Abi 19 Heitmeyer PDF

Title Abi 19 Heitmeyer
Course Pädagogik
Institution Gymnasium (Deutschland)
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Summary

Zusammenfassung Heitmeyer Abitur...


Description

Zusammenfassung des Desintegrations-Verunsicherungs-Gewalt Konzepts von Wilhelm Heitmeyer Wilhelm Heitmeyer betrachtet die Ursachen von Gewalt aus unterschiedlichen Perspektiven (gesellschaftlich/strukturell; sozial/interpersonal; personal/intrapsychisch). Seine Grundthese ist, dass dem Individuum durch die Integration Anerkennung ermöglicht wird, die Vorausset-zung dafür ist, auch andere anerkennen zu können und sich gesellschaftlichen Normen (die zum Beispiel andere vor Gewalt schützen) zu unterwerfen. Mit dem Grad der Desintegrations-erfahrungen und -ängste, die das Individuum in einer zunehmend durch Individualisierung gekennzeichneten Gesellschaft erlebt, nimmt das Ausmaß und die Intensität von Konflikten zu- und die mögliche Regulierungsfähigkeit ab. Heitmeyers zentrale Annahme ist: „Wo sich das Soziale auflöst (Anomie), müssen die Folgen des eigenen Handelns für andere nicht sonderlich berücksichtigt werden.“

Die Ambivalenz der Individualisierung Auf der gesellschaftlichen Ebene ist sie prägendes Merkmal der Entwicklung seit den 60er Jahren und bedeutet, dass die Biografie eines Individuums zunehmend aus vorgegebenen Fixierungen herausgelöst wird. Der Prozess der Individualisierung bietet dem Menschen sowohl eine große Menge an Gestaltungsfreiheiten als auch damit einhergehend Gestaltungszwänge (vgl. Hurrelmann: Der Mensch wird als produktiver Realitätsverarbeiter zum „Gestalter seines eigenen Lebens“). Dies bezeichnet Heitmeyer als Ambivalenz der Individualisierung. Der Prozess der Individualisierung wird durch 3 Motoren vorangetrieben: 1. Pluralisierung von Lebensstilen durch Steigerung des materiellen Lebensstandards o Kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen -> mehr Konsum nahezu aller Schichten -> Auflösung klassen-spezifischer Milieus -> ausdifferenzierte Lebensstile (Wirtschaftswunder der 50er Jahre führte zu gesteigerter Lebensqualität in allen Klassen) 2. geographische und soziale Mobilität o Urbanisierung -> Vielzahl von Lebenswegen werden für jeden möglich -> Auflösung klassen-spezifischer Milieus (auch der Bauersohn kann in der Stadt studieren) o Voranschreitende Gleichberechtigung der Frau -> Auflösung traditioneller Lebensvorgaben (Erwerbstätigkeit der Frau) 3. Bildungsexpansion o Bildung ist für alle/mehr Leute möglich (als Folge der Urbanisierung) -> Fördert Selbstfindungs- und Reflexionsprozesse -> traditionelle Lebensarten werden infrage gestellt -> der eigene Lebensweg basiert auf eigenen Leistungen (Schreinersohn muss nicht Schreiner werden) Die Folgen der Individualisierung können auf 3 Ebenen analysiert werden. Diese Ebenen haben sich im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung folgendermaßen verändert: 1. gesellschaftlich-strukturelle Ebene o Privilegierte und Deprivierte existieren nebeneinander

