 (𝒙) 𝒇(𝒙) = 𝒇(𝒙𝒐 ) + (𝒙 − 𝒙𝒐 )𝒇 𝒙𝒐 ) + (𝒙 − 𝒙𝒐 𝒏 𝒏! + ⋯ + (𝒙 − 𝒙𝒐 ) 𝒏 𝟐! 𝟏 (𝒙 − 𝒙𝒐 )𝝂 𝒇(𝝂) (𝒙𝒐 ) + 𝑹 (𝒙) =∑ 𝒏 𝝂! ′(
𝝂=𝟎
mit dem Restglied 𝑅𝑛 (𝑥 ) = (𝑥 − 𝑥𝑜 )𝑛+1
)𝟐
𝑓 (𝑛+1) (𝜁 ) (𝑛+1)!
(Lagrangesche Form des Restgliedes, 𝜁 zwischen 𝑥 und 𝑥𝑜 ).
(Für 𝑛 = 0 erhält man wieder den Mittelwertsatz der Differentialrechnung.)
Idee, die der Taylorschen Formel zugrunde liegt: Man nähert 𝑓(𝑥) in der Umgebung des festen Punktes 𝑥𝑜 durch ein Polynom 𝑃𝑛 (𝑥 − 𝑥𝑜 ) = 𝑎0 + 𝑎1 (𝑥 − 𝑥𝑜 ) + ⋯ + 𝑎𝑛 (𝑥 − 𝑥𝑜 )𝑛 der Ordnung 𝑛 an und bestimmt die Koeffizienten 𝑎𝜈 des Polynoms dadurch, dass man alle Ableitungen des Polynoms nach ∆𝑥 = 𝑥 − 𝑥𝑜 an der Stelle ∆𝑥 = 0 gleich denen der Ableitungen von 𝑓(𝑥) an der Stelle 𝑥𝑜 nimmt.
Falls die gegebene Funktion 𝑓(𝑥) Ableitungen jeder Ordnung besitzt und die Bedingung lim ( ) Reihe Taylorsche 𝑅𝑛 𝑥 = 0 erfüllt ist, so konvergiert die resultierende unendliche Reihe und man erhält die 𝑛→∞
∞
𝒇(𝒙) = ∑
𝟏
𝝂=𝟎 𝝂!
(𝒙 − 𝒙𝒐 )𝝂 𝒇(𝝂) (𝒙𝒐 )
(Entwicklung der Funktion 𝑓(𝑥) nach Potenzen der Differenz 𝑥 − 𝑥𝑜 ).
Für den Spezialfall 𝑥𝑜 = 0 wird obige Reihe auch als MacLaurinsche Reihe bezeichnet.
Nimmt man in der obigen Formel die Ersetzung 𝑥 ⟶ 𝑥𝑜 + ∆𝑥 vor und danach 𝑥𝑜 ⟶ 𝑥, so findet man 𝜈 mit Hilfe der Potenzreihenentwicklung für die Exponentialfunktion, 𝑒 𝑥 = ∑ ∞ 𝜈=0 𝜈! 𝑥 , die folgende 1
∞
d 1 d 𝜈 ∆𝒙 𝒇(𝒙) = [∑ (∆𝑥 ) ] 𝑓(𝑥 ) = 𝒆 d𝒙 𝒇(𝒙) 𝜈! d𝑥
kompakte Darstellung der Taylorschen Reihe 𝜈=0
In vielen Fällen kann man sich bei der Reihenentwicklung auf ein Polynom niedriger Ordnung beschränken.
Beispiel:
∞
sin 𝑥 = ∑ 𝜈=0(−1)𝜈
𝑥 2𝜈+1
(2𝜈+1)!
=𝑥−
𝑥3
3!
+
𝑥5
5!
−
𝑥7
7!
±⋯
(hier: 𝑥𝑜 = 0 gewählt)
Taylor-Reihe für einige wichtige (elementare) Funktionen ∞
𝑒 𝑥 = ∑ 𝜈=0 𝑥 𝜈 (für |𝑥 | < ∞) 𝜈! 3 ∞ 𝑥 sin 𝑥 = 𝑥 − + 𝑥 5 − 𝑥 7 ± ⋯ = ∑ 𝜈=0(−1)𝜈 𝑥 2𝜈+1 (für |𝑥 | < ∞) (2𝜈+1)! 5! 3! 7! 1
cos 𝑥 = 1 −
𝑥2
2!
+
𝑥4
4!
± ⋯ = ∑𝜈=0 (−1)𝜈 (2𝜈)!
−
𝑥6
+
1∙3 𝑥 5
6!
tan 𝑥 = 𝑥 + 3 𝑥 3 + 15 𝑥 5 + ⋯ 1
arcsin 𝑥 = 𝑥 +
arccos 𝑥 =
1 𝑥3 2 3
2
− [𝑥 + 2
𝜋
2∙4 5
1 𝑥3 2 3
+
+⋯
1∙3 𝑥 5 2∙4 5
𝑥 2𝜈
∞
(für |𝑥 | < ∞)
(für |𝑥 | <
𝜋
2
)
(für |𝑥 | < 1)
+ ⋯]
(für |𝑥 | < 1)
𝜈 arctan 𝑥 = 𝑥 − 3 𝑥 3 + 5 𝑥 5 ∓ ⋯ = ∑∞ 𝜈=0 (−1) (2𝜈+1) (für |𝑥 | < 1) 1
1
+ ⋯ = ∑∞ 𝜈=0 (2𝜈+1)!
5!
+
𝑥7 7!
tanh 𝑥 = 𝑥 − 3 𝑥 3 +
15
2
𝑥5 ∓ ⋯
sinh 𝑥 = 𝑥 +
cosh 𝑥 = 1 +
𝑥3
3!
𝑥2
2!
1
+
+
𝑥5
𝑥4
4!
+
𝑥6 6!
𝑥 2𝜈+1
+ ⋯ = ∑∞ 𝜈=0 (2𝜈)! 𝑥 2𝜈
𝑥 2𝜈+1
(für |𝑥 | < ∞)
(für |𝑥 | < ∞) (für |𝑥 | <
𝜋 2
)
Arsinh 𝑥 = 𝑥 −
1 𝑥3 2 3 1
+ 2∙4
1∙3 𝑥 5
5 5
∓⋯
∞
Artanh 𝑥 = 𝑥 + 𝑥 3 + 1 𝑥 + ⋯ = ∑𝜈=0 3 5 ln(1 + 𝑥) = 𝑥 −
(1 + 𝑥 )𝑚 = 1 +
𝑥2
2 𝑚 1
+
𝑥3
𝑚 𝑛 = ∑∞ 𝑛=0 ( 𝑛 )𝑥
2!
𝑥2 + ⋯ +
(für |𝑥 | < 1)
2𝜈+1 ) (𝑥2𝜈+1
∓ ⋯ = ∑ 𝜈=0(−1)𝜈+1
3 𝑚(𝑚−1)
𝑥+
∞
(für |𝑥| < 1)
𝑥𝜈𝜈
(für −1 < 𝑥 ≤ 1)
𝑚(𝑚−1)…(𝑚−𝑛+1) 𝑛!
𝑥𝑛 + ⋯
mit 𝑚 ∈ ℝ, 𝑛 ∈ ℕ (für |𝑥 | < 1) Newtonsche binomische Reihe
(Ist 𝑚 eine positive ganze Zahl, so bricht die Reihe bei dem Glied 𝑛 = 𝑚 ab und geht in die bekannte Formel des binomischen Satzes über)...