2. interpersonale/soziale Ebene o Auflösung traditioneller, kollektiver Lebenszusammenhänge (z.B. Familie) -> Verlust sozialer Bindungen o Verlust traditioneller Sicherheiten (z.B. religiöse Vorstellungen) 3. intrapsychische/personale Ebene o unter hohen Anforderungen muss der Jugendliche eine Identität bilden Instabilität & Auflösung (des Gefühls) sozialer Zugehörigkeit o Beziehungsqualitäten in der Familie: instrumentalistische Umgangsweisen -> keine echte Liebe -> emotionale Desintegration o Inkonsistentes Elternverhalten ▪ Eltern mit unterschiedlichen der Norm- und Wertvorstellungen -> Kind weiß nicht, was richtig ist -> kann schlecht eigene Normen und Werte internalisieren ▪ Eltern, die kaum Zeit für ihre Kinder haben -> können die Probleme des Kindes nicht wahr- und ernstnehmen -> Vereinzelung & Vereinsamung o Geschwisterloses Aufwachsen -> Geschwister als „Lernort“, um Kompromisse zu schließen, fehlt -> Unfähigkeit des Jugendlichen, Kompromisse zu schließen o Konkurrenzbeziehungen in der Gleichaltrigengruppe (vgl. Hurrelmann Peergroup) -> man hat das Bedürfnis/den Drang sich als einzigartiges Mitglied der Gruppe zu profilieren -> Vereinzelung in der Gruppe 2. Auflösung/Gefährdung der Verständigung über gemeinsame soziale Wert- und Normvorstellungen o Normen und Werte sind heutzutage viel subjektiver, da sie nicht mehr traditionell festgelegt sind -> schwerer zu finden und zu begründen -> Entscheidungen sind ebenfalls schwerer zu begründen (da Eigeninitiative anstatt Traditionen Grundlage ist) -> Unsicherheitsgefühl o 3. ist ebenfalls Folge der fehlenden Gemeinsamkeiten bei Norm- und Wertvorstellungen

3. Auflösung/ Gefährdung der Teilnahmebereitschaft an gesellschaftlichen Institutionen o Gesellschaftliche Institution = Gruppe aus Leuten, die dem gleichen Ziel, bzw. dem gleichen Leitgedanken folgen und einen gesell. Auftrag haben o Schulische und berufliche Desintegration o Labilisierung kontinuierlicher Berufsperspektiven o Qualitativ unterschiedliche Arbeitshaltungen: sachlich-inhaltliche Motivation (Befriedigung wird in der Tätigkeit selbst gefunden) oder instrumentalistische Motivation (Positionierung gegen andere durchsetzen) -> letzteres birgt Gefahr, denn Positionierung ist das höchste Ziel, das auch durch Gewalt verfolgt werden kann ➔ Sobald man nicht mehr zu einer sozialen Gruppe gehört, gilt man als desintegriert. Desintegrationserfahrungen haben als Konsequenz das Fehlen von emotionaler, gesellschaftlicher und moralischer Anerkennung. Dies kann zu Verunsicherung führen, da man dort, wo man nicht mehr zu einer sozialen Gruppe gehört auch nicht mehr darauf achten muss, welche Konsequenzen die eigenen Handlungen für andere haben.

Verunsicherung Heitmeyer unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Formen. Zum einen gibt es die emotionale Verunsicherung (einschl. Zukunftsangst, niedriges Selbstwertgefühl und Unsicherheitsgefühle) und zum anderen die Handlungsunsicherheit (einschl. Orientierungs- Entscheidungs- und Wirksamkeitsproblemen). Auslöser: • • • • • •

Unlösbarkeit von Problemen Ungewissheit über den eigenen Status Unberechenbarkeit zukünftiger Ereignisse Fehlende Erklärung für Ursachen -> eigenes Versagen als Erklärung Diskrepanz zwischen eigenen und gesell. Erwartungen -> eigenes Versagen als Erklärung Unvereinbarkeit von eigenen Handlungen und denen der Anderen

➔ Als Lösung des Problems der Verunsicherung, sowohl der emotionalen als auch der Handlungsunsicherheit, wählen manche Menschen die Gewalt.

Gewalt Heitmeyer unterscheidet 3 Formen der Gewalt. Es können auch mehrere Formen der Gewalt in einem Fall vorkommen, wobei allerdings meistens eine überwiegt. 1. Expressive Gewalt → „Ich will Aufmerksamkeit.“ → Das Ziel der expressiven Gewalt besteht darin, seine Einzigartigkeit zu präsentieren. Auslöser hierfür ist die Unsicherheit über die eigene Identität. Durch die Anwendung

von Gewalt erlangen sie Aufmerksamkeit und bekommen eine Identität zugeschrieben („Schläger“). Diese Form ist besonders gefährlich, da die Opfer willkürlich und situationsbeliebig ausgesucht werden. Somit wird die Gewalt nicht kalkulierbar. 2. Instrumentelle Gewalt → „Ich will ein Problem lösen.“ → Hierbei ist das Ziel die Sicherung von Positionen und von Aufstieg. Die Ursache liegt meist im fehlenden Anschluss, wobei die Gewalt als individuell definierte „Problemlösung“ dient. Diese Form der Gewalt ist kalkulierbarer. 3. Regressive Gewalt → „Ich will Teil einer Gruppe sein und richte mich dafür gegen Minderheiten.“ → Diese Gewaltform zielt auf die Aufhebung von Desintegration ab. Die Menschen, die diese Gewalt ausüben, bei der die Opfer nach Nationalität und Ethik ausgewählt werden, haben soziale, berufliche oder politische Desintegrationserfahrungen gemacht und somit sowohl emotionale als auch Handlungsunsicherheit erfahren. Durch die kollektive Anwendung von Gewalt werden sie wieder in eine Gruppe integriert.

➔ Fazit: Gewalt ist oft Ausdruck von (emotionaler oder Handlungs-)Unsicherheit, die auf Desintegrationserfahrungen oder -potentiale schließen lässt. Diese sind meist Resultat der Unfähigkeit, eine Balance zwischen den Gestaltungsmöglichkeiten und -zwängen der Individualisierung zu schaffen. ➔ Da Gewalt meistens auf Widerstand und Ablehnung in der Gesellschaft trifft, ist es wahrscheinlich, dass gewalttätige Jugendliche weiterer Desintegration ausgesetzt werden. Somit bildet sich in gewisser Weise ein Teufelskreis.

Möglichkeiten der Prävention (vorbeugend) bzw. Intervention (eingreifend) im Sinne Heitmeyers: • • • •

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Das Individuum kann der Situation, in der es zu einer möglichen Verunsicherung kommen kann, aus dem Weg gehen; Das Individuum verhält sich vor einer möglichen Verunsicherung zweckmäßig wie alle anderen (Opportunismus); Eigene oder von außen formulierte Erwartungshaltungen überprüfen; Weiterhin kann das Individuum sein Selbstbild revidieren, seine Ambiguitätstoleranz erhöhen und toleranter mit sich selber sein, um eine Verunsicherung, die von ihm selbst ausgeht, zu vermeiden. („Jeder Mensch macht mal Fehler“); Selbstwertgefühl steigern und Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen; konstruktive Lösungsansätze aufzeigen bzw. schulen; Beziehungsqualitäten „steigern“ → stärken von sozialen Ressourcen für anstehende Entscheidungsprozesse; Zusätzlich gibt es die Möglichkeit der externen, professionellen Hilfe (bspw. psychologische Hilfe nach Mobbingerfahrungen);

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Anti-Aggressionstraining / Konfliktmanagement; Maßnahmen zur Stärkung der Empathiefähigkeit (z.B. Rollenspiele; Täter-Opfer-Ausgleich); klare Regeln ermöglichen dem Kind eine ebenso klare Orientierung ; Die Bestrafung aggressiven Verhaltens kann Aggression zwar hemmen, allerdings oft nur vorübergehend; In der Schule können konkrete Anti-Gewalt- Trainings-/Projekte durchgeführt werden, z.B. Trainingsraumprogramm; Streitschlichtung...


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